Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (9. Senat) - 9 B 105/09

Gründe

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Die Beschwerde ist unbegründet.

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1. Die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die sich auf das dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verständnis des Begriffs der notwendigen Folgemaßnahme i.S.d. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beziehen, können nicht zur Zulassung der Revision führen.

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a) Für klärungsbedürftig hält die Beschwerde insoweit die Fragen,

- ob eine Folgemaßnahme an gemeindlichen Anlagen, die zur Problembewältigung erforderlich ist, von der Planfeststellungsbehörde nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit planfestgestellt werden darf, wenn sie zwar einerseits eines umfassenden gemeindlichen Planungskonzepts bedarf, andererseits aber die gemeindliche Planungskonzeption bereits vorliegt (Darstellung der Trasse im Flächennutzungsplan) und durch gemeindliche Ausbaumaßnahmen bereits teilweise umgesetzt ist,

- ob die Detailplanung der Folgemaßnahme der Planfeststellungsbehörde überlassen werden kann, wenn die Trasse selbst bereits durch Darstellung im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist.

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Diese Fragen bedürfen nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, da sie sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ohne weiteres beantworten lassen. Nach dieser Rechtsprechung dient die Erstreckung der Planungskompetenz des Trägers eines Vorhabens auf notwendige Folgemaßnahmen an anderen Anlagen dem Gebot der Problembewältigung. Folgemaßnahmen sind zu treffen, um die Probleme zu lösen, die durch das Vorhaben für die Funktionsfähigkeit der anderen Anlagen - hier des Straßennetzes der Stadt D. - entstehen. Das Gebot der Problembewältigung rechtfertigt es freilich nicht, andere Planungen mit zu erledigen, obwohl sie ein eigenes umfassendes Planungskonzept erfordern. Insoweit unterliegt der Begriff der notwendigen Folgemaßnahme wegen seiner kompetenzerweiternden Wirkung räumlichen und sachlichen Beschränkungen. Folgemaßnahmen dürfen über Anschluss und Anpassung nicht wesentlich hinausgehen. Dies setzt dem Bestreben der Planfeststellungsbehörde Grenzen, in jeder Hinsicht optimale Lösungen zu entwickeln. Nicht alles, was in Bezug auf die anderen Anlagen in der Folge des Vorhabens wünschenswert und zweckmäßig erscheint, darf der Vorhabenträger in eigener Zuständigkeit planen und ausführen. Das gilt auch dann, wenn der für die andere Anlage zuständige Planungsträger mit einer weitreichenden Folgemaßnahme einverstanden ist; denn die gesetzliche Kompetenzordnung ist allen Hoheitsträgern vorgegeben (Urteile vom 12. Februar 1988 - BVerwG 4 C 54.84 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 3 S. 2 f., vom 26. Mai 1994 - BVerwG 7 A 21.93 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 30 S. 6 und vom 9. Februar 2005 - BVerwG 9 A 62.03 - Buchholz 316 § 78 VwVfG Nr. 10 S. 6; Beschluss vom 24. März 1999 - BVerwG 11 B 38.98 - juris Rn. 5).

