Beschluss vom Europäischer Gerichtshof - T-89/13
BESCHLUSS DES GERICHTS (Sechste Kammer)
16. September 2015 ( *1 )
„REACH — Gebühr für die Registrierung eines Stoffes — Ermäßigung für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen — Fehler bei der Angabe der Größe des Unternehmens — Entscheidung, mit der ein Verwaltungsentgelt erhoben wird — Empfehlung 2003/361/EG — Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“
In der Rechtssache T‑89/13
Calestep, SL, mit Sitz in Estepa (Spanien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt E. Cabezas Mateos,
Klägerin,
gegen
Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch M. Heikkilä, A. Iber und C. Schultheiss als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt C. Garcia Molyneux,
Beklagte,
betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung SME (2012) 4028 der ECHA vom 21. Dezember 2012, mit der festgestellt wurde, dass die Klägerin nicht die Voraussetzungen erfülle, um eine Ermäßigung der Gebühren für kleine Unternehmen in Anspruch zu nehmen, und ihr ein Verwaltungsentgelt auferlegt wurde,
erlässt
DAS GERICHT (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen sowie der Richter F. Dehousse (Berichterstatter) und A. M. Collins,
Kanzler: E. Coulon,
folgenden
Beschluss
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 |
Am 29. November 2010 ließ die Klägerin, die Calestep, SL, zwei Stoffe nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396, S. 1) registrieren. |
2 |
Im Registrierungsverfahren gab die Klägerin an, sie sei ein „kleines“ Unternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124, S. 36). Aufgrund dieser Angabe konnte sie eine Ermäßigung der für eine Registrierung anfallenden Gebühren nach Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 in Anspruch nehmen. Nach Art. 74 Abs. 1 dieser Verordnung wurde die Gebühr in der Verordnung (EG) Nr. 340/2008 der Kommission vom 16. April 2008 über die an die Europäische Chemikalienagentur zu entrichtenden Gebühren und Entgelte gemäß der Verordnung Nr. 1907/2006 (ABl. L 107, S. 6) festgesetzt. Anhang I der Verordnung Nr. 340/2008 enthält die Beträge der Gebühren für Anträge auf Registrierung nach Art. 6 der Verordnung Nr. 1907/2006 und die ermäßigten Gebühren für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Ferner sieht Art. 13 Abs. 4 der Verordnung Nr. 340/2008 vor, dass, wenn eine natürliche oder juristische Person, die behauptet, eine Ermäßigung oder einen Gebührenverzicht beanspruchen zu können, diesen Anspruch nicht belegen kann, die Europäische Chemikalienagentur (im Folgenden: ECHA) die Gebühr oder das Entgelt in voller Höhe sowie ein Verwaltungsentgelt erhebt. Diesbezüglich erließ der Verwaltungsrat der ECHA am 12. November 2010 den Beschluss MB/D/29/2010 über die Klassifizierung von Dienstleistungen, für die Entgelte erhoben werden (im Folgenden: Beschluss MB/D/29/2010). Gemäß Art. 2 und Tabelle 1 dieses Beschlusses in der zum Zeitpunkt des Sachverhalts maßgeblichen Fassung betrug das Verwaltungsentgelt nach Art. 13 Abs. 4 der Verordnung Nr. 340/2008 für große Unternehmen 20700 Euro, für mittlere Unternehmen 14500 Euro, für kleine Unternehmen 8300 Euro und für Kleinstunternehmen 2070 Euro. |
3 |
Am 29. November 2010 stellte die ECHA zwei Rechnungen (Nr. 10024188 und Nr. 10024196) über jeweils den Betrag von 9300 Euro aus. Dieser Betrag entsprach gemäß Anhang I der Verordnung Nr. 340/2008 in der zum Zeitpunkt des Sachverhalts maßgeblichen Fassung der von einem kleinen Unternehmen bei einer gemeinsamen Einreichung geschuldeten Gebühr für Stoffe im Mengenbereich über 1000 Tonnen. |
4 |
Am 28. Februar 2011 wurde die Klägerin von der ECHA aufgefordert, eine Reihe von Dokumenten vorzulegen, um ihre Angaben, wonach sie ein kleines Unternehmen sei, zu überprüfen. |
5 |
Am 21. Dezember 2012 richtete die ECHA nach einem Austausch von Dokumenten und einem E-Mail-Wechsel die Entscheidung SME (2012) 4028 an die Klägerin, mit der festgestellt wurde, dass die Klägerin nicht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Ermäßigung der Gebühren für kleine Unternehmen erfülle, und ihr ein Verwaltungsentgelt auferlegt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Mit dieser Entscheidung teilte die ECHA der Klägerin mit, dass sie als mittleres Unternehmen anzusehen sei und sie ihr eine Rechnung ausstellen werde, die die Differenz zwischen der anfänglich gezahlten Gebühr und der letztlich geschuldeten Gebühr decken werde, sowie eine Rechnung zur Begleichung des Verwaltungsentgelts in Höhe von 14500 Euro. |
