Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-569/13

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

10. September 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Handelspolitik — Auf die Einfuhren von Keramikfliesen mit Ursprung in China eingeführter Antidumpingzoll — Durchführungsverordnung (EU) Nr. 917/2011 — Gültigkeit — Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 — Art. 3 Abs. 2, 3, 5 und 6, Art. 17, Art. 20 Abs. 1 — Feststellung der Schädigung und des Kausalzusammenhangs — Sachliche Fehler und offensichtliche Beurteilungsfehler — Sorgfaltspflicht — Prüfung der Angaben, die von einem in die Stichprobe einbezogenen Einführer übermittelt wurden — Begründungspflicht — Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache C‑569/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Förvaltningsrätt i Malmö (Schweden) mit Entscheidung vom 4. November 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 2013, in dem Verfahren

Bricmate AB

gegen

Tullverket

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh (Berichterstatter), der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Bricmate AB, vertreten durch C. Dackö, U. Käll und M. Johansson, advokater,

des Rates der Europäischen Union, vertreten durch S. Boelaert und A. Norberg als Bevollmächtigte im Beistand von B. O’Connor, Solicitor, und S. Gubel, avocat,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. França und J. Enegren als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. Mai 2015

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 917/2011 des Rates vom 12. September 2011 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Keramikfliesen mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 238, S. 1, Berichtigung in ABl. L 332, S. 26).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bricmate AB (im Folgenden: Bricmate) und dem Tullverk (Zollbehörde), weil Letzteres auf die Einfuhr von Keramikfliesen aus China durch dieses Unternehmen einen Antidumpingzoll erhoben hat.

Unionsrechtlicher Rahmen

Grundverordnung

3

Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 343, S. 51, im Folgenden: Grundverordnung) „… kann [ein Antidumpingzoll] auf jede Ware erhoben werden, die Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der [Europäischen Union] eine Schädigung verursacht“.

4

Art. 3 („Feststellung der Schädigung“) Abs. 1 bis 3 sowie Abs. 5 und 6 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)   Sofern nichts anderes bestimmt ist, bedeutet der Begriff ‚Schädigung‘ im Sinne dieser Verordnung, dass ein Wirtschaftszweig der [Union] bedeutend geschädigt wird oder geschädigt zu werden droht oder dass die Errichtung eines Wirtschaftszweigs der [Union] erheblich verzögert wird; der Begriff ‚Schädigung‘ ist gemäß diesem Artikel auszulegen.

(2)   Die Feststellung einer Schädigung stützt sich auf eindeutige Beweise und erfordert eine objektive Prüfung

a)

des Volumens der gedumpten Einfuhren und ihrer Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem [Unionsmarkt] und

b)

der Auswirkungen dieser Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der [Union].

(3)   Im Zusammenhang mit dem Volumen der gedumpten Einfuhren ist zu berücksichtigen, ob diese Einfuhren entweder absolut oder im Verhältnis zu Produktion oder Verbrauch in der [Union] erheblich angestiegen sind. Im Zusammenhang mit den Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf die Preise ist in Betracht zu ziehen, ob im Vergleich zu dem Preis einer gleichartigen Ware des Wirtschaftszweigs der [Union] eine erhebliche Preisunterbietung durch die gedumpten Einfuhren stattgefunden hat oder ob diese Einfuhren auf andere Weise einen erheblichen Preisrückgang verursacht oder Preiserhöhungen, die andernfalls eingetreten wären, deutlich verhindert haben. Weder eines noch mehrere dieser Kriterien sind notwendigerweise ausschlaggebend.

(5)   Die Prüfung der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf den betroffenen Wirtschaftszweig der [Union] umfasst eine Beurteilung aller relevanten Wirtschaftsfaktoren und ‑indizes, die die Lage des Wirtschaftszweigs der [Union] beeinflussen, einschließlich der Tatsache, dass ein Wirtschaftszweig sich noch von den Auswirkungen früherer Dumpingpraktiken oder Subventionen erholen muss, der Höhe der tatsächlichen Dumpingspanne, des tatsächlichen und des potentiellen Rückgangs von Absatz, Gewinn, Produktion, Marktanteil, Produktivität, Rentabilität und Kapazitätsauslastung, der Faktoren, die die Preise der [Union] beeinflussen, der tatsächlichen und potentiellen negativen Auswirkungen auf Cashflow, Lagerbestände, Beschäftigung, Löhne, Wachstum, Kapitalbeschaffungs- oder Investitionsmöglichkeiten. Diese Liste ist nicht erschöpfend, und weder eines noch mehrere dieser Kriterien sind notwendigerweise ausschlaggebend.

(6)   Aus allen einschlägigen im Hinblick auf Absatz 2 vorgelegten Beweisen muss hervorgehen, dass die gedumpten Einfuhren eine Schädigung im Sinne dieser Verordnung verursachen. Insbesondere gehört dazu der Nachweis, dass das gemäß Absatz 3 ermittelte Volumen und/oder Preisniveau für die in Absatz 5 genannten Auswirkungen auf den Wirtschaftszweig der [Union] verantwortlich sind und dass diese Auswirkungen ein solches Ausmaß erreichen, dass sie als bedeutend bezeichnet werden können.“

5

Art. 17 („Stichprobe“) Abs. 1 der Grundverordnung sieht vor, dass „[i]n Fällen, in denen die Anzahl der Antragsteller, der Ausführer oder der Einführer, der Warentypen oder der Geschäftsvorgänge sehr groß ist, … die Untersuchung auf eine vertretbare Anzahl von Parteien, Waren oder Geschäftsvorgängen durch Stichproben, die nach den normalen statistischen Verfahren auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Auswahl zur Verfügung stehenden Informationen gebildet werden, oder auf das größte repräsentative Volumen von Produktion, Verkäufen oder Ausfuhren beschränkt werden [kann], die in angemessener Weise in der zur Verfügung stehenden Zeit untersucht werden können“.

6

In Abs. 2 bis 4 dieser Vorschrift sind die Modalitäten der Auswahl der Stichproben und der in diesem Fall vorzunehmenden Berechnung der Dumpingspanne enthalten.

7

Art. 20 („Unterrichtung“) Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

„Die Antragsteller, die Einführer und Ausführer sowie ihre repräsentativen Verbände und die Vertreter des Ausfuhrlandes können eine Unterrichtung über die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen beantragen, auf deren Grundlage die vorläufigen Maßnahmen eingeführt worden sind. Eine derartige Unterrichtung ist schriftlich sofort nach der Einführung der vorläufigen Maßnahmen zu beantragen, und die Unterrichtung erfolgt schriftlich möglichst bald danach.“

Vorläufige Verordnung

8

Am 16. März 2011 erließ die Europäische Kommission die Verordnung (EU) Nr. 258/2011 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Keramikfliesen mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 70, S. 5, Berichtigung in ABl. L 143, S. 48, im Folgenden: vorläufige Verordnung).

9

In Teil B („Betroffene Ware und gleichartige Ware“) dieser Verordnung hatten Rn. 27 bis 32 („Gleichartige Ware“) der vorläufigen Verordnung folgenden Wortlaut:

„(27)

Eine Partei brachte vor, die aus der VR China eingeführte Ware und die vom Wirtschaftszweig der Union hergestellte Ware seien nicht vergleichbar.

(28)

Bekanntlich stützte sich die Kommission beim Preisvergleich auf Warentypen, die anhand der auf acht Merkmalen beruhenden definierenden Warenkontrollnummern (Product control numbers – ‚PCN‘) unterschieden werden.