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Die Beschwerde macht geltend, diese Grundsätze müssten modifiziert werden, wenn eine Folgemaßnahme zwar ein umfassendes gemeindliches Planungskonzept erfordere, dieses aber bereits vorliege; insoweit stehe eine höchstrichterliche Klärung noch aus. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch zu derartigen Fallgestaltungen bereits Stellung genommen. Mit Urteil vom 12. Februar 1988 (a.a.O. S. 3) und Beschluss vom 19. Dezember 1989 - BVerwG 4 B 224.89 - (Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 5 S. 6) hat es dazu ausgeführt, der Vorhabenträger habe auf bereits vorliegende Planungskonzepte des anderen Planungsträgers im Rahmen der planerischen Bewältigung der Folgen seines eigenen Vorhabens Rücksicht zu nehmen, wenn ein solches Konzept hinreichend konkret und verfestigt sei. Diese Aussage steht in einem unmittelbaren Sinnzusammenhang mit dem jeweils zuvor aufgestellten Grundsatz, dass selbst unvermeidbare Anpassungen nicht unter den Begriff der Folgemaßnahmen fallen, wenn sie ein umfassendes eigenes Planungskonzept voraussetzen. Sie erweist sich damit als Ausnahme von diesem Grundsatz, besagt also, dass Anpassungen, obgleich sie ein umfassendes eigenes Planungskonzept voraussetzen, zulässig sind, falls der insoweit originär zuständige Planungsträger ein solches Konzept bereits hinreichend konkret und verfestigt entwickelt hat und die Planung des Vorhabens auf dieses Konzept Rücksicht nimmt. Dagegen wird der weitere Rechtssatz, Folgemaßnahmen dürften über Anschluss und Anpassung nicht wesentlich hinausgehen, auch für den Fall des Vorliegens eines konkreten und verfestigten Planungskonzepts des anderen Planungsträgers nicht relativiert. Diese Begrenzung der Ausnahme ist der gesetzlichen Regelung geschuldet, die eine Kompetenzerstreckung nur auf notwendige Folgemaßnahmen vorsieht, die erweiterte Planungskompetenz des Vorhabenträgers also räumlich und sachlich auf das zur Bewältigung der durch das Vorhaben aufgeworfenen Probleme Notwendige beschränkt. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gibt mithin keine Handhabe, im Rahmen der Planfeststellung eines Vorhabens bereits entwickelte Planungskonzepte eines anderen Planungsträgers für sein Vorhaben mitzuerledigen, soweit sie über das zur Anpassung Notwendige weit hinausreichen (vgl. Beschlüsse vom 24. August 1987 - BVerwG 4 B 129.87 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 12 S. 16 und vom 3. August 1995 - BVerwG 11 VR 22.95 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 10 S. 3); denn insoweit geht es im Wesentlichen nicht mehr um Folgenbewältigung, sondern um eine selbstständige Planungsaufgabe, die mit der Folgenbewältigung allenfalls in lockerem Zusammenhang steht. Sie zu erfüllen, ist Sache des originär zuständigen Planungsträgers, dem nicht nur die Entwicklung des Planungskonzepts, sondern auch dessen fachplanerische Ausgestaltung obliegt.

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Soweit in dem Beschluss vom 3. August 1995 (a.a.O.) die Qualifizierung einer solchen übergreifenden Planung als notwendige Folgemaßnahme wegen der mangelnden Verfestigung des gemeindlichen Konzepts der Flächennutzungsplanung in der Form eines wirksamen Bauleitplans verneint worden ist, liegt dem keine abweichende Beurteilung zu Grunde. Es handelt sich bei dieser Erwägung nur um eines von mehreren Begründungselementen; auch und sogar in erster Linie stellt das Gericht auf die Reichweite der Folgemaßnahme ab, die Anschluss und Anpassung wesentlich überschreite.

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Wo die Grenze zwischen zulässiger Folgenbewältigung nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und unzulässiger Miterledigung eines weiterreichenden Planvorhabens verläuft, lässt sich nicht generell festlegen (Urteil vom 12. Februar 1988 a.a.O. S. 3; Beschluss vom 24. März 1999 - BVerwG 11 B 38.98 - juris Rn. 5). Die Vorinstanz ist in Würdigung von Quantität und Qualität der Maßnahmen zur Umgestaltung der S.straße zu dem Ergebnis gelangt, diese gingen über Anschluss und Anpassung weit hinaus. Sie hat diese Beurteilung vor allem auf den Umstand gestützt, dass der bisher im Süden als Sackgasse endende nördliche Ast der S.straße zum Bestandteil eines weiträumigen Nord-Süd-Straßenzuges mit der Funktion einer Hauptverkehrsstraße umgestaltet werden solle. Dass sich an diese Erwägung Fragen von grundsätzlicher Bedeutung knüpfen, ist nicht dargetan.

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b) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass das vom Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Begriffsverständnis der notwendigen Folgemaßnahme von den hierzu in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen nicht abweicht.

