Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 C 57/09

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich dagegen, dass sein Ruhegehalt für die Tätigkeit als Oberbürgermeister der Beklagten nicht ausgezahlt wird.

2

Dieses Amt bekleidete er von Oktober 1975 bis April 1991. Von April 1991 bis zu seinem Rücktritt am 7. April 1999 war er Ministerpräsident des beigeladenen Landes. Vom 12. April 1999 bis zum 22. November 2005 war er Mitglied der Bundesregierung.

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Das Regierungspräsidium Darmstadt setzte die Versorgungsbezüge des Klägers aus dem Amt als Ministerpräsident auf der Grundlage eines Ruhegehaltsatzes von 55,60 v.H. auf 7 175,94 € fest. Unter Einbeziehung seiner Versorgungsbezüge als ehemaliges Mitglied der Bundesregierung und als ehemaliger kommunaler Wahlbeamter auf Zeit stellte es das Ruhen dieses Anspruchs in Höhe von 11 025,49 € fest. Über die hiergegen erhobene Klage ist noch nicht entschieden worden. Das Bundesministerium der Finanzen setzte das Ruhegehalt des Klägers als ehemaligen Bundesminister auf der Grundlage eines Ruhegehaltsatzes von 55,60 v.H. auf 7 144,73 € fest. Dabei berücksichtigte es die Amtszeit als Ministerpräsident als ruhegehaltfähig.

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Mit Bescheid vom 10. April 2006 setzte der Magistrat der Beklagten das Ruhegehalt des Klägers für die Amtszeit als Oberbürgermeister unter Einbeziehung seiner Amtszeiten als Ministerpräsident und als Mitglied der Bundesregierung auf der Grundlage eines Ruhegehaltsatzes von 75 v.H. auf 6 344,81 € fest. Zugleich stellte er fest, dass diese Bezüge in voller Höhe ruhen, d.h. nicht ausgezahlt werden. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

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Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. § 20 Abs. 1 BMinG finde nur für den Fall Anwendung, dass der Bund Träger der Versorgungsbezüge aus dem vorherigen Amt sei. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nach § 20 Abs. 1 BMinG keinen Anspruch auf Auszahlung des Ruhegehalts als ehemaliger Oberbürgermeister, weil sein Ruhegehalt als ehemaliger Bundesminister höher sei. Die Ruhensregelung erfasse sämtliche weiteren Ruhegehälter, die ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung beziehe. Der Bundesgesetzgeber habe pauschalierend davon ausgehen dürfen, dass das Ruhegehalt eines Mitgliedes der Bundesregierung eine solche Höhe erreiche, dass daneben die Ruhegehaltfähigkeit von Beamtendienstzeiten nicht mehr ins Gewicht falle.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 20 Abs. 1 BMinG und die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.

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Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Oktober 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 25. April 2008 zurückzuweisen.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet.

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Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht entschieden, dass der Anspruch des Klägers auf Ruhegehalt aus seinem Dienstverhältnis als Oberbürgermeister gemäß § 20 Abs. 1 BMinG in voller Höhe ruht, weil ihm eine höhere Versorgung aus seinem Amtsverhältnis als Mitglied der Bundesregierung ausgezahlt wird. Dies steht mit dem Wortlaut, der Systematik, dem Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Norm in Einklang (dazu 1.). Weder formelles noch materielles Verfassungsrecht zwingt zu einer abweichenden Beurteilung (dazu 2.).

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1. Steht einem Mitglied oder ehemaligen Mitglied der Bundesregierung aufgrund eines früheren Dienst- oder Amtsverhältnisses als Beamter, Richter oder Landesminister ein Anspruch auf Ruhegehalt zu, so ruht dieser Anspruch, solange und soweit aus dem Amtsverhältnis als Mitglied der Bundesregierung Amtsbezüge, Übergangsgeld oder Ruhegehalt zu zahlen sind (§ 20 Abs. 1 BMinG). Ruhen bedeutet, dass der Auszahlung der Versorgungsbezüge kraft Gesetzes ein rechtliches Hindernis entgegensteht, solange die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, an die das Gesetz das Ruhen knüpft (vgl. Urteile vom 24. November 1966 - BVerwG 2 C 119.64 = BVerwGE 25, 291 <293> = Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 29 S. 126, vom 1. September 2005 - BVerwG 2 C 15.04 - BVerwGE 124, 178 <179> = Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 14 Rn. 10 und vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 = juris Rn. 25).

