Stattgebender Kammerbeschluss vom Bundesverfassungsgericht (2. Senat 1. Kammer) - 2 BvR 429/11
Tenor
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1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. Januar 2011 - 1 Reha Ws 134/10 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht die Beschwerde gegen die Ablehnung der Rehabilitierung wegen der Unterbringung der Beschwerdeführerin in dem Jugendwerkhof Bad Köstritz im Zeitraum vom 9. September 1985 bis 15. Februar 1987 als unbegründet verworfen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
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2. Das Land Sachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung eines Antrags auf Rehabilitierung wegen der Unterbringung in einem Jugendwerkhof in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.
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1. Die am 9. Februar 1970 geborene Beschwerdeführerin verbrachte ihre Kindheit und Jugend überwiegend in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen der ehemaligen DDR. In ihrem Antrag auf Rehabilitierung, der sich zunächst auf alle Heimaufenthalte im Zeitraum von 1974 bis 1988 bezog, machte sie unter anderem geltend, vom Kinderheim Munzig aus sei sie am 9. September 1985 in den Jugendwerkhof Bad Köstritz überstellt worden. Sie sei an diesem Tag aus dem Unterricht abgeführt worden, ohne dass ihre Erzieher informiert gewesen seien. Sie vermute, dass der Heimleiter für die Verbringung in den Jugendwerkhof verantwortlich sei, weil sie ihn kurz zuvor "bei der Nachtwache einer Erzieherin bei einem Techtelmechtel" gesehen habe.
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In den Archivbeständen des Landkreises Bautzen konnten zwei die Beschwerdeführerin betreffende Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses des Rates des Kreises Bautzen über die Anordnung der Heimerziehung vom 23. März 1983 und vom 8. Juli 1987 aufgefunden werden. Anfragen bei dem Landkreis Görlitz und weitere Recherchen im Archiv Kamenz blieben ergebnislos.
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Aus dem Beschluss vom 23. März 1983 ergibt sich, dass für die Beschwerdeführerin am 13. Juni 1974 die Heimerziehung angeordnet worden war, weil ihre Mutter nicht mehr in der Lage gewesen sei, sie zu versorgen. Nach der Entlassung aus dem Heim im Jahr 1980 habe die Beschwerdeführerin seit Ende Dezember 1982 trotz wiederholter Hausbesuche durch die Klassenlehrerin die Schule nicht mehr besucht. Die Mutter sei nicht in der Lage, erzieherisch auf die Beschwerdeführerin einzuwirken und bitte um die Unterbringung ihrer Tochter in einem Heim der Jugendhilfe. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen im Kinderheim Munzig untergebracht. Aus dem Beschluss des Jugendhilfeausschusses vom 8. Juli 1987 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin im Februar 1987 aus dem Jugendwerkhof Bad Köstritz entlassen wurde.
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2. Das Landgericht wies den Antrag auf Rehabilitierung zurück. Zur Begründung führte es aus, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einweisung der Beschwerdeführerin der politischen Verfolgung gedient habe. Die Heimeinweisung sei auch nicht mit wesentlichen Grundsätzen der freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar. Anhaltspunkte dafür, dass sachfremde Erwägungen entscheidend gewesen sein könnten, ergäben sich aus den Unterlagen nicht. Soweit nicht bezüglich des gesamten Zeitraums der Heimeinweisung Unterlagen vorlägen, sei die erforderliche Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs nicht möglich. Der Nachweis allein, dass die Beschwerdeführerin sich in einem Heim befunden habe, reiche für eine Entscheidung ohnehin nicht aus. Maßgeblich sei der Heimeinweisungsgrund, der aber für den gesamten Zeitraum nicht mehr ermittelt werden könne. Allerdings sei davon auszugehen, dass auch der Aufenthalt in den nicht belegbaren Zeiträumen aufgrund der insgesamt vorliegenden Erkenntnisse über das Elternhaus der Beschwerdeführerin als rechtsstaatlich nicht bedenklich angesehen werden müsse. Das könne aber dahinstehen.
