Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (6. Senat) - 6 B 60/10
Gründe
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Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) und der Divergenz (2.) stützt, bleibt ohne Erfolg.
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1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
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Die Beschwerde will geklärt wissen: "Entfaltet § 21 Abs. 3 TKG auch gegenüber dem Betreiber eines öffentlichen Telefonnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, subjektiv-rechtliche Schutzwirkung? Ist daher die Auferlegung einer Verpflichtung zur Zusammenschaltung einschließlich der Verpflichtung zur Erbringung von Zusammenschaltungsleistungen sowie Kollokation nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 TKG ein zugleich belastender und begünstigender Verwaltungsakt, der einen Anspruch auf Auferlegung dieser Zugangsverpflichtungen für alle beteiligten Parteien einer Zusammenschaltung gewähren kann?" Diese Frage bedarf, soweit sie sich im Streitfall stellt, keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres dahin beantworten, dass das gemäß §§ 10, 11 TKG als marktmächtig identifizierte Unternehmen keinen Anspruch darauf hat, dass ihm selbst eine Zugangsverpflichtung auferlegt wird.
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Gemäß § 9 Abs. 2 TKG werden einem Unternehmen, das auf einem Telekommunikationsmarkt über beträchtliche Marktmacht verfügt, regulatorische Maßnahmen auferlegt, zu denen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG auch Zugangsverpflichtungen gemäß § 21 TKG zählen. Durch diese nationalen Vorschriften werden die unionsrechtlichen Vorgaben der Art. 8 ff. der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung - Zugangsrichtlinie, ZRL - umgesetzt. Soweit die danach von der Regulierungsbehörde aufzuerlegenden Verpflichtungen "der Art des aufgetretenen Problems entsprechen" und im Hinblick auf die Regulierungsziele angemessen und gerechtfertigt sein müssen (Art. 8 Abs. 4 Satz 1 ZRL), ist mit dem "Problem" die beträchtliche Marktmacht gemeint, gegenüber der Wettbewerbsunternehmen und Endverbraucher, nicht aber das marktmächtige Unternehmen selbst, schutzbedürftig sind; die rechtlich erheblichen Interessen des regulierten Unternehmens erstrecken und beschränken sich demgegenüber darauf, dass die ihm auferlegten Verpflichtungen ihrerseits die Grenze der Verhältnismäßigkeit nicht überschreiten.
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Demgemäß schützt der mit der amtlichen Überschrift "Zugangsverpflichtungen" versehene § 21 TKG das marktmächtige Unternehmen davor, mit zu weit gehenden, durch die Regulierungsziele nicht mehr gerechtfertigten Verpflichtungen überzogen zu werden. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck des § 21 TKG lässt sich dagegen ein Anspruch des marktmächtigen Unternehmens darauf entnehmen, dass ihm selbst eine Zugangsverpflichtung, insbesondere eine Pflicht zur Zusammenschaltung und zur Gewährung von Kollokation (§ 21 Abs. 3 Nr. 2 und 4 TKG), auferlegt wird, wenn die Bundesnetzagentur davon - wie hier - abgesehen hat. Zwar schließt § 21 Abs. 1 Satz 1 TKG "andere Unternehmen", nämlich die mit dem marktmächtigen Unternehmen in Wettbewerb stehenden Unternehmen, in seinen Schutzzweck ein, sodass diese den Erlass einer Zugangsverpflichtung zulasten des marktmächtigen Unternehmens verlangen können (Urteil vom 28. November 2007 - BVerwG 6 C 42.06 - BVerwGE 130, 39 Rn. 13 ff. = Buchholz 442.066 § 132 TKG Nr. 1 m.w.N.; ebenso: EuGH, Urteil vom 21. Februar 2008 - C-426/05 - Slg. 2008, I-685 Rn. 34 f. zu Art. 12 ZRL). Das marktmächtige Unternehmen selbst ist aber kein "anderes" Unternehmen und damit kein Anspruchsberechtigter in diesem Sinne.