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§ 20 Abs. 1 BMinG erfasst sämtliche Ruhegehälter oder ruhegehaltähnliche Versorgungen, die einem ehemaligen Mitglied der Bundesregierung aufgrund eines früheren Dienstverhältnisses als Beamter oder Richter oder eines früheren Amtsverhältnisses als Mitglied einer Landesregierung (§ 18 Abs. 4 BMinG) zustehen. Es kommt nicht darauf an, ob Träger der zum Ruhen gebrachten Versorgung der Bund, ein Land, eine Kommune oder ein sonstiger öffentlich-rechtlicher Dienstherr ist. Der Wortlaut der Norm liefert keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Ruhensregelung auf Versorgungsansprüche ehemaliger Beamter des Bundes. Der im Normtext ohne einschränkende Zusätze verwendete Begriff des Dienstverhältnisses "als Beamter oder Richter" erfasst vielmehr ohne weiteres sämtliche mit diesen in Betracht kommende Rechtsverhältnisse der Länder, Kommunen und anderen Dienstherrn.

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Auch die Gesetzessystematik spricht für ein weites Normverständnis. Die Ruhensregelung des § 20 Abs. 1 BMinG schließt sämtliche Versorgungsansprüche der Beamten und Richter aus früheren Dienstverhältnissen zu Ländern, Kommunen oder anderen Dienstherren ein. Der Klammerverweis auf § 18 Abs. 4 BMinG bezieht sich auf Versorgungsansprüche eines Mitglieds oder ehemaligen Mitglieds der Bundesregierung aufgrund eines früheren Amtsverhältnisses als Mitglied einer Landesregierung und besagt, dass diese Versorgungsansprüche vom Bund übernommen werden, wenn das Mitglied der Landesregierung "wegen" der Übernahme des Amtes als Mitglied der Bundesregierung ausgeschieden ist; aus dieser Einschränkung folgt, dass § 20 Abs. 1 BMinG das Ruhen solcher Versorgungsansprüche nur dann regelt, wenn sie vom Bund übernommen wurden. Demgegenüber enthält § 20 Abs. 1 BMinG hinsichtlich der Versorgungsansprüche aufgrund eines früheren Dienstverhältnisses als Beamter oder Richter keinen einschränkenden Verweis auf eine Norm, die die Übernahme eines Versorgungsanspruchs durch den Bund regelt; insbesondere verweist § 20 Abs. 1 BMinG nicht auf § 18 Abs. 3 Satz 2 BMinG. Hieraus ergibt sich, dass die Regelung sämtliche Versorgungsansprüche aus einem früheren Dienstverhältnis als Beamter oder Richter erfasst.

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Schließlich liefe eine Beschränkung der Norm auf den Bund als Versorgungsträger auch ihrem Sinn und Zweck sowie ihrer Entstehungsgeschichte zuwider. Wie andere Ruhensvorschriften beruht auch § 20 Abs. 1 BMinG auf dem Gedanken, dass aus öffentlichen Mitteln nicht mehrere Versorgungen unkoordiniert nebeneinander gewährt werden sollen, sondern dass sichergestellt sein soll, dass die Grenze der amtsangemessenen Versorgung - die auch für das besondere Amtsverhältnis eines Mitglieds der Bundesregierung maßgeblich ist - nicht überschritten werden soll (BTDrucks VI/1935 S. 4). Dieses Ziel wird durch eine Zusammenfassung aller für das Amtsverhältnis der Mitglieder der Bundesregierung maßgeblichen Regelungen im Bundesministergesetz erreicht (BTDrucks I/3551 S. 6). Damit soll vermieden werden, dass einzelne neben der Versorgung aus dem Amt eines Mitglieds der Bundesregierung bestehende Versorgungsansprüche in die Berechnung der zustehenden Versorgung einbezogen werden, andere hingegen nicht, ohne dass es hierfür einen sachlichen Grund gäbe. Die Abweichung von diesem Grundsatz hinsichtlich der von § 18 Abs. 4 BMinG nicht erfassten Versorgungsansprüche aus einem früheren Amtsverhältnis als Mitglied einer Landesregierung erklärt sich, wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, aus dem Umstand, dass der Bundesgesetzgeber diese Versorgungsansprüche als bereits durch Landesrecht geregelt vorausgesetzt oder dem Land zur Regelung überlassen hat (vgl. Nr. 14 der Änderungsvorschläge des Bundesrates, BTDrucks I/3551 Anl. 2).