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3. Dagegen wendete sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Heimaufenthalte in den Jahren von 1983 bis 1988 mit der Beschwerde und machte unter anderem geltend, sie sei im Alter von 15 Jahren zu Unrecht in dem Jugendwerkhof Bad Köstritz untergebracht worden. Unterlagen zu der Verlegung in den Jugendwerkhof fehlten in den Akten. Der Jugendwerkhof sei ein Spezialheim für die Unterbringung schwererziehbarer Jugendlicher ab 14 Jahre gewesen, deren Umerziehung im Rahmen der Erziehungshilfe und anderer Möglichkeiten nicht mehr habe gewährleistet werden können. In der öffentlichen Wahrnehmung habe der Jugendwerkhof den Stellenwert einer Strafanstalt gehabt. Die Beschwerdeführerin sei durch ihre Unterbringung dort zu Unrecht kriminalisiert worden. Die Beschwerdeführerin habe keine Kenntnis der Gründe für die Einweisung. Es sei ihr kein Fehlverhalten genannt und nicht erklärt worden, weshalb sie in den Jugendwerkhof verbracht worden sei. Sie sei aus dem Schulunterricht von zwei Männern abgeholt worden, habe ihre Sachen einpacken müssen und sei mit unbekanntem Ziel weggebracht worden.
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4. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 10. Januar 2011 verwarf das Oberlandesgericht Dresden die Beschwerde als unbegründet. Es sei nicht feststellbar, dass die Einweisungen aus sachfremden Motiven erfolgt seien. Dass der Übergang in den Jugendwerkhof Bad Köstritz am 9. September 1985 aus anderen als aus Altersgründen - die Beschwerdeführerin habe das 15. Lebensjahr abgeschlossen gehabt und sei nicht mehr schulpflichtig gewesen - erfolgt sei, sei nicht mit Tatsachen unterlegt.
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5. Mit der Gehörsrüge machte die Beschwerdeführerin geltend, das Oberlandesgericht habe ihre Ausführungen zu der Einweisung in den Jugendwerkhof Bad Köstritz übergangen. Ihre Vermutung, dass der Leiter des Kinderheims Munzig diese aus sachfremden Gründen veranlasst habe, sei für das Verfahren von zentraler Bedeutung gewesen. Das Oberlandesgericht habe nicht erkennen lassen, dass es sich mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt habe. Sie sei entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts noch schulpflichtig gewesen. Außerdem hätten ihr Alter und der vermeintliche Wegfall der Schulpflicht ihre Unterbringung im Jugendwerkhof nach dem Recht der DDR nicht rechtfertigen können. Voraussetzung für eine Verlegung in einen Jugendwerkhof sei ein Beschluss des Jugendhilfeausschusses gewesen, dem die Feststellung einer Schwererziehbarkeit habe zugrunde liegen müssen. Sie sei aber weder schwererziehbar gewesen noch straffällig geworden. Sie könne den Willkürakt des Heimleiters nicht mit Tatsachen unterlegen, sondern nur Indizien benennen. Solche seien, dass sie den verheirateten Heimleiter beim Liebesspiel mit einer jungen Erzieherin beobachtet habe. Kurze Zeit später sei sie von zwei Männern aus dem Unterricht geholt und entgegen der üblichen Praxis von dem Heimleiter persönlich in seinem Privatwagen in den Jugendwerkhof verbracht worden. Keiner habe von der Maßnahme zuvor gewusst, weder ihr Gruppenerzieher und Schießtrainer im Heim noch ihre Mutter oder sie selbst. Weder ihre Lehrer noch ihre Erzieher hätten ein Fehlverhalten ihrerseits bestätigt.
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6. Das Oberlandesgericht wies die Gehörsrüge der Beschwerdeführerin zurück. Zur Begründung führte es aus, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei nicht verletzt. Im Kern enthielten die Ausführungen der Beschwerdeführerin den Vorwurf, der Senat habe hinsichtlich der Einweisung in den Jugendwerkhof Bad Köstritz fehlerhaft entschieden. Damit könne sie nicht gehört werden. Eine Rehabilitierung sei nur dann möglich, wenn die Gründe der Einweisung politischer Natur gewesen oder von anderen sachfremden Erwägungen geleitet worden seien. Letzteres werde zwar vorgetragen, sei aber nicht bewiesen. Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der für eine Rehabilitierung erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen gingen zu Lasten der Beschwerdeführerin.
