Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (2. Wehrdienstsenat) - 2 WD 12/14

Tatbestand

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Der 28 Jahre alte Soldat absolvierte nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik. Mit Wirkung vom 1. Februar 2009 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde auf zwölf Jahre verlängert. Der Soldat wurde zuletzt mit Wirkung vom 1. Oktober 2012 zum Oberfeldwebel befördert. Sein Antrag auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten blieb ohne Erfolg. Nach einer Verwendung als Transportfeldwebel und Gruppenführer bei der 4./... in D. wurde er aufgrund einer Organisationsänderung zum 1. August 2013 zum ... in K. auf einen Dienstposten als Transportfeldwebel und Schirrmeister versetzt. Im Februar 2014 wurde der Soldat zur ...staffel D., ... R., zunächst kommandiert und zum 1. April 2014 versetzt.

2

Die planmäßige Beurteilung vom 26. März 2013 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Schnitt mit "5,9". Der beurteilende Vorgesetzte beschrieb den Soldaten als guten und soliden Unteroffizier mit Portepee, dessen Stärken im Bereich seiner Fachkenntnisse im Gefahrgutwesen lägen. Seine Fähigkeiten im Bereich der allgemeinen Kenntnisse des Transportwesens seien noch optimierungsfähig. Hier müsse er sich nach der Fachausbildung noch zusätzliche Kenntnisse aneignen. Er habe Kontinuität bei der Entwicklung seiner Leistungen und Fähigkeiten gezeigt und könne mittlerweile mit sehr guten Arbeitsergebnissen überzeugen. Im Persönlichkeitsprofil wurde die funktionale Kompetenz als "stärker ausgeprägt" und "bestimmendes Merkmal" gewertet. Gleichfalls "stärker ausgeprägt" sei die geistige Kompetenz, während die konzeptionelle Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung "ausgeprägt", die soziale Kompetenz "weniger ausgeprägt" seien. Dies erläuternd wurde er als fachlich kompetent, ruhig, gelassen und zurückhaltend beschrieben. Als Vorgesetzter müsse der Soldat noch zu einer größeren Selbstsicherheit finden und lernen, seine Entscheidungen noch stärker gegenüber Vorgesetzten und Untergebenen vertreten zu können. Dennoch sei es ihm als jungem Oberfeldwebel gelungen, den Zugführer erfolgreich über ein gutes dreiviertel Jahr zu vertreten. Gemessen an seiner Erfahrung sei er dabei zu ansprechenden Ergebnissen gekommen, auch wenn es für seine persönliche Entwicklung vorteilhafter gewesen wäre, noch über einen längeren Zeitraum von den Erfahrungen eines gestandenen Zugführers profitieren zu können. Er sei bereit, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, kameradschaftlich loyal und belastbar. Der Kompaniechef sah ihn für Lehrverwendungen "außergewöhnlich gut geeignet", für Führungsverwendungen "besonders gut geeignet" und für Stabsverwendungen "gut geeignet".

Der nächst höhere Vorgesetzte ergänzte, Oberfeldwebel ... sei ein grundsolider Transportgruppenführer, der über sehr gute theoretische Fachkenntnisse verfüge, die er in der Gefahrgutausbildung auch umsetzen könne. Im täglichen Dienst sei es ihm aber nicht immer gelungen, dieses Fachwissen auch gezielt in die Praxis umzusetzen. Obwohl im Beurteilungszeitraum eine spürbare Leistungssteigerung noch nicht eindeutig wahrnehmbar sei, seien positive Ansätze gut erkennbar. Der Bataillonskommandeur sah eine Entwicklungsprognose bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.

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Die Sonderbeurteilung vom 19. August 2014 beurteilte die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Schnitt mit "6,22". Die Stärken des Soldaten lägen in seiner Teamfähigkeit. Er agiere eigenständig, binde Vorgesetzte aber in angemessener Weise ein. Die ihm unterstellten Soldaten und zivilen Mitarbeiter brächten ihm ein großes Maß an Vertrauen entgegen. Er pflege einen kooperativen Führungsstil, ohne dabei die nötige Durchsetzungsfähigkeit vermissen zu lassen. Im Persönlichkeitsprofil wurde die Kompetenz in Menschenführung als "stärker ausgeprägt" und "bestimmendes Merkmal" gewertet. Gleichfalls "stärker ausgeprägt" sei die funktionale Kompetenz, während die geistige und die soziale Kompetenz "ausgeprägt", die konzeptionelle Kompetenz "weniger ausgeprägt" seien. Der Soldat lege ein sehr ordentliches Berufsverständnis an den Tag. Im Kameradenkreis sei er geschätzt und sehr gut integriert. Er pflege einen kooperativen Führungsstil und habe ein kameradschaftliches Miteinander und eine hohe Motivation bei seinen unterstellten Soldaten und zivilen Mitarbeitern etabliert. Er sei durchsetzungsfähig, verfüge über eine ausgeprägte soziale Kompetenz und sei kritikfähig. Er habe in den letzten Monaten eine positive Entwicklung gezeigt, der Dienst in der Truppe mache ihm erkennbar Freude und er überzeuge mit einer positiven Dienstauffassung. Der Soldat habe trotz für ihn negativer Nachrichten nicht in seinem Elan nachgelassen, sondern als Zugführer zuverlässig und loyal seinen Dienst versehen. Er solle bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive gefördert werden. Der beurteilende Vorgesetzte sah den Soldaten für Führungsverwendungen "besonders gut geeignet" sowie für Stabs- und Lehrverwendungen "geeignet".

Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte der Beurteilung zu. Er beschrieb den Soldaten als engagiert, leistungswillig und -fähig und hob dessen soziale Kompetenz und Fähigkeit zur Menschenführung hervor. Auch er empfahl eine Förderung bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.

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In ihrer mit Einverständnis der Beteiligten in der Berufungshauptverhandlung verlesenen schriftlichen Stellungnahme vom 21. April 2015 hat die frühere Disziplinarvorgesetzte, Hauptmann Z., erläutert, der Soldat habe seine Tätigkeit als Leiter des ...dienstes gewissenhaft, akribisch, engagiert und mit erkennbarer Freude verrichtet. Bereits kurze Zeit nach seiner Übernahme dieser Tätigkeit hätten sich Bedarfsträger am Standort lobend über ihn geäußert. Auch nach dem Urteil des Truppendienstgerichts habe er seinen Dienst tadellos und mit gleichem Engagement verrichtet. Als Staffelchefin sei sie mit seinen Leistungen sehr zufrieden gewesen.