(29)

Die fragliche Partei brachte ihre Argumente bei einer Anhörung vor dem Anhörungsbeauftragten vor. Der Grund für die Unvergleichbarkeit liege danach in den für die Herstellung der Fliesen in der Union und in der VR China verwendeten unterschiedlichen Techniken, Materialien und Poliermittel sowie im Design. Auf technisch fortschrittlichen Produktionslinien würden hochwertige Fliesen mit Flachschablonen und mehreren Farben hergestellt. Das Unternehmen erläuterte, dass unterschiedliche Techniken beim Siebdruck, beim Druck mittels rotativer Druckzylinder und beim Tintenstrahldruck zum Einsatz kämen.

(30)

Trotz Aufforderung zur Vorlage einer ausführlichen Beschreibung aller dieser Aspekte der Vergleichbarkeit der Waren hat die Partei ihre Behauptungen nicht belegt. Auch der Einwand hinsichtlich der besseren Vergleichbarkeit konnte nicht belegt werden. Zudem räumte die Partei selbst ein, dass die Warentypen, die durch die Aufnahme der vier vorgeschlagenen zusätzlichen Kriterien einbezogen würden, nur etwa 0,5 % des Keramikfliesenmarkts ausmachen würden. Laut Bericht des Anhörungsbeauftragten, in dem die Position des betroffenen Unternehmens zusammengefasst wurde, waren die verbleibenden 99,5 % der unter dieselben PCN fallenden Waren vergleichbar.

(31)

Wie bereits erwähnt, hat die Partei weder die Notwendigkeit, weitere Kriterien aufzunehmen, noch die mögliche Auswirkung dieser Kriterien auf die Preise belegt. Angesicht des unerheblichen Marktanteils der betroffenen Warentypen und der Tatsache, dass die Partei ausdrücklich einräumte, dass 99,5 % der Fliesen nach Maßgabe der betreffenden PCN vergleichbar seien, wurde das Vorbringen, weitere Kriterien in die PCN-Struktur aufzunehmen, daher vorläufig zurückgewiesen.

(32)

Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die betroffene Ware, die in der VR China hergestellte und auf dem dortigen Inlandsmarkt verkaufte Ware, die in den USA, dem vorläufigen Vergleichsland, hergestellte und auf dem dortigen Inlandsmarkt verkaufte Ware sowie die in der Union von den EU-Herstellern gefertigte und verkaufte Ware der Untersuchung zufolge dieselben grundlegenden materiellen und technischen Eigenschaften und grundlegenden Verwendungen aufwiesen. Daher werden sie vorläufig als gleichartig im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 der Grundverordnung angesehen.“

10

Teil D der vorläufigen Verordnung über die Feststellung der Schädigung umfasste die Rn. 68 bis 111 dieser Verordnung. Die Rn. 71 und 72 unter Abschnitt 2 („Unionsverbrauch“) dieses Teils lauteten:

„(71)

Der Unionsverbrauch wurde durch Addition der auf Eurostat-Daten basierenden Importe und der Verkäufe der Unionshersteller auf dem EU-Markt ermittelt. Die Daten für die Gesamtverkäufe der betroffenen Ware in der Union basieren auf geprüften Daten einzelstaatlicher und europäischer Herstellerverbände. Für die Hochrech[n]ung der EU-Gesamtverkäufe wurden die Daten der Verbände und von Prodcom [Produktion in der Gemeinschaft] herangezogen.

(72)

Im Bezugszeitraum, d. h. zwischen 2007 und dem Ende des [Untersuchungszeitraums], fiel der Unionsverbrauch um 29 %, wobei der stärkste Rückgang um 13 % die Jahre 2007 und 2008 betraf. Im [Untersuchungszeitraum] ging der Verbrauch im Vergleich zu 2009 um 8 % zurück.“

11

Abschnitt 2 dieses Teils enthielt weiter eine Tabelle 1 („Verbrauch“) mit folgendem Inhalt:

„Menge

(in 1000 m2)

200720082009[Unter-suchungs-zeitraum]+ Gesamteinfuhren157232140715115676119689+ auf dem EU-Markt verkaufte EU-Produktion12754861099092992204895140

Index (2007 = 100) 100 86 78 70

= Verbrauch1432718123980711078801014829

Index (2007 = 100) 100 87 77 71

Rückgang gegenüber dem Vorjahr– 13 %– 11 %– 8 %“

12

Abschnitt 3 („Einfuhren aus der VR China“) des Teils D enthielt einen Abschnitt 3.1 („Menge, Marktanteil und Preise der Einfuhren der betroffenen Ware“). Die darin enthaltenen Rn. 73 bis 75 lauteten:

„(73)

Menge, Marktanteil und Durchschnittspreise der Einfuhren aus der VR China entwickelten sich wie nachfolgend dargestellt. Die Mengen- und Preisentwicklungen basieren auf Eurostat-Daten.

Tabelle 2

Einfuhren aus der VR China

Menge

(in 1 000 m2)

2007

2008

2009

[Untersuchungszeit-raum]

Menge der Einfuhren aus dem betroffenen Land

68 081

65 122

62 120

66 023

Index (2007 = 100)

100

96

91

97

Jahresvergleich

 

– 4 %

– 5 %

+ 6 %

Marktanteil der Einfuhren aus dem betroffenen Land

4,8 %

5,3 %

5,6 %

6,5 %

Preis der Einfuhren aus dem betroffenen Land (in EUR/m2)

4,7

4,9

4,4

4,5

Index (2007 = 100)

100

105

95

97

Jahresvergleich

 

+ 4 %

–10 %

+ 2 %

(74)

Die Gesamtmenge der Einfuhren aus der VR China ging im Bezugszeitraum um 3 % zurück und lag im [Untersuchungszeitraum] bei etwa 66 Mio. m2. Der Rückgang entsprach der rückläufigen Entwicklung des Verbrauchs, doch erfolgte er zwischen 2007 und 2009 und war wesentlich schwächer ausgeprägt. Zwischen 2009 und dem [Untersuchungszeitraum] stieg die Menge der Einfuhren aus der VR China wieder um 6 % an. Betrachtet man den gesamten Bezugszeitraum, so erhöhte sich der Marktanteil der chinesischen Einfuhren um 35 %, und zwar von 4,8 % im Jahr 2007 auf 6,5 % im [Untersuchungszeitraum].

(75)

Die Preise der chinesischen Einfuhren fielen im Bezugszeitraum um 4 % von 4,7 EUR/m2 auf 4,5 EUR/m2.“

13

Die Rn. 76 und 77 in Abschnitt 3.2 („Preisunterbietung“) lauteten:

„(76)

Für die Analyse der Preisunterbietung wurden für jeden Warentyp die auf die Stufe ab Werk gebrachten gewogenen durchschnittlichen Verkaufspreise, die die EU-Hersteller unabhängigen Abnehmern auf dem Unionsmarkt in Rechnung stellten, verglichen mit den entsprechenden gewogenen Durchschnittspreisen der Einfuhren aus der VR China für den ersten unabhängigen Abnehmer auf dem Unionsmarkt, und zwar auf cif-Stufe [cost, insurance and freight; Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Bestimmungshafen] nach gebührender Berichtigung für geltende Zölle, nach der Einfuhr angefallene Kosten sowie für Unterschiede bei der Handelsstufe.

