Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 1. Kammer) - 1 BvR 984/17

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft verwaltungsbehördliche und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen über die nach dem Schulrecht des Landes Nordrhein-Westfalen verweigerte Aufnahme des Beschwerdeführers zu 1) an einer staatlichen katholischen Bekenntnisgrundschule.

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1. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) und ihr Sohn, der Beschwerdeführer zu 1), gehören dem islamischen Glauben an. Die Eltern begehrten die Aufnahme ihres Sohnes an einer staatlichen katholischen Bekenntnisgrundschule. Deren Träger ist die Stadt. Sie liegt 150 m entfernt von dem ehemaligen Wohnhaus der Beschwerdeführer. In der näheren Umgebung befinden sich in 3,3 km fußläufiger Entfernung sowie etwas weiter zwei staatliche Gemeinschaftsschulen.

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a) Das für die Aufnahme in der Bekenntnisschule von den Beschwerdeführern zu 2) und 3) auszufüllende Anmeldeformular enthielt den Hinweis, dass bekenntnisfremde Kinder grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufnahme an eine katholische Bekenntnisschule hätten. Die Schüler an der katholischen Bekenntnisgrundschule würden dem katholischen Bekenntnis entsprechend unterrichtet und erzogen. Hierzu gehöre auch die Teilnahme am katholischen Religionsunterricht und an den Schulgottesdiensten. Durch die Unterschrift werde bestätigt, dass dieses ausdrücklich gewünscht werde. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) erklärten sich mit einer Teilnahme des Beschwerdeführers zu 1) am Religionsunterricht und an den Schulgottesdiensten jedoch nicht einverstanden. Der Schulleiter lehnte daraufhin die Einschulung ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen.

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b) Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren hatte sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz keinen Erfolg. Der Beschwerdeführer zu 1) wurde in der 3,3 km vom Wohnort der Beschwerdeführer entfernten Gemeinschaftsgrundschule eingeschult. In der Hauptsache wies das Verwaltungsgericht die erhobene Klage ab. Der bekenntnisfremde Beschwerdeführer zu 1) habe keinen Anspruch auf Aufnahme in die katholische Bekenntnisschule, weil die Beschwerdeführer zu 2) und 3) seine Teilnahme am Religionsunterricht und an den Schulgottesdiensten ablehnten und der Beschwerdeführer zu 1) eine Gemeinschaftsgrundschule in zumutbarer Entfernung erreichen könne.

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c) Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück.

6

aa) Dem Beschwerdeführer zu 1) stehe kein Anspruch auf Aufnahme in die katholische Bekenntnisgrundschule nach § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 des Schulgesetzes Nordrhein-Westfalen (SchulG NW) zu. Der Schulleiter einer Bekenntnisgrundschule dürfe die Aufnahme eines bekenntnisfremden Schülers davon abhängig machen, dass seine Eltern sich mit seiner Unterrichtung und Erziehung im Sinne des die Schule prägenden Bekenntnisses und auch mit seiner Teilnahme am entsprechenden Religionsunterricht einverstanden erklärten. Dies beruhe auf Art. 12 Abs. 3 Satz 2 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen (Verf NW) und § 26 Abs. 3 Satz 1 SchulG NW. Danach würden Bekenntnisschulen für die Kinder des jeweiligen Bekenntnisses eingerichtet. Sie erhielten ihr bestimmendes Gepräge durch die weitgehende Homogenität ihrer Schüler- und Lehrerschaft und durch den bekenntnismäßigen Charakter der Schulerziehung und erfüllten einen spezifischen Erziehungsauftrag. Von Gemeinschaftsschulen unterschieden sie sich durch den Umfang ihrer Bindung an die Grundsätze des betreffenden Bekenntnisses. Während diese Bindung bei Gemeinschaftsschulen auf den Religionsunterricht beschränkt sei, erfasse sie bei Bekenntnisschulen den gesamten Unterricht und die Erziehung des Kindes in jeder Hinsicht.