5

In der Berufungshauptverhandlung hat der frühere Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, Hauptmann M., ausgeführt, er kenne den Soldaten seit Anfang 2014 und sei mit den Leistungen des Soldaten zunächst sehr zufrieden gewesen. Dieser habe versucht, sich von seiner besten Seite zu zeigen und anfangs eine sehr positive Entwicklung genommen. Der Soldat sei auch gegenüber Untergebenen sehr offen mit seinem Fehlverhalten umgegangen. Er sei menschlich sehr gut mit dem Personal am Standort zurecht gekommen. Das positive Bild des Soldaten in der vom Zeugen verfassten Sonderbeurteilung habe sich in der Folgezeit daher bestätigt. Gegen Ende 2014 habe der Soldat in seinen Leistungen aber wieder nachgelassen. Der Zeuge habe Anfang 2015 einen strengen Verweis verhängt, weil der Soldat nicht zu einer von ihm angeordneten Schulung gegangen sei, obwohl der Zeuge ihm dies mehrfach befohlen habe. Das Ansehen des Soldaten im Kameradenkreis sei unterschiedlich. Mit einigen Kameraden käme er gut zurecht, mit anderen gebe es Animositäten. Der Zeuge sehe den Soldaten nach dem Nachlassen von dessen Leistungen im mittleren Drittel der Vergleichsgruppe.

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Seit dem 1. April 2015 ist Oberleutnant T. Disziplinarvorgesetzte des Soldaten. Sie hat in der Berufungshauptverhandlung erläutert, der Soldat erscheine pünktlich zu seiner Arbeit und verrichtete diese ordentlich. Er leiste weder Herausragendes, noch sei er schlecht. Seine Leistungen seien durchschnittlich und lägen eher am unteren Rand des mittleren Drittels der Vergleichsgruppe. Bei Kameraden und Untergebenen sei er nach ihrem Eindruck anerkannt. Er vertraue sich diesen auch an.

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Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 4. Mai 2015 verweist auf die zu dem Anschuldigungspunkt 1 sachgleiche Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 50 € durch Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 23. Mai 2014 wegen eigenmächtiger Abwesenheit und die Verhängung eines strengen Verweises am 14. Januar 2015 wegen der Nichtbefolgung eines Befehls. Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 4. Mai 2015 enthält ebenfalls den Hinweis auf die seit dem 23. Mai 2014 rechtskräftige Verhängung einer Geldstrafe durch das Amtsgericht K. am 6. Mai 2014.

8

Der Soldat ist ledig und kinderlos. Nach Auskunft des Bundesverwaltungsamtes erhält er laufende Bezüge in Höhe von 2 709,88 € brutto. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge werden ihm tatsächlich 2 002,51 € ausgezahlt. In der Berufungshauptverhandlung hat der Soldat ergänzend ausgeführt, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse wieder geordnet seien. Er habe keine Schulden und die Geldstrafe mittlerweile beglichen.

Entscheidungsgründe

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1. Das Verfahren ist nach Anhörung des Soldaten mit zeitgleich ausgehändigter Verfügung des Kommandeurs ... vom 7. Januar 2014, eingeleitet worden. Eine Vertrauensperson wurde nicht angehört, weil zum Zeitpunkt der Einleitung noch keine Personalratswahlen am Standort K. durchgeführt waren.

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Nach Gewährung des Schlussgehörs am 12. Februar 2014 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 17. Februar 2014, zugestellt am 20. März 2014, folgenden Sachverhalt als vorsätzliches Dienstvergehen zur Last gelegt:

"1.) Der Soldat erschien im Zeitraum beginnend ab 05. November 2013 nicht zur Kernarbeitszeit um 08.30 Uhr zum Dienst in seiner Einheit ..., ... in ... K. und blieb dieser bis zu seiner Rückkehr am 16. Dezember 2013 zur Kernarbeitszeit ab 08.30 Uhr unerlaubt fern.

2.) Überdies teilte der Soldat zur Verschleierung seiner Abwesenheit

a. an einem nicht mehr bestimmbaren Tag in der 48. Kalenderwoche 2013 von seiner Privatwohnung in ... H. aus oder von anderswo telefonisch dem Oberstabsfeldwebel ... K., Angehöriger des ..., in ... K. wahrheitswidrig mit, er würde laufend Anwendungen bzgl. Rehabilitationsmaßnahmen aufgrund einer bei ihm erfolgten Bandscheibenoperation erhalten,

b. ferner am 29. November 2013 dem Dezernatsleiter ..., Oberstleutnant ... L., anlässlich eines Krankenbesuchs in seiner Privatwohnung in ... H. wahrheitswidrig mit, er sei operationsbedingt weiterhin krankgeschrieben und würde weitere rehabilitationsbedingte Anwendungen wahrnehmen,

c. sowie am 03. Dezember 2013 von seiner Privatwohnung in ... H. aus oder von anderswo telefonisch dem Kompaniefeldwebel des Stabszuges des ... in ... K., Hauptfeldwebel ... P., wahrheitswidrig mit, dass er immer noch operationsbedingt krankgeschrieben sei und zum Arzt für eine Nachuntersuchung gehen wolle."

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2. Durch Beschluss vom 7. April 2014 wurde Rechtsanwalt Dr. B. gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO zum Verteidiger des Soldaten bestellt.

12

Die 2. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat den Soldaten mit Urteil vom 28. Mai 2014 wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienstverhältnis entfernt.

13

Der Soldat habe am 1. August 2013 seinen Dienst im ... angetreten und sei durch den Dezernatsleiter Oberstleutnant i.G. L. in seine Aufgaben eingewiesen worden. Da er aber in der Folgezeit wiederholt länger urlaubs- und nach einem Unfall krankheitsbedingt abwesend gewesen sei, sei seine Eingliederung in das Team schwierig gewesen, zumal dem praktisch veranlagten Soldaten die eher theoretischen neuen Aufgaben nicht gelegen hätten. Der Soldat habe nach einiger Zeit seine Unterkunft am Standort K. aufgegeben und sei täglich 300 km nach R. gependelt. Er habe sich in K. unwohl und nicht ausgelastet gefühlt. Als er darüber mit einem Vorgesetzten gesprochen habe, sei die Möglichkeit einer Versetzung nach R. für ihn gefunden worden, er habe sich aber noch vorher entschlossen, keinen Dienst mehr zu leisten und sei diesem ab dem 5. November 2013 ferngeblieben. Dem Angestellten H. habe er wahrheitswidrig mitgeteilt, er falle wegen einer Bandscheibenoperation für längere Zeit aus. Er habe aber keinen Krankenmeldeschein vorgelegt und auch keinen Kontakt zu seinem Disziplinarvorgesetzten aufgenommen. Als Gründe für sein Verhalten habe er den Tod eines nicht von ihm stammenden Kindes seiner früheren Verlobten im Oktober 2012 und belastende Erbschaftsstreitigkeiten nach dem Tod seines Vaters vor zehn Jahren angegeben. Zudem sei er sich in K. überflüssig vorgekommen, da sich niemand um seine Rückkehr gekümmert habe. Ihm sei bewusst gewesen, dass er zur Rückkehr verpflichtet gewesen wäre, habe dies aber verdrängt. Am 16. Dezember 2013 sei er in seine Dienststelle zurückgekehrt, habe aber auf Aufforderung keine ärztlichen Empfehlungen zu seinem Krankheitsstatus vorlegen können und seine wahrheitswidrigen Angaben eingeräumt.