(77)

Der Vergleich ergab, dass die Einfuhren der betroffenen Ware im [Untersuchungszeitraum] auf dem Unionsmarkt zu Preisen verkauft wurden, die diejenigen des Wirtschaftszweigs der Union unterboten. Als Prozentsatz der Preise des Wirtschaftszweigs der Union ausgedrückt, betrug die Unterbietungsspanne 44 bis 57 %. Die Berechnungen basierten auf Daten der EU-Hersteller der Stichprobe und der in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Hersteller aus der VR China.“

14

Teil E der vorläufigen Verordnung über den Kausalzusammenhang zwischen den gedumpten Einfuhren und der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union (im Folgenden: Kausalzusammenhang zwischen den Einfuhren und der Schädigung) enthielt einen Abschnitt 2 über die Auswirkungen der Einfuhren aus der VR China, in der die Rn. 114 und 116 folgenden Wortlaut hatten:

„(114)

Parallel dazu war auch der Unionsverbrauch rückläufig. Während die chinesischen Einfuhren von 2007 bis 2009 allerdings mengenmäßig um 9 Prozentpunkte zurückgingen und damit der Abwärtsentwicklung beim Verbrauch folgten (wenn auch nicht im selben Tempo – der Verbrauch ging im selben Zeitraum um 23 Prozentpunkte zurück), stieg der chinesische Marktanteil ab 2007 kontinuierlich an. Zudem nahmen von 2009 bis zum [Untersuchungszeitraum] die chinesischen Einfuhren um 6 Prozentpunkte zu, und zwar ungeachtet eines weiteren Verbrauchsrückgangs um 6 Prozentpunkte.

(116)

Der Ausbau des Marktanteils der chinesischen Einfuhren, zusammen mit den sinkenden Preisen und der zunehmenden Differenz zwischen den Preisen in der Union und den chinesischen Preisen, fiel zeitlich mit der Verschlechterung der Lage des Wirtschaftszweigs der Union zusammen.“

15

In Teil F („Unionsinteresse“) der vorläufigen Verordnung wurde in den Rn. 144 bis 146 hinsichtlich des Interesses der Einführer ausgeführt:

„(144)

Die Untersuchung ergab jedoch, dass Einführer und Verwender die Möglichkeit haben, ihre Waren aus Drittländern oder von innerhalb der Union zu beziehen. Diese Umstellung kann ganz einfach erfolgen, da die untersuchte Ware in mehreren Ländern sowohl innerhalb der Union als auch außerhalb (Türkei, Vereinigte Arabische Emirate, [Ägypten,] Südostasien, Brasilien u. a.) hergestellt wird.

(145)

Ein Einführer brachte vor, infolge der Einleitung der Untersuchung habe er versucht, die Lieferanten zu wechseln, allerdings ohne Erfolg. Ein anderer Einführer erklärte hingegen, die Umstellung sei bereits im Verlauf der Untersuchung erfolgreich vorgenommen worden. Ein dritter Einführer kündigte an, er werde sein Portfolio auf nicht-chinesische Hersteller erweitern, was problemlos möglich sei.

(146)

Daher wird vorläufig der Schluss gezogen, dass die Einführung von Maßnahmen die Einführer in der Union nicht daran hindern würde, ähnliche Ware aus anderen Quellen zu beziehen. Im Übrigen zielen die Antidumpingzölle nicht darauf ab, spezifische Handelskanäle abzuriegeln, sondern ihr Ziel ist es, faire Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen und unfairen Handelspraktiken entgegenzuwirken.“

Verordnung Nr. 917/2011

16

Nach der Darstellung des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass vorläufiger Maßnahmen geführt hatte, in Teil A der Verordnung Nr. 917/2011 befasst sich deren Teil B mit „Betroffene[r] Ware und gleichartige[r] Ware“. Dieser Teil umfasst die Rn. 42 bis 46 der Verordnung, die folgenden Wortlaut haben:

„(42)

Nach der Einführung der vorläufigen Maßnahmen wies eine interessierte Partei darauf hin, dass sich die KN-Codes der betroffenen Ware in der vorläufigen Verordnung gegenüber der Einleitungsbekanntmachung geändert hätten, und erkundigte sich nach den Gründen für diese Unterschiede und ob sich diese Änderungen auf die Warendefinition auswirken würden.

(43)

Diesbezüglich wird betont, dass die Unterschiede zwischen den KN-Codes in der vorläufigen Verordnung und in der Einleitungsbekanntmachung keine Änderung der Warendefinition oder des Untersuchungsgegenstands bedeutet. Die Änderungen betreffen nicht die Arten der betroffenen Fliesen, sondern tragen lediglich den allgemeinen Änderungen an der Kombinierten Nomenklatur Rechnung, die mit der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 861/2010 der Kommission … eingeführt wurden.

(44)

Eine interessierte Partei beantragte, bestimmte Keramik- Mosaikfliesen aus der Warendefinition auszuschließen. Sollten Maßnahmen eingeführt werden, würde diese Kategorie der betroffenen Ware ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Waren verlieren, mit denen sie austauschbar sei; außerdem finde Dumping in diesem speziellen Segment ohnehin nicht statt.

(45)

Dazu ergab die Untersuchung, dass, da Keramik-Mosaikfliesen und andere Arten von Keramikfliesen dieselben grundlegenden materiellen und technischen Eigenschaften aufweisen, eine Änderung der Warendefinition nicht angebracht ist. Die Behauptung, Dumping finde in diesem Segment nicht statt, wurde in keiner Weise belegt; im Übrigen ist dazu anzumerken, dass die Dumping- und Schadensanalyse die Lage der betroffenen Ware in ihrer Gesamtheit widerspiegeln muss. Deshalb wird dieser Einwand zurückgewiesen.

(46)

Aufgrund der Sachlage und in Ermangelung weiterer Stellungnahmen zur betroffenen Ware und zur gleichartigen Ware werden die Feststellungen unter den Randnummern 25 bis 32 der vorläufigen Verordnung bestätigt.“

17

Teil D der Verordnung Nr. 917/2011, der die Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union zum Gegenstand hat, umfasst deren Rn. 99 bis 137.

18

Rn. 100 in Abschnitt 1.1 („Unionsverbrauch“) des Abschnitts 1 („Produktion und Wirtschaftszweig der Union“) dieses Teils D der Verordnung lautet:

„Da zum Unionsverbrauch keine Stellungnahmen eingingen und keine weiteren Erkenntnisse gewonnen wurden, werden die Feststellungen unter den Randnummern 71 und 72 der vorläufigen Verordnung bestätigt.“

19

Abschnitt 2 dieses Teils behandelt Einfuhren aus der VR China und umfasst u. a. die Rn. 107 und 108. Diese lauten wie folgt:

„(107)

Hinsichtlich der Entwicklungen der Preise und Mengen der Einfuhren aus der VR China trifft zu, dass die Schwankungen begrenzt sind, wenn man sie in absoluten Zahlen betrachtet. Die chinesischen Einfuhren sanken im Bezugszeitraum um 3 %. Allerdings mussten die Schlussfolgerungen zur Menge der chinesischen Einfuhren vor dem Hintergrund eines Rückgangs der Gesamtnachfrage auf dem EU-Markt betrachtet werden. Dass die Einfuhren aus der VR China in diesem Zeitraum nur um 3 % sanken, während der Gesamtverbrauch um 29 % einbrach, wirkte sich zweifelsfrei auf die Präsenz dieser Einfuhren auf dem EU-Markt aus. Dadurch, dass sie konstant gehalten wurden, konnten die chinesischen Einfuhren Marktanteile in einer Zeit gut machen, in denen andere Wirtschaftsbeteiligte Verluste verzeichneten.

(108)

Zur Entwicklung der chinesischen Preise ist zu sagen, dass die unter Randnummer 73 der vorläufigen Verordnung angegebenen durchschnittlichen Einfuhrpreise sich auf Eurostat-Statistiken stützten. Die Genauigkeit der durchschnittlichen Preise für die Einfuhren in bestimmte Mitgliedstaaten wurde zwar in Frage gestellt, es wurden aber keine Änderungen an den amtlichen Statistiken bestätigt. Davon abgesehen sei daran erinnert, dass die Eurostat-Daten lediglich zur Feststellung der allgemeinen Entwicklung herangezogen wurden und dass sich das generelle Schadensbild selbst bei einer Aufwärtskorrektur der chinesischen Einfuhrpreise nicht ändern würde; es wären nach wie vor hohe Preis- und Zielunterbietungsspannen festzustellen. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass keine Eurostat-Daten zur Berechnung der Schadensspannen und der Dumpingspannen verwendet wurden. Zur Bestimmung der Höhe dieser Spannen wurde ausschließlich geprüftes Datenmaterial aus den besuchten Unternehmen verwendet. Selbst wenn sich Unstimmigkeiten bei den Statistiken finden ließen, hätte dies keinen Einfluss auf die Höhe der offengelegten Spannen.“

20

Teil E der Verordnung Nr. 917/2011, der den Kausalzusammenhang zwischen den Einfuhren und der Schädigung behandelt, umfasst die Rn. 138 bis 169.

