Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-85/14

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

17. September 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste — Universaldienst und Nutzerrechte — Richtlinie 2002/22/EG — Art. 28 — Zugang zu Rufnummern und Diensten — Geografisch nicht gebundene Nummern — Richtlinie 2002/19/EG — Art. 5, 8 und 13 — Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden — Preiskontrolle — Transitdienste für Anrufe — Nationale Regelung, die die Anbieter von Transitdiensten für Telefonanrufe verpflichtet, für Anrufe zu geografisch nicht gebundenen Nummern keine höheren Tarife anzuwenden als für Anrufe zu geografisch gebundenen Nummern — Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht — Zuständige nationale Behörde“

In der Rechtssache C‑85/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. Februar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Februar 2014, in dem Verfahren

KPN BV

gegen

Autoriteit Consument en Markt (ACM)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der KPN BV, vertreten durch L. Mensink, T. van der Vijver und C. Schillemans, advocaten,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. De Stefano, avvocato dello Stato,

der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Wilman, G. Braun und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. April 2015,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. L 108, S. 51) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Universaldienstrichtlinie).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der KPN BV (im Folgenden: KPN) und der Autoriteit Consument en Markt (ACM) (Behörde für Verbraucher- und Marktangelegenheiten) wegen einer gegenüber KPN ergangenen zwangsgeldbewehrten Anordnung, ihre Tarife für Transitdienste für Anrufe zu geografisch nicht gebundenen Nummern zu senken.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Der neue Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste

3

Der neue Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste (im Folgenden: NRR) besteht aus der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) und den die Rahmenrichtlinie begleitenden Einzelrichtlinien, nämlich der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 21), der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 7), der Universaldienstrichtlinie und der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201, S. 37).

– Die Rahmenrichtlinie

4

Art. 2 der Rahmenrichtlinie sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

g)

‚nationale Regulierungsbehörde‘: eine oder mehrere Stellen, die von einem Mitgliedstaat mit einer der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten Regulierungsaufgaben beauftragt werden;

l)

‚Einzelrichtlinien‘: die [Genehmigungsrichtlinie], die [Zugangsrichtlinie], die [Universaldienstrichtlinie] und die Richtlinie 2002/58…

…“

5

Art. 6 („Konsultation und Transparenz“) der Rahmenrichtlinie schreibt die Einführung von nationalen Konsultationsverfahren zwischen den nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) und den interessierten Kreisen für den Fall vor, dass die NRB gemäß dieser Richtlinie oder der Einzelrichtlinien Maßnahmen zu treffen gedenken, die beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt haben werden.

6

Art. 7 („Konsolidierung des Binnenmarkts für die elektronische Kommunikation“) dieser Richtlinie sieht u. a. eine Pflicht für die NRB eines Mitgliedstaats vor, der Europäischen Kommission und den NRB der anderen Mitgliedstaaten in den in Abs. 3 dieses Artikels genannten Fällen den Entwurf einer Maßnahme, die sie zu ergreifen beabsichtigt, zur Verfügung zu stellen. Art. 7a der Rahmenrichtlinie legt das Verfahren zur einheitlichen Anwendung von Abhilfemaßnahmen in Bezug auf die Auferlegung, Änderung oder Aufhebung von Verpflichtungen der Betreiber fest.

7

Art. 8 der Rahmenrichtlinie gibt die politischen Ziele und regulatorischen Grundsätze vor, deren Beachtung die NRB bei der Wahrnehmung ihrer in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten regulatorischen Aufgaben sicherstellen müssen.

8

Art. 16 der Rahmenrichtlinie legt die Regeln für die Durchführung des Marktanalyseverfahrens fest.