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Während seiner Abwesenheit habe der Soldat zwischen dem 25. und dem 29. November 2013 telefonisch gegenüber Oberstabsfeldwebel K. wahrheitswidrig angegeben, er sei wegen eines Bandscheibenschadens noch in Behandlung. Dem Zeugen L. habe er bei einem Besuch des Zeugen in der Wohnung des Soldaten am 29. November 2013 wahrheitswidrig erläutert, er sei operationsbedingt weiter krankgeschrieben und nehme Anwendungen wahr. Dies habe er auch in einem den Besuch vorbereitenden Telefonat angegeben. Am 3. Dezember 2013 habe er dem Kompaniefeldwebel, Hauptfeldwebel P., telefonisch wahrheitswidrig gesagt, er sei operationsbedingt krankgeschrieben und werde wegen einer Nachuntersuchung zum Arzt gehen.

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Der Soldat habe durch das unerlaubte Fernbleiben von seiner Dienststelle seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) und durch die wahrheitswidrigen Angaben gegenüber den Zeugen K., L. und P. die Wahrheitspflicht (§ 13 SG) verletzt. Alle Pflichtverletzungen verletzten zudem auch die Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. SG. Der Soldat habe vorsätzlich gehandelt.

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Das Dienstvergehen, dessen Schwerpunkt im unerlaubten Fernbleiben liege, wiege außerordentlich schwer. Der Soldat habe im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt. Seine Pflichtverletzung berühre die Wurzeln der militärischen Ordnung und die Funktionsfähigkeit der Truppe und erschüttere die Grundlagen des Dienstverhältnisses. Ein Verstoß eines Vorgesetzten gegen seine Dienstleistungspflicht beeinträchtige das Vertrauen seiner Vorgesetzten in ihn und seine Autorität bei seinen Untergebenen, denen er ein denkbar schlechtes Beispiel gebe. Bei länger dauernder eigenmächtiger Abwesenheit, von der ab einem Zeitraum von elf Tagen auszugehen sei, sei regelmäßig auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis zu erkennen. Hier sei der Soldat 41 Tage und damit eine längere Zeit ferngeblieben. Erschwerend trete die Wahrheitspflichtverletzung hinzu. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei daher die Entfernung aus dem Dienstverhältnis. Auf der zweiten Stufe der Bemessung ergäben sich keine Umstände, die das Dienstvergehen in einem milderen Licht erscheinen ließen. Es handele sich nicht um einen minderschweren Fall. Klassische Milderungsgründe in den Umständen der Tat lägen nicht vor. Es habe sich nicht um ein spontanes, einmaliges, persönlichkeitsfremdes Versagen eines sonst untadeligen und bewährten Soldaten gehandelt. Der Soldat habe auch nicht in einer psychischen Ausnahmesituation versagt. Nichts deute auf ein Handeln in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage hin. Eine Milderung werde auch nicht durch eine mangelhafte Dienstaufsicht gerechtfertigt. Zugunsten des Soldaten seien seine ordentlichen dienstlichen Leistungen zu berücksichtigen, die aber den Vertrauensverlust nicht aufwögen. Der Soldat habe die Anforderungen an ihn als Oberfeldwebel, der als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben müsse, so schwer enttäuscht, dass eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses dem Dienstherrn nicht mehr zumutbar sei.

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3. Gegen das ihm am 3. Juli 2014 zugestellte Urteil hat der Soldat am 31. Juli 2014 durch einen Wahlverteidiger unbeschränkt Berufung eingelegt.

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Die Sachverhaltsdarstellung sei teilweise unzutreffend. Der Soldat sei nicht Fachkraft für Lagertechnik, sondern Fachkraft für Lagerlogistik. Er habe in R. kein eigenes Aufgabengebiet gehabt, in das er sich hätte einfinden können. Ihm sei auch nicht bekannt gewesen, dass bereits vor seinem Fernbleiben ein Versetzungsantrag nach R. gestellt worden sei. In R. habe der Soldat nur sinnentleerte Tätigkeiten - Kaffee kochen, zwei Powerpoint-Präsentationen überarbeiten und Fahraufträge überprüfen - wahrnehmen können. Es sei für ihn erniedrigend gewesen, die Fahrstrecke von R. nach K. und zurück zurücklegen zu müssen, ohne am Dienstort etwas Produktives leisten zu können. Er habe zum Zeugen L. ein schlechtes Verhältnis gehabt. Dieser sei ihm gegenüber voreingenommen gewesen und habe schon die Begrüßung durch ihn in K. falsch geschildert. Eigene Aufgaben seien ihm nicht übertragen worden, er habe die Aufgaben eines Praktikanten erfüllt. Im Falle einer Krankmeldung sei zwar der Dienststelle ein Krankenmeldeschein vorzulegen, der Disziplinarvorgesetzte sei aber nicht zu kontaktieren und von ihm auch keine Genehmigung einzuholen gewesen, dem Dienst fernzubleiben. Einziger Ansprechpartner in K. sei der Angestellte H. gewesen. Es treffe zwar zu, dass der Zeuge L. ihn am 29. November 2013 in seiner Wohnung aufgesucht habe. Er habe sich aber gar nicht nach seinem Gesundheitszustand erkundigt und nur die Versetzungsunterlagen nach R. ausgehändigt, was die schlechte Beziehung dokumentiere. Ein Gespräch über die Krankschreibung und weitere nachoperative Anwendungen habe es bei dieser Gelegenheit nicht gegeben.

