Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-231/14
URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)
16. September 2015 ( *1 )
„Rechtsmittel — Öffentlicher Dienst — Bedienstete auf Zeit — Befristeter Vertrag — Entscheidung über die Nichtverlängerung — Art. 8 Abs. 1 der BSB — Umqualifizierung eines befristeten Vertrags in einen unbefristeten Vertrag — Unbeschränkte Nachprüfung“
In der Rechtssache T‑231/14 P
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Dritte Kammer) vom 5. Februar 2014, Drakeford/EMA (F‑29/13, SlgÖD, EU:F:2014:10), mit dem Antrag auf Aufhebung dieses Urteils,
Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), vertreten durch T. Jabłoński und N. Rampal Olmedo als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte D. Waelbroeck und A. Duron,
Rechtsmittelführerin,
unterstützt durch
Europäische Kommission, vertreten durch J. Currall und G. Gattinara als Bevollmächtigte,
durch
Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch M. Heikkilä und E. Maurage als Bevollmächtigte,
durch
Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frontex), vertreten durch H. Caniard und V. Peres de Almeida als Bevollmächtigte,
durch
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), vertreten durch D. Detken, S. Gabbi und C. Pintado als Bevollmächtigte,
und durch
Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), vertreten durch J. Mannheim und A. Daume als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
anderer Verfahrensbeteiligter:
David Drakeford, wohnhaft in Dublin (Irland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Orlandi und T. Martin,
Kläger im ersten Rechtszug,
erlässt
DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger (Berichterstatter) sowie der Richter S. Papasavvas und G. Berardis,
Kanzler: L. Grzegorczyk, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2015
folgendes
Urteil ( 1 )
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Aufhebung des Urteils des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Dritte Kammer) vom 5. Februar 2014, Drakeford/EMA (F‑29/13, SlgÖD, EU:F:2014:10, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht für den öffentlichen Dienst die Entscheidung, den Vertrag von Herrn David Drakeford nicht zu verlängern, aufgehoben hat. |
Sachverhalt des Rechtsstreits, Verfahren im ersten Rechtszug und angefochtenes Urteil
2 |
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt wird in den Rn. 4 bis 19 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt:
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3 |
Mit Klageschrift, die am 28. März 2013 bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst einging, erhob Herr Drakeford Klage auf Aufhebung der Entscheidungen vom 30. August 2012 und vom 26. Februar 2013 sowie auf Verurteilung der EMA, ihm 25000 Euro als Ersatz des ihm entstandenen immateriellen Schadens zu zahlen. Die EMA beantragte in erster Linie, die Klage als teilweise unzulässig und jedenfalls unbegründet abzuweisen, hilfsweise, die Anträge auf Verurteilung zur Tragung der Kosten und auf Zahlung von 25000 Euro an Herrn Drakeford sowie jeden Antrag auf Ersatz eines noch nicht festgestellten materiellen Schadens zurückzuweisen und Herrn Drakeford die Kosten aufzuerlegen. |
4 |
Zunächst hat das Gericht für den öffentlichen Dienst die Anträge auf Aufhebung der Entscheidung vom 26. Februar 2013 als unzulässig zurückgewiesen, mit der die Anträge auf Verlängerung des Vertrags von Herrn Drakeford, Umqualifizierung seines Vertrags als Hilfskraft in einen Vertrag als Bediensteter auf Zeit und Umqualifizierung seines befristeten Vertrags als Bediensteter auf Zeit in einen unbefristeten Vertrag zurückgewiesen worden waren. |
5 |