– Die Universaldienstrichtlinie

9

Gemäß Art. 2 Buchst. d und f der Universaldienstrichtlinie bedeuten die Ausdrücke

„d)

‚geografisch gebundene Nummer‘: eine Nummer eines nationalen Telefonnummernplans, bei der ein Teil der Ziffernfolge einen geografischen Bezug hat, der für die Leitwegbestimmung von Anrufen zum physischen Standort des Netzabschlusspunktes benutzt wird;

f)

‚geografisch nicht gebundene Nummer‘: eine Nummer eines nationalen Telefonnummernplans, bei der es sich nicht um eine geografisch gebundene Nummer handelt. Dieser Begriff erfasst unter anderem die Nummern für Mobiltelefone, gebührenfreie Dienste und Sonderdienste mit erhöhtem Tarif.“

10

Art. 28 („Zugang zu Rufnummern und Diensten“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, sofern der angerufene Teilnehmer nicht Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt hat, alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass:

a)

die Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der [Europäischen Union] zu erreichen und zu nutzen[,] sowie

b)

die Endnutzer in der Lage sind, unabhängig von der vom Betreiber verwendeten Technologie und der von ihm genutzten Geräte alle in der Gemeinschaft bestehenden Rufnummern, einschließlich der Nummern in den nationalen Rufnummernplänen der Mitgliedstaaten, der Nummern aus [dem europäischen Telefonnummernraum (im Folgenden: ETNS)] sowie universeller internationaler gebührenfreier Rufnummern (UIFN) zu erreichen.

…“

– Die Zugangsrichtlinie

11

Art. 1 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung (im Folgenden: Zugangsrichtlinie) sieht vor:

„(1)   Auf der von der [Rahmenrichtlinie] geschaffenen Grundlage wird mit der vorliegenden Richtlinie die Regulierung des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung durch die Mitgliedstaaten harmonisiert. Ziel ist es, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Binnenmarkts einen Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen Netzbetreibern und Diensteanbietern zu schaffen, der einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste gewährleistet und die Interessen der Verbraucher fördert.

(2)   Mit dieser Richtlinie werden für Betreiber und für Unternehmen, die eine Zusammenschaltung ihrer Netze und zugehörigen Einrichtungen und/oder den Zugang hierzu wünschen, Rechte und Pflichten festgelegt. Ferner werden Ziele für [NRB] in Bezug auf den Zugang und die Zusammenschaltung vorgegeben und Verfahren festgelegt, die gewährleisten sollen, dass die von den [NRB] auferlegten Verpflichtungen überprüft und nach Erreichen der angestrebten Ziele gegebenenfalls aufgehoben werden. Der Zugang für Endnutzer fällt nicht unter den Begriff ‚Zugang‘ im Sinne dieser Richtlinie.“

12

In Art. 5 („Befugnisse und Zuständigkeiten der [NRB] in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung“) dieser Richtlinie heißt es:

„(1)   Die [NRB] fördern und garantieren gegebenenfalls entsprechend dieser Richtlinie bei ihren Maßnahmen zur Verwirklichung der in Artikel 8 der [Rahmenrichtlinie] festgelegten Ziele einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste und nehmen ihre Zuständigkeit in einer Weise wahr, die Effizienz fördert, den Wettbewerb stimuliert und den Endnutzern größtmöglichen Nutzen bringt.

Unbeschadet etwaiger Maßnahmen gemäß Artikel 8 in Bezug auf Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht können die [NRB] insbesondere folgende Maßnahmen treffen:

a)

In dem zur Gewährleistung des End-zu-End-Verbunds von Diensten erforderlichen Umfang können sie den Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, Verpflichtungen auferlegen, wozu in begründeten Fällen auch die Verpflichtung gehören kann, ihre Netze zusammenzuschalten, sofern dies noch nicht geschehen ist.

ab)

In begründeten Fällen und in dem erforderlichen Umfang können sie den Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, Verpflichtungen auferlegen, ihre Dienste interoperabel zu machen.

(2)   Die gemäß Absatz 1 auferlegten Verpflichtungen und Bedingungen müssen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nicht diskriminierend sein; für ihre Anwendung gelten die Verfahren der Artikel 6, 7 und 7a der [Rahmenrichtlinie].