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bb) Bekenntnisfremden Eltern und Schülern stünde ein unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 GG folgender Aufnahmeanspruch in die Bekenntnisschule daher nur ausnahmsweise zu. Dieser setze voraus, dass nach Aufnahme der bekenntnisangehörigen Kinder noch Kapazität vorhanden sei, und dass die Eltern die Ausrichtung der Schule auf die Grundsätze des fremden Bekenntnisses voll und ganz bejahten, also mit der Unterrichtung und Erziehung ihres Kindes im Sinne des entsprechenden Bekenntnisses einverstanden seien. Das schließe die Erteilung von Religionsunterricht im fremden Bekenntnis durch eine diesem Bekenntnis angehörende staatliche oder kirchliche Lehrkraft ein. Der Religionsunterricht sei an einer Bekenntnisschule nicht nur ordentliches Lehrfach, sondern gehöre zum elementaren Kern der Schule und mache einen wesentlichen Teil ihrer Identität aus.

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Der daher zulässigerweise erbetenen Erklärung, mit der Teilnahme am Religionsunterricht einverstanden zu sein, stehe nicht entgegen, dass den Erziehungsberechtigten durch Art. 7 Abs. 2 GG, Art. 14 Abs. 4 Verf NW sowie einfachgesetzlich durch § 31 Abs. 6 SchulG NW das Recht gewährleistet werde, über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der betroffene Schüler - wie hier - dem verpflichtenden Religionsunterricht nicht nur durch Befreiung vom Religionsunterricht entgehen könne, sondern auch durch den Besuch einer in zumutbarer Weise erreichbaren Gemeinschaftsschule. Die Eltern oder sonst Erziehungsberechtigten verhielten sich widersprüchlich, wenn sie sich stattdessen mit der Erziehung und Unterrichtung im Sinne des die Bekenntnisschule prägenden Bekenntnisses einverstanden erklärten, dies aber gerade für den Kern der entsprechenden Erziehung und Unterrichtung - nämlich den Religionsunterricht - von vornherein ausschließen wollten.

9

Soweit darin ein Eingriff in das Grundrecht des Art. 7 Abs. 2 GG gesehen werde, sei dieser durch kollidierendes Verfassungsrecht, Art. 7 Abs. 5 GG, gerechtfertigt. Denn das Grundgesetz setze mit dieser Vorschrift die Existenz öffentlicher Bekenntnisschulen und damit auch ihres spezifischen Erziehungsauftrags voraus. Dies gelte auch, soweit in die Grundrechte bekenntnisfremder Kinder auf Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) und ihrer Eltern (Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) auf Erziehung ihrer Kinder in religiöser oder weltanschaulicher Hinsicht eingegriffen werde. Auch die darin liegende Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG sei durch Art. 7 Abs. 5 GG gerechtfertigt.

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cc) Die Bekenntnisgrundschule habe hier ihren Status als solche auch nicht dadurch verloren, dass - wie die Beschwerdeführer geltend machten - ihre Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht entfallen seien, namentlich durch einen signifikanten Rückgang des Anteils formell bekenntnisangehöriger (katholischer) Schüler. Es könne offen bleiben, ob sie den an die formelle und materielle Homogenität von Bekenntnisschulen zu stellenden Anforderungen noch genüge. Es fehle jedenfalls an einem formellen Umwandlungsakt für eine Schulartänderung nach § 81 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SchulG NW. Dessen besondere Verfahrensregelungen (formeller, schriftlich zu begründender Beschluss des Schulträgers mit Genehmigungserfordernis) würden ansonsten umgangen. Dies widerspräche Sinn und Zweck des Erfordernisses eines formellen Umwandlungsaktes und auch der Vorstellung des Gesetzgebers.

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d) Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision wies das Bundesverwaltungsgericht zurück. Die von ihm aufgeworfenen Fragen seien nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Die Ablehnung, den Beschwerdeführer zu 1) an der katholischen Bekenntnisgrundschule aufzunehmen, stelle keinen Eingriff in das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Erziehungsrecht der Beschwerdeführer zu 2) und 3) und in die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG dar, weil sichergestellt sei, dass der Beschwerdeführer zu 1) die Schulpflicht in einer nicht bekenntnis- oder weltanschaulich gebundenen Gemeinschaftsgrundschule erfüllen könne.

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Die Ablehnung, den Beschwerdeführer zu 1) in die katholische Bekenntnisgrundschule aufzunehmen, verstoße auch nicht gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauung nach Art. 3 Abs. 3 GG. Das Grundgesetz gehe von der Zulässigkeit öffentlicher Bekenntnisschulen aus, woraus zwangsläufig folge, dass der Zugang zu diesen Schulen jedenfalls dann von dem vorbehaltlosen Einverständnis mit der Unterrichtung und Erziehung im Sinne des Bekenntnisses abhängig gemacht werden könne, wenn als Alternative für die Erfüllung der Schulpflicht Gemeinschaftsschulen als bekenntnismäßig oder weltanschaulich ungebundene öffentliche Schulen zur Verfügung stünden.