Sodann hat das Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 47 des angefochtenen Urteils dem Antrag von Herrn Drakeford auf Aufhebung der Entscheidung vom 30. August 2012 stattgegeben, indem es die Wendung „jede weitere Verlängerung dieses Beschäftigungsverhältnisses“ in Art. 8 Abs. 1 Satz 3 der BSB dahin ausgelegt hat, dass sie jeden Vorgang betreffe, der dazu führe, dass ein Bediensteter auf Zeit im Sinne von Art. 2 Buchst. a der BSB in dieser Eigenschaft sein Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber nach dem Ende seines befristeten Beschäftigungsverhältnisses fortsetze, auch wenn diese Verlängerung mit einem Aufstieg in eine höhere Besoldungsgruppe oder einer Änderung seiner Aufgaben verbunden sei. Etwas anderes könne nur gelten, wenn der neue Vertrag im Rahmen einer anderen rechtlichen Regelung geschlossen werde oder eine Unterbrechung der Laufbahn verkörpere, die sich beispielsweise in einer wesentlichen Änderung der Art der Aufgaben des betreffenden Bediensteten zeige. |
6 |
Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat seine Erwägungen auf den Zweck von Art. 8 Abs. 1 der BSB, der darin bestehe, eine gewisse Stabilität der Beschäftigung zu gewährleisten, und auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gestützt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entscheidung vom 30. August 2012 gegen Art. 8 Abs. 1 der BSB verstoße, weil ihr die Annahme eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses zugrunde liege. |
7 |
Was schließlich den materiellen Schaden angeht, hat das Gericht für den öffentlichen Dienst die EMA verurteilt, Herrn Drakeford als Ersatz des bis zum Datum des angefochtenen Urteils entstandenen materiellen Schadens den Unterschiedsbetrag zwischen den Dienstbezügen, auf die er Anspruch gehabt hätte, wenn er im Dienst verblieben wäre, und den Bezügen, Vergütungen, Arbeitslosenleistungen oder sonstigen Ersatzleistungen oder Bezügen gleicher Art, die er seit dem 1. Mai 2013 tatsächlich erhalten hat, zu zahlen. Für die Zeit nach der Verkündung des angefochtenen Urteils hat das Gericht für den öffentlichen Dienst von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch gemacht und die EMA aufgefordert, entweder Herrn Drakeford wieder zu beschäftigen oder eine Einigung über die Festsetzung einer billigen Entschädigung in Geld anzustreben, und den Parteien aufgegeben, ihm mitzuteilen, worauf sie sich geeinigt haben, oder ihre bezifferten Anträge vorzulegen, falls sie keine Einigung erzielt haben. |
Zum Rechtsmittel
Verfahren vor dem Gericht und Anträge der Verfahrensbeteiligten
8 |
Mit Rechtsmittelschrift, die am 15. April 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die EMA das vorliegende, auf Art. 9 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gestützte Rechtsmittel eingelegt. Herr Drakeford hat seine Rechtsmittelbeantwortung am 25. Juli 2014 eingereicht. |
9 |
Mit Schriftsätzen, die am 14., 25. und 28. Juli 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Europäische Kommission, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die Europäische Chemikalienagentur (ECHA), die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frontex) und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) ihre Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der EMA beantragt. Mit Beschlüssen des Präsidenten der Rechtsmittelkammer vom 2. und 24. September 2014 ist diesen fünf Anträgen auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der EMA stattgegeben worden. |
10 |
Die Kommission, die ECHA, Frontex, die EFSA und die ECDC haben innerhalb der ihnen jeweils gesetzten Frist einen Streithilfeschriftsatz eingereicht. |
11 |
Die EMA und Herr Drakeford sind aufgefordert worden, sich zu den Streithilfeschriftsätzen zu äußern, und sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen. |
12 |
Die EMA, unterstützt durch die Kommission, die ECHA, Frontex, die EFSA und die ECDC, beantragt,
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13 |
Herr Drakeford beantragt,
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14 |
Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 hat die EMA nach Art. 146 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 einen mit Gründen versehenen Antrag gestellt, im mündlichen Verfahren gehört zu werden. |
15 |
Das Gericht hat dem Antrag der Rechtsmittelführerin stattgegeben und die mündliche Verhandlung eröffnet. |
16 |
Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 14. April 2015 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. |
Rechtliche Würdigung
[nicht wiedergegeben]
Zum ersten Rechtsmittelgrund: unrichtige Auslegung der Wendung „jede weitere Verlängerung dieses Beschäftigungsverhältnisses “ in Art. 8 Abs. 1 der BSB durch das Gericht für den öffentlichen Dienst
[nicht wiedergegeben]
22 |
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz eine Bestimmung des Unionsrechts bei Unterschieden zwischen den verschiedenen Sprachfassungen in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Licht des gesamten Unionsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Bestimmung auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. September 2010, Kirin Amgen, C‑66/09, Slg, EU:C:2010:484, Rn. 41). |
23 |
Es ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass Art. 8 Abs. 1 der BSB weder eine bestimmte Stabilität der Beschäftigung noch eine bestimmte Fortdauer der Beschäftigungsverhältnisse der Bediensteten auf Zeit mit befristetem Vertrag zum Ziel hat, sondern der missbräuchlichen Verwendung befristeter Verträge vorbeugen soll (Urteil vom 21. Mai 2014, Kommission/Macchia, T‑368/12 P, SlgÖD, EU:T:2014:266, Rn. 60). Das Fehlen von Stabilität des Beschäftigungsverhältnisses wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass die Verlängerung des befristeten Vertrags eines Bediensteten auf Zeit eine bloße Möglichkeit ist, außer im Fall des in Art. 8 Abs. 1 Satz 3, der gerade zum Ziel hat, die missbräuchliche Verwendung befristeter Verträge zu verhindern, indem er eine Umqualifizierung des befristeten Vertrags in einen unbefristeten Vertrag von Amts wegen vorsieht. Jedenfalls ist das Beschäftigungsverhältnis eines Bediensteten auf Zeit, der dank der in Art. 8 Abs. 1 Satz 3 der BSB vorgesehenen Umqualifizierung von Amts wegen Inhaber eines unbefristeten Vertrags wird, kein stabiles. In diesem Fall kann die Verwaltung diesen Vertrag nämlich jederzeit aus berechtigtem Grund unter Beachtung der in Art. 47 Buchst. c Ziff. i vorgesehenen Voraussetzungen kündigen. |
24 |
Im vorliegenden Fall hat das Gericht für den öffentlichen Dienst zunächst entschieden, dass die verschiedenen Sprachfassungen von Art. 8 Abs. 1 der BSB keine eindeutige Auslegung dieser Bestimmung erlaubten. Hierfür hat es sich auf die niederländische und die italienische Fassung, die für die von der EMA vertretene Ansicht sprächen, einerseits und auf die französische, die deutsche, die englische und die spanische Fassung andererseits bezogen. Hinsichtlich der letztgenannten Fassungen hat es in Rn. 42 des angefochtenen Urteils entschieden, dass im Unterschied zur italienischen und zur niederländischen Fassung der Wortlaut der französischen und der deutschen Fassung, der allgemein auf die Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses abstelle, und derjenige der englischen und der spanischen Fassung, der ohne weitere Klarstellung auf die spätere Verlängerung Bezug nehme, nicht den Schluss erlaube, dass die Wendung „jede weitere Verlängerung“ denselben Vertrag betreffe. Damit hat das Gericht für den öffentlichen Dienst das Bestehen zweier Gruppen von Sprachfassungen des Art. 8 Abs. 1 der BSB festgestellt: eine, aus der klar hervorgehe, dass die Wendung „jede weitere Verlängerung“ sich auf den Vertrag beziehe, und eine andere, die keine solche Schlussfolgerung erlaube. Angesichts dieses Unterschieds zwischen den Sprachfassungen, die keinen eindeutigen Anhaltspunkt in Bezug auf den Gegenstand der Verlängerung lieferten, die zur Umqualifizierung eines befristeten in einen unbefristeten Vertrag führe, hat das Gericht für den öffentlichen Dienst befunden, dass eine einheitliche Auslegung dieser Bestimmung vorzunehmen sei. |