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Dem genannten Normzweck entsprechend erfasst § 20 Abs. 1 BMinG auch Ruhegehälter oder ruhegehaltähnliche Versorgungen aufgrund von Dienstverhältnissen, die im Zeitpunkt der Ernennung zum Mitglied der Bundesregierung bereits beendet waren. Ein abweichendes Normverständnis hat im Wortlaut der Vorschrift keinen Ausdruck gefunden. Der Begriff des "früheren Dienstverhältnisses" ist vielmehr nicht auf Dienstverhältnisse beschränkt, die im Zeitpunkt der Ernennung zum Mitglied der Bundesregierung noch bestanden. Auch der Fall, dass mehrere frühere Dienstverhältnisse nacheinander begründet und beendet worden sind, bevor der Beamte zum Mitglied der Bundesregierung ernannt wird, fällt damit in den Anwendungsbereich des § 20 BMinG. Eine Beschränkung des § 20 Abs. 1 BMinG ausschließlich auf solche Dienstverhältnisse, an die eine Ernennung zum Mitglied der Bundesregierung nahtlos anschließt, würde dessen Zweck, die öffentlichen Kassen nicht durch den Bezug verschiedener Versorgungen aus Verwendungen im öffentlichen Dienst mehrfach zu belasten, in Bezug auf frühere Ruhestandsbeamte verfehlen.

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Nach diesen Grundsätzen ruht, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, der Anspruch des Klägers auf Versorgung aus seinem Amt als Oberbürgermeister der Beklagten. Er bezieht Ruhegehalt als ehemaliges Mitglied der Bundesregierung. Nach § 20 Abs. 1 BMinG kann der Kläger während der Bezugsdauer dieser Versorgung und bis zur Höhe der ausgezahlten Versorgungsbezüge nicht beanspruchen, dass ihm sein Ruhegehalt aus dem Amt als Oberbürgermeister ausgezahlt wird. Denn dabei handelt es sich um eine Versorgung aus dem Dienstverhältnis eines kommunalen Wahlbeamten, die den Betrag der dem Kläger ausgezahlten Versorgungsbezüge nicht überschreitet.

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2. Die Auslegung des § 20 Abs. 1 BMinG durch das Berufungsgericht steht in Einklang mit formellem und materiellem Verfassungsrecht.

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a) Der Bund war zum Erlass der Norm aufgrund einer ungeschriebenen Gesetzgebungszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs befugt.

20

Eine solche ist nur anzunehmen, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zu-gleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerlässliche Voraussetzung für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie ist. Die bloße Erwägung, es sei zweckmäßig, mit einer dem Bund ausdrücklich zugewiesenen Materie gleichzeitig auch eine verwandte Materie zu regeln, reicht zur Begründung einer Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ebenso wenig aus wie das Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung der gesamten Materie (vgl. BVerfG, Gutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407 <421>; Urteile vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265 <299> und vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 - u.a. - BVerfGE 125, 260 <314>). Die Gesetzgebungskompetenz muss im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes bestehen. Fehlt die Zuständigkeit zu diesem Zeitpunkt, so ist das betreffende Gesetz von Anfang an nichtig. Eine rückwirkende Heilung scheidet aus (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Februar 1999 - 1 BvR 1472/91, 1 BvR 1510/91 - NJW 1999, 3404 <3405>).

