Urteil vom Bundessozialgericht - B 1 KR 31/17 R
Tenor
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Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. November 2016 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 6. April 2016 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 26. Juni 2014 und 16. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 verurteilt, die Speicherung eines künftig übersandten Lichtbildes des Klägers über den Zeitpunkt der Übermittlung der hiermit ausgestellten elektronischen Gesundheitskarte in den Herrschaftsbereich des Klägers hinaus zu unterlassen.
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Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten, ein ihr vom Kläger künftig zur Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) übersandtes Lichtbild bis zum Ende des Versicherungsverhältnisses zu speichern.
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Der Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert. Die Beklagte lehnte seine Anträge ab, ihm einen aktuellen Versicherungsnachweis ohne Lichtbild auszustellen, hilfsweise das Lichtbild nicht bis zum Ende des Versicherungsverhältnisses zu speichern (Bescheide vom 26.6.2014 und 16.1.2015; Widerspruchsbescheid vom 25.3.2015): KKn dürften Sozialdaten erheben und speichern, wenn sie für die Ausstellung einer Krankenversichertenkarte erforderlich seien. Unter "Ausstellung" sei die Erst- und die Ersatzausstellung zu verstehen. Die Pflicht zur Speicherung erlösche erst mit Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Das SG hat die Klage abgewiesen, gerichtet auf Ausstellung einer eGK ohne Lichtbild, hilfsweise auf Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die zur Erstellung der eGK eingesandten Lichtbilder zu speichern und auf Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Speicherung eines künftig eingesandten Lichtbildes nach Ausstellung der eGK (Gerichtsbescheid vom 6.4.2016). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die Beklagte sei zur Speicherung des Lichtbildes berechtigt. Es handele sich um Sozialdaten, die zur Ausstellung der eGK erforderlich seien. Die Pflicht zur Speicherung erlösche erst mit Beendigung des Versicherungsverhältnisses (Urteil vom 23.11.2016).
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Die Beklagte hat im Revisionsverfahren anerkannt, ein künftig vom Kläger zur Erstellung der eGK übermitteltes Lichtbild nach der Erstausstellung umgehend wieder zu löschen und nicht weiter zu speichern. Der Kläger hat das Anerkenntnis nicht angenommen.
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Der Kläger rügt mit seiner lediglich auf die bisherigen Hilfsanträge gerichteten Revision die Verletzung des § 284 SGB V und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG. Für die dauerhafte Speicherung des Lichtbildes fehle eine Rechtsgrundlage.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. November 2016 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 6. April 2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 26. Juni 2014 und 16. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 zu verurteilen, die Speicherung eines ihr künftig übersandten Lichtbildes des Klägers über den Zeitpunkt der Übermittlung der hiermit ausgestellten elektronischen Gesundheitskarte in den Herrschaftsbereich des Klägers hinaus zu unterlassen,
hilfsweise
festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, ein ihr künftig übersandtes Lichtbild des Klägers über den Zeitpunkt der Übermittlung der hiermit ausgestellten elektronischen Gesundheitskarte in den Herrschaftsbereich des Klägers hinaus bis zum Ende des Versicherungsverhältnisses zu speichern.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Der erkennende Senat ist durch das Anerkenntnis der Beklagten nicht an einer Entscheidung durch begründetes Sachurteil gehindert (dazu 1.). Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage in Gestalt der vorbeugenden Unterlassungsklage zulässig (dazu 2.) und begründet. Das LSG-Urteil verletzt revisibles Recht. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, ein ihr künftig übersandtes Lichtbild von ihm zur Ausstellung der eGK zu speichern, wenn die hiermit ausgestellte eGK in den Herrschaftsbereich des Klägers gelangt ist (dazu 3.).