25 |
Diese Schlussfolgerung des Gerichts für den öffentlichen Dienst ist rechtsfehlerfrei. Zwar hat, wie die EMA geltend macht, das Gericht für den öffentlichen Dienst den Umstand verkannt, dass sich in der englischen und der spanischen Fassung im Unterschied zu der französischen und der deutschen Fassung die Wendung „jede weitere Verlängerung“ nur auf den Begriff „Vertrag“ beziehen kann. Dieser Fehler hat jedoch keinen Einfluss auf die Würdigung des Gerichts für den öffentlichen Dienst, da dieses zu Recht festgestellt hat, dass es die französische und die deutsche Fassung dagegen nicht erlaubten, zu einer eindeutigen Schlussfolgerung in Bezug auf die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der BSB zu gelangen. In diesen Fassungen macht nämlich die alternative Verwendung der Begriffe „Beschäftigungsverhältnis“, „Vertrag“ und „jede weitere Verlängerung dieses Beschäftigungsverhältnisses“ die Bestimmung mehrdeutig. Hierzu ist festzustellen, dass zwar der Begriff „Beschäftigungsverhältnis“ allgemeiner das Arbeitsverhältnis zwischen einem Bediensteten und einem Organ oder einer Agentur betrifft, während der Begriff „Vertrag“ dem rechtlichen Instrument entspricht, durch das sich dieses Verhältnis konkretisiert. Da der Wortlaut der französischen und der deutschen Fassung eine Auslegung dahin zulässt, dass das Beschäftigungsverhältnis eines Bediensteten durch den Abschluss verschiedener Verträge im Rahmen ein und desselben Arbeitsverhältnisses verwirklicht werden kann, hat das Gericht für den öffentlichen Dienst zu Recht entschieden, dass sich diesen Fassungen nicht entnehmen lässt, ob sich die Wendung „jede weitere Verlängerung“ eindeutig auf das Beschäftigungsverhältnis oder auf den Vertrag bezieht. Infolgedessen kann dem weiteren Vorbringen der EMA, die Begriffe „Beschäftigungsverhältnis“ und „Vertrag“ seien gegeneinander austauschbar, ebenfalls nicht gefolgt werden. |
26 |
Im Übrigen ist auch die von der EMA vertretene Auslegung nach dem Wortsinn, wonach Art. 8 Abs. 1 Satz 3 nur dann anwendbar sei, wenn die Verlängerung ein und denselben befristeten Vertrag betreffe, nicht frei von Mehrdeutigkeit, da die Sprachfassungen, die ausschließlich den Begriff „Vertrag“ verwenden, eine andere Auslegung dieses Begriffs nach dem Wortsinn zulassen. Es ist nämlich denkbar, dass ein Bediensteter auf Zeit mit einem befristeten Vertrag anschließend einen neuen befristeten Vertrag abschließt, der, selbst wenn es sich formal um einen anderen Vertrag handelt, im Kern eine Fortführung des ursprünglichen Vertrags darstellt. Nichts hindert demnach daran, Art. 8 Abs. 1 Satz 3 der BSB in Bezug auf den Gegenstand der Verlängerung, die zur Umqualifizierung eines befristeten Vertrags in einen unbefristeten Vertrag führt, dahin auszulegen, dass sich diese Bestimmung auf dieselbe Vertragsart, nämlich einen befristeten Vertrag, und nicht auf einen mit dem ursprünglichen Vertrag identischen Vertrag bezieht. Dieser Fall belegt daher, dass aufeinanderfolgende befristete Verträge zwischen einem Bediensteten und der Verwaltung grundsätzlich für die Zwecke der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Satz 3 der BSB in Betracht kommen können, soweit sie in einer Kontinuität zu dem ersten befristeten Vertrag stehen. |
27 |
Im Licht dieser Erwägungen konnte das Gericht für den öffentlichen Dienst nach der Feststellung eines Unterschieds zwischen den Sprachfassungen, der zu Bedeutungsunterschieden führen kann, rechtsfehlerfrei zum einen befinden, dass es sich nicht auf eine bloße Auslegung nach dem Wortsinn beschränken konnte, und zum anderen für die Zwecke einer einheitlichen Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der BSB in Rn. 45 des angefochtenen Urteils den allgemeinen Grundsatz anwenden, dass eine Bestimmung im Licht des gesamten Unionsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands auszulegen ist. |
28 |