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7. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 10. Januar 2011, soweit ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Rehabilitierung wegen der Unterbringung im Jugendwerkhof Bad Köstritz im Zeitraum vom 9. September 1985 bis 15. Februar 1987 zurückgewiesen worden ist. Sie rügt die Verletzung von Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.
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8. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa hat von einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.
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II.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
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Soweit das Oberlandesgericht annimmt, es sei nicht feststellbar, dass die am 9. September 1985 erfolgte Einweisung der Beschwerdeführerin in den Jugendwerkhof Bad Köstritz aus sachfremden Gründen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1999 (BGBl I S. 2264; Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG; geändert durch das Vierte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 2. Dezember 2010, BGBl I S. 1744) erfolgt sei, verstößt der Beschluss gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes.
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1. Das Rechtsstaatsprinzip enthält das Gebot, wirksamen Rechtsschutz zu gewähren, der grundsätzlich zu einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Verfahrensgegenstandes führen muss. Art. 2 Abs. 1 GG verleiht dem Einzelnen ein Recht auf effektiven Rechtsschutz. Dieses Recht ist verletzt, wenn die Gerichte die prozessrechtlichen Möglichkeiten etwa zur Sachverhaltsfeststellung so eng auslegen, dass ihnen eine sachliche Prüfung der ihnen vorgelegten Fragen nicht möglich ist und das vom Gesetzgeber verfolgte Verfahrensziel deshalb nicht erreicht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Mai 1995 - 2 BvR 1023/94 -, juris, Rn. 19).
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§ 10 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG verpflichtet die Gerichte zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen. Dies erschien dem Gesetzgeber nicht nur wegen der Nähe zum Strafverfahren notwendig, sondern auch im Hinblick auf die besondere Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber den Antragstellern und wegen der Schwierigkeit erforderlich, die häufig in ferner Vergangenheit liegenden Sachverhalte zu ermitteln. Das Gericht muss deshalb die für seine Entscheidung erheblichen Tatsachen selbst prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Mai 1995 - 2 BvR 1023/94 -, juris, Rn. 20). Es muss Hinweisen auf eine mögliche politische Verfolgung oder sonstige sachfremde Gründe unter Ausnutzung aller ihm im Freibeweisverfahren zur Verfügung stehenden Mittel nachgehen. Da es hierzu von Amts wegen verpflichtet ist, sind an die Darlegung durch den Antragsteller keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Mai 1995 - 2 BvR 1023/94 -, juris, Rn. 20; Herzler, in: Herzler/Ladner/Peifer/Schwarze/Wende, Rehabilitierung, 2. Aufl. 1997, § 10 StrRehaG Rn. 5, Rn. 8 a.E.). Das Gericht hat von sich aus - im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens - die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Maßnahmen zu treffen. Es hat - unterstützt von der Staatsanwaltschaft und durch die in § 10 Abs. 2 StrRehaG normierte Mitwirkungspflicht des Antragstellers - sämtliche Erkenntnisquellen zu verwenden, die erfahrungsgemäß dazu führen können, die Angaben eines Betroffenen zu bestätigen (vgl. BVerfGK 4, 119 <129> zu einer Rehabilitierung wegen einer Einweisung in die Psychiatrie; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2014 - 2 BvR 2782/10 -, juris, Rn. 53).
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Kommt es dieser Verpflichtung nicht nach, so verweigert es dem Betroffenen die von Rechtsstaats wegen geforderte Überprüfung erheblicher Tatsachen und verfehlt damit schlechterdings das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, zur Rehabilitierung politisch (Straf-)Verfolgter die fortdauernde Wirksamkeit von Urteilen der Gerichte (oder Entscheidungen der Behörden) der ehemaligen DDR zu durchbrechen. Ein solchermaßen ineffektives Rehabilitierungsverfahren steht in Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Mai 1995 - 2 BvR 1023/94 -, juris, Rn. 20).