6 |
In Durchführung der angefochtenen Entscheidung stellte die ECHA der Klägerin am 23. Januar und am 8. Februar 2013 drei Rechnungen über die Beträge von 6975 Euro, 6975 Euro und 14500 Euro aus. |
Verfahren und Anträge der Parteien
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Mit Klageschrift, die am 18. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. |
8 |
Am 19. Februar 2013 hat die Klägerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, um eine Aussetzung des Vollzugs der Zahlung der Rechnungen vom 23. Januar und 8. Februar 2013 zu erwirken. |
9 |
Mit Beschluss vom 11. März 2013, Calestep/ECHA (T‑89/13 R, EU:T:2013:123), hat der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter diesen Antrag zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten. |
10 |
Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der daher am 27. September 2013 die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist. |
11 |
Am 9. Januar 2015 hat das Gericht die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 zur Abgabe von Stellungnahmen betreffend eine etwaige Erheblichkeit des Urteils vom 2. Oktober 2014, Spraylat/ECHA (T‑177/12, Slg, EU:T:2014:849), für diesen Rechtsstreit und zur Beantwortung einer Frage aufgefordert. Die Parteien haben dieser Aufforderung fristgerecht Folge geleistet. |
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Die Klägerin beantragt,
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Die ECHA beantragt,
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Rechtliche Würdigung
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Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn einer Klage offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen. |
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Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht aufgrund der Aktenlage für hinreichend unterrichtet und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden. |
Zur Zuständigkeit des Gerichts
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Obwohl seine Zuständigkeit von den Parteien nicht bestritten wird, hält es das Gericht für angebracht, sich vorab über seine Zuständigkeit für die Entscheidung über die vorliegende Nichtigkeitsklage zu äußern. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass die Zuständigkeit des Gerichts von ihm von Amts wegen geprüft werden kann, da sie eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung ist (vgl. Urteil vom 15. März 2005, GEF/Kommission, T‑29/02, Slg, EU:T:2005:99, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
17 |
Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1907/2006 sieht vor, dass „[z]ur Anfechtung einer Entscheidung der Widerspruchskammer oder – im Fall nicht widerspruchsfähiger Entscheidungen – der [ECHA] […] nach Maßgabe des [Art. 263 AEUV] Klage beim [Gericht] oder beim Gerichtshof erhoben werden [kann]“. |
18 |
In diesem Zusammenhang sieht Art. 91 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1907/2006 vor, dass „Entscheidungen der [ECHA] nach den Artikeln 9 und 20, Artikel 27 Absatz 6, Artikel 30 Absätze 2 und 3 und Artikel 51 [der Verordnung Nr. 1907/2006] [vor der Widerspruchskammer] mit einem Widerspruch anfechtbar [sind]“. |
19 |
Die angefochtene Entscheidung wurde allerdings nicht aufgrund der in Art. 91 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1907/2006 genannten Bestimmungen, sondern gemäß Art. 13 Abs. 4 der Verordnung Nr. 340/2008 und gemäß Art. 2 des Beschlusses MB/D/29/2010 getroffen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass weder die Verordnung Nr. 340/2008 noch der Beschluss MB/D/29/2010 in Anwendung der in Art. 91 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1907/2006 genannten Bestimmungen erlassen worden sind. |
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Zudem ist festzustellen, dass die Bestimmungen der Art. 9, 27, 30 und 51 der Verordnung Nr. 1907/2006, die in Art. 91 Abs. 1 dieser Verordnung genannt werden, Entscheidungen betreffen, die keinen Bezug zu der Gebühr aufwiesen, die die registrierenden Unternehmen zu entrichten haben. |