21

Teil F („Unionsinteresse“) der Verordnung Nr. 917/2011 umfasst fünf Nummern. In Abschnitt 2 („Interesse der Einführer“) dieses Teils wird in den Rn. 174 und 175 ausgeführt:

„(174)

Dazu ist festzuhalten, dass ein Großteil der Einfuhren nicht von Zöllen betroffen ist, da sie nicht aus chinesischen Quellen stammen. Aufgrund der Eigenschaften der Ware, die in der ganzen Welt in vergleichbaren Qualitäten hergestellt wird, liegt nahe, dass die Ware trotz aller Gegenbehauptungen austauschbar ist und somit eine Reihe alternativer Bezugsquellen offen stehen. Selbst im Falle von Einführern, die von chinesischen Einfuhren abhängig sind, die der Untersuchung zufolge gedumpt sind und zu Preisen verkauft werden, die deutlich unter dem Preisniveau der Waren mit Ursprung in der Europäischen Union liegen, kam die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die besagten Einführer weit über 30 % auf ihre Verkaufspreise aufschlagen können. Diese Tatsache, wie auch die Tatsache, dass die Einführer nachweislich etwa 5 % Gewinne erzielt haben und zumindest einen Teil der potenziellen Kostensteigerungen an ihre Kunden weitergeben können, lässt vermuten, dass sie mit den Folgen der Maßnahmen fertig werden können.

(175)

Darüber hinaus würde die Einführung der Maßnahmen – wie unter Randnummer 144 der vorläufigen Verordnung geschlossen – die EU-Einführer der Ware nicht daran hindern, ihre Einfuhranteile verstärkt aus den anderen nicht gedumpten Quellen zu decken, die ihnen sowohl in der EU als auch in anderen Drittländern offen stehen.“

22

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 917/2011 lautet:

„Es wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf Einfuhren von glasierten und unglasierten keramischen Fliesen, Boden- und Wandplatten, glasierten und unglasierten keramischen Steinchen, Würfeln und ähnlichen Waren für Mosaike, auch auf Unterlage, die derzeit unter den KN-Codes 6907 10 00, 6907 90 20, 6907 90 80, 6908 10 00, 6908 90 11, 6908 90 20, 6908 90 31, 6908 90 51, 6908 90 91, 6908 90 93 und 6908 90 99 eingereiht werden, mit Ursprung in der Volksrepublik China.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

23

Am 7. Mai 2010 ging bei der Kommission ein Antrag ein, demzufolge die Einfuhren von Keramikfliesen mit Ursprung in China gedumpt seien und dadurch dem Wirtschaftszweig der Union eine bedeutende Schädigung verursachten.

24

In der Folge veröffentlichte sie am 19. Juni 2010 die Bekanntmachung der Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Keramikfliesen mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. C 160, S. 20). Die Untersuchung des Dumpings und der dem Wirtschaftszweig der Union verursachten Schädigung umfasste den Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. März 2010. Die Untersuchung der Entwicklungen zum Zweck der Bemessung der diesem Wirtschaftszweig entstandenen Schädigung und des Kausalzusammenhangs zwischen den Einfuhren und der Schädigung deckte den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2010 ab. Die Untersuchung erstreckte sich auf alle Keramikfliesen, die unter den Positionen 6907 und 6908 der in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in geänderter Fassung enthaltenen Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: KN) eingeführt wurden.

25

Bricmate ist eine schwedische Gesellschaft, die Keramikfliesen mit Herkunft aus China einführt. Im Rahmen des Antidumpingverfahrens wurde Bricmate mit sechs anderen Gesellschaften für die Einbeziehung in die Stichprobe der unabhängigen Einführer ausgewählt. In diesem Zusammenhang übermittelte sie der Kommission am 10. September 2010 in Beantwortung von deren Fragebogen ausführliche Informationen. Diese Informationen wurden von Bricmate sodann am 10. Dezember 2010 vervollständigt.

26

Am 16. März 2011 erließ die Kommission die vorläufige Verordnung. Am 15. April 2011 legte Bricmate der Kommission ihre Stellungnahme zu dieser Verordnung vor. Mit Schreiben vom 1. Juli 2011 antwortete die Kommission auf diese Stellungnahme und übermittelte der Gesellschaft ein Dokument zur allgemeinen Unterrichtung, auf dessen Grundlage sie dem Rat der Europäischen Union die Einführung endgültiger Antidumpingmaßnahmen empfahl.

27

Am 11. Juli 2011 übermittelte Bricmate ihre Stellungnahme zum Dokument zur allgemeinen Unterrichtung, die sie später, nach Tätigwerden des Anhörungsbeauftragten, am 15. Juli 2011 vervollständigte. Die Kommission antwortete mit Schreiben vom 27. Juli 2011 auf die Stellungnahme dieser Gesellschaft, die ihre Anmerkungen zu dieser Antwort am 23. August 2011 vorlegte.

28

Am 12. September 2011 erließ der Rat die Verordnung Nr. 917/2011.

29

Am 28. November 2011 erhob Bricmate nach Art. 263 Abs. 4 AEUV beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung dieser Verordnung. Mit seinem Beschluss Bricmate/Rat (T‑596/11, EU:T:2014:53) hat das Gericht diese Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin durch die Verordnung, deren Nichtigerklärung begehrt wurde, nicht individuell betroffen sei und die Verordnung Durchführungsmaßnahmen beinhalte.

30

Auf der Grundlage der Verordnung Nr. 917/2011 erließ das Tullverk zwischen dem 31. Oktober 2011 und dem 28. Mai 2012 32 Steuerbescheide, in denen der Antidumpingzoll auf von Bricmate vorgenommene Einfuhren von chinesischen Keramikfliesen angewendet wurde.

31

Mit ihrer Klage vor dem vorlegenden Gericht beantragte Bricmate unter Berufung auf die Ungültigkeit der Verordnung Nr. 917/2011 die Aufhebung dieser Steuerbescheide. Die Gesellschaft stützte die Geltendmachung der Ungültigkeit der Verordnung auf zwei Klagegründe. Der erste Klagegrund gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste angebliche Fehler in den Eurostat-Statistiken betrifft, auf die sich die Kommission gestützt habe. Der zweite Teil dieses Klagegrundes betrifft das behauptete Versäumnis der Unionsorgane, diese angeblichen Fehler zu untersuchen. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein unangebrachtes Verhalten der Kommission gegenüber Bricmate während der Untersuchung gerügt.

32

Das vorlegende Gericht führt aus, es könne nicht ausschließen, dass die von Bricmate vorgebrachten Argumente möglicherweise begründet seien.

33

Daher möchte das vorlegende Gericht in den Buchst. a und b seiner Vorlagefrage wissen, ob die Verordnung Nr. 917/2011 ungültig ist, weil die von der Kommission im Rahmen ihrer Untersuchung verwendeten Statistiken fehlerhaft sind und sich damit der Rat und die Kommission bei der Feststellung der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union und des Kausalzusammenhangs auf eine falsche Prämisse gestützt hätten.