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(Erst) wenn das Gericht alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft hat, entscheidet es in freier Beweiswürdigung (vgl. Herzler, in: Herzler/Ladner/Peifer/ Schwarze/Wende, Rehabilitierung, 2. Aufl. 1997, § 10 StrRehaG Rn. 7). § 10 Abs. 2 StrRehaG fordert insoweit nicht den vollen Beweis, sondern lässt die Glaubhaftmachung genügen. Damit wird für das Rehabilitierungsverfahren ausdrücklich klargestellt, dass der Richter sich für seine Überzeugungsbildung mit einem geringeren Maß an Wahrscheinlichkeit begnügen kann. Es genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. Herzler, a.a.O., § 10 StrRehaG Rn. 10). Die Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen geht allerdings zu Lasten des Antragstellers. Die Rehabilitierungsgerichte sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, im Zweifel für den Antragsteller zu entscheiden. Der Grundsatz in dubio pro reo gilt nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 2000 - 2 BvR 1601/94 -, juris, Rn. 2; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2014 - 2 BvR 2782/10 -, juris, Rn. 55).
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2. Nach diesem Maßstab hat das Oberlandesgericht seine Aufgabe zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes verfehlt, indem es der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfGK 4, 119 <130>).
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Die Vorschriften des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes finden auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, entsprechende Anwendung. Das gilt insbesondere für eine Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat, § 2 Abs. 1 StrRehaG. Für die Entscheidung über den Rehabilitierungsantrag der Beschwerdeführerin war daher erheblich, aus welchen Gründen es am 9. September 1985 zu ihrer Einweisung in den Jugendwerkhof Bad Köstritz gekommen ist.
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a) Die Beschwerdeführerin hatte im Verfahren die Vermutung geäußert, dass sie in den Jugendwerkhof verbracht worden sei, weil sie kurz zuvor den Direktor des Kinderheims Munzig in einer verfänglichen Situation mit einer Erzieherin beobachtet habe. Gründe für die Einweisung in den Jugendwerkhof oder ein Fehlverhalten seien ihr nicht genannt worden. Auch ihre Erzieher hätten von der Einweisung keine Kenntnis gehabt.
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Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin wertet das Oberlandesgericht zwar - wie sich aus seinem die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss ergibt - als Vortrag einer von sachfremden Zwecken geleiteten Einweisung im Sinne von § 2 Abs. 1 StrRehaG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG. Der Vortrag ließ zudem nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen, dass - wie die Beschwerdeführerin in der Anhörungsrüge und in der Verfassungsbeschwerde weiter ausgeführt hat - für die Einweisung in den Jugendwerkhof sämtliche der dafür nach dem Recht der ehemaligen DDR geltenden Voraussetzungen fehlten und diese deshalb mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar war (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 12. August 1996 - 1 Ws (Reha) 158/95 -, VIZ 1997, 317 <319>).
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b) Das Oberlandesgericht hat aber den Vortrag als nicht bewiesen angesehen und Versuche, den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären, von vornherein nicht in Betracht gezogen. Damit ist es seiner Aufgabe zur Amtsermittlung nicht hinreichend nachgekommen.
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aa) Seine Annahme, die Beschwerdeführerin könne, nachdem sie am 9. Februar 1985 15 Jahre alt geworden sei, im September 1985 allein aus Altersgründen in den Jugendwerkhof verlegt worden sein, ist mit den Regelungen der ehemaligen DDR über die Heimerziehung nicht vereinbar.
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(1) Das Heimsystem der DDR differenzierte stark zwischen "normal erziehbaren" und "schwererziehbaren" Kindern, wobei letztere einer repressiven Umerziehung ausgesetzt waren (Wapler, Rechtsfragen der Heimerziehung in der DDR, in: Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Expertisen - hrsgg. von dem Beauftragten der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer, März 2012, S. 37; S. 72 ff.).