(3)   In Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung gemäß Absatz 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die [NRB] befugt ist, in begründeten Fällen aus eigener Initiative tätig zu werden, um entsprechend der vorliegenden Richtlinie und den Verfahren der Artikel 6 und 7 sowie der Artikel 20 und 21 der [Rahmenrichtlinie] die Beachtung der in Artikel 8 derselben Richtlinie aufgeführten politischen Ziele zu gewährleisten.“

13

Art. 8 („Auferlegung, Änderung oder Aufhebung von Verpflichtungen“) der Zugangsrichtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die [NRB] befugt sind, die in den Artikeln 9 bis 13a genannten Verpflichtungen aufzuerlegen.

(2)   Wird ein Betreiber aufgrund einer Marktanalyse nach Artikel 16 der [Rahmenrichtlinie] als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft, so erlegt die nationale Regulierungsbehörde diesem im erforderlichen Umfang die in den Artikeln 9 bis 13 der vorliegenden Richtlinie genannten Verpflichtungen auf.

(3)   Unbeschadet

der Artikel 12 und 13 der [Rahmenrichtlinie], der Bedingung 7 in Teil B des Anhangs der [Genehmigungsrichtlinie], die gemäß Artikel 6 Absatz 1 jener Richtlinie angewandt wird, sowie der Artikel 27, 28 und 30 der [Universaldienstrichtlinie] …, die Verpflichtungen für Unternehmen enthalten, mit Ausnahme jener, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden …

erlegen die [NRB] Betreibern, die nicht gemäß Absatz 2 eingestuft wurden, die in den Artikeln 9 bis 13 genannten Verpflichtungen nicht auf.

(4)   Die nach diesem Artikel auferlegten Verpflichtungen müssen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und müssen im Hinblick auf die Ziele des Artikels 8 der [Rahmenrichtlinie] angemessen und gerechtfertigt sein. Die Verpflichtungen dürfen nur nach der Anhörung gemäß den Artikeln 6 und 7 jener Richtlinie auferlegt werden.

…“

14

Art. 13 („Verpflichtung zur Preiskontrolle und Kostenrechnung“) Abs. 1 der Zugangsrichtlinie bestimmt:

„Weist eine Marktanalyse darauf hin, dass ein Betreiber aufgrund eines Mangels an wirksamem Wettbewerb seine Preise zum Nachteil der Endnutzer auf einem übermäßig hohen Niveau halten oder Preisdiskrepanzen praktizieren könnte, so kann die [NRB] dem betreffenden Betreiber gemäß Artikel 8 hinsichtlich bestimmter Arten von Zusammenschaltung und/oder Zugang Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle einschließlich kostenorientierter Preise auferlegen und ihm bestimmte Auflagen in Bezug auf Kostenrechnungsmethoden erteilen. …“

Die Richtlinie 2009/136

15

Im 46. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/136 heißt es:

„Ein Binnenmarkt bedeutet, dass die Endnutzer alle in den nationalen Nummerierungsplänen der [anderen] Mitgliedstaaten enthaltenen Rufnummern erreichen und die entsprechenden Dienste auch nutzen sowie geografisch nicht gebundene Nummern innerhalb der Gemeinschaft verwenden können, darunter auch gebührenfreie Rufnummern und Sondernummern mit erhöhtem Tarif. … Die grenzüberschreitende Erreichbarkeit der Rufnummern und der zugehörigen Dienste sollte nicht verhindert werden, außer wenn dies im Ausnahmefall objektiv gerechtfertigt ist, etwa wenn es zur Bekämpfung von Betrug oder Missbrauch notwendig ist, … wenn die Rufnummer von vornherein nur für eine nationale Nutzung bestimmt ist …, oder wenn es technisch oder wirtschaftlich nicht machbar ist. …“

Niederländisches Recht

16

In Art. 6.5 der Telecommunicatiewet (Telekommunikationsgesetz, im Folgenden: Tw), mit dem Art. 28 der Universaldienstrichtlinie in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist, heißt es:

„(1)   Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikationsnetze oder öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste, die in diesem Zusammenhang den Zugang zu Endnutzern kontrollieren, stellen sicher, dass in der Europäischen Union befindliche Endnutzer in der Lage sind, alle

a.

in der Europäischen Union vergebenen Nummern eines nationalen Rufnummernplans,

b.

