Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 B 7/12

Gründe

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1. Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

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a) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob unter den "Erträgen der baulichen Anlage" i.S.v. § 177 Abs. 4 Satz 1 BauGB die Reinerträge in Form von Mieten und Pachten abzüglich einer angemessenen Verzinsung des Bodenwertes zu verstehen sind. Diese Frage würde sich in einem nachfolgenden Revisionsverfahren aber schon nicht stellen. Nach § 164a Abs. 3 Satz 1 BauGB können Städtebauförderungsmittel für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 Abs. 1 BauGB eingesetzt werden. Soweit nichts anderes vereinbart worden ist, gilt dies auch für entsprechende Maßnahmen, zu deren Durchführung sich der Eigentümer gegenüber der Gemeinde verpflichtet hat (§ 164a Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB). Hieraus folgt, dass im Falle von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, denen keine Anordnung nach § 177 Abs. 1 BauGB, sondern eine vertragliche Regelung gem. § 11 Abs. 1 BauGB i.V.m. (hier) §§ 54 ff. ThürVwVfG zu Grunde liegt, in dieser Vereinbarung auch eine vom Gesetz, mithin von § 177 BauGB abweichende Kostentragung vereinbart werden kann (Beschluss vom 21. September 2005 - BVerwG 4 B 57.05 - Buchholz 406.11 § 177 BauGB Nr. 2 Rn. 4; Stemmler, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Juni 2012, § 164a Rn. 22; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand April 2012, § 164a Rn. 46; Köhler, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 164a Rn. 34; Schmitz, in: Spannovsky/Uechtritz, Beck'scher Online-Kommentar BauGB, Stand August 2012, § 164a Rn. 24).

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Nach den - mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) - Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts liegt der Wirtschaftlichkeitsberechnung der inmitten stehenden und von der Beklagten durchgeführten Maßnahmen ausdrücklich eine eigenständige vertragliche Regelung zu Grunde, die nicht auf § 177 Abs. 4 BauGB Bezug nimmt. Aus dieser Vereinbarung ergebe sich nicht, dass von den Reinerträgen eine angemessene Verzinsung des Bodenwertes abzuziehen sei. Geht aber die vertragliche Vereinbarung vor und wird von dieser weder § 177 Abs. 4 BauGB in Bezug genommen noch die angemessene Verzinsung des Bodenwertes geregelt, ist es unerheblich, wie die von der Beklagten in Bezug auf § 177 Abs. 4 BauGB gestellte Frage zu beantworten ist.

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Unabhängig davon wäre die Frage auch zu verneinen. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz. Nach § 177 Abs. 4 Satz 1 BauGB hat der Eigentümer die Kosten der von der Gemeinde angeordneten Maßnahmen insoweit zu tragen, als er sie durch eigene oder fremde Mittel decken und die sich daraus ergebenden Kapitalkosten sowie die zusätzlich entstehenden Bewirtschaftungskosten aus Erträgen der baulichen Anlage aufbringen kann. § 177 Abs. 5 Satz 1 BauGB bestimmt, welche Erträge i.S.v. Absatz 4 Satz 1 bei der Ermittlung der vom Eigentümer der baulichen Anlage zu tragenden Kosten zu berücksichtigen sind (Köhler, in: a.a.O. § 177 Rn. 42). Maßgeblich sind danach, bezogen auf den Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme, die Erträge, die für die modernisierte oder instandgesetzte bauliche Anlage bei ordentlicher Bewirtschaftung nachhaltig erzielt werden können. Der Begriff "Erträge" umschreibt dabei schon von seinem Wortsinn her einen "Wertezuwachs", mithin einen finanziellen Nutzen, Einnahmen, Gewinne oder Erlöse (Duden online Stichwort "Ertrag"), also im weitesten Sinne einen Geld- oder Sachzufluss, wie etwa Miet- oder Pachteinnahmen (vgl. auch § 31 Abs. 1 der 2. Berechnungsverordnung). Schon begrifflich kann daher der "Abzug einer angemessenen Verzinsung des Bodenwertes" nicht unter den "Ertrag" i.S.v. § 177 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BauGB subsumiert werden. Hierbei handelt es sich vielmehr - um den entsprechenden Gegenbegriff zu verwenden - um Aufwand. Folglich kann eine "Verzinsung des Bodenwertes" nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich hierbei um "durch die Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen verursachte Kosten" oder um zusätzlich entstehende Bewirtschaftungskosten handelt (§ 177 Abs. 4 Satz 1 BauGB). Unter Kosten in diesem Sinne sind dabei alle Aufwendungen zu verstehen, die ein wirtschaftlich denkender Eigentümer zur Durchführung der Maßnahme vernünftigerweise tätigen würde (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O. § 177 Rn. 78; s.a. Köhler, in: a.a.O. § 177 Rn. 39 mit Beispielen). Die "angemessene Verzinsung des Bodenwertes" fällt unzweifelhaft nicht hierunter, weil sie mit den Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen in keinem Zusammenhang steht; es handelt sich auch nicht um Bewirtschaftungskosten.