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Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass eine auferlegte Zugangsverpflichtung Nebenwirkungen entfaltet, die das verpflichtete Unternehmen als günstig erachten mag, insbesondere die Möglichkeit, bei der Bundesnetzagentur im Fall des Scheiterns einer Zugangsvereinbarung (§ 22 TKG) den Erlass einer Zugangsanordnung nach § 25 TKG zu beantragen, in der alle Bedingungen einer Zugangsvereinbarung sowie die Entgelte geregelt werden können (§ 25 Abs. 5 Satz 1 TKG). Die Zugangsanordnung dient der Durchsetzung des aufgrund der auferlegten Zugangsverpflichtung bestehenden Kontrahierungszwangs (Piepenbrock/Attendorn, in: Beck TKG, 3. Aufl. 2006, § 25 Rn. 2). Daraus folgt umgekehrt, dass sich nur derjenige auf ein Recht aus § 25 TKG berufen kann, der kraft einer auferlegten Zugangsverpflichtung dem dort vorausgesetzten Kontrahierungszwang unterliegt. Der Hinweis der Beschwerde auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, wonach ein begünstigender Verwaltungsakt (schon) durch einen rechtlich erheblichen Vorteil gekennzeichnet werde, für den auch die subjektive Einschätzung der Interessenlage durch den einzelnen Betroffenen Bedeutung erlangen könne, verfängt demgegenüber nicht. Denn die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach der subjektiv-rechtlichen Schutzwirkung des § 21 TKG im Hinblick auf die erstrebte Auferlegung einer Zugangsverpflichtung ist unmittelbar aus dieser Norm heraus zu beantworten und nicht - gewissermaßen umgekehrt - aus dem Normzweck des § 48 VwVfG über die Rücknahme einer Begünstigung, der auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet.
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Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht daraus, dass die Entscheidung über die Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen das Ergebnis einer umfassenden und komplexen Abwägung ist, bei der im Rahmen des der Bundesnetzagentur zustehenden Regulierungsermessens alle betroffenen öffentlichen und privaten Belange zu berücksichtigen, zu gewichten und auszugleichen sind (Urteil vom 28. November 2007 a.a.O. Rn. 28 f.). Daraus folgt zwar, dass eine Regulierungsverfügung, die wegen erheblicher Abwägungsfehler ein schlüssiges Regulierungskonzept vermissen lässt, auf die Anfechtungsklage des regulierten Unternehmens der Aufhebung durch das Verwaltungsgericht unterliegen kann. Auch daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass dieses Unternehmen berechtigt wäre, von der Bundesnetzagentur die Ergänzung einer Regulierungsverfügung um eine bestimmte zusätzliche Regulierungsverpflichtung zu verlangen.
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2. Die Revision ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
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a) Das angefochtene Urteil widerspricht nicht dem oben genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 2007. Diese Entscheidung stützt sich zwar, wie schon erwähnt, auf den allgemeinen Rechtssatz, dass Wettbewerbsunternehmen des marktmächtigen Unternehmens in den Schutzzweck des § 21 TKG einbezogen sind und daher auf die Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen gegenüber dem marktmächtigen Unternehmen klagen können. Ein Rechtssatz, der ein Klagerecht mit dieser Zielrichtung auch dem marktmächtigen Unternehmen selbst zuordnen würde, liegt dem vorgenannten Urteil aber entgegen der Behauptung der Beschwerde nicht zugrunde.
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b) Ebenso wenig ist ein Widerspruch zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 1990 - BVerwG 9 C 12.89 - (BVerwGE 85, 79 <85> = Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr. 14 S. 22 f.) ersichtlich. Soweit die Beschwerde darin einen abstrakten Rechtssatz des Inhalts erkennen will, dass "ein Verwaltungsakt, dessen Existenz als Tatbestandsmerkmal aufgrund ausdrücklicher Vorschrift rechtliche Voraussetzung für rechtliche Vor- oder Nachteile ist, behördlich und gerichtlich beantragt werden können (muss)", ist dem nicht zu folgen. Die betreffenden Aussagen des Urteils beziehen sich - und beschränken sich zugleich - auf die Auslegung und Anwendung der Rücknahmevorschrift des § 48 VwVfG im Hinblick auf den besonderen Umstand, dass ein Vertriebenenausweis kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (§ 15 Abs. 5 BVFG) für alle mit der Leistungsgewährung an Vertriebene befasste Behörden verbindlich war. Eine von diesen Rechtsnormen losgelöste, (auch) auf den Schutznormcharakter des § 21 TKG zu übertragende allgemeine Festlegung des behaupteten Inhalts, zu der sich das Verwaltungsgericht in Widerspruch gesetzt haben könnte, ergibt sich aus der von der Beschwerde zitierten Stelle in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dagegen nicht.
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Referenzen
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- BVFG § 15 Bescheinigungen 1x
- § 132 TKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 22 TKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 25 Abs. 5 Satz 1 TKG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 10, 11 TKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 25 TKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 21 TKG 6x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes 3x
- § 21 Abs. 3 Nr. 2 und 4 TKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 2x
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- § 21 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 TKG 1x (nicht zugeordnet)
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