Ablehnung einstweilige Anordnung vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 1. Kammer) - 1 BvQ 85/19

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

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Der Antragsteller begehrt die Außervollzugsetzung familiengerichtlicher Entscheidungen, mit denen er nach § 12 HKÜ zur Rückführung seiner Tochter in die Schweiz verpflichtet worden ist. Er macht geltend, eine einstweilige Anordnung sei erforderlich, weil die Gerichte weder den vom ihm vorgebrachten Verdacht des sexuellen Missbrauchs seiner Tochter durch den Großvater mütterlicherseits noch den Aufenthalt des Kindes in Deutschland seit einem dreiviertel Jahr berücksichtigt hätten.

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Der Antrag ist abzulehnen, weil er unzulässig ist.

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> >1. Ein zulässiger Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG erfordert eine substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. August 2019 - 1 BvQ 63/19 -, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2018 - 1 BvQ 81/18 -, Rn. 2 m.w.N.). Dabei richten sich die Anforderungen eines isolierten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach den spezifischen Voraussetzungen für eine solche Anordnung; sie sind mit den Begründungsanforderungen im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht identisch (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. August 2019 - 1 BvQ 63/19 -, Rn. 2 m.w.N.).

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Zu den spezifischen Begründungsanforderungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gehört die Darlegung, dass der Antrag in der zugehörigen Hauptsache weder unzulässig noch offensichtlich unbegr52;ndet ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. August 2019 - 1 BvQ 63/19 -, Rn. 3; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2018 - 1 BvQ 81/18 -, Rn. 2). Für den Erfolg eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind die Erfolgsaussichten einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde insoweit relevant, als dem Eilrechtsschutzbegehren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht entsprochen werden kann, wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl. BVerfGE 140, 225 <226>; stRspr). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann darum lediglich Erfolg haben, wenn er so begründet ist, dass das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage der Antragsbegründung wenigstens summarisch verantwortbar beurteilen kann, dass eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. August 2019 - 1 BvQ 63/19 -, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Mai 2017 - 1 BvQ 19/17 -, Rn. 8).

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2. Diesen Voraussetzungen genügt der Antrag nicht.

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a) Der Antragsteller benennt nicht ausdrücklich, welche Grundrechtsverletzungen er zu rügen beabsichtigt. Die Antragsschrift kann allerdings dahingehend ausgelegt werden, dass der Antragsteller anstrebt, in der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch Übergehen seines Vortrags zum sexuellen Missbrauch sowie zum aktuellen Aufenthalt und der Integration des Kindes in Deutschland zu rügen. Da er zudem vorbringt, durch die Rückführung seiner Tochter in die Schweiz werde eine Kindeswohlgefährdung eintreten, lässt sich auch annehmen, er wolle mit der noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG geltend machen.

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b) Bei Zugrundelegung des Vortrags in der Antragsschrift ist jedoch bereits die Möglichkeit der Verletzung dieser Grundrechte beziehungsweise grundrechtsgleichen Rechte nicht ersichtlich. Sie liegt auch sonst nicht auf der Hand.

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aa) Besondere Umstände des Einzelfalls, die deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 27, 248 <251 f.>; 47, 182 <187 f.>), die für die Annahme einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden müssten, sind nicht ersichtlich.

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(1) Mit der Frage des sexuellen Missbrauchs setzen sich Amts- und Oberlandesgericht ausführlich auseinander. Sämtlicher vom Antragsteller benannter Vortrag wird angesprochen. Die Fachgerichte würdigen den Vortrag lediglich anders als der Antragsteller.

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(2) Den Vortrag zum langen Aufenthalt der Tochter des Antragstellers in Deutschland haben die Gerichte insoweit beachtet, als sie festgestellt haben, dass das Kind trotzdem weiterhin eine gute Beziehung zur Mutter hat. Zudem ist der Vortrag für die Entscheidung über die Kindesrückführung nicht von Bedeutung, denn die Frage, ob sich das Kind in die neue Umgebung eingelebt hat, führt nach Art. 12 Abs. 2 HKÜ lediglich dann zu einem Rückführungshindernis, wenn der Rückführungsantrag erst später als ein Jahr nach dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten gestellt wurde. Das ist hier nicht der Fall.

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bb) Die Antragsbegründung zeigt auch nicht die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 6 Abs. 2 GG auf. Anhaltspunkte, dass die Fachgerichte zu Unrecht eine Kindeswohlgefährdung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b HKÜ verneint haben, sind nicht ersichtlich. Insbesondere durften sie ‒ abgesehen davon, dass sie den geäußerten Verdacht als unsubstantiiert bezeichnen, ohne dass die Antragsschrift insoweit eine fehlerhafte Bewertung der Fachgerichte darlegt ‒ aufgrund der von den schweizerischen Behörden getroffenen Schutzanordnungen und der für glaubhaft befundenen Zusicherung der Mutter, bei der Aufklärung der Vorwürfe mitzuwirken, annehmen, dass keine Gefahr eines sexuellen Missbrauchs bei Rückführung des Kindes besteht. Erhebliche Fehler in der Sachverhaltsaufklärung insoweit sowie in Bezug auf die Annahme der Gerichte, dass sich das Kind der Rückführung nicht widersetzen werde, sind weder aus den Entscheidungen noch aus dem Vortrag in der Antragsschrift ersichtlich.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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