34

In Buchst. c seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Unionsorgane gegen ihre Sorgfaltspflicht sowie gegen Art. 3 Abs. 2 und 6 der Grundverordnung verstoßen haben, als sie in Rn. 108 der Verordnung Nr. 917/2011 ausführten, dass keine Änderungen an den amtlichen Statistiken bestätigt worden seien. In diesem Zusammenhang stützt sich das Gericht auf das Vorbringen von Bricmate, wonach diese die Fehlerhaftigkeit der Eurostat-Statistiken der Kommission gegenüber gerügt habe.

35

Mit den Buchst. d bis f seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht klären lassen, ob die Kommission gegen ihre Begründungspflicht im Sinne von Art. 296 AEUV verstoßen, die Verteidigungsrechte von Bricmate verletzt sowie gegen Art. 17 und Art. 20 Abs. 1 der Grundverordnung verstoßen hat, weil sie die Ausführungen von Bricmate sowohl zu den Unterschieden im Herstellungsverfahren von Keramikfliesen mit Ursprung in China und solchen mit Ursprung in Europa als auch zum Angebot dieser Waren auf dem Unionsmarkt nicht berücksichtigt habe.

36

In diesem Zusammenhang legt das vorlegende Gericht dar, dass Bricmate, die von der Kommission im Rahmen des Antidumpingverfahrens in die Stichprobe der unabhängigen Einführer einbezogen worden war, die Bedeutung des Schneideverfahrens der Keramikfliesen in China hervorgehoben habe und mitgeteilt habe, dass sieben Arten von Fliesenserien in der Union nicht gefunden werden könnten. Die in dem Antidumpingverfahren verwendeten Tarifpositionen der KN und die Berechnungen der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union trügen diesen Besonderheiten nicht Rechnung. Nach Auffassung dieses Gerichts haben die Unionsorgane nicht klar aufgezeigt, wie die von Bricmate übermittelten Informationen beim Erlass der vorläufigen Verordnung und der Verordnung Nr. 917/2011 berücksichtigt worden seien; im Übrigen hätten sie dem Vorbringen von Bricmate in gewisser Weise widersprochen. Insbesondere seien zum einen die Informationen hinsichtlich des begrenzten Angebots an Fliesen und die behaupteten Unterschiede beim Schneideverfahren sowie zum anderen die Ansichten von Bricmate nicht berücksichtigt worden. In diesem Zusammenhang ergebe sich aus dem Urteil des Gerichts Gul Ahmed Textile Mills/Rat (T‑199/04, EU:T:2011:535, Rn. 77), dass die Unionsorgane bei der Anwendung des Stichprobenverfahrens die Angaben zu Ausfuhren aller an der Stichprobe beteiligten Unternehmen berücksichtigen müssten. Da die Kommission die von Bricmate gemachten Angaben außer Acht gelassen habe, habe sie gegen die Vorschriften über die Stichprobe in Art. 17 der Grundverordnung verstoßen.

37

Unter diesen Umständen hat das Förvaltningsrätt i Malmö (Verwaltungsgericht Malmö) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Verordnung Nr. 917/2011 aus einem der folgenden Gründe ungültig, nämlich weil

a)

die Untersuchung durch die Organe der Union offensichtliche Tatsachenirrtümer enthält,

b)

die Untersuchung durch die Organe der Union offensichtliche Beurteilungsfehler enthält,

c)

die Kommission gegen die Sorgfaltspflicht sowie gegen Art. 3 Abs. 2 und 6 der Grundverordnung verstoßen hat,

d)

die Kommission gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 20 Abs. 1 der Grundverordnung verstoßen und die Verteidigungsrechte von Bricmate verletzt hat,

e)

die Kommission es unter Verstoß gegen Art. 17 der Grundverordnung unterlassen hat, die von Bricmate beigebrachten Informationen zu berücksichtigen, und/oder

f)

die Kommission gegen die Begründungspflicht (im Sinne von Art. 296 AEUV) verstoßen hat?

Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

38

Nach der Verlesung der Schlussanträge der Generalanwältin hat Bricmate mit Schriftsatz, der am 17. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt. Sie stützt diesen Antrag im Wesentlichen darauf, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe, von der Fehlerhaftigkeit der in Rede stehenden Statistiken in der Endphase der Antidumpinguntersuchung Kenntnis gehabt zu haben. Diese Kenntnis stelle einen neuen Gesichtspunkt dar, der von den Parteien nicht erörtert und in den Schlussanträgen nicht untersucht worden sei.

39

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und seine Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die Parteien vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (vgl. Urteil Vnuk, C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Der Generalanwalt hat nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs seine Mitwirkung erforderlich ist. Die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung binden den Gerichtshof nicht (vgl. Urteil Kommission/Parker Hannifin Manufacturing und Parker-Hannifin, C‑434/13 P, EU:C:2014:2456, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Gleichwohl kann der Gerichtshof gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist (Urteil Nordzucker, C‑148/14, EU:C:2015:287, Rn. 24).

42

Dies ist hier nicht der Fall. Bricmate hat nämlich sowohl während des schriftlichen Verfahrens als auch während des mündlichen Verfahrens sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Argumente zur Stützung ihrer Anträge dargelegt. Insbesondere ist hinsichtlich des behaupteten neuen Gesichtspunkts, der in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden sein soll, festzustellen, dass auch dieser im schriftlichen und mündlichen Verfahren erörtert worden ist. Der Gerichtshof ist daher nach Anhörung des Generalanwalts der Auffassung, dass er über alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen verfügt und diese im Verfahren vor ihm erörtert worden sind.

43

Nach alledem sieht der Gerichtshof keine Veranlassung, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens anzuordnen.

Zur Vorlagefrage

Zu Art. 3 Abs. 2 und 6 der Grundverordnung, den Tatsachenirrtümern, den offensichtlichen Beurteilungsfehlern und dem Sorgfaltspflichtverstoß

44

Mit den Buchst. a bis c seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 917/2011 deshalb ungültig ist, weil die Unionsorgane zum einen im Rahmen der Antidumpinguntersuchung dadurch Tatsachenirrtümer und offensichtliche Beurteilungsfehler begangen hätten, dass sie sich zum Zweck der Feststellung der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union und des Kausalzusammenhangs zwischen den Einfuhren und der Schädigung auf fehlerhafte Eurostat-Statistiken gestützt hätten, und zum anderen dadurch gegen ihre Sorgfaltspflicht sowie Art. 3 Abs. 2 und 6 der Grundverordnung verstoßen hätten, dass sie in Rn. 108 der Verordnung Nr. 917/2011 ausgeführt hätten, dass keine Änderungen an den amtlichen Statistiken bestätigt worden seien.

45

Das vorlegende Gericht wirft hinsichtlich der Tatsachenirrtümer die Frage auf, ob die Unionsorgane in Bezug auf das Volumen der Einfuhren von Waren der Position 6908 90 99 der KN einen Fehler begangen hätten, weil das Volumen der chinesischen Einfuhren in der Verordnung Nr. 917/2011 für das Jahr 2009 und den Untersuchungszeitraum um 1,3 Mio. m2 zu hoch angesetzt worden sei. Darüber hinaus möchte das Gericht wissen, ob die Organe in Bezug auf die Einfuhren von Waren der Position 6907 90 99 der KN, jetzt Position 6907 90 80 der KN, einen Fehler begangen hätten, weil das Volumen dieser Einfuhren für das Jahr 2009 und den Untersuchungszeitraum um 10 % zu hoch angesetzt worden sei.

46

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Feststellung einer Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte voraus, so dass die gerichtliche Kontrolle einer solchen Beurteilung auf die Prüfung der Frage zu beschränken ist, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Dies gilt insbesondere für die Beurteilung der Faktoren im Rahmen einer Antidumpinguntersuchung, die eine Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union hervorrufen (vgl. Urteile Ikea Wholesale, C‑351/04, EU:C:2007:547, Rn. 41, Simon, Evers & Co., C‑21/13, EU:C:2014:2154, Rn. 29, Valimar, C‑374/12, EU:C:2014:2231, Rn. 51, sowie TMK Europe, C‑143/14, EU:C:2015:236, Rn. 34).