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1. Der erkennende Senat ist trotz des erklärten Anerkenntnisses (zu den Anforderungen vgl zB BSGE 119, 293 = SozR 4-1500 § 101 Nr 2, RdNr 9 ff; BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 19 mwN) der Beklagten nicht gehindert, durch begründetes Sachurteil und nicht nur durch bloßes Anerkenntnisurteil zu entscheiden. Ein Anerkenntnisurteil ergeht im Revisionsverfahren nur auf gesonderten Antrag des Klägers (vgl § 555 Abs 3 ZPO idF durch Art 1 Nr 18 Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 mWv 1.1.2014, BGBl I 3786 iVm § 202 S 1 SGG idF durch Art 9 Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12.7.2018, BGBl I 1151 mWv 1.11.2018). Erklärt die Beklagte erst in der Revisionsinstanz ein Anerkenntnis, kann der Kläger wählen, ob der Rechtsstreit durch Anerkenntnisurteil oder durch streitige Entscheidung mit Begründung beendet wird. Die Regelung bringt die auch in der Revisionsinstanz geltende Dispositionsmaxime mit dem öffentlichen Interesse an der Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, der Wahrung der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts in ein neues, ausgewogenes Verhältnis. Die Beklagte kann Grundsatzentscheidungen des Revisionsgerichts nicht dadurch verhindern, dass sie den klägerischen Anspruch anerkennt (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu den Entwürfen eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs der BReg und des BRates, BT-Drucks 17/13948 S 35 zu Nr 18 - neu - <§ 555 ZPO-E>). Die Regelung gilt nach allen Auslegungsmethoden in Revisionsverfahren für alle, nicht nur für in der mündlichen Verhandlung erklärte Anerkenntnisse (aA Winter, NJW 2014, 267, 268 f; Koch in Saenger, ZPO, 7. Aufl 2017, § 555 RdNr 1).
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Die Voraussetzungen der entsprechenden Anwendung der Norm in Revisionsverfahren beim BSG sind erfüllt. Das SGG enthält hierzu keine Bestimmung über das Verfahren, sondern lediglich eine Regelung des angenommenen Anerkenntnisses des geltend gemachten Anspruchs (§ 101 Abs 2 SGG). Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Verfahren nach der ZPO und nach dem SGG schließen die entsprechende Anwendung der Regelung unter Berücksichtigung ihres Zweckes nicht aus (vgl zu § 173 S 1 VwGO entsprechend BVerwGE 152, 346 = Buchholz 406.256 TEHG Nr 3, RdNr 15). Es ist ohne Belang, dass das SGG nicht zusätzlich einen Einwilligungsvorbehalt für die Rücknahme der Revision kennt (so zB § 140 Abs 1 S 2 VwGO; vgl zum Ganzen Reichel, SGb 2015, 549, 551; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand Oktober 2018, § 101 Anm 1c cc und Anm 11 c, im Erscheinen begriffen; aA Fichte, SGb 2014, 254, 256 f).
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Der Kläger hat keinen gesonderten Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils gestellt, weder ausdrücklich noch sinngemäß. Die Regelung des § 555 Abs 3 ZPO steht einer Auslegung des Revisionsantrags des Klägers entgegen, hierin sinngemäß einen Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils zu sehen (vgl Reichel, SGb 2015, 549, 552; aA zur früheren, bis 2001 geltenden Rechtslage zB BSG SozR 1750 § 307 Nr 1 S 2; BSG Urteil vom 24.7.2003 - B 4 RA 62/02 R - Juris RdNr 18).
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2. Die Klage ist als kombinierte allgemeine Leistungs- und Anfechtungsklage zulässig (§ 54 Abs 4 SGG). Die isolierte oder echte Leistungsklage des Bürgers gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger ist innerhalb des Klagesystems des SGG, das im Verhältnis zwischen Bürger und öffentlich-rechtlichem Leistungsträger vom Verwaltungsakt als typischem Regelungsinstrument nach dem SGB X und der darauf aufbauenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ausgeht (§ 54 Abs 1, 2 SGG), die Ausnahme (vgl BSGE 112, 170 = SozR 4-1500 § 54 Nr 27, RdNr 12; BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 24). Der Kläger begehrt neben der Änderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung als Leistung, dass die Beklagte es unterlässt, ein künftig für seine eGK eingereichtes Lichtbild von ihm über den Zeitpunkt der Übermittlung der hiermit ausgestellten eGK in seinen Herrschaftsbereich hinaus zu speichern.
