Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-3/99
61999J0003
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 12. Oktober 2000. - Cidrerie Ruwet SA gegen Cidre Stassen SA und HP Bulmer Ltd. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal de commerce de Bruxelles - Belgien. - Freier Warenverkehr - Richtlinie 75/106/EWG - Teilweise Angleichung - Flüssigkeiten in Fertigpackungen - Abfüllung nach Volumen - Apfelwein - Verbot von in der Richtlinie nicht vorgesehenen Nennvolumen durch einen Mitgliedstaat. - Rechtssache C-3/99.
Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-08749
Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
Schlüsselwörter
1 Rechtsangleichung - Fertigverpackung von Flüssigkeiten - Richtlinie 75/106 in der geänderten Fassung - Teilweise Harmonisierung - Verbot des Inverkehrbringens von Fertigpackungen mit einem in Anhang III Spalte I der Richtlinie nicht aufgeführten Nennvolumen durch die Mitgliedstaaten - Unzulässigkeit
(Richtlinie 75/106 des Rates in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676, Anhang III, Spalte 1)
2 Freier Warenverkehr - Mengenmäßige Beschränkungen - Maßnahmen gleicher Wirkung - Nationale Regelung, die das Inverkehrbringen einer Fertigpackung mit einem in der gemeinschaftsrechtlich festgelegten, durch die Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 geänderten Reihe nicht enthaltenen Nennvolumen verbietet - Unzulässigkeit - Rechtfertigung - Verbraucherschutz - Voraussetzungen - Beurteilung durch das nationale Gericht
(EG-Vertrag, Artikel 30 [nach Änderung jetzt Artikel 28 EG]; Richtlinie 75/106 des Rates in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676, Anhang III, Spalte 1)
Leitsätze
1 Die Richtlinie 75/106 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfuellung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 gestattet es den Mitgliedstaaten nicht, das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit einem Nennvolumen, das nicht in Anhang III Spalte I dieser Richtlinie vorgesehen ist, zu verbieten.
Zwar war mit der Richtlinie 75/106 in ihrer ursprünglichen Fassung eine vollständige Angleichung der betreffenden innerstaatlichen Regelungen erfolgt, nach ihrer Änderung durch die Richtlinie 79/1005 bewirkte sie jedoch nur noch eine teilweise Harmonisierung. (vgl. Randnrn. 42-43, 57 und Tenor)
2 Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG) verwehrt es einem Mitgliedstaat, das Inverkehrbringen einer Fertigpackung mit einem in der gemeinschaftsrechtlich durch die Richtlinie 75/106 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfuellung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 festgelegten Reihe nicht enthaltenen Nennvolumen zu verbieten, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, es sei denn, dieses Verbot soll einem zwingenden Erfordernis des Verbraucherschutzes dienen, gilt unterschiedslos für inländische wie für eingeführte Erzeugnisse, ist notwendig, um dem fraglichen Erfordernis gerecht zu werden und steht in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck, und dieser Zweck kann nicht durch Maßnahmen erreicht werden, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken.
Das innerstaatliche Gericht muss bei der Beurteilung der Frage, ob tatsächlich die Gefahr besteht, dass der Verbraucher durch zu dicht beieinander liegende Nennvolumen derselben Flüssigkeit irregeführt wird, allen maßgeblichen Gesichtspunkten Rechnung tragen, indem es auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abstellt. (vgl. Randnrn. 51-53, 57 und Tenor)
Parteien
In der Rechtssache C-3/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Tribunal de commerce Brüssel (Belgien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Cidrerie Ruwet SA
gegen
Cidre Stassen SA,
HP Bulmer Ltd
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG) und über die Gültigkeit und Auslegung der Richtlinie 75/106/EWG des Rates vom 19. Dezember 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfuellung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen (ABl. 1975, L 42, S. 1) in der Fassung der Richtlinien 79/1005/EWG des Rates vom 23. November 1979 (ABl. L 308, S. 25), 85/10/EWG des Rates vom 18. Dezember 1984 (ABl. 1985, L 4, S. 20), 88/316/EWG des Rates vom 7. Juni 1988 (ABl. L 143, S. 26) und 89/676/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 (ABl. L 398, S. 18)
erlässt
DER GERICHTSHOF
(Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter) sowie der Richter J.-P. Puissochet und R. Schintgen,
Generalanwalt: N. Fennelly
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Cidre Stassen SA und der HP Bulmer Ltd, vertreten durch Rechtsanwälte E. Deltour, A. Puts und P.-M. Louis, Brüssel,
- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx, Beraterin im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat W.-D. Plessing und Regierungsdirektor C.-D. Quassowski, Bundesministerium der Finanzen, als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Ewing, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte im Beistand von Barrister D. Bethlehem,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch Rechtsberaterin C. Giorgi und F. Anton, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater H. van Lier als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Cidrerie Ruwet SA, vertreten durch Rechtsanwalt K. Carbonez, Brüssel, der Cidre Stassen SA und der HP Bulmer Ltd, vertreten durch Rechtsanwälte A. Puts und P.-M. Louis, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Barrister A. Robertson, des Rates, vertreten durch F. Anton, und der Kommission, vertreten durch H. van Lier, in der Sitzung vom 10. Februar 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. März 2000,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Tribunal de commerce Brüssel hat mit Urteil vom 28. Dezember 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Januar 1999, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG) sowie der Gültigkeit und der Auslegung der Richtlinie 75/106/EWG des Rates vom 19. Dezember 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfuellung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen (ABl. 1975, L 42, S. 1) in der Fassung der Richtlinien 79/1005/EWG des Rates vom 23. November 1979 (ABl. L 308, S. 25), 85/10/EWG des Rates vom 18. Dezember 1984 (ABl. 1985, L 4, S. 20), 88/316/EWG des Rates vom 7. Juni 1988 (ABl. L 143, S. 26) und 89/676/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 (ABl. L 398, S. 18) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Cidrerie Ruwet SA (im Folgenden: Firma Ruwet) mit Sitz in Belgien einerseits und der Cidre Stassen SA (im Folgenden: Firma Stassen), ebenfalls mit Sitz in Belgien, und der HP Bulmer Ltd (im Folgenden: Firma HP Bulmer) mit Sitz im Vereinigten Königreich andererseits wegen eines Antrags der Firma Ruwet auf Verurteilung der Firma Stassen, den Vertrieb von Apfelwein in Flaschen mit einem Nennvolumen von 0,33 l in Belgien einzustellen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 30 EG-Vertrag bestimmt:
"Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen zwischen den Mitgliedstaaten verboten."
4 Nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 88/316 und 89/676 sind Gegenstand dieser Richtlinie die Fertigpackungen mit den in Anhang III aufgeführten fluessigen Erzeugnissen, also u. a. Wein, Apfelwein, Bier, Branntwein, Likör und andere alkoholische Getränke, Speiseessig, Speiseöle, Milch, Wasser, Limonaden und Frucht- und Gemüsesäfte. Artikel 1 Absatz 2 sieht Ausnahmen vor, die im vorliegenden Fall nicht erheblich sind.
5 Die erste und die vierte Begründungserwägung der Richtlinie 75/106 lauten:
"In den meisten Mitgliedstaaten sind die Bedingungen, unter denen in verschlossenen Fertigpackungen abgefuellte Flüssigkeiten in den Verkehr gebracht werden müssen, durch zwingende Rechtsvorschriften geregelt, die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden sind und daher bei diesen Fertigpackungen zu Handelshemmnissen führen; diese Vorschriften sind deshalb anzugleichen.
...
Es empfiehlt sich, die Größen der Nennvolumen für ein und dasselbe Erzeugnis, die zu dicht beieinander liegen und zu einer Irreführung des Verbrauchers Anlass geben könnten, zahlenmäßig so weit wie möglich zu verringern; angesichts der enormen Lagerbestände an Fertigpackungen in der Gemeinschaft kann diese Verringerung jedoch nur schrittweise erfolgen."
6 Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten insbesondere, das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit den in Anhang III vorgesehenen Nennvolumen in ihrem Gebiet zu gestatten.
7 Artikel 5 der Richtlinie bestimmte in seiner ursprünglichen Fassung:
"Die Mitgliedstaaten dürfen das Inverkehrbringen von Fertigpackungen, die den Bestimmungen ... dieser Richtlinie entsprechen, nicht aus Gründen verweigern, verbieten oder beschränken, die sich auf das Volumen der Fertigpackungen [oder] dessen Feststellung ... beziehen."
8 Diese Bestimmung lautet in der Fassung der Richtlinien 79/1005 und 85/10 nunmehr wie folgt:
"(1) Die Mitgliedstaaten dürfen das Inverkehrbringen von Fertigpackungen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht aus Gründen verweigern, verbieten oder beschränken, die sich auf die Feststellung des Volumens der Fertigpackungen ... oder auf das in Anhang III Spalte I verzeichnete Nennvolumen beziehen.
..."
9 Artikel 4 der Richtlinie 75/106 schloss in seiner ursprünglichen Fassung Fertigpackungen mit anderen als den in Anhang III genannten Nennvolumen aus.
10 In Artikel 4 Absätze 1 und 2 hieß es:
"(1) Auf allen in Artikel 3 genannten Fertigpackungen muss stets das als Nennvolumen bezeichnete Flüssigkeitsvolumen, das jeweils in ihnen enthalten sein soll, gemäß Anhang I angegeben sein.