Die Maßnahmebemessung sei fehlerhaft, weil ihr eine unzutreffende Feststellung der Pflichtverletzungen zugrunde liege. Wahrheitswidrige Behauptungen seien nur gegenüber den Zeugen K. und P., nicht aber gegenüber dem Zeugen L. gefallen. Den Schwerpunkt dieses Vorwurfes mache aber die wahrheitswidrige Angabe gegenüber dem Zeugen L. aus, weil dieser den höchsten Dienstgrad innehabe. Der Soldat habe zwar falsch gehandelt, sei aber diensttreu und zuverlässig. Dass es keine Zweifel an seiner Person gebe, könnten seine aktuellen Dienstvorgesetzten bekunden. Die Maßnahme sei auch wegen der mangelhaften Dienstaufsicht durch den Zeugen L. zu mildern. Die Entfernung aus dem Dienstverhältnis sei wegen ihrer Folgen für den Soldaten keine angemessene Maßnahme. Das Fernbleiben habe auch nicht 41 Tage gedauert, da hier die Wochenenden mitgezählt worden seien. Die vom Truppendienstgericht herangezogenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts beträfen keine vergleichbaren Sachverhalte. Der Soldat habe keine spezielle Funktion gehabt, so dass er auch keine signifikante Vorbildfunktion als Vorgesetzter gehabt habe.

19

Nach Anhörung der Beteiligten ist die Bestellung von Rechtsanwalt Dr. B. zum Pflichtverteidiger des Soldaten für das Berufungsverfahrens gemäß § 91 WDO, § 143 StPO mit Beschluss vom 10. Oktober 2014 zurückgenommen worden, weil der Soldat einen anderen Verteidiger mandatiert hat. Nachdem der Soldat in der Berufungshauptverhandlung seinem Wahlverteidiger das Mandat entzogen hatte, ist ihm mit seinem Einverständnis die ursprünglich aufgrund einer Untervollmacht seines Wahlverteidigers erschienene Rechtsanwältin R. gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO beigeordnet worden.

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Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Berufung ist unbegründet.

21

Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

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1. Den Sachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung ist, bestimmt die Anschuldigungsschrift auch hinsichtlich des Schuldvorwurfes mit der im Interesse einer effektiven Verteidigung gegen den Vorwurf gebotenen Klarheit (vgl. zu den Anforderungen: BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2009 - 2 WD 4.08 - BVerwGE 133, 129 <131 ff.>). Der in Anschuldigungspunkt 2 verwendete Begriff der Mitteilung erfasst hiernach hinreichend deutlich jede Form der Kommunikation von Informationsinhalten, auch soweit sie sich für den Gesprächspartner aus den konkreten Worten und dem Verhalten des Soldaten vor dem Hintergrund der bereits zuvor an seine Dienststelle übermittelten Informationen ergeben. Vorgeworfen wird dem Soldaten in allen Unterpunkten des Anschuldigungspunktes nicht ein bestimmter Wortlaut der unwahren Aussagen, sondern dass er in den im Einzelnen geschilderten Kommunikationssituationen wahrheitswidrig zum Ausdruck gebracht habe, nach einem angeblichen Bandscheibenvorfall fortwährend erkrankt und wegen noch ausstehender Behandlungen weiterhin krankgeschrieben zu sein.

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2. Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung folgender Sachverhalt fest:

a) Der Soldat ist zwischen dem 5. November 2013 und dem 16. Dezember 2013 nicht an seinem Dienstort erschienen, obwohl er weder erkrankt war, Urlaub oder eine anderweitige Erlaubnis zum Fernbleiben hatte. Das Bestehen der Pflicht, zum Dienst zu erscheinen, war ihm dabei bekannt.

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Dies hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung ebenso wie in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht ausdrücklich auch hinsichtlich des in Rede stehenden zeitlichen Rahmens zugestanden. Er hat seine Motivation erläutert und damit detaillierte Angaben gemacht, die über ein bloßes Formalgeständnis hinausgehen. Anlass zu weiteren Aufklärungen bestand daher nicht.

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b) aa) Der Soldat hat in einem Telefonat mit dem Oberstabsfeldwebel K. zwischen dem 25. und dem 29. November 2013 bewusst wahrheitswidrig angegeben, er sei wegen einer Bandscheibenoperation krankgeschrieben und könne deshalb nicht zum Dienst erscheinen. Auch in einem weiteren Telefonat mit dem Hauptfeldwebel P. am 3. Dezember 2013 hat er bewusst wahrheitswidrig angegeben, er sei nach der Operation immer noch krankgeschrieben und müsse noch einen Arzttermin absolvieren. Durch die Falschangaben wollte er jeweils die Aufdeckung des Fehlverhaltens verhindern.

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Dass diese Teilvorwürfe des Anschuldigungspunktes 2, die Unterpunkte a und c, den Tatsachen entsprechen, hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung wie auch beim Truppendienstgericht eingeräumt. Die Berufungsbegründung gesteht ebenfalls ausdrücklich zu, dass in diesen Telefonaten unwahre Angaben über eine fortbestehende gesundheitliche Beeinträchtigung und noch ausstehende weitere Behandlungen gemacht wurden. Daher hat der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit der entsprechenden Schilderungen der Anschuldigungsschrift.

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c) Zur Überzeugung des Senates steht schließlich fest, dass der Soldat dem Zeugen Oberstleutnant i.G. L. anlässlich eines Besuches des Zeugen in der Wohnung des Soldaten am 29. November 2013 in der Absicht, sein Fehlverhalten zu verschleiern, bewusst wahrheitswidrig berichtet hatte, er müsse noch einen weiteren Arzttermin absolvieren, bevor er wieder in den Dienst zurückkehren könne. Da der Zeuge zuvor bereits erfahren hatte, dass der Soldat sich wegen eines Bandscheibenvorfalles krank gemeldet und eine Krankschreibung behauptet hatte, suggerierte der Soldat durch den Hinweis auf den noch ausstehenden Arzttermin bewusst wahrheitswidrig das Fortbestehen einer Krankschreibung bis zu der Überprüfung des Genesungsfortschrittes durch den Arzt und machte dies, wie er erkannt hatte, auch zum Gegenstand seiner Mitteilung.