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§ 20 Abs. 1 BMinG entspricht in der derzeit geltenden Fassung derjenigen vom 17. Juni 1953 (BGBl I S. 407). Der Bund war seinerzeit aufgrund von Art. 73 Nr. 8 GG in der bis zum 31. August 2006 gültigen Fassung zur Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen befugt. Der Begriff "im Dienste des Bundes stehenden Personen" erfasst auch die Mitglieder der Bundesregierung (Höfling, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand August 2011, Art. 73 Nr. 8 Rn. 31 m.w.N.). Eine umfassende Gesamtregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung, die auch dem Gebot der Vermeidung von Mehrfachalimentationen Rechnung trägt, ließ sich nur im Wege eines Übergreifens in das zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausdrücklich zugewiesene Versorgungsrecht auch derjenigen Beamten erzielen, die nicht im Dienste des Bundes standen. Dass der Gesetzgeber hierbei von einer Regelung der versorgungsrechtlichen Rechtsverhältnisse von Landesministern Abstand genommen hat, steht der Bejahung einer ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs nicht entgegen. Die aus dem Bundesstaatsprinzip folgende Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme bei der Ausübung der eigenen Kompetenzen und das Gebot länderfreundlichen Verhaltens durften dem Bund Veranlassung geben, von einem Eingriff in die Hoheit der Länder, die Rechtsverhältnisse der Mitglieder ihrer Regierungen selbst zu regeln, abzusehen.

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b) Die berufungsgerichtliche Auslegung und Anwendung des § 20 Abs. 1 BMinG verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten aus Art. 14 Abs. 1 GG (aa)), Art. 33 Abs. 5 GG (bb)) und Art. 3 Abs. 1 GG (cc)).

23

aa) Art. 14 Abs. 1 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus.

24

§ 20 Abs. 1 BMinG berührt nicht die Versorgungsbezüge aufgrund eines früheren Amtsverhältnisses als Mitglied der Bundesregierung, sondern bewirkt allein das Ruhen des Ruhegehalts als ehemaliger Beamter. Dieser Anspruch hat seine Grundlage in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, dessen verfassungsrechtliche Vorgaben sich abschließend aus Art. 33 Abs. 5 GG ergeben. Insoweit geht Art. 33 Abs. 5 GG dem Art. 14 Abs. 1 GG als lex specialis vor (vgl. BVerfG, Urteile vom 21. April 1964 - 2 BvR 203/62 u.a. - BVerfGE 17, 337 <355> und vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 147/52 - BVerfGE 3, 58 <153>; Beschlüsse vom 2. Dezember 1958 - 1 BvL 27/55 - BVerfGE 8, 332 <360> und vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <294>; BVerwG, Beschlüsse vom 9. November 1983 - BVerwG 2 B 102.83 - Buchholz 232.5 § 55 BeamtVG Nr. 4 S. 3 m.w.N. und vom 15. September 2011 - BVerwG 2 B 67.10 - juris Rn. 6).

25

bb) § 20 Abs. 1 BMinG genügt den Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG.

26

Der Anspruch auf Altersversorgung genießt als Bestandteil des hergebrachten Grundsatzes auf amtsangemessene Alimentation den Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG in Höhe von 100 % des erdienten, vom Gesetzgeber als angemessen erachteten Betrags. Hat ein Versorgungsberechtigter einen weiteren Versorgungsanspruch gegen die öffentliche Kasse, so dass die Summe beider Ansprüche 100 % der als amtsangemessen festgesetzten Versorgung übersteigt, kann er grundsätzlich nur die Auszahlung von insgesamt 100 % verlangen. Der Gesetzgeber kann durch Anrechnungs- und Ruhensregelungen sicherstellen, dass diese Grenze eingehalten wird. Diese Verrechnung mehrerer Versorgungsansprüche ist jedenfalls dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn und soweit diese Ansprüche aus der doppelten Berücksichtigung von Dienstzeiten stammen. Hier kann gesetzlich geregelt werden, dass die Dienstzeiten dem Versorgungsberechtigten wirtschaftlich nur einmal zugutekommen (Urteil vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 25 f.).

27

Zu den tragenden Grundsätzen des Art. 33 Abs. 5 GG zählt des Weiteren, dass sich die Länge der aktiven Dienstzeit wie auch das zuletzt bezogene Diensteinkommen in der Höhe des aus dem zuletzt bekleideten Amt bezogenen Ruhegehalts widerspiegeln (BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <286> und Beschlüsse vom 30. September 1987 a.a.O. S. 322 und vom 16. März 2009 - 2 BvR 1003/08 - NVwZ-RR 2010, 118 <119>).