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b) Auch die Frage, ob die aus § 177 Abs. 4 BauGB folgenden Grenzen der Zumutbarkeit für die Kostentragung auch auf eine Vereinbarung über die Gewährung von Städtebauförderungsmittel für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen anzuwenden sind und ob sie die Grenze für die Angemessenheit der Gegenleistung i.S.v. § 11 Abs. 2 BauGB bzw. § 56 Abs. 1 ThürVwVfG markieren, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ein Modernisierungs- bzw. Instandsetzungsvertrag ist ein städtebaulicher Vertrag i.S.d. § 11 Abs. 1 BauGB (Krautzberger, in: a.a.O. § 164a Rn. 47). Für ihn gelten daher die allgemeinen Vorgaben für öffentlich-rechtliche Verträge nach (hier) §§ 54 ff. ThürVwVfG (Schmitz, in: a.a.O. § 164a Rn. 21). Wie bereits ausgeführt, können in solchen Verträgen auch von § 177 Abs. 4, Abs. 5 BauGB abweichende Kostentragungsregelungen getroffen werden und zwar sowohl zugunsten als auch zulasten des betroffenen Eigentümers. Das zeigt schon § 177 Abs. 4 Satz 4 BauGB, wonach die Gemeinde mit dem Eigentümer den Kostenerstattungsbetrag unter Verzicht auf eine Berechnung im Einzelfall auch als Pauschale in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes der Modernisierungs- oder Instandsetzungskosten vereinbaren kann. Darüber hinaus verlöre die Formulierung "soweit nichts anderes vereinbart ist" in § 164a Abs. 3 Satz 2 BauGB ihren Sinn, wenn die Vertragsparteien nicht auch Vereinbarungen über unrentierliche Kosten abweichend von § 177 Abs. 4 BauGB treffen könnten. Hieraus folgt, dass bei entsprechender Vertragsgestaltung auch die unrentierlichen Kosten beim Eigentümer verbleiben könnten, ohne dass dies mit Blick auf § 177 Abs. 4 BauGB im Grundsatz rechtlich zu beanstanden wäre. Die Grenze bildet insofern allein das in § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB bzw. in § 56 Abs. 1 Satz 2 ThürVwVfG enthaltene Merkmal der Angemessenheit. Dieser Begriff ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts indessen hinreichend geklärt. Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Das Gebot der Angemessenheit verlangt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde nicht außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der von der Behörde zu erbringenden Leistung stehen darf und dass auch sonst keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Gegenleistung eine unzumutbare Belastung bedeutet (Urteile vom 6. Juli 1973 - BVerwG 4 C 22.72 - BVerwGE 42, 331 <345> und vom 25. November 2005 - BVerwG 4 C 15.04 - BVerwGE 124, 385 <391>). Ob eine vertragliche Regelung in einem städtebaulichen Vertrag danach die Grenze der Angemessenheit überschreitet, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles und ist einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich (Beschluss vom 17. Juli 2001 - BVerwG 4 B 24.01 - Buchholz 406.11 § 58 BauGB Nr. 1, juris Rn. 27). Unabhängig davon vermag entsprechend obigen Ausführungen die fehlende Berücksichtigung einer angemessenen Verzinsung des Bodenwertes bei den Kosten der Maßnahme der Beklagten die Angemessenheit ihrer Leistung nicht infrage zu stellen.

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