Folglich ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen. |
29 |
Sodann hat das Gericht für den öffentlichen Dienst seine Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der BSB zum einen auf die Zielsetzung dieser Bestimmung und zum anderen auf ihren Kontext gestützt. Zur Zielsetzung dieser Bestimmung hat das Gericht für den öffentlichen Dienst in den Rn. 43, 44 und 46 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sie der Gewährleistung einer gewissen Stabilität der Beschäftigung im Bereich der Arbeitsbeziehungen diene. Zum Kontext hat das Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 47 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass eine Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der BSB, nach der die Umqualifizierung des befristeten Vertrags eines Bediensteten auf Zeit in einen unbefristeten Vertrag allein deswegen ausgeschlossen sei, weil dieser unter Abschluss verschiedener Verträge mit der Verwaltung in seiner beruflichen Laufbahn aufgestiegen sei, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und gegen den in Art. 12 Abs. 1 der BSB ausdrücklich zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers verstoße, dafür zu sorgen, dass die Einstellung von Bediensteten auf Zeit den Organen die Mitarbeit von Personen sichert, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen. |
30 |
Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst mit der Entscheidung, dass Art. 8 Abs. 1 der BSB die Gewährleistung einer gewissen Stabilität der Beschäftigung zum Ziel habe, einen Rechtsfehler begangen hat. Entgegen dieser Entscheidung ist nämlich, wie oben in Rn. 23 ausgeführt worden ist, mit Art. 8 Abs. 1 der BSB bezweckt, Missbräuchen bei der Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Verträge vorzubeugen. Die beschränkte Zielsetzung dieses Artikels wird zudem, wie oben in Rn. 19 ausgeführt worden ist, durch die der Verwaltung verliehene Befugnis bestätigt, das Beschäftigungsverhältnis mit einem Bediensteten auf Zeit, der über einen unbefristeten Vertrag verfügt, jederzeit unter Einhaltung der in Art. 47 der BSB vorgesehenen Verfahren zu kündigen. |
31 |
Der Unionsrichter kann jedoch einen Klagegrund oder eine Rüge als ins Leere gehend zurückweisen, wenn er feststellt, dass der Klagegrund oder die Rüge nicht geeignet ist, die angestrebte Aufhebung herbeizuführen, sofern das entsprechende Vorbringen zutrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2009, Michail/Kommission, T‑50/08 P, SlgÖD, EU:T:2009:457, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
32 |
Auf der einen Seite hat das Gericht für den öffentlichen Dienst zwar mit der Feststellung einen Rechtsfehler begangen, dass Art. 8 Abs. 1 der BSB der Gewährleistung einer gewissen Stabilität der Beschäftigung dienen solle, auf der anderen Seite hat es jedoch zu Recht entschieden, dass dieser Artikel der Annahme entgegensteht, dass der befristete Vertrag eines Bediensteten auf Zeit nur dann von Rechts wegen in einen unbefristeten Vertrag umqualifiziert werden könne, wenn die aufeinanderfolgenden Verlängerungen ein und denselben Vertrag beträfen. Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat nämlich in Rn. 47 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass es dazu führen würde, einen Bediensteten auf Zeit mit befristetem Vertrag, der wegen seiner guten beruflichen Ergebnisse durch den Abschluss verschiedener Verträge in seiner Laufbahn aufgestiegen sei, gegenüber einem Bediensteten auf Zeit mit befristetem Vertrag, dessen einer Vertrag verlängert worden und der nicht aufgrund besonderer Verdienste in seiner Laufbahn aufgestiegen sei, zu benachteiligen, wenn ihm der in Art. 8 Abs. 1 Satz 3 der BSB gewährte Schutz entzogen würde. Somit geht das Vorbringen der EMA ins Leere und ist zurückzuweisen. |
33 |
