Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (6. Senat) - 6 PB 24/11

Gründe

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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 91 Abs. 2 BlnPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

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1. In Bezug auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, § 14 Abs. 3 und 4 AÜG gelte nicht für Personalvertretungen im öffentlichen Dienst des Landes Berlins, liegt keiner der vom Antragsteller mit seiner Beschwerde insoweit geltend gemachten Zulassungsgründe vor.

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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt dieser Annahme nicht zu, weil sich zu ihr kein Klärungsbedarf auftut. Es ist offenkundig und bedarf deswegen nicht eigens der Klarstellung im Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens (vgl. zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 14. September 2011 - BVerwG 6 PB 14.11 - juris Rn. 2 m.w.N. aus der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts), dass § 14 Abs. 4 AÜG die in Absatz 3 derselben Vorschrift angeordnete Beteiligung des Betriebsrats für den Fall der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung nur für den Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes auf Personalvertretungen im öffentlichen Dienst erstreckt. Dies hat der Senat bereits in einem Beschluss vom 20. Mai 1992 (BVerwG 6 P 4.90 - BVerwGE 90, 194 <195/196> = Buchholz 251.8 § 80 RhPPersVG Nr. 8 S. 26) bestätigt und hierbei auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift sowie auf die - ebenso eindeutigen - einschlägigen entstehungsgeschichtlichen Begebenheiten verwiesen. Nicht weniger offenkundig ist, dass der Berliner Gesetzgeber bislang keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht hat, die Beteiligungsanordnung in § 14 Abs. 3 AÜG durch Erlass einer entsprechenden landesrechtlichen Norm zusätzlich auch auf die Personalvertretungen im Geltungsbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes zu beziehen. Den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss, denen der Antragsteller auch nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist aus Sicht des Senats nichts hinzuzufügen.

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Anders als der Antragsteller meint, weicht das Oberverwaltungsgericht insoweit auch nicht im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG von dem Beschluss des Senats vom 7. April 2010 (BVerwG 6 P 6.09 - BVerwGE 136, 271 ff. = Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 112) ab. Dieser Beschluss verhält sich zur Frage der Anwendung von § 14 Abs. 3 AÜG auf Personalvertretungen im Landesdienst weder unmittelbar noch mittelbar. Er beschränkt sich auf Ausführungen zur Mitbestimmungspflichtigkeit des Einsatzes von Leiharbeitnehmern im Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Soweit mit ihm die Maßgabe ausgesprochen worden ist, der Inhalt der Beteiligungspflicht gemäß § 14 Abs. 3 AÜG sei unabhängig von der Auslegung des personalvertretungsrechtlichen Begriffs der Einstellung zu bestimmen (a.a.O. S. 277 bzw. S. 37), war hiermit ersichtlich nicht gemeint, dass die in § 14 Abs. 4 AÜG bestimmte Einschränkung der Anwendung des Absatzes 3 auf Personalvertretungen im öffentlichen Dienst des Bundes (vorbehaltlich die sinngemäße Anwendung anordnender landesrechtlicher Bestimmungen) nunmehr obsolet wäre. Auch die Aussagen, dass jede noch so kurze tatsächliche Beschäftigung von Leiharbeitnehmern mitbestimmungspflichtig sei und dass bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Einsätzen jeder von ihnen die Mitbestimmung auslöse (a.a.O. S. 280 bzw. S. 38), bezogen sich offenkundig nur auf mögliche Sachverhalte im Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes.

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2. Zu Recht zeigt der Beteiligte in seiner Beschwerdeerwiderung auf, dass - anders als der Antragsteller wohl meint - die im angefochtenen Beschluss angestellten Erwägungen (BA S. 16 f.) zur Konstellation einer Überbrückung der Zeit der Arbeitsunfähigkeit eines Angehörigen des Stammpersonals durch einen zeitweilig unterbrochenen Einsatz ein- und desselben Leiharbeitnehmers schon deshalb nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage im Sinne von § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG hinführen würden, weil ihnen die Entscheidungserheblichkeit abgehe.