47

Im vorliegenden Fall hat die Kommission zum einen hinsichtlich des Volumens der Einfuhren von Waren der Position 6908 90 99 der KN in ihrer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt, dass die Zahl von 66023000 m2 bezüglich des Volumens chinesischer Einfuhren während des Untersuchungszeitraums, die in Rn. 73 der vorläufigen Verordnung genannt ist, unrichtig ist. Nunmehr führt sie aus, dass das Volumen dieser Einfuhren 64821000 m2 betrage. Die Verordnung Nr. 917/2011 nimmt jedoch in ihrer Rn. 108 auf die in Rn. 73 der vorläufigen Verordnung genannten Zahlen Bezug. Daraus ergibt sich, dass das Volumen der chinesischen Einfuhren in der Verordnung Nr. 917/2011 für den Untersuchungszeitraum um 1202000 m2 zu hoch angesetzt wird.

48

Zum anderen ergibt sich hinsichtlich der Einfuhren von Waren der Position 6907 90 99 der KN aus den Eurostat-Statistiken, die dem Gerichtshof von der Kommission übermittelt worden sind, dass die zusätzliche Menge dieser aus China stammenden und nach Spanien eingeführten Waren für das Jahr 2009 nur 881734 m2 und nicht – wie in den von der Kommission verwendeten Eurostat-Statistiken angegeben –7373291 m2 betrug und dass sich die zusätzliche eingeführte Menge für November 2009 auf 64940 m2 und nicht – wie in den von der Kommission verwendeten Eurostat-Statistiken angegeben – auf 6565771 m2 belief.

49

Somit ist festzustellen, dass die Kommission hinsichtlich der Bestimmung des Volumens der Einfuhren inhaltliche Fehler einräumt.

50

Daher ist zu klären, ob diese Fehler zur Ungültigkeit der Verordnung Nr. 917/2011 führen können.

51

Bricmate bringt in diesem Zusammenhang vor, dass diese Fehler die Zuverlässigkeit mehrerer von den Unionsorganen im Antidumpingverfahren verwendeter makroökonomischer Indikatoren beeinträchtigt und dazu geführt hätten, dass die Organe offensichtliche Beurteilungsfehler begangen hätten. So seien die Indikatoren fehlerhaft, mit denen das Volumen der Einfuhren mit Herkunft aus China, der Verbrauch in der Union, der Marktanteil der aus China stammenden Einfuhren, der Marktanteil des Wirtschaftszweigs der Union, der Durchschnittspreis dieser Einfuhren und die Differenz zwischen den Preisen dieser Einfuhren und den Preisen in der Union ermittelt worden seien.

52

Es ist jedoch festzustellen, dass die in Art. 3 Abs. 2 der Grundverordnung vorgesehene objektive Prüfung zur Feststellung einer Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union zum einen das Volumen der gedumpten Einfuhren und ihre Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem Unionsmarkt und zum anderen die Auswirkungen dieser Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der Union umfassen muss.

53

Hinsichtlich der Bestimmung dieses Volumens oder dieser Preise sieht Art. 3 Abs. 3 der Grundverordnung unter Hinweis darauf, dass nicht einem oder mehreren dieser Kriterien allein ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. Urteil Neotype Techmashexport/Kommission und Rat, C‑305/86 und C‑160/87, EU:C:1990:295, Rn. 50), die bei dieser Prüfung zu berücksichtigenden Kriterien vor.

54

Gleiches gilt für die Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der Union. Aus Art. 3 Abs. 5 der Grundverordnung geht nämlich hervor, dass es Sache der Unionsorgane ist, alle relevanten Wirtschaftsfaktoren und ‑indizes, die die Lage dieses Wirtschaftszweigs beeinflussen, zu beurteilen, wobei weder eines noch mehrere dieser Kriterien notwendigerweise ausschlaggebend sind. Somit räumt diese Bestimmung den Organen bei der Prüfung und Beurteilung der verschiedenen Faktoren einen Ermessensspielraum ein (vgl. in diesem Sinne Urteil Ikea Wholesale, C‑351/04, EU:C:2007:547, Rn. 61).

55

Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs müssen die Unionsorgane schließlich gemäß Art. 3 Abs. 6 der Grundverordnung nachweisen, dass das gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung ermittelte Volumen und/oder Preisniveau für die in Abs. 5 dieser Bestimmung genannten Auswirkungen auf den Wirtschaftszweig der Union verantwortlich sind und dass diese Auswirkungen ein solches Ausmaß erreichen, dass sie als bedeutend bezeichnet werden können.

56

Somit ist aus der Zusammenschau dieser Bestimmungen zu ermitteln, ob sich aus der Gesamtheit der maßgeblichen Faktoren ergibt, dass die Unionsorgane eine bedeutende Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union nachgewiesen haben.

57

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus Rn. 108 der Verordnung Nr. 917/2011, dass die Unionsorgane, obwohl die interessierten Parteien nach Absendung des Dokuments zur allgemeinen Unterrichtung die Richtigkeit der durchschnittlichen Einfuhrpreise der betreffenden, zur Einfuhr in bestimmte Mitgliedstaaten vorgesehenen Waren bestritten haben, dennoch zu dem Ergebnis gekommen sind, dass „sich das generelle Schadensbild … nicht ändern würde; es wären nach wie vor hohe Preis- und Zielunterbietungsspannen festzustellen“.

58

Es ist darauf hinzuweisen, dass bedeutende Preisunterbietungsspannen bestanden, auch wenn die festgestellten inhaltlichen Fehler bestimmte Indikatoren beeinflusst haben. Es ist jedoch festzustellen, dass sich die inhaltlichen Fehler nicht auf diese Spannen ausgewirkt haben. Außerdem ist hervorzuheben, dass andere mikroökonomische Indikatoren, wie Lagerbestände, Verkaufspreise, Rentabilität, Cashflow, Kapitalrendite, Löhne und Herstellungskosten, ebenfalls auf die Angaben der an der Stichprobe beteiligten Unionshersteller gestützt waren und dass sie, ohne dass dies bestritten worden wäre, von den festgestellten inhaltlichen Fehlern des Sachverhalts nicht betroffen waren.

59

Ferner ist festzustellen, dass die Heranziehung der berichtigten Zahlen durch die Unionsorgane in ihrer schriftlichen Stellungnahme (im Folgenden: berichtigte Zahlen) keine spürbare Auswirkung auf die Feststellung der tatsächlichen Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union und auf den Kausalzusammenhang zwischen den Einfuhren und der Schädigung hat.

60

Aus den berichtigten Zahlen ergibt sich nämlich, dass das Volumen der Einfuhren aus China zwischen dem Jahr 2007 und dem Untersuchungszeitraum (im Folgenden: Bezugszeitraum) um 15 % zurückgegangen ist und nicht, wie aus den Rn. 73 und 74 der vorläufigen Verordnung hervorging, um 3 %. In Rn. 107 der Verordnung Nr. 917/2011 haben die Unionsorgane zu Recht den Schluss gezogen, dass sich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Verbrauch in der Union um rund 29 % zurückgegangen sei, was 30 % bei Anwendung der berichtigten Zahlen entspreche, aus der Kombination von Rückgang des Volumens der chinesischen Einfuhren und des Verbrauchs in der Union ergebe, dass die chinesischen Einführer nichtsdestotrotz ihren Marktanteil auf dem Unionsmarkt vergrößern konnten.