28

§ 20 Abs. 1 BMinG in der Auslegung durch das Berufungsgericht trägt diesen Grundsätzen Rechnung. Die Vorschrift will im Zusammenwirken insbesondere mit § 15 BMinG gewährleisten, dass das besondere Amtsverhältnis eines Mitglieds der Bundesregierung jedermann unabhängig von seinem vorangegangenen beruflichen Werdegang offensteht. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass die Versorgung aus diesem Amtsverhältnis trotz der häufig nur wenige Jahre währenden Amtszeit unabhängig von in der Vergangenheit geleisteten Dienstzeiten ein Niveau erreicht, das der Wertigkeit des Amtes angemessen ist und den Eintritt in die Bundesregierung auch für Personen in Spitzenpositionen des öffentlichen Dienstes oder der Wirtschaft ebenso wie für Selbständige oder Freiberufler attraktiv macht. Das nach § 15 Abs. 1 und 3 BMinG in der hier anwendbaren Fassung bereits nach zwei Jahren der Zugehörigkeit zur Bundesregierung erdiente Mindestruhegehalt und die überdurchschnittlichen Steigerungsraten für die darüber hinausgehende Amtszeit sowie die Regelung zur Ruhegehaltfähigkeit von Vordienstzeiten (§ 15 Abs. 2 BMinG) tragen dem Umstand Rechnung, dass die Entlassung der Bundesminister (Art. 64 Abs. 1 GG) jederzeit möglich ist und ihr Amt mit jedem Zusammentritt eines neuen Bundestages und jeder Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers endet (Art. 69 Abs. 2 GG). Die Annahme des Gesetzgebers, dass die Wahrnehmung eines Ministeramtes einen notwendig vorübergehenden Einschnitt in das Berufsleben bildet und die Mitglieder der Bundesregierung besonderer wirtschaftlicher Sicherungen bedürfen, findet im Hinblick auf diese Besonderheiten ihre sachliche Rechtfertigung (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 344 f.).

29

Andererseits ist es ebenso wenig zu beanstanden, dass § 20 Abs. 1 BMinG die Auszahlung von Ruhegehaltsansprüchen ehemaliger Mitglieder der Bundesregierung auf den - vollen - Betrag der amtsangemessenen Versorgung begrenzt, indem er das Ruhen von Versorgungsansprüchen aus früheren Dienstverhältnissen anordnet, soweit sie zu einer Überschreitung dieser Grenze führen würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1977 - 2 BvR 407/76 - BVerfGE 46, 97 <111>). Diese Regelung bedeutet keine Nichtachtung der im öffentlichen Dienst erbrachten Leistungen im früheren Berufsleben des Mitglieds der Bundesregierung und der dort erdienten Versorgungsansprüche, sondern vermeidet lediglich eine "Überversorgung", die nicht durch den Alimentationsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 5 GG geboten ist. Falls die Versorgungsansprüche aus einem früheren Dienstverhältnis die im Amtsverhältnis als Mitglied der Bundesregierung erdienten Ruhegehaltsansprüche übersteigen, werden sie nicht zum Ruhen gebracht. Falls das Amtsverhältnis als Mitglied der Bundesregierung vor dem Erwerb eines Ruhegehaltsanspruchs endet, erhöht sich die ruhegehaltfähige Dienstzeit aus dem zuvor innegehabten Amt gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 Nr. 2 BeamtVG um die zurückgelegte Amtszeit mit der Folge, dass sich auch das erdiente Ruhegehalt erhöht.

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cc) § 20 Abs. 1 BMinG steht auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang.

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Dieser gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Betrifft die zu prüfende Maßnahme oder Regelung ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt - wie dies im Besoldungs- und Versorgungsrecht der Fall ist -, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. Juni 1994 - 1 BvL 14, 15/88 - BVerfGE 91, 118 <123>, vom 30. September 1987 a.a.O. S. 330 m.w.N. und vom 16. März 2009 a.a.O. S. 119; BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <313 f.> = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 4 f.).