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Die Überzeugung des Senats stützt sich auf die glaubhafte Aussage des Zeugen L. Dieser hat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, den Soldaten nach einer telefonischen Terminabstimmung am 29. November 2013 einen Besuch in dessen Privatwohnung abgestattet zu haben. Er selbst wohne nicht weit entfernt und habe nach dem Soldaten sehen wollen. Der Zeuge habe von Kameraden zuvor erfahren, dass der Soldat einen Bandscheibenvorfall erlitten habe. Er habe ihm außerdem bei dieser Gelegenheit Unterlagen über die Versetzung nach R. ausgehändigt. Der Soldat selbst habe ihn bei diesem Besuch informiert, dass er noch einen ausstehenden Arzttermin habe, bevor er in den Dienst zurückkehren könne. Dies habe der Zeuge zum Anlass genommen, den Soldaten darauf hinzuweisen, dass er einen Bandscheibenvorfall nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfe, und ihm empfohlen, vor allem die Frage der Reisefähigkeit und die Möglichkeit der Fahrt zur Dienststelle mit dem eigenen Kfz mit dem Arzt noch zu klären. Er wisse nämlich aus eigenem Erleben im Familienkreis, wie vorsichtig man nach einem Bandscheibenvorfall sein müsse und wie sehr man auch in einfachsten Verrichtungen eingeschränkt sei.

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Der Senat hat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen L. Dieser hat die damalige Gesprächssituation in der Berufungshauptverhandlung detailreich geschildert. Seine Angaben im Laufe des Verfahrens weisen keine erheblichen Widersprüche oder Brüche auf. Die Schilderung war nachvollziehbar und nach der Gesamtsituation stimmig. Es entspricht allgemeinüblichen Gepflogenheiten der Höflichkeit und der Kameradschaft, einen erkrankten Kameraden bei einem Besuch, selbst wenn dieser Besuch auch oder gar in erster Linie der Aushändigung von Versetzungsunterlagen dient, nach dem Befinden zu fragen. Dass der Zeuge dem Soldaten gegenüber elementare Gebote der Mitmenschlichkeit und Höflichkeit außer Acht gelassen haben könnte, erscheint dem Senat nach seinem Eindruck des Zeugen in der Berufungshauptverhandlung nicht vorstellbar. Der Senat konnte keine Voreingenommenheit des Zeugen dem Soldaten gegenüber oder gar Belastungseifer erkennen. Der Zeuge hat zudem plausibel und nachvollziehbar mit Erlebnissen aus dem Familienkreis erläutert, wieso er den Hinweis des Soldaten auf den Arzttermin aufgriff und wie er auf diesen reagierte.

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Durch diese glaubhafte Zeugenaussage ist das Bestreiten des Anschuldigungspunktes 2 b durch den Soldaten zur Überzeugung des Senates widerlegt.

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Zwar hat der Soldat in der Berufungsbegründung und in der Berufungshauptverhandlung in Abrede gestellt, mit dem Zeugen L. anlässlich dessen Besuchs er am 29. November 2013 über seinen Gesundheitszustand gesprochen zu haben. Diese Frage sei bei der Gelegenheit gar nicht berührt worden. Der Besuch habe lediglich der Aushändigung der Versetzungsunterlagen gedient. Seine Aussage war aber bereits deshalb nicht glaubhaft, weil er in seinen Vernehmungen durch die Disziplinarvorgesetzte und durch den Wehrdisziplinaranwalt jeweils andere Angaben gemacht hatte und die Widersprüche auf Vorhalt in der Berufungshauptverhandlung nicht nachvollziehbar aufklären konnte. In seiner Vernehmung vom 17. Dezember 2013 hatte der Soldat der Disziplinarvorgesetzten gegenüber eingeräumt, er habe dem Zeugen L. gesagt, er sei noch krank und müsse am 2. Dezember 2013 wieder zum Arzt. Auch in seiner Vernehmung am 23. Dezember 2013 hat er angegeben, dem Zeugen L. gegenüber seinen Krankheitsstatus angesprochen zu haben, auch wenn er sich an seine genauen Worte nicht mehr erinnern könne.

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Der Senat ist überzeugt, dass der Soldat auch erkannte, dass er dem Zeugen gegenüber sinngemäß mitteilte, er sei wegen des Bandscheibenvorfalles weiterhin krankgeschrieben. Denn dass ein Gesprächspartner, der nach einem Hinweis auf einen ausstehenden Arzttermin die langwierigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer derartigen Erkrankung anspricht und zur Vorsicht mahnt, genau diesen Schluss gezogen hat, drängt sich auf. Der Senat hat keinen Grund anzunehmen, der sich in der Berufungshauptverhandlung kommunikativ gewandt und intelligent darstellende Soldat habe einen sich aufdrängenden Schluss nicht gezogen. Ebenso wenig gibt es Anlass zu bezweifeln, dass der Soldat wie schon bei den von ihm eingeräumten Falschangaben in Täuschungsabsicht gehandelt hat.

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3. Damit hat der Soldat vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

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Die in § 7 SG normierte allgemeine Pflicht zum "treuen Dienen" umfasst im elementaren Kernbereich die Pflicht zur Anwesenheit und Erbringung einer Dienstleistung. Da der Soldat in Kenntnis seiner Möglichkeit und Verpflichtung Dienst zu leisten, mithin wissentlich und willentlich dem Dienst ferngeblieben ist, ist diese Pflicht vorsätzlich verletzt. Zudem schließt § 7 SG auch die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem die Beachtung der Strafgesetze, ein (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - juris Rn. 33 und vom 1. Februar 2012 - 2 WD 1.11 - Rn. 50 ff.). Gegen diese Loyalitätspflicht hat der Soldat verstoßen, weil er nach den Feststellungen des Senats aufgrund eigenen Entschlusses und damit eigenmächtig ohne Erlaubnis seines Disziplinarvorgesetzten mehr als drei Tage wissentlich und willentlich seinem Dienst ferngeblieben ist und damit vorsätzlich eine Wehrstraftat nach § 15 Abs. 1 WStG begangen hat.

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Durch die drei bewusst wahrheitswidrigen Mitteilungen gegenüber Oberstabsfeldwebel K., Hauptfeldwebel P. und Oberstleutnant i.G. L. hat der Soldat wissentlich und willentlich falsche Angaben zu den Gründen seines Fernbleibens vom Dienst und damit in einer dienstlichen Angelegenheit getätigt und somit jeweils vorsätzlich die Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 SG), verletzt.

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Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1997 - 2 WD 24.96 - BVerwGE 113, 48, <54>, vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Diese Voraussetzungen sind hier sowohl durch die unerlaubte Abwesenheit als auch die mehrfachen Falschangaben zu seinen Gründen erfüllt. Auch dies geschah aus den genannten Gründen vorsätzlich.

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4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

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aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen außerordentlich schwer.