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2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 7 Abs. 2 GG.

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a) Ihre Verweigerung der Teilnahme sowohl am konfessionellen Religionsunterricht als auch an den Schulgottesdiensten falle in Gestalt der negativen Religionsfreiheit in den jeweiligen Schutzbereich der Grundrechte. Zentrales Gewicht komme dabei Art. 7 Abs. 2 und 3 GG zu. Der religiös neutrale Staat öffne zum einen die öffentliche Schule für den konfessionellen Religionsunterricht, der nach Art. 7 Abs. 3 GG den Status eines ordentlichen Unterrichtsfaches erhalte. Auf der Kehrseite stehe die Freiwilligkeit der Teilnahme, die durch Art 7 Abs. 2 GG vorgegeben werde und systematisch der Gewährleistung des Religionsunterrichts in Art. 7 Abs. 3 GG vorgehe. Dabei habe der Verfassungsgeber weder nach Schularten noch nach dem konfessionellen Stand der Betroffenen unterschieden. Art. 7 Abs. 2 GG konkretisiere und verstärke insoweit die Schutzrechte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

15

b) Die Versagung der Aufnahme in die Bekenntnisschule stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in diese Grundrechte dar. Aus dem Neutralitätsgebot folge ein Verbot staatlicher Anordnungen für einen individuellen Religionszwang. Die entsprechenden Grundlinien in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im 41. Band (vgl. BVerfGE 41, 29; 41, 65; 41, 88) bezögen sich daher auf alle staatlichen Schulen und nicht nur auf christliche Gemeinschaftsschulen.

16

Der bekenntnisgebundene Religionsunterricht könne nur freiwillig besucht werden. Aus dem Grundgesetz ergebe sich nicht, dass die Entscheidung über die Teilnahme am Religionsunterricht von unterschiedlichen Schultypen abhängig sei. Bundesverfassungsrechtlich sei für eine Differenzierung zwischen Religionsunterricht in Bekenntnisschulen und sonstigen Gemeinschaftsschulen nichts erkennbar. Deswegen komme es auch auf die fachgerichtlich priorisierte Frage, ob und wie lange es sich bei den öffentlichen Schulen um Bekenntnisschulen handele, mindestens in Bezug auf den Religionsunterricht, nicht an. Selbst wenn man Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit für beschränkbar hielte, griffe der Befreiungsanspruch durch seine Verstärkung in Art. 7 Abs. 2 GG trotzdem durch. Soweit das Oberverwaltungsgericht annehme, dass eine Bekenntnisschule ihren Charakter nicht dadurch verliere, dass sie auch bekenntnisfremde Schüler aufnehme, sondern es einer förmlichen Schulformänderung bedürfe, greife dies zu kurz. Da die entsprechenden Bewerber (die den katholischen Religionsunterricht und den Schulgottesdienst ablehnten) gar nicht in die Schule aufgenommen würden und es keine Schulsprengel mehr gebe, bestünde für die Beschwerdeführer zu 2) und 3) keine Möglichkeit, die Schulform einer solchen Schule mitzubestimmen.

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Es gehe auch fehl, dass die Rechtsprechung auf Ausweichmöglichkeiten abhebe. Wenn etwas Verbotenes verlangt werde, müsse der Grundrechtsträger nicht ausweichen. Die Verfassungswidrigkeit der Entscheidungen folge ferner daraus, dass über die Teilnahme am Religionsunterricht allein die Religionsgemeinschaften und nicht staatliche Stellen verfügen könnten. Auch aus historischer Sicht müsse sich die Möglichkeit der Befreiung vom Religionsunterricht auch auf staatliche Bekenntnisschulen beziehen. Denn schon unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung, als die überwiegende Zahl der Schüler eine Bekenntnisschule besucht habe, habe auch für diese eine Befreiungsmöglichkeit bestanden (Art. 149 Abs. 2 WRV).

18

Letztlich verstießen die gerichtlichen Entscheidungen bei einer konventionsrechtlichen Gesamtbetrachtung wegen des ausdrücklich ausgesprochenen Auftrags zur Sicherung der religiösen Pluralität an staatlichen Schulen auch gegen die Vorgaben der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).

II.

19

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat.

