Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 B 21/10

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt eine baurechtliche Genehmigung zum Einbau einer zweiten Wohneinheit im Erdgeschoss seines Wohnhauses. Das Berufungsgericht hat das Vorhaben des Klägers als planungsrechtlich nicht zulässig erachtet, weil es im Außenbereich liege und öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 2 und 3 BauGB beeinträchtige und zur Begründung ausgeführt: Selbst wenn wegen der im Bereich der Beigeladenen gegebenen Siedlungsstruktur von einem Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ausgegangen würde, fehle es jedenfalls an dem in dieser Vorschrift weiter vorausgesetzten Tatbestandsmerkmal des Bebauungszusammenhangs. Die ausgedehnten, im Wesentlichen landwirtschaftlich genutzten freien Flächen zwischen der Bebauung im nördlichen Bereich von Kronacker, in dem das Vorhaben des Klägers liege, und der nächstgelegenen südlichen Wohnbebauung sowie auf den (noch) weiter entfernten Grundstücken könnten nicht als Baulücke bewertet werden. Dem stehe schon deren Größe wie auch der Grundstückszuschnitt und die Struktur der aus landwirtschaftlicher (Wohn-)Bebauung und sonstigen Wohngebäuden bestehenden Umgebungsbebauung entgegen. Besondere Umstände, insbesondere topographische Besonderheiten, die angesichts dieser Gegebenheiten die Annahme eines Bebauungszusammenhangs rechtfertigen könnten, seien beim Augenschein nicht feststellbar gewesen. Weiträumige Bebauung schließe die Annahme eines Bebauungszusammenhangs (und eines Ortsteils) zwar nicht von vorne herein aus. Eine derart weiträumige Bebauung sei aber - wie der Augenschein gezeigt habe und auch aus den vorliegenden Luftbildern und Lageplänen ohne weiteres deutlich werde - keineswegs die für das Gemeindegebiet der Beigeladenen herkömmliche Siedlungsform. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB, weil es die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lasse.

II.

2

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

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1. Die Divergenz- und Grundsatzrügen, mit denen die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht überspanne die Voraussetzungen für das Vorliegen einer "organischen Siedlungsstruktur", wenn es ausführe, dass es städtebaulichen Grundsätzen widerspreche und damit nicht Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sei, wenn an mehreren Stellen auf für den Bestand und die Entwicklungsmöglichkeiten der landwirtschaftlichen Betriebe besonders wichtigen hofnahen Flächen eine dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht dienende Wohnbebauung zugelassen werde, rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt ist, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4).

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Die Darlegungen, mit denen die Beschwerde ausführlich nach Art einer Berufungsbegründung zur Entwicklung der Siedlungsstruktur und Bebauung im Ortsteil Kronacker vorträgt, beziehen sich zwar nicht nur auf die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht begründet, dass die vorhandene Bebauung mangels organischer Siedlungsstruktur keinen Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB darstellt, sondern betreffen erkennbar auch die zur Verneinung des Bebauungszusammenhangs angeführte Begründung, dass die gegebene Baustruktur - auch im Vergleich zu anderen Ortsteilen - nicht als die im Gemeindegebiet der Beigeladenen herkömmliche Siedlungsform anzusehen sei. Der Kläger weist denn auch auf die "Definition des Bebauungszusammenhangs" und Rechtsprechung des Senats zur Bedeutung von Baulücken hin und macht geltend, auf dieser Grundlage führe die unbebaute landwirtschaftliche Fläche Flur Nr. 1888 nicht dazu, dass sich der Bebauungszusammenhang innerhalb der Ortschaft Kronacker auflöse. Auch die Fragen, in welchem Umfang faktisch Bebauung vorhanden sein müsse, um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil anzunehmen bzw. welche Zahl von Gebäuden erforderlich sei, damit ein Bebauungskomplex das für einen Ortsteil erforderliche Gewicht i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB hat, versteht der Senat - sinngemäß - als Grundsatzrügen zum Thema "Bebauungszusammenhang". Aber auch mit diesem Vortrag zeigt die Beschwerde keinen Zulassungsgrund auf.