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Das Schwergewicht der Verfehlung liegt in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten, deren Verletzung von erheblicher Bedeutung ist. Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens folgt daraus, dass der Soldat nicht nur gegen seine soldatische Pflicht zur Dienstleistung, sondern auch gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, in erheblichem Umfang verstoßen und kriminelles Unrecht im Sinne von § 15 Abs. 1 WStG begangen hat. Ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2006 - 2 WD 2.05 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 50 S. 1 und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 27). Die Verletzung der Pflicht zur militärischen Dienstleistung berührt nicht nur die Einsatzbereitschaft der Truppe, sie erschüttert auch die Grundlagen des Dienstverhältnisses selbst (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2009 - 2 WD 17.08 - BVerwGE 134, 379 Leitsatz).

40

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sind auch durch die Verletzungen der dienstlichen Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) gekennzeichnet (vgl. dazu insb. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 2 WD 4.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO Nr. 6 Rn. 23). Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der Bundeswehr in dienstlichen Angelegenheiten unwahre Erklärungen abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein. Die Bedeutung der Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - anders als z.B. bei Beamten - für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Einsatzfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 27). Wer als Soldat in dienstlichen Äußerungen und Erklärungen vorsätzlich unrichtige Angaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht im gebotenen Umfang vorhanden ist. Eine solche Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner persönlichen Integrität haben damit erhebliche Bedeutung für die militärische Verwendungsfähigkeit eines Soldaten (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 2 WD 4.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO Nr. 6 Rn. 23. m.w.N.).

Hierfür kommt es entgegen der Einschätzung der Berufungsbegründung nicht darauf an, welchen Dienstgrad der Adressat der unwahren Angaben hat. Die Pflichtverletzung gegenüber Oberstleutnant i.G. L. wiegt nicht schwerer als die Wahrheitspflichtverletzungen gegenüber den Feldwebeldienstgraden und bildet auch nicht den Schwerpunkt des Anschuldigungspunktes 2.

41

Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.

42

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - Rn. 53 m.w.N., vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 30). Daher kommt es nicht darauf an, ob der Soldat eine mit Vorgesetztenaufgaben ausgestattete spezielle Funktion hatte.

43

bb) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen für den Dienstbetrieb, weil dem Dienstherrn über den Zeitraum des Fernbleibens des Soldaten dessen Dienstleistung trotz der Fortzahlung der Bezüge nicht zur Verfügung stand. Obwohl das Dienstvergehen im Kameradenkreis bekannt geworden ist, hat dies nach den Aussagen der Disziplinarvorgesetzten in der Berufungshauptverhandlung allerdings nicht zu weiteren Störungen der Betriebsabläufe oder zu einer Zunahme disziplinarer Probleme geführt.

44

cc) Die Beweggründe des Soldaten sprechen nicht für ihn. Nach seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung hat er aus Frustration über die für ihn unbefriedigende dienstliche Situation und unter dem Eindruck familiärer Belastungen gehandelt. Der Dienstherr kann aber erwarten, dass ein Soldat trotz Unzufriedenheit über sein dienstliches Umfeld und privater Sorgen elementare Kernpflichten erfüllt. Der Soldat hat eigennützig gehandelt, weil er private Angelegenheiten über dienstliche Interessen stellt.

45

dd) Das Maß der Schuld des uneingeschränkt schuldfähigen Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat.

46

Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern könnten (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. September 2008 - 2 WD 18.07 - UA Rn. 59 m.w.N.), liegen nicht vor.

47

aaa) Das eigenmächtige Fernbleiben vom Dienst stellt schon wegen seines Dauercharakters keine einmalige, persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten dar. Die unwahren Angaben über die Gründe desselben wertet der Senat wegen der mehrfachen Wiederholung nicht als persönlichkeitsfremdes Verhalten.

48

bbb) Ein Mitverschulden von Vorgesetzten in der Form einer mangelhaften Dienstaufsicht liegt schon deshalb nicht vor, weil der Soldat keines hilfreichen Eingreifens seiner Dienstaufsicht bedurft hätte, um zu erkennen, dass er zur Dienstleistung und damit zum Erscheinen am Dienstort verpflichtet ist und über die Gründe eines Fernbleibens keine unwahren Angaben machen darf. Dieser Milderungsgrund steht einem Soldaten nämlich nur dann zur Seite, wenn er der Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. März 2003 - 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 S. 10 und vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 37).

49

Es gibt zudem entgegen dem Vortrag der Berufungsbegründung kein schuldhaftes Verhalten von Dienst- oder Fachvorgesetzten, das für das Versagen mitkausal geworden wäre. Vielmehr sind ausreichende Bemühungen unternommen worden, um dem Soldaten eine Einarbeitung in das für ihn neue Aufgabenfeld der Stabsarbeit bzw. den Wechsel auf einen seinen Neigungen und Talenten entsprechenden anderen Dienstposten zu ermöglichen.

50

Die Zeugin Hauptmann H. hat in der Berufungshauptverhandlung erläutert, sie habe Ende August/Anfang September 2013 ein Einführungsgespräch mit dem Soldaten geführt. Sie habe in dieser Zeit viele Einführungsgespräche geführt, weil das Zentrum sich im Aufbau befunden habe und sehr viele Soldaten neu zuversetzt worden seien. Sie habe ihm erläutert, dass er mit Sorgen und Problemen jederzeit auch zu ihr kommen könne. Sie sei aber nur für allgemein militärische Fragen zuständig, während spezifisch fachliche Fragen über die Abteilungen laufen würden. Sie habe den Soldaten nach konkreten Problemen gefragt. Diese Frage habe er aber verneint. Er habe durchaus gesagt, dass der Dienstposten für ihn neu sei und ihm Stabsarbeit wohl nicht liege. Dies sei aber noch kein Anlass zum Tätigwerden für sie gewesen.