(2) Für diese Fertigpackungen sind allein die in Anhang III angegebenen Nennvolumen zulässig."
11 Der in Absatz 2 vorgesehene Ausschluss wurde durch eine Änderung dieser Vorschrift durch die Richtlinie 79/1005 beseitigt; in der sechsten Begründungserwägung der Änderungsrichtlinie heißt es:
"Für gewisse Mitgliedstaaten bringt die Verringerung der Zahl der Nennvolumen Schwierigkeiten mit sich. Für diese Mitgliedstaaten ist deshalb eine Übergangszeit vorzusehen, die den innergemeinschaftlichen Handel mit den betreffenden Erzeugnissen nicht behindert und die Durchführung dieser Richtlinie in den übrigen Mitgliedstaaten nicht gefährdet."
12 Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 89/676 untersagte jedoch nach dem - inzwischen erfolgten - Ablauf bestimmter Fristen das Inverkehrbringen der Erzeugnisse, die in Anhang III Nummer 1 Buchstaben a und b, Nummer 2 Buchstabe a und Nummer 4 aufgeführt sind (insbesondere Wein, Branntwein, Likör und andere alkoholische Getränke), in Fertigpackungen mit anderen als den in Anhang III Spalte I aufgeführten Nennvolumen.
13 In dieser Spalte, die in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 die endgültig zulässigen Nennvolumen festlegt, ist das Volumen von 0,33 l für Apfelwein nicht vorgesehen. Für nicht schäumenden Apfelwein sieht sie in Nummer 1 Buchstabe c neun Nennvolumen vor: 0,10 l - 0,25 l - 0,375 l - 0,50 l - 0,75 l - 1 l - 1,5 l - 2 l - 5 l. Für schäumenden Apfelwein sieht sie in Nummer 2 Buchstabe b sieben Nennvolumen vor: 0,10 l - 0,20 l - 0,375 l - 0,75 l - 1 l - 1,5 l - 3 l.
Das belgische Recht
14 Die Königliche Verordnung vom 16. Februar 1982 über die Reihen der zulässigen Nennfuellmengen und Nennvolumen für bestimmte Erzeugnisse in Fertigpackungen (Moniteur belge vom 12. März 1982; im Folgenden: Königliche Verordnung) setzt die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 79/1005 in belgisches Recht um. Er sieht nur die nach dieser Richtlinie zulässigen Nennvolumen vor. Somit ist das Inverkehrbringen von Apfelwein in 0,33-l-Flaschen in Belgien nicht gestattet.
Das Ausgangsverfahren
15 Die Firmen Ruwet, Stassen und HP Bulmer erzeugen und vertreiben verschiedene Apfelweinprodukte, die sowohl zum Verkauf auf den Inlandsmärkten als auch für den Export bestimmt sind.
16 Die Firma Stassen begann trotz des in der Königlichen Verordnung enthaltenen Verbots, für die Verbraucher bestimmten Apfelwein in 0,33-l-Flaschen auf dem belgischen Markt zu verkaufen.
17 Die Firma Ruwet forderte sie mit Schreiben vom 29. Mai und 16. Juni 1998 auf, den Vertrieb einzustellen.
18 Die Firma Stassen lehnte dies mit Schreiben vom 12. und 19. Juni 1998 ab. Die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 79/1005 sei nicht ordnungsgemäß in das belgische Recht umgesetzt worden; sie untersage nicht den Verkauf von Apfelwein in Packungen mit anderen als den in Anhang III der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Volumen; die Königliche Verordnung verstoße dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass sie das Inverkehrbringen von Apfelwein in Packungen mit 0,33 l untersage; die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 79/1005 würde gegen Artikel 30 EG-Vertrag verstoßen, wenn sie tatsächlich ein solches Verbot enthielte.
19 Am 26. Juni 1998 verklagte die Firma Ruwet die Firma Stassen vor dem Tribunal de commerce Brüssel und beantragte, sie zu verurteilen, den Vertrieb der streitigen Erzeugnisse in Belgien einzustellen. Die Firma HP Bulmer trat diesem innerstaatlichen Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten bei.
20 Das Tribunal de commerce Brüssel hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist es mit Artikel 30 EG-Vertrag vereinbar, dass die Richtlinie 75/106/EWG vom 19. Dezember 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfuellung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen in der Fassung der Richtlinie 79/1005/EWG vom 23. November 1979, die eine Übergangszeit vorsieht, den Mitgliedstaaten noch heute, also etwa zwanzig Jahre später und obwohl sich in dieser Zeit die Gewohnheiten geändert haben und das 0,33-l-Behältnis inzwischen weltweit beliebt und verbreitet ist, erlaubt, den Vertrieb anderer Behältnisse als der in Anhang III der Richtlinie vorgesehenen zuzulassen oder zu verbieten, woraus sich Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben können und im vorliegenden Fall ergeben, so dass die Mitgliedstaaten, die wie Belgien für Apfelwein die Behältnisreihen beschränken, damit über eine Maßnahme verfügen, die eine Beschränkung des freien Warenverkehrs bezweckt oder bewirkt?
