Einstweilige Anordnung vom Bundesverfassungsgericht (2. Senat 3. Kammer) - 2 BvR 2425/18

Tenor

1. Die Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 12. März 2018 - 9 K 68/15 - wird einstweilen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens auf die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.

Gründe

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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

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Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, welche der Beschwerdeführer für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Hoheitsakte anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 76, 253 <255>; BVerfGE 99, 57 <66>; stRspr).

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2. Die Verfassungsbeschwerde erscheint nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand jedenfalls weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Über den Antrag auf einstweilige Anordnung ist deshalb nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt zugunsten der Beschwerdeführerin aus.

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Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, könnte der Zuschlagsbeschluss vollzogen werden. Dadurch könnten nicht rückgängig zu machende schwerwiegende Folgen für Gesundheit und Leben der Beschwerdeführerin eintreten. Das von dem Landgericht Dessau-Roßlau eingeholte psychiatrische Gutachten stellt fest, dass der mit der Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses drohende Fortgang des Zwangsvollstreckungsverfahren bis hin zum endgültigen Verlust des Wohnhauses, ohne dass zuvor eine die Beschwerdeführerin stabilisierende psychiatrische Behandlung durchgeführt worden wäre, eine lebensbeendende Suizidhandlung sehr wahrscheinlich macht. Eine die Beschwerdeführerin stabilisierende Behandlung über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten hält das Gutachten bei entsprechendem Bemühen der Beschwerdeführerin auch für erfolgversprechend.

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Erginge demgegenüber die einstweilige Anordnung, bleibt die Verfassungsbeschwerde später aber ohne Erfolg, können die Gläubigerinnen und der Ersteher die Zwangsvollstreckung vorläufig nicht weiter betreiben. Auch dieser Nachteil hat Gewicht. Im Rahmen der nach § 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmenden Folgenabwägung muss das Interesse der Gläubigerinnen und des Erstehers an einer sofortigen weiteren Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses aber angesichts der überwiegenden, auf Seiten der Beschwerdeführerin drohenden irreparablen Nachteile für Gesundheit und Leben zurücktreten.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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