51

Der Zeuge L. hat in der Berufungshauptverhandlung das Einführungsgespräch mit dem Soldaten und den Ablauf der Einarbeitungsphase nach der Zuversetzung eines neuen Mitarbeiters geschildert. Hiernach hat er den Soldaten in einem Einführungsgespräch in der Abteilung begrüßt. Er habe sich dem Soldaten vorgestellt und auch ihn nach seinem Werdegang gefragt, um sich ein Bild von dem Soldaten machen zu können. Er habe ihm die Aufgaben des Zentrums allgemein erläutert und ihn darauf hingewiesen, dass seine Tür für den Soldaten bei Problemen immer offen stehe. Das gesamte Aufgabenfeld seines Dienstpostens habe er mit dem Soldaten noch nicht besprochen, da dieser erst durch eine Einarbeitungsphase Stück für Stück an die Aufgaben herangeführt werden müsse. Es sei in der Stabsarbeit nicht ungewöhnlich, dass neu zuversetzte Soldaten die notwendigen Kenntnisse noch gar nicht besäßen und erst ausgebildet werden müssten. Jeder neu zum Zentrum versetzte Soldat müsse zunächst einige Tage lang einen "Laufzettel" mit organisatorischen Punkten abarbeiten und werde dann in individuell unterschiedlicher Zeit eingearbeitet, indem ihm zunächst nur einzelne, leichte Aufgaben übertragen würden. Der Soldat habe dem Stellvertreter des Zeugen, Oberstleutnant B., gegenüber sehr bald signalisiert, dass ihm die Stabsarbeit nicht liege. Man habe seinen Wechselwunsch dann unterstützt und für ihn sehr schnell eine Möglichkeit zur Versetzung nach R. gefunden.

52

Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der detaillierten, widerspruchsfreien und ohne Belastungseifer vorgetragenen, daher glaubhaften Schilderungen der Zeugen H. und L.

53

Hiernach sind Versäumnisse der Dienst- oder Fachaufsicht in der Wahrnehmung von Fürsorgepflichten nicht erkennbar.

Hauptmann H. hatte nach dem Einführungsgespräch weder Grund daran zu zweifeln, dass der Soldat nach einer Einarbeitung durch die Fachabteilung die für die Stabsarbeit notwendigen Kenntnisse erwerben und ohne unzumutbare Erschwernisse seine Dienstpflichten erfüllen könnte, noch hatte sie Anlass zu vermuten, der Soldat würde sich durch eine vorgetäuschte Krankheit seinen Dienstpflichten entziehen.

54

Oberstleutnant i.G. L. hatte nicht nur hinreichende Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Soldat an seine neuen Aufgaben herangeführt werden konnte, er ist seinen Fürsorgepflichten auch durch den ungewöhnlich schnell ermöglichten Dienstpostenwechsel des Soldaten nachgekommen. Der Soldat ist nach seiner Versetzung nach K. unstreitig unterbrochen von Erholungsurlaub und Krankheitstagen nur 29 Tage an seinem Dienstort anwesend gewesen. Damit befand er sich nach der Abarbeitung des "Laufzettels" in der Einarbeitungsphase, die bei ihm nachvollziehbar schon deshalb länger dauern musste, weil die Arbeit an dieser Dienststelle weder seiner bisherigen Ausbildung noch seinen Neigungen entsprach. Dass ihm in dieser Zeit nur wenige leichte Aufgaben übertragen worden waren, war aus Fürsorgegründen geboten.

55

Ein Mitverschulden von Vorgesetzten in der Form unterbliebener oder verspäteter Krankenbesuche oder unterbliebener Nachfragen nach seinem Verbleiben und Befinden liegt hier entgegen den Ausführungen der Berufungsbegründung fern. Wer - wie der Soldat hier - eine Erkrankung vortäuscht, handelt treuwidrig, wenn er auch noch das Fehlen von Krankenbesuchen seines Fachvorgesetzten oder intensiverer Erkundigungen nach seiner nicht vorhandenen Krankheit moniert. Hier haben verschiedene Kameraden nach der angeblichen Erkrankung des Soldaten Kontakt mit ihm aufgenommen, nach der Fortdauer seiner Erkrankung gefragt und um Übersendung von Nachweisen gebeten. Damit ist alles getan, was von der Dienstaufsicht erwartet werden kann. Dass man ihm bei mehr detektivischem Spürsinn von Vorgesetzten auch eher auf die Schliche hätte kommen können, lässt die Verfehlung des Soldaten nicht in einem milderen Licht erscheinen.

56

ccc) Der Soldat hat auch nicht in einer seelischen Ausnahmesituation versagt (vgl. zu diesem Milderungsgrund z.B. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2002 - 2 WD 23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124> m.w.N.). Die Belastungsfaktoren, auf die sich der Soldat vorliegend beruft, begründen keine außergewöhnlichen Besonderheiten seiner Situation zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen. Diese Umstände erreichen keinen so hohen Grad an Zuspitzung, dass ein normgemäßes Verhalten kaum noch erwartet werden kann (BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 2 WD 10.13 - UA Rn. 78). Dies gilt sowohl für die Umstände aus seinem privaten Umfeld als auch für die von ihm behaupteten Belastungsfaktoren aus dem dienstlichen Bereich.

57

Die von dem Soldaten vorgetragenen belastenden Erlebnisse aus dem sozialen Umfeld liegen nach seinen in der Berufungshauptverhandlung auf Nachfrage bestätigten Angaben längere Zeit zurück: der Tod seines Vaters ca. zehn Jahre, der Beginn der Erbschaftsstreitigkeiten zwischen seiner Mutter und seinem Bruder ca. zwei Jahre, der Tod des Kindes seiner ehemaligen Verlobten und die Trennung von dieser ca. ein Jahr. Vor dem Fehlverhalten war er zur Dienstleistung trotz dieser Erlebnisse ohne Weiteres in der Lage. Er hatte nach der Trennung von seiner Verlobten auch nach eigenen Angaben bereits eine neue Freundin gefunden. Der Senat glaubt ihm daher nicht, dass ihn die genannten Erlebnisse, mögen sie bei ihrem Eintritt auch niederdrückend gewirkt haben, zum Zeitpunkt der Pflichtverletzungen noch erheblich beeinträchtigten.

58

Dies gilt auch für die von ihm angeführten dienstlichen Belastungen. Auf dem Dienstposten, auf dem es zu den Pflichtverletzungen kam, war er vor seinem Fehlverhalten wegen Urlaubszeiten und Erkrankungen bzw. der Folgen eines Unfalles nur kurze Zeit anwesend gewesen. Die theoretischen Anforderungen der Stabsarbeit entsprachen unstreitig nicht seinem bisherigen Einsatz und seiner eher praktischen Veranlagung, sodass eine Einarbeitungsphase, in der ihm schon aus Fürsorgegründen weniger und leichtere Aufgaben zu übertragen waren, notwendig war. Ihm waren auch nach eigenen Angaben einzelne Aufgaben (Überarbeitung von Power-Point-Präsentationen und die Überprüfung von Fahraufträgen) übertragen worden. Dass er selbst diese Tätigkeiten nicht für sinnvoll hielt und sie nicht seinen Neigungen entsprachen, begründet keine schwere psychische Belastung. Von einem Soldaten muss erwartet werden, dass er die ihm übertragenen Aufgaben auch dann erfüllt, wenn er der Einschätzung seiner Vorgesetzten zum Sinn der Aufgabe nicht folgen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - UA Rn. 43).