32

(1) § 20 Abs. 1 BMinG bewirkt, dass ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung, das in einem früheren Beamtenverhältnis einen Ruhegehaltsanspruch erdient hat, versorgungsrechtlich nicht besser gestellt wird als ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung, das vor seiner Tätigkeit in der Bundesregierung keine beamtenversorgungsrechtlichen Ansprüche erworben hat. Die in dieser Ruhensregelung liegende Gleichbehandlung von Sachverhalten, die im Hinblick auf das Bestehen erdienter Versorgungsansprüche ungleich sind, ist mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1980 - 1 BvR 409/80 - BVerfGE 55, 261 <273>, stRspr). Denn die damit erreichte Gleichbehandlung sämtlicher Amtsinhaber unabhängig von ihrer Erwerbsbiographie dient, wie ausgeführt, dem Ziel, die Übernahme von Regierungsämtern für alle Bewerber gleichermaßen attraktiv zu gestalten, zugleich aber eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen unter Wahrung des Gebots amtsangemessener Versorgung zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 344 f.). Derjenige Amtsinhaber, der ohne vorheriges Beamtenverhältnis ein Regierungsamt ausübt, soll im Hinblick auf sein höheres Bedürfnis nach wirtschaftlicher Absicherung für den Versorgungsfall demjenigen gleichgestellt werden, der auf erdiente Ruhegehaltsansprüche zurückgreifen kann. Die Gleichbehandlung beider Vergleichsgruppen ist im Hinblick auf die angeführten Besonderheiten sachlich vertretbar.

33

Aus denselben Gründen ist es gerechtfertigt, denjenigen Beamten, der nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis für mehrere Jahre ein Amt als Mitglied der Bundesregierung ausübt und als Folge hiervon ggf. das Ruhen seines im Beamtenverhältnis erdienten Ruhegehalts hinzunehmen hat, ebenso zu behandeln wie denjenigen, der nach dem Ausscheiden aus dem Dienst eine weitere Tätigkeit nicht aufnimmt und dem infolgedessen sein Ruhegehalt in vollem Umfang ausgezahlt wird. Das eigenständige System der Versorgung ehemaliger Mitglieder der Bundesregierung (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 344) stellt eine amtsangemessene Versorgung der seinem Anwendungsbereich unterfallenden ehemaligen Beamten sicher.

34

(2) Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht dadurch verletzt, dass nach der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage ehemalige Mitglieder der Bundesregierung das Ruhen eines in einem früheren Beamtenverhältnis erdienten Versorgungsanspruchs ggf. hinnehmen müssen, während ein vor der Amtsübernahme in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbener Anspruch nicht zum Ruhen gebracht wird, sondern zur Auszahlung gelangt. Die unterschiedliche Struktur von Beamtenversorgung und gesetzlicher Rentenversicherung sowie das gegenüber früheren Beamten höhere Sicherungsbedürfnis der gesetzlich Rentenversicherten rechtfertigten es, in der Vergangenheit davon abzusehen, auch die Anrechnung von Rentenansprüchen gesetzlich zu regeln. Mit der Einführung des § 20 Abs. 2 a BMinG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundesministergesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl I S. 2018) ist allerdings für Amtsverhältnisse, die nach dem 21. November 2005 begründet worden sind, die Berücksichtigung auch von Rentenansprüchen bei der Versorgung von Mitgliedern der Bundesregierung geregelt worden.

35

Sowohl der Anspruch auf Versorgung aufgrund des früheren Dienstverhältnisses als Beamter als auch der rentenrechtliche Versicherungsanspruch sind auf die Existenzsicherung im Alter gerichtet. Dennoch weisen beide grundlegende Unterschiede auf. Der Rente kommt, beruhend auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 u.a. - BVerfGE 58, 81 <110>), allein die Funktion einer Regelsicherung zu, die dem Versicherten bei Erfüllung eines vollen Arbeitslebens unter Berücksichtigung der geminderten Bedürfnisse im Alter denjenigen Lebensstandard erhalten soll, den er im Durchschnitt seines Arbeitslebens erreicht hat (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 297). Sie ist die für die Zahlung der Beiträge im Rahmen des Rentenversicherungsverhältnisses gesetzlich zugesicherte Gegenleistung der Versichertengemeinschaft (BVerfG, Beschluss vom 26. März 1980 - 1 BvR 121/76, 122/76 - BVerfGE 54, 11 <29>). Die Rentenleistung errechnet sich nach dem Verhältnis des individuellen durchschnittlichen Lebensarbeitsverdienstes zum durchschnittlichen Lebensarbeitsverdienst aller Arbeiter und Angestellten. Maßgebliche Faktoren sind die Länge der Beitragszeit und die Höhe der während dieser Zeit entrichteten Beiträge (§ 63 SGB VI). Altersrenten sind nach unten grundsätzlich nicht begrenzt.