2. Erlaubt die Richtlinie 75/106/EWG vom 19. Dezember 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfuellung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen in der Fassung der Richtlinie 79/1005/EWG vom 23. November 1979 den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung des Grundsatzes des freien Warenverkehrs eine Umsetzung dahin gehend, dass die nationale Regelung den Vertrieb von Behältnissen mit einer nicht in Anhang III der Richtlinie genannten Menge, hier des 0,33-l-Behältnisses für den Vertrieb von Apfelwein, untersagt?
Die Vorabentscheidungsfragen
21 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 im Hinblick auf Artikel 30 EG-Vertrag gültig ist, sofern sie es den Mitgliedstaaten gestattet, das Inverkehrbringen anderer als der in Anhang III Spalte I vorgesehenen Fertigpackungen nicht zuzulassen und auf diese Weise den freien Warenverkehr zu behindern.
22 Die zweite Frage geht dahin, ob diese Richtlinie so auszulegen ist, dass sie es den Mitgliedstaaten gestattet, durch eine nationale Regelung wie die Königliche Verordnung das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit einem Nennvolumen, das nicht in ihrem Anhang III Spalte I vorgesehen ist, zu verbieten.
23 Die zweite Frage ist zuerst zu prüfen, denn eine Beantwortung der ersten Frage nach der Gültigkeit der fraglichen Richtlinie wäre nur erforderlich, wenn diese tatsächlich so auszulegen ist, dass sie es den Mitgliedstaaten gestattet, ein solches Verbot auszusprechen.
24 Falls sie nicht so auszulegen ist, wird unter Berücksichtigung der im Verfahren abgegebenen Erklärungen zu untersuchen sein, ob Artikel 30 einem Vertriebsverbot wie dem, um das es im Ausgangsverfahren geht, entgegensteht.
25 Die Firma Ruwet führt aus, das Ausgangsverfahren sei ein rein innerstaatlicher Rechtsstreit, in dem zwei Unternehmen, nämlich die Firma Stassen und sie selbst, über in Belgien hergestellte und in den Verkehr gebrachte Erzeugnisse stritten. Unter diesen Umständen sei die Frage der Vereinbarkeit der Königlichen Verordnung mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu prüfen.
26 Dazu genügt die Feststellung, dass das vorlegende Gericht dieses Vorbringen in seinem Urteil bereits zurückgewiesen und festgestellt hat, dass der Rechtsstreit nicht eine rein interne Situation betreffe, da die Frima Stassen nicht nur den von ihr erzeugten, sondern auch von ihr eingeführten Apfelwein verkaufe.
27 Die Firma Ruwet trägt weiter vor, die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 79/1005 habe es den Mitgliedstaaten letztlich ermöglicht, entweder das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit anderen als den in ihrem Anhang III vorgesehenen Nennvolumen zu gestatten oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die nicht den Angaben in diesem Anhang entsprächen, zu verbieten. Diese optionelle Harmonisierung führe dazu, dass zwei verschiedene Märkte nebeneinander bestuenden, nämlich der für Erzeugnisse, die der genannten Richtlinie entsprächen und frei verkehren könnten, und derjenige der nicht konformen Erzeugnisse, die nicht frei verkehren könnten. Das Königreich Belgien habe somit für die zweite Alternative optieren dürfen, zumal diese Option den Schutz der Verbraucher sicherstelle, die andernfalls durch zu dicht beieinander liegende Nennvolumen irregeführt werden könnten.
28 Die belgische Regierung räumt ein, im Fall der optionellen Harmonisierung könnten die Importeure von Erzeugnissen, die nicht den in der Richtlinie genannten Standards entsprächen, sich grundsätzlich auf Artikel 30 EG-Vertrag berufen, um am freien Warenverkehr teilzuhaben. Habe der Einfuhrmitgliedstaat jedoch die Bestimmungen der Richtlinie für verbindlich erklärt und seine eigenen nationalen Standards aufgegeben, so könne er nicht gezwungen werden, nicht konforme Erzeugnisse zu akzeptieren. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Hersteller, die die für die Anpassung ihrer Produktion an die optionell harmonisierten Standards erforderlichen Ausgaben getätigt hätten, nicht für ihre Anstrengungen belohnt würden, während die Hersteller, die keine derartigen Ausgaben gehabt hätten, sich weiter auch für nicht konforme Erzeugnisse auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs berufen könnten.