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Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für diese Klage auf eine zukünftige Leistung (vgl § 202 S 1 SGG iVm § 259 ZPO). Es liegt in der Besorgnis, dass die Beklagte - wie in ihrer Verwaltungsentscheidung angekündigt - bei Fälligkeit nicht leisten wird. Der Anspruch hat seine Grundlage in dem bestehenden Versicherungsverhältnis der Beteiligten und der vorinstanzlich geklärten Obliegenheit des Klägers, der Beklagten für seine eGK ein Lichtbild einzureichen (vgl zu den Anforderungen BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 3 S 7 mwN). Die Beklagte hat die Besorgnis, bei Fälligkeit des Anspruchs nicht zu leisten, nicht wirksam durch ihre Erklärung des Anerkenntnisses im Revisionsverfahren beseitigt. Es widerspräche dem dargelegten Schutzzweck des § 555 Abs 3 ZPO, im Allgemeininteresse Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, ließe man das Anerkenntnis der Beklagten genügen, um ein Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen.
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3. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch darauf, die Speicherung eines künftig übersandten Lichtbildes von ihm nach Übermittlung der hiermit ausgestellten eGK in seinen Herrschaftsbereich zu unterlassen. Rechtsgrundlage ist Art 17 Abs 1 Buchst a DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung - Verordnung <EU> 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl L 119 vom 4.5.2016). Danach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Der hiermit geregelte Löschungsanspruch umfasst auch den Anspruch gegen den Verantwortlichen, eine Speicherung zu unterlassen. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem zuvor bis 24.5.2018 in Deutschland geltenden Recht. Für das Löschen der für Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung bei KKn, Kassenärztlichen Vereinigungen und Geschäftsstellen der Prüfungsausschüsse gespeicherten Sozialdaten gilt § 84 Abs 2 SGB X entsprechend (vgl § 304 Abs 1 S 1 SGB V idF durch Art 2 Nr 21 GKV-VSG vom 16.7.2015, BGBl I 1211 mWv 1.1.2017). Diese Verweisung bezieht sich ab 25.5.2018 lediglich auf die DSGVO ergänzende Regelungen. Zuvor waren Sozialdaten nach der Gesetzesnorm auch zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die verantwortliche Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich war und kein Grund zu der Annahme bestand, dass durch die Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden (vgl § 84 Abs 2 S 2 SGB X idF durch Art 8 § 2 Nr 18 Buchst d Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18.5.2001, BGBl I 904 mWv 23.5.2001).
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a) Die Norm des Art 17 Abs 1 Buchst a DSGVO ist anwendbar. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Änderungen der Rechtslage sind bei kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen zu berücksichtigen (stRspr, vgl zB BSGE 43, 1, 5 = SozR 2200 § 690 Nr 4 S 16 f; BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 26; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand 1.4.2018, § 162 Anm 10b und § 163 Anm 4f mwN). Nach § 35 Abs 2 S 1 SGB I (idF durch Art 19 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften <BVGÄndG> vom 17.7.2017, BGBl I 2541, mWv 25.5.2018) regeln die Vorschriften des Zweiten Kapitels des SGB X und der übrigen Bücher des SGB die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die DSGVO unmittelbar gilt. Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallenden Tätigkeiten finden die DSGVO und dieses Gesetz entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist (vgl § 35 Abs 2 S 2 SGB I). Die Speicherung eines Lichtbildes durch eine KK, um eine eGK auszustellen, betrifft Sozialdaten im Sinne von § 35 SGB I (vgl zur früheren Rechtslage BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 15 ff). Sozialdaten sind personenbezogene Daten (vgl Art 4 Nr 1 DSGVO), die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden (vgl § 67 Abs 2 S 1 SGB X idF durch Art 24 Nr 2 BVGÄndG). Zu den in § 35 SGB I genannten Stellen gehören die KKn als Leistungsträger (vgl § 35 Abs 1 S 1 SGB I; § 12 S 1 SGB I; § 21 Abs 2 SGB I).