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Die Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu stellen sind, ist im Grundsatz in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (Beschluss vom 2. April 2007 - BVerwG 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383). Danach ist ausschlaggebend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (zusammenfassend Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 - BVerwGE 31, 20 <21 f.>). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden (Beschlüsse vom 18. Juni 1997 - BVerwG 4 B 238.96 - BRS 59 Nr. 78 und vom 15. September 2005 - BVerwG 4 BN 37.05 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 205).

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Dass diese Maßstäbe, die auch das Berufungsgericht angewandt hat, konkretisierungs- oder fortentwicklungsbedürftig sein könnten, zeigt die Beschwerde nicht auf. Ebenso wenig wird ein Rechtssatzwiderspruch i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgezeigt. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen Bebauungszusammenhang verneint hat, ist das Ergebnis der konkreten tatrichterlichen Beurteilung der für die Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse; einen abstrakten Rechtssatz enthält sie nicht. Der Sache nach wendet sich der Kläger lediglich gegen die Rechtsanwendung und tatrichterliche Sachverhaltswürdigung, die er für verfehlt hält.

7

Sollte der Hinweis auf Seite 8 (oben) der Beschwerdebegründung als Rüge der Aktenwidrigkeit zu verstehen sein, würde es an der Darlegung fehlen, welcher Widerspruch zwischen den tatsächlichen Annahmen des Berufungsgerichts und den sich aus dem Akteninhalt ergebenden Tatsachenumständen bestehen sollte. Zur Erhebung der Rüge der Aktenwidrigkeit bedarf es einer genauen Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 4. Juli 2001 - BVerwG 4 B 51.01).

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2. Die geltend gemachte Abweichung des angegriffenen Urteils von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 1998 (BVerwG 4 C 13.97 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 338 = NVwZ-RR 1999, 295) und einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sowie die Grundsatzrüge, mit der die Beschwerde die Frage geklärt sehen will, ob die Zulassung einer zweiten Wohneinheit ohne Wohnflächenvermehrung in einem genehmigten Einfamilienhaus im Außenbereich die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lasse, führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

9

Einen abstrakten Rechtssatz, von dem das Berufungsgericht abgewichen ist, zeigt der Kläger nicht auf, sondern macht auch hier lediglich Rechtsanwendungsfehler geltend. Wie auch die Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 24. Juni 2004 belegt (BVerwG 4 B 23.04 - BauR 2005, 73), hat das Berufungsgericht die von der Beschwerde referierte Rechtsprechung zugrunde gelegt. Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen kommt es zu der Einschätzung, dass dem Vorhaben gerade bei der Bau- und Nutzungsstruktur, wie sie in Kronacker herrsche, und angesichts des nicht zu leugnenden Siedlungsdrucks aus dem Großraum München eine nicht zu überschauende Bezugsfallwirkung und damit eine nicht genau übersehbare Vorbildwirkung zukomme. Der Kläger macht demgegenüber nur geltend, der Gesichtspunkt, dass Begehrlichkeiten geweckt werden könnten, gelte nicht in dieser Allgemeinheit (Beschwerdebegründung S. 18). Auch hier erschöpft sich der Vortrag darin, nach Art einer Berufungsbegründung der angefochtenen Entscheidung die eigene Auffassung entgegenzusetzen. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt indes weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).

10

Abgesehen davon beruhen die Rügen mit der Einschränkung, "wenn in dem Ortsteil die Schaffung und bauaufsichtliche Genehmigung einer zweiten Wohneinheit in dem vorhandenen Gebäudebestand die Siedlungsstruktur bestimmt" (Beschwerdebegründung S. 15, 20), auf Prämissen, von denen das Berufungsgericht nicht ausgegangen ist. Die Beschwerde behauptet lediglich, dass infolge von Genehmigungen der zuständigen Bauaufsichtsbehörde zugeordnet zu bzw. an Stelle der landwirtschaftlichen Anwesen Wohnhäuser jeweils mit mindestens zwei Wohneinheiten geschaffen worden seien (Beschwerdebegründung S. 4) und wiederholt bzw. nimmt Bezug auf die zur "organischen Siedlungsstruktur" vorgetragenen Argumente, um zu begründen, dass das Vorhaben seiner Auffassung nach nicht zur Verfestigung einer Splittersiedlung führe (Beschwerdebegründung S. 16 f.), sondern sich organisch in die bestehende Bebauung einfüge (Beschwerdebegründung S. 19). In dem angefochtenen Urteil finden sich keine solchen Feststellungen.

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