29 Für den Fall, dass dieser Auffassung nicht zugestimmt werde, sei davon auszugehen, dass die sich aus der Königlichen Verordnung ergebende Behinderung der Einfuhr durch zwingende Erfordernisse des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sei.
30 Die Firmen Stassen und HP Bulmer machen geltend, nach der Rechtsprechung, die auf das Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (Rewe, "Cassis de Dijon", Slg. 1979, 649) zurückgehe, erfasse der freie Warenverkehr im Sinne des Artikels 30 EG-Vertrag nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung alle in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellten Erzeugnisse. Die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 79/1005 könne nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine nationale Maßnahme wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertriebsverbot gestatte.
31 Da mit dieser Richtlinie keine vollständige Harmonisierung erfolgt sei, blieben die Artikel 30 ff. anwendbar. Danach sei eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung nur dann durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, wenn sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahre. Dies sei jedoch in der Ausgangsrechtssache nicht der Fall. Das Verbot von Fertigpackungen mit einem Nennvolumen von 0,33 l für Apfelwein, das dem Verbraucherschutz dienen solle, verhindere mengenbezogene Preisvergleiche mit den Getränken, die unmittelbar mit dem Apfelwein in Wettbewerb stuenden (Bier und alkoholfreie Getränke). Zudem könne der Verbraucherschutz hinsichtlich der Preisvergleiche durch eine andere Maßnahme erreicht werden, die weit weniger einschneidende Auswirkungen auf den Gemeinschaftshandel hätte als ein Verbot, nämlich eine Verpflichtung zur Angabe des Preises pro Maßeinheit (pro Liter) an den Regalen, in denen das Erzeugnis zum Kauf angeboten werde. Ein Vertriebsverbot wie in der Ausgangsrechtssache verstoße somit gegen Artikel 30 EG-Vertrag.
32 Die deutsche Regierung verweist zunächst hinsichtlich der Erzeugnisse, für die die Mitgliedstaaten weiterhin andere als die in Anhang III Spalte I der Richtlinie vorgesehenen Nennvolumen zulassen dürfen, auf das Urteil vom 19. Februar 1981 in der Rechtssache 130/80 (Kelderman, Slg. 1981, 527), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass eine nationale Regelung, die der Abgrenzung zwischen verschiedenen Brotgrößen und -gewichten diene und durch die eine Irreführung des Verbrauchers über die ihm tatsächlich angebotene Brotmenge vermieden werden könne, aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht zu rechtfertigen sei, da sich eine angemessene Unterrichtung des Verbrauchers durch eine geeignete Etikettierung erreichen lasse. Eine solche Vorschrift verstoße deshalb gegen Artikel 30 EG-Vertrag. Das Gemeinschaftsrecht enthalte Vorschriften über die Mengenkennzeichnung für Lebensmittel und zur Bekämpfung der irreführenden Aufmachung von Fertigpackungen. Die Markttransparenz werde mit der Umsetzung der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (ABl. L 80, S. 27) spätestens am 18. März 2000 verbessert. Einschränkungen des freien Warenverkehrs, die sich aus der Richtlinie 75/106 ergäben, ließen sich nach der Umsetzung der Richtlinie 98/6 generell nicht mehr aus Gründen des Verbraucherschutzes rechtfertigen.
33 Die Regierung des Vereinigten Königreichs führt aus, die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 79/1005 gestatte es den Mitgliedstaaten, das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit anderen als den in der Richtlinie vorgesehenen Nennvolumen zuzulassen. Die Mitgliedstaaten dürften den Vertrieb dieser Erzeugnisse in ihrem Hoheitsgebiet nur unter Beachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 30 EG-Vertrag beschränken.
34 Auch müssten verwandte Gemeinschaftsvorschriften berücksichtigt werden, insbesondere die Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. 1979, L 33, S. 1), die Richtlinie 79/581/EWG des Rates vom 19. Juni 1979 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Lebensmittelpreise (ABl. L 158, S. 19) in der Fassung der Richtlinie 88/315/EWG des Rates vom 7. Juni 1988 (ABl. L 142, S. 23) und die Richtlinie 98/6. Die Notwendigkeit einer Einschränkung des freien Warenverkehrs sei anhand dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und der Rechtsprechung des Gerichtshofes sowie nach Maßgabe der tatsächlichen Umstände zu beurteilen.
35 Der Rat erklärt, er beabsichtige nicht, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob das Königreich Belgien die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 79/1005 ordnungsgemäß umgesetzt hat. Seiner Meinung nach ergibt sich allerdings aus Artikel 5 und Anhang III dieser Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Apfelwein in Fertigpackungen mit einem Nennvolumen von 0,33 l nicht verbieten oder beschränken dürften. Die Richtlinie 98/6 bestätige, dass die Richtline 75/106 in der geänderten Fassung nicht dahin ausgelegt werden könne, dass sie das Inverkehrbringen von Apfelwein in 0,33-l-Flaschen aus Gründen des Verbraucherschutzes verbiete.