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Gemäß § 1 der Anordnung über die Spezialheime der Jugendhilfe vom 22. April 1965 (DDR-GBl II S. 368) waren Spezialheime Einrichtungen der Jugendhilfe zur Umerziehung von Minderjährigen. In Spezialheime wurden schwererziehbare und straffällige Jugendliche sowie schwererziehbare Kinder aufgenommen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 der Anordnung). Sie gliederten sich in Aufnahmeheime, Spezialkinderheime für Kinder bis 14 Jahre und Jugendwerkhöfe für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren (§ 2 Abs. 1 der Anordnung; vgl. Wapler, a.a.O., S. 35; Laudien/Sachse, Erziehungsvorstellungen in der Heimerziehung der DDR, in: Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Expertisen - hrsgg. von dem Beauftragten der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer, März 2012, S. 180 ff.; Krausz, Jugendwerkhöfe in der DDR, 2010, S. 37 ff.; Jörns, Der Jugendwerkhof im Jugendhilfesystem der DDR, 1995, S. 57 ff.; S. 65 ff.; Sengbusch, Das System der Jugendwerkhöfe in der DDR, in: Materialien der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland", Band III.3, 1995, S. 1812 ff.).
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Demgegenüber waren nicht als schwererziehbar eingestufte Kinder in den sogenannten Normalheimen unterzubringen, wobei es Vorschulheime für Drei- bis Sechsjährige, Kinderheime für sechs- bis 16jährige und Jugendwohnheime für 16- bis 18jährige Kinder und Jugendliche gab, die von den Räten der Kreise verwaltet wurden (vgl. Wapler, a.a.O., S. 35).
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Zuständig für die Anordnung der Heimerziehung war gemäß § 23 Abs. 1 Buchstabe f der Verordnung über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Jugendhilfe vom 3. März 1966 (Jugendhilfeverordnung - JHVO, DDR-GBl II S. 215) der bei dem Rat des Kreises gebildete Jugendhilfeausschuss, der sich aus drei bis fünf in der Erziehungsarbeit erfahrenen Bürgern zusammensetzten sollte, § 16 JHVO. Das von dem Jugendhilfeausschuss zu beachtende Verfahren richtete sich nach §§ 36 ff. JHVO. War die Heimerziehung angeordnet, konnte das Kind oder der Jugendliche in ein Heim eingewiesen werden. Für die Einweisung waren die Organe der Jugendhilfe (bestehend aus dem Jugendhilfeausschuss und dem Referat Jugendhilfe des Rates des Kreises, vgl. § 4 Abs. 1 JHVO) zuständig, wobei die Auswahl des Heims grundsätzlich dem Referat Jugendhilfe des Rates des Kreises (vgl. § 15 JHVO) oblag (vgl. Wapler, a.a.O., S. 70 f.).
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(2) Dass die Beschwerdeführerin schon vor der Verbringung in den Jugendwerkhof in einem Spezialkinderheim untergebracht, also durch ein Organ der Jugendhilfe als schwererziehbar eingestuft worden war, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Befand sich die Beschwerdeführerin - wie sie auch geltend macht - zuvor in einem Normalkinderheim, kam eine Verlegung in den Jugendwerkhof (allein) aus Altersgründen nach dem Recht der ehemaligen DDR nicht in Betracht. Eine solche hätte zudem nach dem Ausgeführten bereits im Alter von 14 Jahren erfolgen müssen. Selbst wenn dennoch für die Verlegung - wie das Oberlandesgericht annimmt - allein Altersgründe maßgeblich waren, ist nicht nachvollziehbar, weshalb es dazu nicht spätestens zum Schuljahresende kam, sondern die Beschwerdeführerin (erst) am 9. September 1985 aus dem Unterricht heraus in den Jugendwerkhof verbracht wurde.
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bb) Vor diesem Hintergrund hätte der Vortrag der Beschwerdeführerin das Oberlandesgericht veranlassen müssen, auf weitere Angaben der Beschwerdeführerin zu den näheren Umständen ihrer Unterbringung im Jugendwerkhof hinzuwirken. Hätte das Oberlandesgericht auf die Notwendigkeit der Ergänzung des entsprechenden Tatsachenvortrags hingewiesen, hätte die Beschwerdeführerin auch Anlass gehabt, wie im Anhörungsrügeverfahren und nunmehr im Verfassungsbeschwerdeverfahren nachzutragen, welche erhebliche Bedeutung ihre Beobachtung für den verheirateten Leiter des Heims gehabt habe, sowie, dass sie eine "ganz normale 15jährige Schülerin" gewesen sei, weder ihre Erzieher noch ihre Lehrer ein Fehlverhalten ihrerseits bestätigt hätten, weder ihre Klassenleiterin noch ihre Mutter über ihre bevorstehende Einweisung in den Jugendwerkhof informiert gewesen seien und ihr Gruppenerzieher und Schießtrainer ihr an dem Tag, als sie überraschend aus dem Unterricht zum Einpacken ihrer Sachen in das Kinderheim und sodann in den Jugendwerkhof verbracht worden sei, "unter Tränen" versichert habe, "dass er nichts von der Sache wusste".