59

ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sind dem Soldaten seine vor dem Fehlverhalten ordentlichen Leistungen und auch die guten Leistungen nach dem Vorfall bis Ende 2014, die vor allem die Zeugen Z. und M. bekundet haben, zugute zu halten.

60

Eine Nachbewährung kann der Senat allerdings nicht feststellen, weil im Laufe des anhängigen Verfahrens ein strenger Verweis gegen den Soldaten wegen eines Ungehorsams verhängt wurde. Eine Nachbewährung setzt nicht nur eine Steigerung der Leistungen in fachlicher Hinsicht voraus. Zusätzlich ist erforderlich, dass der Soldat sich während des Verfahrens in jeder Hinsicht ohne Anlass zu Beanstandungen durch seine Vorgesetzten führt. Denn von einer Nachbewährung kann nur dann gesprochen werden, wenn durch das Gesamtverhalten des Soldaten im Laufe des gerichtlichen Disziplinarverfahrens deutlich wird, dass das Verfahren selbst nachhaltig pflichtenmahnend auf den Soldaten wirkt und dieser unter dem Eindruck des Verfahrens durch seine dienstliche Führung in jeder Hinsicht dokumentiert, dass er die durch die Dienstpflichtverletzungen begründeten Zweifel an seiner charakterlichen Integrität und fachlichen Eignung durch besonders korrekte Pflichterfüllung ausräumen will (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - juris Rn. 48). Außerdem zeigt die Leistungskurve des Soldaten seit Ende des Jahres 2014 nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugen M. und T. auch wieder nach unten.

61

Für den Soldaten spricht die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da er hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt, aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt.

62

Der Senat hält dem Soldaten zugute, dass er sich ganz überwiegend von Anfang an geständig eingelassen und Reue bekundet hat.

63

ff) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Entfernung aus dem Dienstverhältnis gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 WDO tat- und schuldangemessen. Denn angesichts des Gewichts der Pflichtverletzung ist dem Dienstherrn die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zumutbar.

64

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

65

aaa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

66

Für Fälle des (vorsätzlichen) eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe ist aus spezial- und generalpräventiven Gründen bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit nach der Rechtsprechung des Senats Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist das Dienstvergehen so schwerwiegend, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. September 2009 - 2 WD 17.08 - Buchholz 450.2 § 13 WDO 2002 Nr. 1 S. 9 m.w.N. und vom 25. Oktober 2012 - 2 WD 32.11 - juris Rn. 40 ff.).

67

Von einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen auszugehen, setzt voraus, dass durch das in Rede stehende Dienstvergehen regelmäßig die Vertrauensgrundlage zwischen dem Dienstherrn und dem Soldaten unheilbar zerstört ist und dem Dienstherrn deshalb die Fortsetzung des Dienstverhältnisses grundsätzlich nicht mehr zugemutet werden kann. Wird ein solches Gewicht des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst allein aus seiner Dauer abgeleitet, dann muss diese für einen objektiven Beobachter den äußeren Anschein begründen, der Soldat habe sich innerlich vom Dienstherrn und seinen Dienstpflichten gelöst. In diesem Fall indiziert nämlich die reine Dauer des Fernbleibens eine Haltung eines Soldaten, die der die Strafbarkeit als Fahnenflucht begründenden Absicht an Schwere gleichkommt und deshalb auch in gleicher Weise das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Integrität eines Soldaten zerstört (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - UA Rn. 55).

68

Wer über einen Zeitraum von fast sechs Wochen dem Dienst fernbleibt, indiziert damit eine innere Abkehr vom Dienstherrn, der diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses in aller Regel unzumutbar macht. Damit ist bereits wegen der Verfehlungen nach dem Anschuldigungspunkt 1 die Entfernung aus dem Dienstverhältnis Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.

69

bbb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

70

Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto gewichtiger müssen auch die Milderungsgründe sein, die es erlauben, von der im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen vorgesehenen Regelmaßnahme abzusehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. März 2013 - 2 WD 15.11 - juris Rn. 43 und vom 20. Februar 2014 - 2 WD 35.11 - juris Rn. 95).

71

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind keine Umstände ersichtlich, deren Art und Gewicht ein Abgehen von der Regelmaßnahme erlauben würden. Derartiges Gewicht erreichen die für den Soldaten sprechenden Aspekte schon dann nicht, wenn man in die Abwägung nur die Pflichtverletzung nach dem Anschuldigungspunkt 1 einstellen würde. Teil des einheitlichen Dienstvergehens bilden hier aber auch die Pflichtverletzungen nach dem Anschuldigungspunkt 2. Diese sind bei der Bestimmung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen noch gar nicht berücksichtigt und müssen daher auf der zweiten Stufe der Bemessungserwägung erschwerend den mildernden Aspekten gegenüber gestellt werden.

72

Die dem Soldaten seitens der Leumundszeugen bescheinigten Leistungen reichen nicht aus, um von der Höchstmaßnahme absehen zu können:

Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, sodass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 51 m.w.N.), auch nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (BVerwG, Urteile vom 16. Juni 2011 - 2 WD 11.10 - juris Rn. 40 - und vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - juris Rn. 73). Nichts anderes gilt, wenn man die geständigen Einlassungen und die Reue des Soldaten zusätzlich einstellt.

73

Gegen den vollständigen Vertrauensverlust spricht auch nicht der Umstand, dass der Soldat während des Ermittlungsverfahrens und des Verfahrens vor der Vorinstanz nicht vorläufig des Dienstes enthoben oder nicht deswegen wegversetzt worden ist (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2014 - 2 WD 7.13 - juris Rn. 69).

74

Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme ist auch nicht mit Rücksicht auf die teilweise sachgleiche strafrechtliche Ahndung des Fehlverhaltens des Soldaten geboten. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 49 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 51).

75

Die vom Soldaten vorgetragenen Umstände der Tatbegehung haben, wenn man sie mit geringerem Gewicht als klassische Milderungsgründe in den Umständen der Tat überhaupt in die Gesamtabwägung einstellen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 WD 14.13 - juris Rn. 28), so geringes Gewicht, dass sie der Annahme eines vollständigen Verlustes des Vertrauens in seine Integrität und Zuverlässigkeit ebenfalls nicht entgegenstehen.

76

5. Da die Berufung des Soldaten erfolglos geblieben ist, sind ihm gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Nach § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO trägt der Soldat damit auch die ihm im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen.

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