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2. Die Beschwerde wendet sich außerdem gegen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Ausbau des nördlichen Astes der S.straße auch deshalb keine notwendige Folgemaßnahme darstelle, weil der Anschlussstelle S.straße Nord der A 40, durch die zusätzlicher Verkehr auf die genannte städtische Straße geleitet wird, die Planrechtfertigung fehle. Auch die insoweit von ihr geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.

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a) Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde den Fragen bei,

- ob es über eine ausreichende Frequentierung der Anschlussstelle hinaus noch besonderer Gesichtspunkte bedarf, damit die Anbindung einer Gemeindestraße an die Autobahn eine ausreichende Planrechtfertigung hat,

- ob einer Verknüpfung einer Autobahn mit einer Gemeindestraße regelmäßig die Planrechtfertigung fehlt.

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Unter welchen Voraussetzungen eine Verknüpfung von Autobahnen mit Gemeindestraßen nach Maßgabe der Zielsetzungen des Bundesfernstraßengesetzes planerisch gerechtfertigt ist, braucht hier jedoch nicht geklärt zu werden, weil es sich bei den betreffenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts nur um eine weitere Begründung der Entscheidung handelt, die zu der oben (unter 1.) behandelten selbstständig tragenden Begründung hinzutritt.

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Dies liegt auf der Hand, soweit das Oberverwaltungsgericht dem Klagebegehren hinsichtlich der Planfeststellung des Ausbaus des nördlichen Astes der S.straße stattgegeben hat. Als - kumulative - Mehrfachbegründung erweist sich die Überlegung, der fraglichen Anschlussstelle fehle die Planrechtfertigung, aber auch insoweit, als das Oberverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss wegen mangelnder rechtlicher Teilbarkeit darüber hinaus insgesamt aufgehoben hat. Das Gericht hat hierzu ausgeführt, es treffe nicht zu, "dass der Planfeststellungsbeschluss auch ohne die Regelungen zum Bau des nördlichen Astes der S.straße bzw. der Anschlussstelle S.straße Nord der A 40 eine selbstständige und rechtmäßige, vom Träger des Vorhabens sowie von der Planungsbehörde auch so gewollte Planung zum Inhalt hätte, vielmehr würde ein Planungstorso verbleiben". Die gewählte sprachliche Verknüpfung der Anschlussstelle und des Straßenausbaus ("bzw.") bringt zum Ausdruck, dass zwischen den beiden genannten Vorhabenteilen und dem Kernvorhaben des Autobahnbaus jeweils selbstständige, gleichrangige Verknüpfungen hergestellt werden sollten, der Bau des planfestgestellten Abschnitts der A 40 sich also nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ohne den Ausbau der nördlichen S.straße in gleicher Weise als Torso erwiese wie ohne den Bau der Anschlussstelle. Der im Urteil an den zitierten Passus angefügte Hinweis darauf, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht die Frage der Teilbarkeit gesehen habe, führt nicht zu einem abweichenden Verständnis. Ausweislich des Verhandlungsprotokolls hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hierzu geäußert, "insbesondere die Anschlussstelle nebst Ausbau der nördlichen S.straße könnte nicht entfallen, ohne dass aus Sicht des Beklagten ein nicht gewollter Planungstorso verbliebe". Auch diese Formulierung stellt die Planungsteile des Baus der Anschlussstelle und des Stadtstraßenausbaus nebeneinander, ohne zum Ausdruck zu bringen, letztlich komme es für die Beurteilung der Teilbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nur auf den erstgenannten Planungsteil an.

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Ist die gerichtliche Entscheidung über die Gesamtaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses somit auf zwei selbstständig tragende Begründungen gestützt worden, so könnte die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht würde und vorläge (vgl. Beschluss vom 8. August 2008 - BVerwG 9 B 31.08 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 33 S. 8 m.w.N.). Dass es daran fehlt, ist oben (unter 1.) begründet worden.

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b) Aus demselben Grund kann es auf die geltend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der Ausrichtung von Autobahnplanungen auf lokale Verkehrsströme nicht ankommen.

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