21 |
Was Art. 20 der Verordnung Nr. 1907/2006 betrifft, so zielt dieser auf die „Pflichten der [ECHA]“ ab. Abs. 5 dieses Artikels sieht vor, dass „[g]egen Entscheidungen der [ECHA] nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels … Widerspruch nach den Artikeln 91, 92 und 93 [der Verordnung Nr. 1907/2006] eingelegt werden [kann]“. Abs. 2 sieht eine „Vollständigkeitsprüfung“ der ECHA für jede Registrierung, einschließlich der Entrichtung der Gebühr, vor. Es ist jedoch festzustellen, dass diese Prüfung „keine Beurteilung der Qualität oder der Angemessenheit vorgelegter Daten oder Begründungen“ umfasst. Im Übrigen sieht Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 vor, dass die ECHA „die Registrierung ablehnt“, wenn das Registrierungsdossier „unvollständig“ ist und der Registrant es „nicht fristgerecht vervollständigt“. Abgesehen davon, dass die angefochtene Entscheidung nicht auf Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 gestützt wird, wird mit ihr im vorliegenden Fall die Registrierung der fraglichen Stoffe nicht abgelehnt. |
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In Anbetracht dieser Umstände ist festzustellen, dass das Gericht für die Entscheidung über die vorliegende Klage zuständig ist. |
Zur Zulässigkeit der Klage
23 |
Die ECHA trägt vor, dass in der Klage und im Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz als Kontaktdaten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin deren Sitz und eine E-Mail-Adresse eines Unternehmens, das zur selben Firmengruppe wie die Klägerin gehöre, angegeben seien. Dies gebe Anlass zu Zweifeln in Bezug auf die Unabhängigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor dem Gericht. Die von der Klägerin im Rahmen der Erwiderung vorgelegten Unterlagen könnten diese Zweifel nicht ausräumen. Insbesondere könne der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durchaus als selbständiger Anwalt eingetragen sein und gleichzeitig ein Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber haben. |
24 |
In der Erwiderung führt die Klägerin aus, ihr Prozessbevollmächtigter sei seit 1975 als Rechtsanwalt bei der Anwaltskammer Sevilla (Spanien) eingetragen und er arbeite nur für Mandanten, die er sich selbst aussuche; diese erhielten eine Rechnung unter Anwendung des entsprechenden Mehrwertsteuersatzes. Mit anderen Worten bestehe zwischen dem Anwalt der Klägerin und Letzterer kein durch Unterordnung gekennzeichnetes Lohnarbeitsverhältnis. In der Klage sei die E-Mail-Adresse der Klägerin nur deshalb angegeben worden, um die Kommunikation zu erleichtern, was jedoch nichts über ein Unterordnungsverhältnis besage. Außerdem fügt die Klägerin ihrer Erwiderung mehrere Dokumente über die Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten bei. |
25 |
Art. 19 Abs. 1, 3 und 4 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die gemäß Art. 53 der Satzung auf das Gericht anwendbar ist, bestimmt: „Die Mitgliedstaaten sowie die Unionsorgane werden vor dem Gerichtshof durch einen Bevollmächtigten vertreten, der für jede Sache bestellt wird; der Bevollmächtigte kann sich der Hilfe eines Beistands oder eines Anwalts bedienen. … Die anderen Parteien müssen durch einen Anwalt vertreten sein. Nur ein Anwalt, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten, kann vor dem Gerichtshof als Vertreter oder Beistand einer Partei auftreten.“ |
26 |
Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs bestimmt: „Die Klageerhebung bei dem Gerichtshof erfolgt durch Einreichung einer an den Kanzler zu richtenden Klageschrift. Die Klageschrift muss Namen und Wohnsitz des Klägers, die Stellung des Unterzeichnenden … enthalten.“ |
27 |
Art. 43 § 1 Abs. 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 sieht vor: „Die Urschrift jedes Schriftsatzes ist vom Bevollmächtigten oder vom Anwalt der Partei zu unterzeichnen.“ |
28 |
Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus den oben angeführten Bestimmungen, insbesondere aus der Verwendung des Begriffs „vertreten“ in Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs, dass bei der Einreichung einer Klage beim Gericht eine „Partei“ im Sinne dieses Artikels nicht selbst auftreten darf, sondern sich eines Dritten bedienen muss, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten (Beschlüsse vom 5. Dezember 1996, Lopes/Gerichtshof, C‑174/96 P, Slg, EU:C:1996: 473, Rn. 11, vom 8. Dezember 1999, Euro-Lex/HABM [EU-LEX], T‑79/99, Slg, EU:T:1999:312, Rn. 27, und vom 19. November 2009, EREF/Kommission, T‑40/08, EU:T:2009:455, Rn. 25). |
29 |
Dieses Erfordernis, sich eines Dritten zu bedienen, entspricht der Vorstellung von der Funktion des Rechtsanwalts, nach der dieser als Organ der Rechtspflege betrachtet wird und in völliger Unabhängigkeit und im höheren Interesse der Rechtspflege die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die der Mandant benötigt. Diese Vorstellung entspricht der gemeinsamen juristischen Tradition der Mitgliedstaaten und findet sich ebenfalls in der Rechtsordnung der Union wieder, wie sich gerade aus Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs ergibt (Beschlüsse EU-LEX, oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:1999:312, Rn. 28, und EREF/Kommission, oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2009:455, Rn. 26). |
30 |
Auch wenn es zutrifft, dass die Angabe des Sitzes der Klägerin und der E-Mail-Adresse eines Unternehmens, das demselben Konzern wie die Klägerin angehört, in den Kontaktdaten des Anwalts der Klägerin zunächst Zweifel an der Unabhängigkeit des Anwalts aufkommen lassen kann, so werden diese Zweifel im vorliegenden Fall jedoch durch die in die Debatte eingebrachten Dokumente und die im Stadium der Erwiderung abgegebenen Erklärungen ausgeräumt. |
31 |
Insbesondere geht aus den der Erwiderung beigefügten Dokumenten erstens hervor, dass der Anwalt der Klägerin seit 1975 als Anwalt, der „por cuenta propia“ (auf eigene Rechnung) arbeitet, in die Liste der Anwaltskammer Sevilla eingetragen ist, was ihn von Anwälten unterscheidet, die „por cuenta ajena“ (auf die Rechnung Dritter) arbeiten. Zweitens hat der Anwalt der Klägerin eine eigene Adresse und eigene Telefon- und Faxnummern. Drittens deklariert der Anwalt der Klägerin im eigenen Namen einen Angestellten der Kategorie „administrative Hilfskraft“. Viertens geht aus seinen Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen hervor, dass der Anwalt der Klägerin anwaltliche Tätigkeiten deklariert hat, die nichts mit der Klägerin zu tun haben. Zudem weist die Klägerin in ihrer Erwiderung ausdrücklich darauf hin, dass kein durch Unterordnung gekennzeichnetes Lohnarbeitsverhältnis zwischen ihr und ihrem Anwalt bestehe. |
32 |
Angesichts dessen ist die vorliegende Klage für zulässig zu erklären. |
Zur Begründetheit
33 |
Die vorliegende Klage beruht im Wesentlichen auf einem einzigen Klagegrund, der auf einen Fehler bei der Einstufung der Klägerin als „mittleres“ Unternehmen gestützt wird. |
34 |
Genauer gesagt macht die Klägerin unter Verweis auf Art. 2 Abs. 2 des Anhangs der Empfehlung 2003/361 geltend, dass zwar der Konzern, dem sie angehöre, tatsächlich mehr als 50 Personen beschäftige, dass jedoch die übrigen Bedingungen betreffend den Jahresumsatz und die Jahresbilanz nicht erfüllt seien. Daher habe die Klägerin als „kleines“ und nicht als „mittleres“ Unternehmen zu gelten. |
35 |
Die ECHA tritt dieser Auslegung entgegen. Es bestehe kein Zweifel, dass ein Unternehmen nur dann als kleines Unternehmen gelte, wenn die beiden Bedingungen nach Art. 2 Abs. 2 des Anhangs der Empfehlung 2003/361, nämlich die Beschäftigung von weniger als 50 Personen und ein Jahresumsatz bzw. eine Jahresbilanz von weniger als 10 Mio. Euro, kumulativ erfüllt seien. Dies gehe aus dem Wortlaut dieses Artikels und aus der Unionsrechtsprechung hervor. |
36 |
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nur die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Anhangs der Empfehlung 2003/361 bestreitet, wonach die Bedingung hinsichtlich des Personalbestands des Unternehmens eine kumulativ zu erfüllende Bedingung sei, damit ein Unternehmen als „klein“ gelten könne. |
37 |
In diesem Zusammenhang verweisen sowohl die Verordnung Nr. 1907/2006 in ihrem Art. 3 als auch die Verordnung Nr. 340/2008 in ihrem 9. Erwägungsgrund und in ihrem Art. 2 bei der Definition von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen auf die Empfehlung 2003/361. Insbesondere sieht Art. 2 der Verordnung Nr. 340/2008 vor, dass ein kleines Unternehmen ein „kleines Unternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361“ ist. |