61

Hinsichtlich des Marktanteils der chinesischen Einfuhren in die Union räumen die Unionsorgane ein, dass er bei Anwendung der berichtigten Zahlen um 21 % gestiegen sei und nicht um 35 %, wie dies aus Rn. 73 der vorläufigen Verordnung hervorgehe und in diesem Punkt in Rn. 107 der Verordnung Nr. 917/2011 übernommen worden sei. Jedoch ist ungeachtet dessen ihr Marktanteil nach wie vor als bedeutend anzusehen und die Unionsorgane haben in dieser Rn. 107 zu Recht angegeben, dass dieser Marktanteil ansteige.

62

Hinsichtlich des Marktanteils des Wirtschaftszweigs der Union räumen die Unionsorgane in ihrer schriftlichen Stellungnahme ein, dass sich dieser nicht um einen Prozentpunkt verringert habe, wie dies in Rn. 87 der vorläufigen Verordnung ausgeführt worden sei, sondern während des Bezugszeitraums konstant geblieben sei. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass andere makroökonomische Indikatoren in Bezug auf den Wirtschaftszweig der Union, wie Produktion dieses Wirtschaftszweigs, Produktionskapazität, von diesem Wirtschaftszweig erzielter Umsatz, Beschäftigung und Arbeitsproduktivität, ohne dass dies bestritten worden wäre, zurückgegangen sind.

63

Der Durchschnittspreis der chinesischen Einfuhren soll bei Anwendung der berichtigten Zahlen im Bezugszeitraum um 10 % gestiegen und nicht, wie dies in Rn. 73 der vorläufigen Verordnung ausgeführt worden war, um 3 % gesunken sein. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass zum einen, wie sich aus Rn. 115 der vorläufigen Verordnung ergibt, die Differenz zwischen den Preisen der chinesischen Einfuhren und den Preisen des Wirtschaftszweigs der Union im Laufe des Bezugszeitraums 50 % erreicht hat. Mit Blick hierauf bleibt sie, obwohl sie, wie in der Untersuchung festgestellt worden ist, konstant geblieben ist, nach wie vor bedeutend. Überdies ergab nach Rn. 113 der Verordnung Nr. 917/2011 die Untersuchung Preisunterbietungen zwischen 43,2 % und 55,7 %. Da diese Zahlen jedoch aus den Angaben der in die Stichprobe einbezogenen Gesellschaften stammten, sind sie von der Fehlerhaftigkeit der Eurostat-Daten nicht betroffen.

64

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die berichtigten Zahlen das Gesamtergebnis, zu dem die Unionsorgane nach einer Untersuchung sämtlicher wirtschaftlicher Indikatoren gelangt sind, nicht in Frage stellen, so dass die Organe die Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union und den Kausalzusammenhang zwischen den Einfuhren und der Schädigung zu Recht festgestellt haben.

65

Bricmate bringt schließlich vor, dass die von den interessierten Parteien behaupteten inhaltlichen Fehler des Sachverhalts weder untersucht noch berichtigt worden seien, obwohl sie in der von diesen Parteien vorgelegten Stellungnahme geltend gemacht und den Unionsorganen vor Erlass der Verordnung Nr. 917/2011 mitgeteilt worden seien. Daher hätten diese Organe gegen ihre Sorgfaltspflicht und die Bestimmungen von Art. 3 Abs. 2 und 6 der Grundverordnung verstoßen.

66

In diesem Zusammenhang ergibt sich hinsichtlich des Volumens der unter die Position 6908 90 99 der KN fallenden Einfuhren aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen, dass die Kommission, nachdem ihr die faktische Unrichtigkeit dieses Volumens im Laufe der Antidumpinguntersuchung mitgeteilt worden war, deren Auswirkung auf die Feststellung der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union untersucht hat. So geht aus Rn. 77 des Dokuments zur allgemeinen Unterrichtung vom 1. Juli 2011 hervor, dass die Kommission zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die in den Statistiken festgestellten Differenzen eine schwache Auswirkung auf die Gesamtfeststellung der Schädigung hätten. Daher hat sie entschieden, dass es weder erforderlich noch zweckmäßig sei, die bei der Antidumpinguntersuchung verwendeten Angaben zu ändern. Hieraus ergibt sich, dass die Unionsorgane die aus den Behauptungen hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Eurostat-Daten resultierenden Gesichtspunkte mit der erforderlichen Sorgfalt untersucht haben.

67

Hinsichtlich der Unrichtigkeit in Bezug auf die Einfuhren von Waren der Position 6907 90 99 der KN ist darauf hinzuweisen, dass eine andere interessierte Partei die Kommission bei der Untersuchung über Fehler in den Eurostat-Statistiken bezüglich des Durchschnittspreises der chinesischen Einfuhren unterrichtet hat. Die Kommission hat sich daher am 9. Juni 2011 mit den Dienststellen von Eurostat in Verbindung gesetzt, um die Richtigkeit der Daten, einschließlich derer betreffend das Königreich Spanien, zu prüfen. Diese Dienststellen haben geantwortet, dass für eine Bestätigung oder Berichtigung der Statistiken ein Zeitraum von mehreren Wochen erforderlich sei, da die eine oder andere dieser Maßnahmen Sache der spanischen Behörden sei. Diese Partei unterrichtete die Kommission mit einem am 15. Juli 2011 bei ihr eingegangenen Schreiben ebenfalls über Unstimmigkeiten hinsichtlich der Daten in Bezug auf das Königreich Spanien für das Jahr 2009. Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht jedoch nicht hervor, dass die Kommission die Begründetheit der behaupteten Fehlerhaftigkeit vor Erlass der Verordnung Nr. 917/2011 geprüft hat.

68

Da die Richtigkeit der Eurostat-Daten bestritten wurde, war es jedoch Sache der Kommission, von Amts wegen die Auswirkung dieser Unrichtigkeit auf die Feststellung der Schädigung zu beurteilen. Hierzu durfte sich dieses Organ nicht darauf beschränken, eine einzige Informationsanfrage an die Dienststellen von Eurostat zu schicken und die Reaktion der spanischen Behörden abzuwarten. Es war im Gegenteil Aufgabe der Kommission, nach Art. 3 Abs. 2 der Grundverordnung eindeutige Beweise beizubringen und eine objektive Prüfung hinsichtlich der Daten in Bezug auf die Preise der Einfuhren aus China durchzuführen. Dass diese Dienststellen nicht oder nicht aussagekräftig geantwortet hatten enthob die Kommission also keineswegs von der Durchführung dieser Beurteilung. Daher ist der Schluss zu ziehen, dass die Unionsorgane die in den Eurostat-Statistiken enthaltenen Daten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt untersucht haben.

69

Die unterlassene Prüfung der Daten in Bezug auf die Durchschnittspreise und auf die Volumina der Einfuhren aus China ist jedoch nicht geeignet, die Schlüsse, zu denen die Unionsorgane gelangt sind, für ungültig zu erklären, da, wie bereits in den Rn. 55 ff. des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, auf der Grundlage der berichtigten Zahlen die Entwicklungen der berichtigten Indikatoren für die Feststellung der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union und des Kausalzusammenhangs zwischen den Einfuhren und der Schädigung insgesamt dieselben bleiben. Somit durften die Unionsorgane zu dem Ergebnis kommen, dass eine Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union besteht und ein Kausalzusammenhang zwischen den Einfuhren und der Schädigung vorliegt.

70

Unter diesen Umständen ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Unionsorgane keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen haben und zum anderen das Versäumnis einer sorgfältigen Prüfung der Daten bezüglich der Preise und Volumina der Einfuhren aus China die Feststellung einer Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union und eines Kausalzusammenhangs zwischen den Einfuhren und der Schädigung nicht in Frage stellen kann.