Nummern des [ETNS] und

c.

von der [Internationalen Fernmeldeunion (ITU)] vergebene Nummern

zu erreichen und Dienste unter Verwendung der in den Buchst. a bis c genannten Nummern zu nutzen, es sei denn, dies ist technisch oder wirtschaftlich nicht möglich oder ein angerufener Teilnehmer hat Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten eingeschränkt.

(2)   Durch Verordnung oder aufgrund einer Verordnung können nähere Bestimmungen erlassen werden, um die Einhaltung der Verpflichtung nach Abs. 1 zu gewährleisten. Diese Bestimmungen können sich u. a. auf die Entgelte für den Zugang zu den in Abs. 1 genannten Nummern beziehen.

(3)   Die Bestimmungen im Sinne von Abs. 2 können für in diesen Bestimmungen festgelegte Kategorien von Anbietern im Sinne von Abs. 1 unterschiedlich sein. Mit diesen Bestimmungen können der [ACM] Aufgaben übertragen und Befugnisse verliehen werden.“

17

Der Besluit Interoperabiliteit (Interoperabilitätsverordnung, im Folgenden: BI) ist auf der Grundlage der Tw erlassen worden. Art. 5 des BI in der ab 1. Juli 2013 geltenden Fassung lautet:

„(1)   Ein Anbieter öffentlicher Telefondienste oder ein daran beteiligter Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikationsnetze, der in diesem Zusammenhang den Zugang zu Endnutzern kontrolliert, gewährleistet, dass Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Europäischen Union zu nutzen.

(2)   Die Verpflichtung im Sinne von Abs. 1 beinhaltet jedenfalls, dass die in Abs. 1 genannten Anbieter öffentlicher Telefondienste und öffentlicher elektronischer Kommunikationsnetze für Anrufe bei einer Nummer aus den Reihen 0800, 084, 085, 087, 088, 0900, 0906, 0909, 116, 14 oder 18 Tarife oder sonstige Entgelte anwenden, die mit den Tarifen oder sonstigen Entgelte vergleichbar sind, die diese Anbieter für Anrufe bei geografisch gebundenen Nummern anwenden, und ausschließlich dann abweichende Tarife oder Entgelte anwenden, wenn dies erforderlich ist, um die zusätzlichen Kosten im Zusammenhang mit den Anrufen bei diesen geografisch nicht gebundenen Nummern zu decken.

(3)   Durch Ministerialerlass können in Bezug auf die Verpflichtung im Sinne von Abs. 1 nähere Bestimmungen getroffen werden.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18

KPN bietet Transitdienste für Anrufe zu geografisch nicht gebundenen Nummern in den Niederlanden an, die rund 20 % ihres Verkehrs zu diesen Rufnummern ausmachen.

19

Nachdem die ACM festgestellt hatte, dass KPN bei Transitdiensten für Anrufe zu geografisch nicht gebundenen Nummern höhere Tarife anwende als bei Transitdiensten für Anrufe zu geografisch gebundenen Nummern, ohne dass dieser Unterschied durch zusätzliche Kosten gerechtfertigt sei, erließ sie in ihrer Eigenschaft als NRB mit Bescheid vom 18. Oktober 2013 gegenüber KPN eine Anordnung, ihre Tarife anzupassen, und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 25000 Euro pro Tag bis zu einem Höchstbetrag von 5 Mio. Euro an.

20

KPN erhob gegen diesen Bescheid Klage beim College van Beroep voor het bedrijfsleven (Gericht für Wirtschaftssachen).