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cc) Auf der Grundlage dieses Vortrags hätte die Möglichkeit und Notwendigkeit weiterer Ermittlungen bestanden, von denen das Oberlandesgericht ohne Begründung abgesehen hat.
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(1) Es hätte zunächst durch eine Rückfrage bei dem Archiv des Landkreises Bautzen festgestellt werden können, ob die Art der Archivierung der aufgefundenen Beschlüsse, etwa in einer Sammelakte nach Vernichtung der (übrigen) Aktenbestandteile wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfrist, Rückschlüsse darauf zulässt, dass es einen Beschluss des Jugendhilfeausschusses über die Einweisung in den Jugendwerkhof Bad Köstritz nie gegeben hat.
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(2) Es hätte weiter nahegelegen, der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 2 StrRehaG aufzugeben, eine Sachverhaltsdarstellung ihrer Mutter einzureichen und den Heimleiter, ihre damalige Klassenleiterin und ihren Gruppenerzieher im Kinderheim Munzig namentlich zu benennen. Gegebenenfalls hätte sodann der - jedenfalls nicht von vornherein aussichtslos erscheinende - Versuch unternommen werden können, die genannten Personen zu ermitteln und sie als Zeugen zu vernehmen. Ferner können auch die Schulzeugnisse der Beschwerdeführerin aus dem Schuljahr 1984/85 möglicherweise Aufschluss darüber geben, ob schulische Schwierigkeiten oder sonstige Verhaltensauffälligkeiten der Beschwerdeführerin Auslöser für die Verlegung in den Jugendwerkhof gewesen sein können.
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(3) Einen weiteren Ermittlungsanhalt stellte die Möglichkeit dar, dass bei den Unterlagen des ehemaligen Jugendwerkhofs Bad Köstritz, die sich im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt und im Kreisarchiv des Landratsamts Greiz befinden, die Beschwerdeführerin betreffende Akten ermittelt werden könnten (vgl. Übersicht über den Verbleib von Unterlagen ehemaliger Jugendwerkhöfe in der DDR, Stand 30. Juni 2014, Bundesarchiv, abrufbar unter www.bundesarchiv.de). Die Beschwerdeführerin hatte bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass auch bei dem Jugendwerkhof Akten über sie geführt wurden, die Angaben zu den Einweisungsgründen enthalten haben sollen. Entsprechende Anfragen sind bisher unterblieben.
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(4) Schließlich ist dem Beschluss des Jugendhilfeausschusses vom 23. März 1983 zu entnehmen, dass die Angestellte beim Rat der Gemeinde Nostitz Frau K… damit beauftragt war, die Durchsetzung des weiteren Erziehungsprogramms im Dezember 1983, Juli 1984 und Januar 1985 zu kontrollieren und im Januar 1985 zu prüfen, ob eine Entlassung der Beschwerdeführerin möglich sei. Es hätte nahegelegen, durch eine - nicht von vornherein aussichtslos erscheinende - Anfrage bei dem Landkreis Bautzen oder der Stadt Weißenberg, in die die damalige Gemeinde Nostitz zwischenzeitlich eingemeindet worden ist, zu klären, ob diese Zeugin ermittelt werden kann. Gleiches gilt für die in dem Beschluss als zuständige Jugendfürsorgerin genannte Frau B….
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III.
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1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. Januar 2011 ist wegen des Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG), soweit das Oberlandesgericht die Beschwerde gegen die Ablehnung der Rehabilitierung wegen der Unterbringung der Beschwerdeführerin in dem Jugendwerkhof Bad Köstritz im Zeitraum vom 9. September 1985 bis 15. Februar 1987 als unbegründet verworfen hat. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Es kann daher dahinstehen, ob die Entscheidung des Oberlandesgerichts die Beschwerdeführerin auch in ihren Grundrechten aus Art. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
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2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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