36 Die Kommission ist der Auffassung, dass die Richtlinie 75/106 in der geänderten Fassung es den Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in Artikel 5 aufgeführten Ausnahmen (siehe Randnr. 12 dieses Urteils) gestatte, andere als die in ihr vorgesehenen Fertigpackungen zuzulassen, so dass diese fortan neben jenen verwendet werden könnten.
37 Diese anderen Fertigpackungen fielen weiterhin unter Artikel 30 EG-Vertrag, der es einem Mitgliedstaat nicht verbiete, seine Verbraucher vor einer Aufmachung zu schützen, die geeignet sei, den Käufer irrezuführen.
38 Außerdem sei die Verwechslungsgefahr vom nationalen Gericht konkret unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilen (Urteil vom 17. März 1983 in der Rechtssache 94/82, De Kikvorsch, Slg. 1983, 947). Im vorliegenden Fall müsse das einzelstaatliche Gericht die Abstände zwischen den Nennvolumen der in der in Rede stehenden Richtlinie vorgesehenen Reihen beachten. Diese Abstände ließen erkennen, bei welchen Nennvolumen angenommen werden könne, dass sie die Verbraucher vor jeder Verwechslungsgefahr schützten. Der Abstand zwischen einer Fertigpackung mit einem Nennvolumen von 0,33 l und einer Fertigpackung mit einem Nennvolumen von 0,375 l führe danach nicht zu einer signifikanten Verwechslungsgefahr, sofern die Etikettierung den Verbraucher in geeigneter Weise über das Volumen der abgepackten Flüssigkeit unterrichte.
39 Nach Auffassung der Kommission könnte das vorlegende Gericht auch Merkmale der Verpackung wie die Art oder die besondere Form der Fertigpackung, die eventuelle Angabe des Preises je Maßeinheit gemäß den Richtlinien 79/581 und 98/6 sowie die in der Richtlinie 75/106 in der geänderten Fassung für Konkurrenzprodukte oder allgemein für die meisten anderen Getränke vorgesehenen Nennvolumen berücksichtigen.
40 Die Richtlinie 75/106 wurde auf der Grundlage des Artikels 100 EG-Vertrag (jetzt Artikel 94 EG) zur Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken.
41 Nach ihrer ersten Begründungserwägung sollte sie die Hemmnisse für den freien Warenverkehr beseitigen, die sich für Getränke-Fertigpackungen aus der Unterschiedlichkeit der in den meisten Mitgliedstaaten bestehenden zwingenden Rechtsvorschriften ergaben. Ihrer vierten Begründungserwägung zufolge sollte sie außerdem den Schutz der Verbraucher vor Irreführung verbessern.
42 Mit der Richtlinie 75/106 in ihrer ursprünglichen Fassung war eine vollständige Angleichung der betreffenden innerstaatlichen Regelungen erfolgt: Artikel 4 Absatz 2 schloss das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit anderen als den in Anhang III vorgesehenen Nennvolumen aus, und Artikel 5 untersagte es den Mitgliedstaaten, das Inverkehrbringen von Fertigpackungen, die den Bestimmungen der Richtlinie entsprachen, aus Gründen zu beschränken, die sich auf ihr Volumen oder dessen Feststellung bezogen.
43 Nach der Streichung des Artikels 4 Absatz 2 durch die Richtlinie 79/1005 bewirkte die Richtlinie 75/106 nur noch eine teilweise Harmonisierung. Es wurde den Mitgliedstaaten wieder gestattet, das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit anderen als den in Anhang III vorgesehenen Nennvolumen zuzulassen, mit Ausnahme der Fertigpackungen mit bestimmten Erzeugnissen, die hier keine Rolle spielen (siehe Randnr. 12 dieses Urteils).
44 Entgegen der Auffassung der Firma Ruwet und der belgischen Regierung können die Fertigpackungen mit Nennvolumen, die nicht in Anhang III Spalte I der Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 vorgesehen sind, jedoch unter Beachtung dieser Richtlinie in anderen Mitgliedstaaten zugelassen wurden, nicht schon deshalb von dem durch Artikel 30 EG-Vertrag gewährleisteten freien Warenverkehr ausgeschlossen werden, weil ein Mitgliedstaat wie in der Ausgangsrechtssache die gemeinschaftsrechtlich festgelegte Reihe der Nennvolumen für verbindlich erklärt hat.
45 Nach ständiger Rechtsprechung bezweckt Artikel 30 das Verbot jeder Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5).