20

Die Verfassungsbeschwerde zeigt die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht in hinreichend substantiierter Weise auf.

21

1. Eine § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 130, 1 <21> m. w. N.). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt werden (BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 101, 331 <345 f.>; 130, 1 <21>). Es bedarf also einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage (BVerfGK 20, 327 <329>).

22

2. Daran gemessen setzen sich die Beschwerdeführer jedenfalls mit einer möglichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs in Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 7 Abs. 2 durch Art. 7 Abs. 5 GG als kollidierendes Verfassungsrecht unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Gebiet des Schulwesens nicht hinreichend auseinander.

23

a) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass Art. 7 Abs. 3 GG keine Festlegung der Schulformen enthält; er setzt vielmehr die verschiedenen Schultypen religiös-weltanschaulicher Art als rechtlich möglich voraus. Ebenso geht Art. 7 Abs. 5 GG davon aus, dass öffentliche Volksschulen als Gemeinschaftsschulen, Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen eingerichtet sein können. Nach dieser Vorschrift ist eine private Volksschule als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule nur zuzulassen, wenn eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht; das Grundgesetz geht also von der Zulässigkeit der genannten Schulformen auch als öffentliche Volksschule aus (vgl. BVerfGE 41, 29 <46>; 65 <86>). Daraus folgt, dass der Landesgesetzgeber dem Grundsatz nach bei der Wahl der Schulform für die öffentliche Volksschule in der Entscheidung für eine der genannten Formen oder auch für mögliche Zwischenformen frei ist (vgl. BVerfGE 41, 29 <46>).

24

Dies entspricht der generell anzunehmenden weitgehenden Gestaltungsfreiheit der Länder im Schulwesen (vgl. BVerfGE 6, 309 <354>; 34, 165 <182>; 41, 29 <44>; 53, 185 <196>; 59, 360 <377>; 75, 40 <67>; 108, 282 <302>), welche auch in Bezug auf die weltanschaulich-religiöse Ausprägung der öffentlichen Schulen gilt (vgl. BVerfGE 41, 29 <45>; 108, 282 <302>). Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht sich bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung schulrechtlicher Regelungen der Bundesländer grundsätzlich zurückzuhalten (vgl. BVerfGE 53, 185 <196>; 59, 360 <377>; 75, 40 <67>).

25

b) aa) Mit diesen Grundsätzen und den daraus möglichen Folgerungen setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert auseinander. Sie übersieht, dass das Grundgesetz schon aufgrund seines eindeutigen Wortlauts in Art. 7 Abs. 3 und 5 GG zwischen den einzelnen Schulformen der Gemeinschaftsschule, bekenntnisfreien Schule sowie der Weltanschauungs- und Bekenntnisschule differenziert und der Landesgesetzgeber aufgrund der Regelung in Art. 7 Abs. 5 GG öffentliche Bekenntnisschulen errichten kann, welche insoweit durch das Grundgesetz geschützt sind. Daraus resultieren zwangsläufig Differenzierungen zwischen den Schulformen, welche verfassungsrechtlich entsprechend zu würdigen sind. Dieses Verständnis wird durch die sogenannte Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 1) unterstrichen, in der auf die besondere Stellung der Bekenntnisschulen abgehoben wird. So führt das Bundesverfassungsgericht darin aus, dass die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine christliche Bekenntnisschule ist, mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar ist (vgl. BVerfGE 93, 1 <24>). Hiermit und der daraus letztlich resultierenden, möglicherweise differenziert zu betrachtenden Stellung des Religionsunterrichts und der Abhaltung von Schulgebeten in der Bekenntnisschule setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert auseinander, obgleich die Fachgerichte darauf eingegangen sind und den Religionsunterricht in Bekenntnisschulen als zu deren elementarem Kern gehörend und als wesentlichen Teil ihrer Identität bewertet haben.