21

KPN begründet ihre Klage u. a. damit, dass Art. 5 des BI nicht mit dem NRR vereinbar sei, der eine Preiskontrolle nur bei Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht und nur nach Durchführung einer Marktanalyse zulasse. Als Anbieterin von Transitdiensten für Anrufe falle sie nicht unter Art. 5 des BI. Allerdings sei der Bescheid der ACM unverhältnismäßig und beruhe auf einer unzureichenden Begründung, da die ACM zu Unrecht davon ausgehe, dass Art. 5 des BI dahin auszulegen sei, dass die zusätzlichen Kosten im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Transitdiensten nicht höher ausfallen dürften als bei strikter Kostenorientierung. Der Tarif für Transitdienste für Anrufe habe kaum Auswirkungen auf den Gesamttarif, und der Preis für Transitdienste für Anrufe zu geografisch nicht gebundenen Nummern sei angemessen.

22

Die ACM rechtfertigt ihren Bescheid damit, dass sich die Regel, dass die Preise für Anruftransitdienste vergleichbar sein müssten, auf Art. 28 der Universaldienstrichtlinie gründe, der die Mitgliedstaaten verpflichte, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass die Endnutzer freien Zugang zu Diensten unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern hätten, und es somit ermögliche, gegen Zugangshindernisse vorzugehen, die sich aus der Anwendung überhöhter Preise ergäben.

23

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob Art. 5 des BI mit dem Unionsrecht vereinbar ist, da sich dieser Artikel auf Art. 6.5 der Tw gründe, der wiederum Art. 28 der Universaldienstrichtlinie umsetze. Insoweit wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob der Umstand, dass Art. 5 des BI nicht vorsieht, dass vor Erlass einer Tarifregulierung eine Marktanalyse durchgeführt werden muss, im Einklang mit Art. 28 der Universaldienstrichtlinie steht.

24

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts deutet die in Art. 28 der Universaldienstrichtlinie enthaltene Formulierung „alle erforderlichen Maßnahmen“ darauf hin, dass der Erlass einer Tarifregulierung grundsätzlich zulässig ist. Unter Hinweis darauf, dass der 46. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/136 nahelege, dass sich dieser Artikel der Universaldienstrichtlinie nur auf die zur Gewährleistung des grenzüberschreitenden Telefonverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten erforderlichen Maßnahmen beziehe, wirft es die Frage auf, ob Art. 28 der Universaldienstrichtlinie dahin ausgelegt werden könne, dass die zuständigen nationalen Behörden in Anbetracht der Tatsache, dass es technisch möglich sei, geografisch nicht gebundene Nummern grenzüberschreitend anzuwählen, Maßnahmen treffen dürften, um die Hindernisse, die die Tarife darstellen, zu beseitigen.

25

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann die Antwort auf die Frage, ob Tarife als ein Hindernis für den Zugang zu Diensten unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern angesehen werden können, davon abhängen, in welchem Ausmaß diese Tarife die Tarife für das Erreichen geografisch gebundener Nummern übersteigen.

26

Hierzu stellt das vorlegende Gericht zum einen fest, dass die Tarife für Transitdienste für Anrufe zu geografisch nicht gebundenen Nummern möglicherweise so hoch seien, dass sie Endnutzer veranlassten, auf diese Dienste zu verzichten. Zum anderen könne davon ausgegangen werden, dass jede Preissteigerung zu einem gewissen Rückgang der Nachfrage führen werde. Trotzdem habe es möglicherweise nur marginale Auswirkungen, wenn für den Zugang zu Transitdiensten bei Anrufen zu geografisch nicht gebundenen Nummern höhere Tarife angewandt würden als bei Anrufen zu geografisch gebundenen Nummern. Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob im letztgenannten Fall behauptet werden könne, dass Endnutzer keinen Zugang zu Diensten unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern hätten. Es stellt ferner fest, dass der Bescheid der ACM nur die Tarife betreffe, die KPN für ihre Ruftransitdienstleistungen zu geografisch nicht gebundenen Nummern in Rechnung stelle, die nur ca. 20 % ihres Verkehrs zu diesen Nummern ausmachten.