46 In Ermangelung einer Harmonisierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften verbietet Artikel 30 namentlich die Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich daraus ergeben, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften wie etwa hinsichtlich ihrer Ausstattung, ihrer Etikettierung und ihrer Verpackung entsprechen müssen, auch wenn diese unterschiedslos für einheimische und eingeführte Erzeugnisse gelten (Urteil vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-470/93, Mars, Slg. 1995, I-1923, Randnr. 12).
47 Im Fall einer teilweisen Harmonisierung wie der, um die es hier geht, bezieht sich dieses Verbot auf das Verbot des Inverkehrbringens von Fertigpackungen, die nicht von dieser Harmonisierung erfasst werden. Andernfalls würde es den Mitgliedstaaten in einem solchen Fall gestattet, ihren nationalen Markt entgegen dem vom Vertrag verfolgten Ziel des freien Warenverkehrs gegen die Erzeugnisse abzuschotten, die nicht von den Gemeinschaftsvorschriften erfasst werden.
48 Eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren streitige, die sich gegen Fertigpackungen mit einem Nennvolumen von 0,33 l richtet, die rechtmäßig in anderen Mitgliedstaaten hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, ist trotz unterschiedloser Geltung für inländischen und eingeführten Apfelwein geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern. Sie kann nämlich die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer dazu zwingen, das Erzeugnis je nach dem Ort des Inverkehrbringens unterschiedlich zu verpacken, und sie dadurch mit zusätzlichen Verpackungskosten belasten (vgl. in diesem Sinne Urteil in der Rechtssache Mars, Randnrn. 13 und 14).
49 Die belgische Regierung macht geltend, das im Ausgangsverfahren streitige Vertriebsverbot sei durch zwingende Gründe des Verbraucherschutzes gerechtfertigt.
50 Nach ständiger Rechtsprechung müssen Hemmnisse für den innergemeinschaftlichen Handel, die sich aus Unterschieden zwischen den nationalen Rechtsvorschriften ergeben, hingenommen werden, soweit solche Bestimmungen unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse gelten und notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen, insbesondere des Verbraucherschutzes, gerecht zu werden. Die betreffenden Bestimmungen sind jedoch nur zulässig, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen und wenn dieser Zweck nicht durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken (Urteil vom 26. November 1996 in der Rechtssache C-313/94, Graffione, Slg. 1996, I-6039, Randnr. 17, und die dort zitierte Rechtsprechung).
51 Mit der in der Ausgangsrechtssache streitigen Regelung will das Königreich Belgien unter Berufung auf das zwingende Erfordernis des Verbraucherschutzes verhindern, dass der Verbraucher durch zu dicht beieinander liegende Nennvolumen irregeführt wird.
52 Bei einer innerstaatlichen Maßnahme wie der hier beanstandeten muss das Gericht des Einfuhrmitgliedstaats für jede Fertigpackung, die ein Volumen hat, das nicht in Anhang III Spalte I der Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinie 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 vorgesehen ist, die jedoch im Ausfuhrmitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurde, prüfen, ob tatsächlich die Gefahr einer Irreführung der Verbraucher besteht.
53 Dabei muss es allen maßgeblichen Gesichtspunkten Rechnung tragen, indem es auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abstellt (Urteil vom 13. Januar 2000 in der Rechtssache C-220/98, Estée Lauder, Slg. 2000, I-117, Randnr. 30).
54 Das Gericht kann u. a. die Verpflichtung berücksichtigen, auf dem Etikett die Nettomenge der in der Verpackung enthaltenen Flüssigkeit in der Volumeneinheit (Liter, Zentiliter oder Milliliter) anzugeben. Diese Verpflichtung wird allgemein für alle fluessigen Lebensmittel in den Artikeln 3 Absatz 1 Nummer 4 und 8 Absatz 1 der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 109, S. 29) aufgestellt, durch die die Richtlinie 79/112 kodifiziert und aufgehoben worden ist. Für die in der Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 genannten Fertigpackungen ist diese Verpflichtung auch in Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie verankert, dessen Wortlaut durch die Richtlinie 79/1005 nicht geändert wurde. Das einzelstaatliche Gericht kann die damit verbundene Information berücksichtigen, wenn sie geeignet ist, beim Durchschnittsverbraucher eine Verwechslung zwischen den beiden Volumen zu verhindern und es ihm zu ermöglichen, beim Vergleich der Preise zweier unterschiedlicher Packungen mit derselben Flüssigkeit den festgestellten Unterschied in der Füllmenge zu berücksichtigen.