Zum dritten Teil schließlich genügt die Feststellung, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst entgegen dem Vorbringen der EMA die Bediensteten auf Zeit nicht den Beamten gleichgestellt hat. Zwar hat das Gericht für den öffentlichen Dienst, wie oben in Rn. 29 festgestellt worden ist, die Zielsetzung von Art. 8 Abs. 1 der BSB verkannt. Es ist jedoch festzustellen, dass es in Rn. 50 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Verwaltung den unbefristeten Vertrag eines Bediensteten jederzeit unter Wahrung der in Art. 47 Buchst. c Ziff. i vorgesehenen Kündigungsfrist beenden kann. Dies zeigt, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst keineswegs den Unterschied zwischen Beamten und sonstigen Bediensteten und das weite Ermessen in Frage gestellt hat, über das die Verwaltung bei den Beschäftigungsverhältnissen mit den Letztgenannten verfügt (Urteil vom 4. Dezember 2013, ETF/Schuerings, T‑107/11 P, SlgÖD, EU:T:2013:624, Rn. 76). |
34 |
Der erste Rechtsmittelgrund der EMA ist demnach als unbegründet zurückzuweisen. |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund: rechtsfehlerhafte Benennung einer Ausnahme von der Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der BSB
[nicht wiedergegeben]
37 |
Zu dem Vorbringen, der Verweis auf eine andere rechtliche Regelung sei vage oder gar widersinnig, ist festzustellen, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst einen Rechtsfehler begangen hat. Wie nämlich die EMA, unterstützt durch die Kommission, die ECHA, Frontex, die EFSA und die ECDC, zu Recht geltend gemacht hat, sind die BSB die einzige rechtliche Regelung, die auf alle Bediensteten auf Zeit Anwendung findet. Damit ist der Verweis des Gerichts für den öffentlichen Dienst auf eine andere rechtliche Regelung irrig. |
38 |
Der Unionsrichter kann jedoch, wie oben in Rn. 31 ausgeführt worden ist, einen Klagegrund oder eine Rüge als ins Leere gehend zurückweisen, wenn er feststellt, dass der Klagegrund oder die Rüge nicht geeignet ist, die angestrebte Aufhebung herbeizuführen, sofern das entsprechende Vorbringen zutrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil Michail/Kommission, oben in Rn. 31 angeführt, EU:T:2009:457, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst, auch wenn der Verweis auf eine andere rechtliche Regelung irrig ist, seine Begründung auf die Hypothese einer Unterbrechung der Laufbahn gestützt hat. Daher geht das Vorbringen, der Verweis auf eine andere rechtliche Regelung sei vage oder gar widersinnig, ins Leere und ist zurückzuweisen. |
39 |
Zu dem Argument, der neue Vertrag verkörpere eine Unterbrechung der Laufbahn des Bediensteten auf Zeit, ist vorab auszuführen, dass die vom Gericht für den öffentlichen Dienst angenommene Ausnahme von der in Art. 8 Abs. 1 der BSB vorgesehenen Umqualifizierung im Fall einer Unterbrechung der Laufbahn die logische Folge der Auslegung dieses Artikels ist. Die Zielsetzung von Art. 8 Abs. 1 der BSB besteht nämlich darin, zu verhindern, dass sich die Verwaltung im Fall eines Laufbahnaufstiegs eines Bediensteten auf Zeit mit befristetem Vertrag oder einer Weiterentwicklung seiner Aufgaben missbräuchlich formal verschiedener Verträge bedienen könnte, um sich der in diesem Artikel vorgesehenen Umqualifizierung zu entziehen. |
40 |
Voraussetzung dieser Umqualifizierung ist jedoch, dass der Bedienstete auf Zeit, der in seiner Laufbahn aufsteigt oder sich in seinen Aufgaben weiterentwickelt, ein durch Kontinuität gekennzeichnetes Beschäftigungsverhältnis mit seinem Arbeitgeber beibehält. Wenn sich erweist, dass der Bedienstete einen Vertrag abschließt, der eine wesentliche und nicht rein formale Änderung der Art seiner Aufgaben beinhaltet, ist die Voraussetzung für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 der BSB nicht mehr erfüllt. Es liefe nämlich dem Geist von Art. 8 Abs. 1 der BSB zuwider, jede Verlängerung als für die Zwecke der in dieser Bestimmung vorgesehenen Regelung in Betracht kommend anzusehen. Somit stellt das Gericht für den öffentlichen Dienst entgegen der Ansicht der EMA in den Rn. 48 und 49 des angefochtenen Urteils den Begriff der Unterbrechung rechtlich hinreichend klar, indem es ausführt, dass dieser Begriff eine wesentliche Änderung der Aufgaben des Bediensteten impliziert, die geeignet ist, die funktionale Kontinuität seines Beschäftigungsverhältnisses mit der Verwaltung in Frage zu stellen. Das Vorbringen der EMA ist daher zurückzuweisen. |