38 |
Die Empfehlung 2003/361 hat einen Anhang, dessen Titel I die „[v]on der Kommission angenommene Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen“ betrifft. Art. 2 dieses Titels hat die Überschrift „Mitarbeiterzahlen und finanzielle Schwellenwerte zur Definition der Unternehmensklassen“. |
39 |
Art. 2 Abs. 2 des Anhangs der Empfehlung 2003/361 sieht vor, dass „ein kleines Unternehmen als ein Unternehmen definiert [wird], das weniger als 50 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 10 Mio. EUR nicht übersteigt“. |
40 |
Aus einem wörtlichen Verständnis dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Kriterien einerseits hinsichtlich des Personalbestands des Unternehmens (im Folgenden: Kriterium des Personalbestands) und andererseits hinsichtlich der finanziellen Schwellenwerte (im Folgenden: finanzielles Kriterium) im Rahmen von Art. 2 Abs. 2 des Anhangs der Empfehlung 2003/361 kumulative Kriterien sind. Das geht eindeutig aus der Verwendung der beiordnenden Konjunktion „und“ hervor, die den kumulativen Charakter der Kriterien kennzeichnet, wohingegen die Verwendung der Konjunktion „oder“ einen alternativen Charakter kennzeichnen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C‑219/95 P, Slg, EU:C:1997:375, Rn. 13 bis 15, und vom 24. Mai 2012, Master Card u. a./Kommission, T‑111/08, Slg, EU:T:2012:260, Rn. 139). |
41 |
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Kriterium des Personalbestands ein maßgebliches Kriterium ist, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob ein Unternehmen ein Kleinstunternehmen, ein kleines oder ein mittleres Unternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361 ist. Wie die ECHA in ihren Schriftsätzen zu Recht ausführt, bleibt nach dem 4. Erwägungsgrund der Empfehlung 2003/361 „[d]as Kriterium [des Personalbestands] … mit Sicherheit eines der aussagekräftigsten und muss als Hauptkriterium festgeschrieben werden, wobei jedoch ein finanzielles Kriterium eine notwendige Ergänzung darstellt, um die tatsächliche Bedeutung eines Unternehmens, seine Leistungsfähigkeit und seine Wettbewerbssituation beurteilen zu können“. Außerdem ist festzustellen, dass, wenngleich es nach Art. 2 der Empfehlung 2003/361 den Mitgliedstaaten, der Europäischen Investitionsbank (EIB) und dem Europäischen Investitionsfond (EIF) freisteht, niedrigere Schwellenwerte festzusetzen, also das finanzielle Kriterium bei der Umsetzung bestimmter Politiken nicht zugrunde zu legen, der Personalbestand jedenfalls immer als Kriterium zugrunde gelegt werden muss. |
42 |
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung im Rahmen der Auslegung der Empfehlung 96/280/EG der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 107, S. 4), die durch die Empfehlung 2003/361 ersetzt wurde und im Wesentlichen eine ähnliche Darstellung des Kriteriums des Personalbestands und des finanziellen Kriteriums enthält, festgehalten hat, dass diese Kriterien kumulativ sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2004, Dalamine/Kommission, T‑50/00, Slg, EU:T:2004:220, Rn. 285 und 286). |
43 |
Daher ist die Auslegung der Klägerin, die im Wesentlichen dahin geht, dass ein Unternehmen, das, wie im vorliegenden Fall, mehr als 50 Personen beschäftigt, als kleines Unternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361 gelten könne, offensichtlich falsch. |
44 |
In Anbetracht dessen ist der einzige Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen und mithin die Klage insgesamt abzuweisen, da ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt. |
Kosten
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Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der ECHA die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Sechste Kammer) beschlossen: |
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Luxemburg, den 16. September 2015 |
Der Kanzler E. Coulon Der Präsident S. Frimodt Nielsen |
( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.
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Referenzen
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