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Es bedarf im Hinblick auf die Auffangregelung in § 35 Abs 2 S 2 SGB I keiner Vertiefung, ob die DSGVO unmittelbar für den Streit gilt, ob eine KK ein Lichtbild für eine eGK dauerhaft speichern darf. Die Frage stellt sich, weil die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit findet, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt (vgl Art 2 Abs 2 Buchst a DSGVO). Nach Art 16 Abs 2 S 1 AEUV erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr. Bei der Tätigkeit der Union wird indes die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel (vgl Art 168 Abs 7 S 1 und 2 AEUV).
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Nach den übrigen Regelungen ist die DSGVO sachlich anwendbar (vgl Art 2 Abs 1 bis 4 DSGVO). Die von der Beklagten beabsichtigte elektronische, dem Kläger zugeordnete Lichtbildspeicherung, um eine eGK auszustellen, betrifft eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert werden sollen im Sinne von Art 2 Abs 1 DSGVO. Zu den personenbezogenen Daten zählen auch Lichtbilder mit Personenbezug (vgl Erwägungsgrund 51 der DSGVO; Klar/Kühling in Kühling/Buchner, Datenschutz-Grundverordnung/BDSG, 2. Aufl 2018, Art 4 Nr 1 RdNr 37; zur Videoaufnahme als personenbezogenes Datum iSd RL 95/46 EuGH Urteil vom 11.12.2014 - C-212/13 - Juris RdNr 22). Der Ausdruck "personenbezogene Daten" bezeichnet alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden "betroffene Person") beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann (vgl Art 4 Nr 1 DSGVO). Der Ausdruck "Verarbeitung" bezeichnet jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung (vgl Art 4 Nr 2 DSGVO). Der Ausdruck "Dateisystem" bezeichnet jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird (vgl Art 4 Nr 6 DSGVO). Eine Sammlung nach Namen geordneter gespeicherter Lichtbilder, mit deren Hilfe verlorene, zerstörte oder aus anderen Gründen unbrauchbar gewordene eGK neu erstellt werden sollen, zählt ohne Zweifel hierzu.
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b) Die Voraussetzungen des Anspruchs aus Art 17 Abs 1 Buchst a DSGVO sind künftig erfüllt, wenn die Beklagte das Lichtbild des Klägers weiter speichert, nachdem sie ihm eine hiermit ausgestellte eGK in seinen Herrschaftsbereich übermittelt hat. Der Kläger ist im Rechtssinne "betroffene Person", auf die sich das Bild bezieht. Er beantragte im Verwaltungsverfahren, die Speicherung des Lichtbildes nach Ausstellung der eGK zu unterlassen, und widersprach ihr vorsorglich. Die Beklagte ist "Verantwortlicher". Dieser Ausdruck bezeichnet die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche bzw können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden (vgl Art 4 Nr 7 DSGVO). Die Beklagte entscheidet als Behörde über die Dauer der Speicherung des Lichtbildes des Klägers. Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen (§ 67 Abs 4 SGB X idF durch Art 24 Nr 2 BVGÄndG).
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Die Beklagte hat das gespeicherte Lichtbild des Klägers unverzüglich zu löschen, wenn es für die Zwecke, für die sie es erhob, nicht mehr notwendig ist. So liegt es, wenn die hiermit erstellte eGK in den Herrschaftsbereich des Klägers übermittelt ist. Die Rechtsgrundlage zur Feststellung der Zwecke, für die der Verantwortliche die Daten erhob, ergibt sich aus der Regelung der rechtmäßigen Datenverarbeitung (vgl Art 6 DSGVO). Denn die Norm des Art 17 Abs 1 Buchst a DSGVO knüpft nach Wortlaut, Regelungssystem (vgl Art 17 Abs 1 Buchst d DSGVO) und -zweck an die Beendigung einer rechtmäßigen Datenverarbeitung an. Die Verarbeitung ist danach ua rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt (vgl Art 6 Abs 1 Buchst c DSGVO). Die Rechtsgrundlage hierfür wird ua festgelegt durch das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt (vgl Art 6 Abs 3 S 1 Buchst b DSGVO). Der Zweck der Verarbeitung muss in dieser Rechtsgrundlage festgelegt sein (vgl Art 6 Abs 3 S 2 DSGVO).