41 |
Dieses Ergebnis wird weder durch das Vorbringen der EMA in Frage gestellt, das Gericht für den öffentlichen Dienst sei durch Anwendung eines vagen Begriffs der Unterbrechung fälschlicherweise zu dem Ergebnis gelangt, dass es keine Unterbrechung der Laufbahn von Herrn Drakeford gegeben habe, obwohl sich sein Verantwortungsniveau erhöht habe und sich seine Aufgaben formal geändert hätten, noch durch das Argument, dass die Ernennung von Herrn Drakeford nach einem externen Verfahren erfolgt sei. Da nämlich die Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses, wie oben in Rn. 39 festgestellt worden ist, kein vager Begriff ist, kann das Vorbringen, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe im vorliegenden Fall durch Anwendung dieses Begriffs einen Fehler begangen, keinen Erfolg haben. Ferner hat das Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 49 des angefochtenen Urteils die ganz besonderen Umstände des vorliegenden Falles im Licht des in Rn. 48 des angefochtenen Urteils festgelegten Begriffs der Unterbrechung ordnungsgemäß geprüft. Sicherlich stellt hinsichtlich der wahrzunehmenden Aufgaben die Stelle des Leiters eines Sektors, auf die Herr Drakeford nach einem externen Auswahlverfahren gelangt ist, im Vergleich zu derjenigen eines stellvertretenden Leiters eine wesentliche Änderung dar, die zu einer Unterbrechung im Sinne des vom Gericht für den öffentlichen Dienst festgelegten Begriffs führt. Wenn nämlich die Weiterbeschäftigung in demselben Tätigkeitsbereich nicht automatisch eine Kontinuität hinsichtlich der wahrgenommenen Aufgaben nach sich zieht, ist diese Kontinuität grundsätzlich dann auszuschließen, wenn über den Zugang zur Stelle des Leiters eines Sektors in einem externen Ausleseverfahren entschieden wird. Im vorliegenden Fall hatte Herr Drakeford jedoch vor seiner Ernennung zum Leiter eines Sektors im Jahr 2003 im Zeitraum 2001–2003 die Aufgaben des Leiters eines Sektors ad interim wahrgenommen. Daher kann nicht wirklich gesagt werden, dass seine Ernennung zum Leiter eines Sektors, selbst wenn sie aufgrund eines externen Verfahrens erfolgt ist, eine Unterbrechung im Vergleich zu den davor von ihm wahrgenommenen Aufgaben darstellte. Ferner geht auch aus den Akten des ersten Rechtszugs hervor, dass Herr Drakeford im April 2003 in Besoldungsgruppe A 4 Dienstaltersstufe 3 mit einem Dienstalter von zehn Monaten eingestuft war und dass er mit Wirkung vom 1. Mai 2003, dem Beginn seines Vertrags als Leiter eines Sektors im Referat IT, in Besoldungsgruppe A 4 Dienstaltersstufe 3 mit einem Dienstalter von elf Monaten eingestuft wurde. Dies bestätigt erneut die Kontinuität des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Herrn Drakeford und der EMA. Somit hat das Gericht für den öffentlichen Dienst nach der Feststellung, dass Herr Drakeford seine Aufgaben im Bereich der Informationstechnologien und insbesondere als stellvertretender Leiter eines Sektors ad interim und Leiter eines Sektors kontinuierlich wahrgenommen hat, zu Recht ausgeschlossen, dass es eine Unterbrechung der sachlichen Kontinuität des Beschäftigungsverhältnisses zwischen der EMA und Herrn Drakeford gegeben hat. [nicht wiedergegeben] |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Jaeger Papasavvas Berardis Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. September 2015. Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.
( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.
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Referenzen
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