55 Das nationale Gericht kann weiter den Umstand berücksichtigen, dass die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 selbst in der Reihe von Nennvolumen, die sie in Anhang III Spalte I für verschiedene Flüssigkeiten (Milch, Wasser, Limonaden, Obst- und Gemüsesäfte) vorsieht, das Nebeneinander von Nennvolumen (0,20 l und 0,25 l) zulässt, zwischen denen ein Abstand von nur 0,05 l besteht, der kaum größer ist als der zwischen dem hier in Rede stehenden Volumen von 0,33 l und dem von 0,375 l, das in der gemeinschaftsrechtlich festgelegten Reihe der für Apfelwein zugelassenen Nennvolumen vorgesehen ist.
56 Das nationale Gericht kann schließlich folgenden Gesichtspunkten Rechnung tragen:
- Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 79/581, der durch die Richtlinie 88/315 eingefügt wurde, enthielt eine Verpflichtung zur Angabe des Verkaufspreises je Maßeinheit (für Flüssigkeiten grundsätzlich in Litern) im Stadium des Verkaufes von Lebensmitteln an den Verbraucher; diese Verpflichtung galt u. a. für Apfelwein in Fertigpackungen mit Nennvolumen, die nicht in Anhang III Spalte I der Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 vorgesehen waren;
- diese Verpflichtung wurde durch die Richtlinie 98/6, von einigen Ausnahmen abgesehen, auf alle dem Verbraucher angebotenen Erzeugnisse erstreckt, insbesondere auf Apfelwein, und zwar unabhängig vom Nennvolumen der Fertigpackung. Die nationalen Durchführungsbestimmungen zu dieser Richtlinie mussten bis zum 18. März 2000 erlassen werden, d. h. vor dem Zeitpunkt, zu dem das vorlegende Gericht über den Antrag auf Erlass des Vertriebsverbots entscheiden wird. Diese Richtlinie wurde am 18. März 2000 durch die Richtlinie 79/581 aufgehoben.
57 Die zweite Vorabentscheidungsfrage ist deshalb wie folgt zu beantworten:
Die Richtlinie 75/106 in der Fassung der Richtlinien 79/1005, 85/10, 88/316 und 89/676 gestattet es den Mitgliedstaaten nicht, durch eine Regelung wie die belgische Königliche Verordnung das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit einem Nennvolumen, das nicht in Anhang III Spalte I dieser Richtlinie vorgesehen ist, zu verbieten.
Artikel 30 EG-Vertrag verwehrt es einem Mitgliedstaat, das Inverkehrbringen einer Fertigpackung mit einem in der gemeinschaftsrechtlich festgelegten Reihe nicht enthaltenen Nennvolumen zu verbieten, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, es sei denn, dieses Verbot soll einem zwingenden Erfordernis des Verbraucherschutzes dienen, gilt unterschiedslos für inländische wie für eingeführte Erzeugnisse, ist notwendig, um dem fraglichen Erfordernis gerecht zu werden und steht in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck, und dieser Zweck kann nicht durch Maßnahmen erreicht werden, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken.
58 Aufgrund dieser Antwort erübrigt sich die Beantwortung der ersten Vorabentscheidungsfrage.
Kostenentscheidung
Kosten
59 Die Auslagen der belgischen und der deutschen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor
Aus diesen Gründen hat
DER GERICHTSHOF
(Sechste Kammer)
auf die ihm vom Tribunal de commerce Brüssel mit Urteil vom 28. Dezember 1998 vorgelegten Fragen wie folgt entschieden:
Die Richtlinie 75/106/EWG des Rates vom 19. Dezember 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfuellung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen in der Fassung der Richtlinien 79/1005/EWG des Rates vom 23. November 1979, 85/10/EWG des Rates vom 18. Dezember 1984, 88/316/EWG des Rates vom 7. Juni 1988 und 89/676/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 gestattet es den Mitgliedstaaten nicht, durch eine Regelung wie die belgische Königliche Verordnung vom 16. Februar 1982 über die Reihen von zulässigen Nennfuellmengen und Nennvolumen von Behältnissen für bestimmte Erzeugnisse in Fertigpackungen das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit einem Nennvolumen, das nicht in Anhang III Spalte I dieser Richtlinie vorgesehen ist, zu verbieten.
Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG) verwehrt es einem Mitgliedstaat, das Inverkehrbringen einer Fertigpackung mit einem in der gemeinschaftsrechtlich festgelegten Reihe nicht enthaltenen Nennvolumen zu verbieten, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, es sei denn, dieses Verbot soll einem zwingenden Erfordernis des Verbraucherschutzes dienen, gilt unterschiedslos für inländische wie für eingeführte Erzeugnisse, ist notwendig, um dem fraglichen Erfordernis gerecht zu werden und steht in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck, und dieser Zweck kann nicht durch Maßnahmen erreicht werden, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken.
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Referenzen
- 316 und 89/67 14x (nicht zugeordnet)
- 1005 und 85/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1988 und 89/67 1x (nicht zugeordnet)