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Das Oberverwaltungsgericht hat - wogegen Bedenken nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht worden sind - den Hilfsantrag des Antragstellers zu 1. als abstrakten Feststellungsantrag nur für zulässig erachtet, "soweit mit ihm die Feststellung des Mitbestimmungsrechts in Fällen wie dem durch Zeitablauf erledigten Fall des Herrn G. begehrt wird" (BA S. 14/15). Folgerichtig hat das Oberverwaltungsgericht weiter ausgeführt, es bedürfe keiner allgemeinen Festlegung, wie der Mindesteinsatzzeitraum von Leiharbeitnehmern "in den unterschiedlichsten Fallkonstellationen zu berechnen wäre"; vielmehr stehe "allein die Frage zur Entscheidung, ob sich Einsatzzeiten verschiedener Leiharbeitnehmer (...) während des Krankheitsfalles eines Stamm-Mitarbeiters (...) summieren, auch wenn sie aus dienststelleninternen Gründen (Einsatz eigener Kräfte oder im Dienstplan berücksichtigte Urlaubszeiten des erkrankten Mitarbeiters) fünf Wochen lang unterbrochen werden, m.a.W., ob nach der fünfwöchigen Unterbrechung beim Einsatz des neuen Leiharbeitnehmers fortgezählt werden muss oder ob die Mindesteinsatzfrist von Neuem zu laufen beginnt" (BA S. 15).

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Zur Konstellation des überbrückungsweisen, zeitweilig unterbrochenen Einsatzes ein- und desselben Leiharbeitnehmers hat demnach das Oberverwaltungsgericht keine Entscheidung getroffen, so dass die speziell hierzu von ihm (BA S. 16 f.) dennoch angestellten Erwägungen nicht entscheidungstragend gewesen sein und eine abweichende rechtliche Beurteilung in diesem Punkt nicht zu einem anderen Ausgang des Verfahrens hätten führen können. Eine Grundsatzrüge kann folglich hierauf nicht gestützt werden (vgl. nur Müller-Glöge, in: Germelmann, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl. 2009, § 72 Rn. 13).

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3. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Grundsatzbedeutung im Sinne von § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist schließlich auch nicht in Bezug auf die weitere vom Antragsteller als klärungsbedürftig bezeichnete Frage geboten, ob bei Prüfung des Vorliegens einer Einstellung im Sinne von § 87 Nr. 1 BlnPersVG die Einsatzzeiten von verschiedenen Leiharbeitnehmern, die den krankheitsbedingten Ausfall einer Stammkraft ausgleichen sollen, zu summieren sind. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Einsatz jedes Leiharbeitnehmers sei gesondert zu betrachten (BA S. 15), erweist sich offenkundig als zutreffend und bedarf daher nicht eigens der Klärung im Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens (Beschluss vom 14. September 2011 - BVerwG 6 PB 14.11 - juris Rn. 2). Eine Summierung der Einsatzzeiten verschiedener Leiharbeitnehmer widerspräche - jedenfalls bei Fehlen einer Umgehungsabsicht der Dienststellenleitung - den Grundsätzen der personellen Mitbestimmung. Diese bezieht sich in allen Angelegenheiten der Kataloge in §§ 87, 88 BlnPersVG auf den einzelnen von der Maßnahme der Dienststelle betroffenen Beschäftigten. Dessen Person ist Ausgangspunkt möglicher Zustimmungsverweigerungsgründe, welche dem Personalrat nach Maßgabe des jeweiligen Mitbestimmungstatbestands zu Gebote stehen. Ist daher bei der vorliegenden Fallgestaltung voraussetzungsgemäß die Einsatzdauer für die im Hinblick auf § 87 Nr. 1 BlnPersVG zu fordernde Eingliederung maßgeblich (vgl. Beschluss vom 27. November 1991 - BVerwG 6 P 15.90 - Buchholz 251.8 § 80 RhPPersVG Nr. 6 S. 19), so kann es nur auf den jeweils betroffenen einzelnen Leiharbeitnehmer ankommen.

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Der vorliegende Fall gibt dem Senat zu der Bemerkung Anlass, dass bei Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Einstellung im Sinne von § 87 Nr. 1 BlnPersVG grundsätzlich diejenige Beschäftigungsdauer zugrunde zu legen ist, von der die Dienststelle den jeweiligen Umständen nach ex-ante auszugehen hatte. Dies mag im Einzelfall - insbesondere bei wiederholt verlängerten Krankschreibungen - dazu führen, dass sich Konstellationen entwickeln, die, wären sie von Beginn an vorhersehbar gewesen, zu einer (frühzeitigeren) Mitbestimmung der Personalvertretung geführt hätten. Diese Gefahr ist allerdings dem grundsätzlichen Ausschluss kurzfristiger Einsätze von Leiharbeitnehmern aus dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 Nr. 1 BlnPersVG immanent; ihr kann nicht über ein schematisches Aufleben der Mitbestimmungspflicht ab Überschreiten einer bestimmten Gesamtdauer des Einsatzes begegnet werden (vgl. zum ähnlich gelagerten Fall der wiederholten Verlängerung einer krankheitsbedingten vertretungsweisen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit im Sinne von § 88 Nr. 7 BlnPersVG: Beschluss vom 22. Dezember 2011 - BVerwG 6 PB 18.11 - juris Rn. 6).

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