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Das hier berufene deutsche Recht genügt diesen Anforderungen. Danach ist die Erhebung von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Dies gilt auch für die Erhebung der besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art 9 Abs 1 DSGVO (vgl § 67a Abs 1 S 1 und 2 SGB X idF durch Art 24 Nr 2 BVGÄndG). Die anschließende Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen ist nur erlaubt, soweit datenschutzrechtliche Vorschriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB dies erlauben oder anordnen (vgl § 67b Abs 1 S 1 SGB X idF durch Art 24 Nr 2 BVGÄndG). Hierzu zählen die einschlägigen Regelungen der §§ 15, 284, 291 und 291a SGB V.
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Vorinstanzlich ist rechtskräftig im Einklang mit der Rspr des erkennenden Senats (vgl BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 17 ff) geklärt, dass die Beklagte auf dieser Grundlage vom Kläger ein Lichtbild einfordern und nutzen darf, um eine eGK auszustellen. Die damit einhergehende Berechtigung, das Lichtbild zu speichern, endet aber mit der Übermittlung der eGK in den Herrschaftsbereich des Klägers. Die KKn dürfen nämlich Sozialdaten wie das Lichtbild für die eGK für Zwecke der Krankenversicherung nur erheben und speichern, soweit diese ua für die Ausstellung der eGK erforderlich sind (vgl § 284 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 9 Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 21.12.2015, BGBl I 2408 mWv 29.12.2015). Die eGK ist mit einem Lichtbild des Versicherten zu versehen (vgl § 291 Abs 2 S 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 10 Buchst c Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 21.12.2015, BGBl I 2408 mWv 29.12.2015). § 284 SGB V regelt die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Erhebung und Speicherung von Sozialdaten durch die KKn bereichsspezifisch (vgl § 1 Abs 2 S 1 BDSG idF des Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes EU - DSAnpUG-EU - vom 30.6.2017, BGBl I 2097 und zu der bis zum 25.5.2018 geltenden Rechtslage BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 16; BSGE 107, 86 = SozR 4-1300 § 83 Nr 1, RdNr 22; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 18, 33 ff mwN).
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Mit Abschluss der Übermittlung der eGK ist der Zweck der Speicherung des Lichtbildes bei der KK beendet. Die Erlaubnis zur Datenspeicherung bezieht sich schon nach dem dargelegten Wortlaut begrifflich bloß auf die Ausstellung einer einzigen konkreten ("der") eGK, nicht etwa auf eine Vorratsspeicherung für alle während eines Versicherungsverhältnisses auszustellenden Karten. Der Begriff der "Ausstellung" umfasst nur die Herstellung und Übermittlung der einen eGK an den Versicherten, die ihn erreicht und ihm verfügbar ist. Herstellung und Übermittlung sind ein zeitlich abgrenzbarer Vorgang, kein Dauerzustand. Die Übermittlung ist in dem Moment abgeschlossen, in dem sich die Karte so im Herrschaftsbereich des Versicherten befindet, dass er sie als Berechtigungsnachweis im Sinne von § 15 Abs 2 SGB V verwenden kann. Der Versicherte kann die eGK dann zweckentsprechend nutzen, um sich - mittels Sichtkontrolle überprüfbar - auszuweisen (vgl BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 27). Ab diesem Zeitpunkt bedarf die KK der weiteren Lichtbildspeicherung "zur Ausstellung der eGK" nicht mehr. Die Norm des § 284 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V unterscheidet sich auch rechtssystematisch von Regelungen einer weiteren Ausstellung einer eGK. Das Gesetz sieht für diesen Fall grundsätzlich keine Gebührenpflicht des Versicherten vor (vgl § 15 Abs 6 S 1 SGB V). Muss die KK aufgrund von vom Versicherten verschuldeten Gründen eine eGK neu ausstellen, kann sie eine Gebühr von 5 Euro erheben (vgl § 15 Abs 6 S 3 SGB V). Die Gesetzesmaterialien ergeben nichts Abweichendes (vgl auch bereits BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 31 mit Hinweis auf Bales/Dierks/Holland/Müller, Die elektronische Gesundheitskarte, 2007, B I § 291 RdNr 19 f).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Referenzen
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