26

Den Substantiierungsanforderungen insoweit vermögen die Beschwerdeführer auch nicht mit dem pauschalen Hinweis auf die Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität zu genügen. Diese verwehrt ihm zwar die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten und darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren (vgl. zum Ganzen BVerfGE 108, 282 <299 f.>). Jedoch ergibt sich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der öffentlichen Bekenntnisschule aus dem Grundgesetz selbst, welches damit eine entsprechende Wertung vornimmt (vgl. hierzu BVerfGE 125, 39 <84>). Dies berücksichtigen die Beschwerdeführer nicht, wenn sie annehmen, dass die Pflicht zur staatlichen Neutralität sich auf alle staatlichen Schulen bezöge, was auch aus den Beschlüssen des Senats vom 17. Dezember 1975 (u. a. die zitierte Stelle BVerfGE 41, 65 <78>) folge. Sie gehen daran vorbei, dass in den genannten Entscheidungen jeweils allein die Einführung der (christlichen) Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen im Streit stand. Zur Geltung des Neutralitätsgebots des Grundgesetzes in Bekenntnisschulen verhalten sich die Entscheidungen nicht. Der danach erforderlichen differenzierten Betrachtung der einzelnen Schulformen wird die Verfassungsbeschwerde mithin nicht gerecht.

27

bb) Ebenso wenig setzen sich die Beschwerdeführer mit der Kollision der nach Art. 7 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich vorausgesetzten und zulässigen öffentlichen Bekenntnisschule und dem von ihnen geltend gemachten Eingriff in ihre Rechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 7 Abs. 2 GG unter Heranziehung der Grundsätze der praktischen Konkordanz (vgl. hierzu BVerfGE 35, 202 <225>; 81, 278 <292 f.>; 93, 1 <21>; 97, 169 <176>) auseinander. Soweit sie meinen, der Anspruch auf Befreiung vom Religionsunterricht greife aufgrund seiner Verstärkung in Art. 7 Abs. 2 GG auch dann durch, wenn man Art. 4 Abs. 1 und 2 GG für beschränkbar hielte, wird auch dies nicht substantiiert. Ihr Vorbringen gegen die Würdigung der Verwaltungsgerichte, wonach dem Beschwerdeführer zu 1) der Besuch einer Gemeinschaftsschule im näheren Umkreis zumutbar sei, beschränkt sich auf das Argument, dass der Grundrechtsträger nicht ausweichen müsse, wenn etwas Verbotenes verlangt werde. Damit übersehen sie jedoch den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 41, 29 <48>, 88 <111, 115>; 93, 1 <24>) angelegten Grundsatz, wonach das Interesse der Schüler und Eltern im Konfliktfall im Wege der praktischen Konkordanz zurückzutreten hat, wenn zumutbare, nicht diskriminierende Ausweichmöglichkeiten zur Wahrung ihrer Grundrechte bestehen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei einer Bekenntnisschule um eine sogenannte Angebotsschule und nicht um die Regelschule handelt (vgl. BVerfGE 41, 88 <111>). Deren Besuch ist für Schüler damit nicht zwingend. Sie können grundsätzlich auf eine Gemeinschaftsschule ausweichen.

28

cc) Soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus die Auffassung vertreten, auf die fachgerichtlich priorisierte Frage, ob und wie lange es sich bei einer öffentlichen Schule um eine Bekenntnisschule handele, komme es mindestens in Bezug auf den Religionsunterricht nicht an, gehen sie über die Bedeutung der Gestaltungsfreiheit der Länder im Schulwesen hinweg und setzen sich mit den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht näher auseinander. Es hätte des Eingehens auf den Begriff und die Bedeutung der Bekenntnisschule nach dem Grundgesetz unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 12 Abs. 3 Satz 2 Verf NW bedurft und der Auseinandersetzung mit etwaigen Folgen der Nichterfüllung des Bekenntnisschulbegriffs. Dabei wäre auch das Erfordernis eines nach dem Landesrecht vorgeschriebenen formellen Umwandlungsaktes im Blick auf die Schulform nach § 81 Abs. 2 und 3, § 27 Abs. 3 SchulG NW zu berücksichtigen gewesen. Insofern bringen die Beschwerdeführer lediglich vor, dass es für die Beschwerdeführer zu 2) und 3) keine Möglichkeit gebe, die Schulform mitzubestimmen, da die entsprechenden Bewerber gar nicht erst in die Schule aufgenommen würden und es keine Schulsprengel mehr gebe. Der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts zum Sinn und Zweck eines geordneten und transparenten Verfahrens zur Änderung der Schulform im Sinne des § 81 SchulG NW setzen sie nichts Substantiiertes entgegen.

29

c) Einen Verstoß gegen Vorschriften der EMRK, der unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde ohnehin nicht gerügt werden kann, legt die Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht hinreichend dar. Das pauschale Abstellen auf eine konventionsrechtliche Gesamtbetrachtung genügt hierfür nicht.

30

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

31

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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