36

Demgegenüber ist die Beamtenversorgung aufgrund des Alimentationsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 5 GG als Vollversorgung konzipiert, die neben einer Regelsicherung auch eine Zusatzsicherung umfasst (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 332, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <294 f.> und Beschluss vom 20. Juni 2006 - 2 BvR 361/03 - NVwZ 2006, 1280 <1281>). Sie ist die vom Staat festzusetzende Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte ihm im Rahmen des gegenseitigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses mit seiner ganzen Persönlichkeit und unter Einsatz seiner vollen Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflicht nach Kräften erfüllt hat. Als solche muss sie amtsbezogen und amtsangemessen sein (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 324; BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004 - BVerwG 2 C 20.03 - BVerwGE 120, 154 <159>, vom 25. Januar 2005 - BVerwG 2 C 48.03 - Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 9 und vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 C 39.03 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13). Dementsprechend ist das Ruhegehalt eines Beamten unter Berücksichtigung der Länge der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und unter Anerkennung aller Beförderungen grundsätzlich aus dem letzten Amt zu berechnen (§§ 5 ff. BeamtVG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2009 a.a.O. S. 118). Infolge des Alimentationsprinzips haben Beamte Anspruch auf eine Mindestversorgung von 35 % der Dienstbezüge des letzten Amtes (§ 14 Abs. 4 BeamtVG).

37

Dies lässt den Schluss vertretbar erscheinen, dass das Sicherungsbedürfnis eines eine Rente beziehenden Mitglieds der Bundesregierung gegenüber dem Sicherungsbedürfnis eines Mitglieds der Bundesregierung, das einen Ruhegehaltsanspruch als Beamter erdient hat, gesteigert ist. Ein Beamter, der zum Mitglied der Bundesregierung ernannt wird, scheidet zwar gemäß § 18 Abs. 1 BMinG aus seinem Amt, nicht jedoch aus dem Beamtenverhältnis aus. Seine in dem Dienstverhältnis gründenden Rechte und Pflichten ruhen lediglich. Mit dem Ende des Amtsverhältnisses als Mitglied der Bundesregierung hat er aus Art. 33 Abs. 5 GG Anspruch darauf, dass ihm ein anderes Amt übertragen wird. Für den Fall, dass ihm ein solches nicht innerhalb dreier Monate mit seinem Einverständnis übertragen wird, tritt er gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 BMinG mit Ablauf dieser Frist aus dem Dienstverhältnis als Beamter in den Ruhestand. Durch den Anspruch auf Wiederverwendung im öffentlichen Dienst ist er auch nach Ausscheiden aus dem Amtsverhältnis wirtschaftlich abgesichert. Über eine vergleichbare Absicherung verfügt das Mitglied der Bundesregierung, das allein einen Rentenanspruch besitzt, nicht.

38

3. Zur Frage der Auszahlung des Ruhegehalts des Klägers aus dem Amt des Ministerpräsidenten weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht im Einklang mit § 9 Abs. 4 des hessischen Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder der Landesregierung vom 27. Juli 1993 (GVBl I S. 339) i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes vom 19. November 1998 (GVBl I S. 491) (LRBezG HE) ohne Verstoß gegen revisibles Recht davon ausgegangen ist, dass der Begriff des Beziehens im Sinne von § 9 Abs. 4 dieses Gesetzes nur solche Ruhegehaltsansprüche erfasst, hinsichtlich derer ein Auszahlungsanspruch besteht. Wie § 20 Abs. 1 BMinG dient § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 LRBezG HE der Vermeidung einer Doppelbelastung der öffentlichen Kassen durch die ungeregelte Gewährung mehrerer Versorgungen aus öffentlichen Mitteln. Eine Belastung der öffentlichen Kassen resultiert nicht bereits aus der Festsetzung, sondern erst aus der Auszahlung der Versorgung. Hiernach wird ein Ruhegehalt, das gemäß § 20 Abs. 1 BMinG in vollem Umfang ruht, nicht "bezogen". Daraus ergibt sich, dass der Beigeladene das Ruhegehalt des Klägers wegen seiner Amtszeit als Ministerpräsident zu Unrecht in voller Höhe zum Ruhen gebracht haben dürfte.

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