Zum Verstoß gegen die Begründungspflicht, zur Verletzung der Verteidigungsrechte und zum Verstoß gegen Art. 17 und Art. 20 Abs. 1 der Grundverordnung sowie gegen die Anforderungen aus Art. 296 AEUV

71

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Verordnung Nr. 917/2011 ungültig ist, da die Kommission gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, die Verteidigungsrechte von Bricmate verletzt und gegen Art. 17 und Art. 20 Abs. 1 der Grundverordnung sowie gegen die Anforderungen aus Art. 296 AEUV verstoßen hat, weil sie die Argumente von Bricmate in ihrer Eigenschaft als in die Stichprobe einbezogener Einführer hinsichtlich der Unterschiede im Herstellungsverfahren von chinesischen Keramikfliesen und solchen aus der Union sowie hinsichtlich des beschränkten Angebots bestimmter Arten von Keramikfliesen auf dem Unionsmarkt nicht berücksichtigt hat.

72

Bricmate bringt vor, dass die Unionsorgane gegen ihre Begründungspflicht verstoßen hätten, da sie nicht eindeutig dargelegt hätten, wie die von ihr mitgeteilten Informationen zum Schneideverfahren der Fliesen berücksichtigt worden seien. So habe sie schon in ihrer Antwort zum Fragebogen vom 10. September 2010 die Bedeutung des Schneideverfahrens der Fliesen hervorgehoben und sieben Arten von Fliesenserien genannt, die sie sich auf dem Unionsmarkt nicht habe beschaffen können. Aber die im Rahmen des Antidumpingverfahrens verwendeten Tarifpositionen der KN für die betreffenden Waren und die Berechnungen der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union trügen diesen Unterschieden nicht Rechnung. Zur Berücksichtigung dieser Unterschiede wäre eine Anpassung erforderlich gewesen, was zu einer Verringerung der Schadensspanne hätte führen müssen. Außerdem habe der Wirtschaftszweig der Union keine Keramikfliesen in kleiner Größe liefern können.

73

Unter Berufung auf das Urteil Gul Ahmed Textile Mills/Rat (T‑199/04, EU:T:2011:535, Rn. 77) führt Bricmate aus, dass die Unionsorgane bei der Anwendung des Stichprobenverfahrens nach Art. 17 der Grundverordnung die Angaben zu Ausfuhren aller an der Stichprobe beteiligten Unternehmen berücksichtigen müssten. Der gleiche Grundsatz müsse auch für die Daten oder Informationen gelten, die bei den verschiedenen an den Stichproben beteiligten Unternehmen, einschließlich der Stichprobe der unabhängigen Einführer, eingeholt würden.

74

Des Weiteren habe die Kommission gegen Art. 20 Abs. 1 der Grundverordnung verstoßen, weil sie die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen, auf deren Grundlage die vorläufige Verordnung erlassen worden sei, nicht offengelegt habe. Ferner habe die Kommission, indem sie das Vorbringen von Bricmate zur Versorgungsknappheit bei Keramikfliesen in kleiner Größe auf der Grundlage anderweitiger Informationen zurückgewiesen habe, gegen ihre Begründungspflicht verstoßen und daher die Verteidigungsrechte dieser Gesellschaft verletzt. Die Kommission habe nicht offengelegt, worin diese anderweitigen Informationen bestünden, und die Antwort der Kommission, die bei Bricmate am 27. Juli 2011 eingegangen sei, habe es ihr aufgrund ihrer Verspätung nicht ermöglicht, mehr Informationen zu erhalten.

75

Schließlich habe die Kommission die Nachweise, die ihr von Bricmate mit Schreiben vom 15. April 2011 übermittelt worden seien, außer Acht gelassen, als sie das Vorliegen einer ernsten Versorgungsknappheit bei Keramikfliesen kleiner Größen auf dem Unionsmarkt verneint habe. Indem die Kommission die von Bricmate in ihrer Eigenschaft als ausgewählter Einführer gemachten Angaben außer Acht gelassen habe, habe sie gegen die Vorschriften über die Stichprobe in Art. 17 der Grundverordnung verstoßen und somit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

76

Was erstens die Berücksichtigung der von Bricmate übermittelten Informationen zu den Unterschieden beim Schneideverfahren der Keramikfliesen angeht, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen im Verwaltungsverfahren von der Kommission durchaus berücksichtigt worden ist. Die Kommission hat nämlich in Rn. 27 der vorläufigen Verordnung ausgeführt, dass eine Partei vorgebracht habe, die aus China eingeführte Ware und die vom Wirtschaftszweig der Union hergestellte Ware seien nicht vergleichbar. In den Rn. 28 bis 32 der vorläufigen Verordnung stellte die Kommission die Prüfung der Vergleichbarkeit der betreffenden Waren dar, die von ihr durchgeführt worden war und die sie zur Annahme veranlasst hatten, dass diese vorläufig als gleichartig anzusehen seien.

77

Wie aus Rn. 43 der Verordnung Nr. 917/2011 hervorgeht, „[bedeuten] die Unterschiede zwischen den KN-Codes in der vorläufigen Verordnung und in der Einleitungsbekanntmachung keine Änderung der Warendefinition oder des Untersuchungsgegenstands … Die Änderungen betreffen nicht die Arten der betroffenen Fliesen, sondern tragen lediglich den allgemeinen Änderungen an der [KN] Rechnung“. Des Weiteren ergibt sich aus Rn. 45 der Verordnung Nr. 917/2011, dass das Vorbringen hinsichtlich des Unterschieds zwischen Keramik-Mosaikfliesen und anderen Arten von Keramikfliesen bei der Untersuchung geprüft worden ist, die ergab, dass diese dieselben grundlegenden materiellen und technischen Eigenschaften aufweisen. Weiterhin geht aus dieser Randnummer hervor, dass „[d]ie Behauptung, Dumping finde in diesem Segment nicht statt, … in keiner Weise belegt [wurde]; im Übrigen ist dazu anzumerken, dass die Dumping- und Schadensanalyse die Lage der betroffenen Ware in ihrer Gesamtheit widerspiegeln muss“.

78

Was zweitens die behauptete Versorgungsknappheit bei Keramikfliesen kleiner Größe auf dem Unionsmarkt anbetrifft, aus der sich ergebe, dass die betreffenden Waren nicht im Wettbewerb stünden, da sie sich nicht auf denselben Segmenten des Marktes für Keramikfliesen befänden, geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass die Kommission, da sie über keinen Beweis verfügte, der eine solche Versorgungsknappheit bestätigte, Bricmate in ihren an das Unternehmen gerichteten Schreiben vom 1. und 27. Juli 2011 ordnungsgemäß in diesem Sinne geantwortet hat. Des Weiteren ergibt sich sowohl aus den Rn. 144 bis 146 der vorläufigen Verordnung als auch aus den Rn. 174 und 175 der Verordnung Nr. 917/2011, dass diese Frage von den Unionsorganen analysiert wurde. Insbesondere geht aus den letztgenannten Randnummern hervor, dass die in Rede stehenden Waren austauschbar sind und dass die Einführer der Union auf eine Reihe von alternativen Bezugsquellen zurückgreifen können, da Keramikfliesen wie die vom Dumping betroffenen auch in anderen Ländern hergestellt werden. Hieraus ergibt sich, dass die von Bricmate übermittelten Angaben hinreichend untersucht worden sind.

79

Unter diesen Umständen haben die Unionsorgane weder gegen ihre Begründungspflicht noch gegen Art. 17 und Art. 20 Abs. 1 der Grundverordnung verstoßen, noch die Verteidigungsrechte von Bricmate verletzt.

80

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass ihre Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 917/2011 beeinträchtigen könnte.

Kosten

81

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 917/2011 des Rates vom 12. September 2011 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Keramikfliesen mit Ursprung in der Volksrepublik China beeinträchtigen könnte.

 

Unterschriften


( *1 )   Verfahrenssprache: Schwedisch.

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Referenzen

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