27

Zudem stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob es nach Art. 28 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie zulässig ist, dass eine Tarifregulierung von einer anderen Behörde vorgegeben wird als der die in Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie genannte Befugnis wahrnehmenden NRB und dass der letztgenannten Behörde lediglich die Befugnis zur Anwendung der Regulierungsmaßnahmen zukommt.

28

Unter diesen Umständen hat das College van Beroep voor het bedrijfsleven beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Erlaubt Art. 28 der Universaldienstrichtlinie die Regulierung von Tarifen, ohne dass eine Marktanalyse ergeben hat, dass eine Partei in Bezug auf den regulierten Dienst über beträchtliche Marktmacht verfügt, während die grenzüberschreitende Anwählbarkeit geografisch nicht gebundener Telefonnummern technisch ohne Weiteres möglich ist und das einzige Hindernis für den Zugang zu diesen Nummern darin besteht, dass Tarife angewandt werden, aufgrund deren ein Anruf zu einer geografisch nicht gebundenen Nummer teurer ist als ein Anruf bei einer geografisch gebundenen Nummer?

2.

Sofern Frage 1 bejaht wird, stellen sich die beiden folgenden Fragen:

a)

Gilt die Befugnis zur Tarifregulierung auch dann, wenn sich höhere Tarife auf das Anrufaufkommen bei geografisch nicht gebundenen Nummern nur begrenzt auswirken?

b)

Inwiefern bleibt noch Raum für eine Prüfung durch das nationale Gericht, ob eine nach Art. 28 der Universaldienstrichtlinie erforderliche Tarifregelung angesichts der damit verfolgten Ziele für den Transit-Anbieter nicht unangemessen belastend ist?

3.

Lässt Art. 28 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie die Möglichkeit offen, dass die in dieser Vorschrift genannten Maßnahmen von einer anderen Behörde getroffen werden als der NRB, die die in Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie genannte Befugnis wahrnimmt, und der letztgenannten Behörde lediglich die Befugnis zur Anwendung der Regulierungsmaßnahmen zukommt?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

29

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer zuständigen nationalen Behörde ermöglicht, auf der Grundlage von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie eine Tarifverpflichtung wie die im Ausgangsverfahren streitige vorzugeben, um ein Hindernis für die Anwahl geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu beseitigen, das nicht technischer Art, sondern Folge der praktizierten Tarife ist, ohne dass eine Marktanalyse durchgeführt worden ist, aus der hervorgeht, dass das betreffende Unternehmen über eine beträchtliche Marktmacht verfügt. Für den Fall einer Bejahung dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine solche Verpflichtung vorgegeben werden kann, wenn die Auswirkung der Tarife auf das Anrufaufkommen bei geografisch nicht gebundenen Nummern begrenzt ist, und ob das nationale Gericht einen Wertungsspielraum hinsichtlich der Frage hat, ob eine solche Verpflichtung den Anbieter von Anruftransitdiensten nicht unangemessen belastet.

30

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die streitige Tarifverpflichtung KPN auferlegt worden ist, einem Anbieter von Transitdiensten für Anrufe zu geografisch nicht gebundenen Nummern. Diese Dienstleistungen bestehen in der Weiterleitung von Anrufen aus dem Netz eines Anbieters elektronischer Kommunikationsdienste zum Netz eines anderen Anbieters elektronischer Kommunikationsdienste über ein dazwischengeschaltetes Netz des Unternehmens, das die genannten Transitdienste anbietet. Mit der Auferlegung dieser Verpflichtung sollte die Vergleichbarkeit der Preise für Transitdienste für Anrufe zu geografisch nicht gebundenen Nummern und der Preise für Transitdienste für Anrufe zu geografisch gebundenen Nummern gewährleistet und das in Art. 28 der Universaldienstrichtlinie genannte Ziel erreicht werden.

31

Insoweit ist festzustellen, dass nach Art. 28 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, sofern der angerufene Teilnehmer nicht Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt hat, alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um u. a. sicherzustellen, dass die Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu erreichen.

32

Weder in Art. 28 Abs. 1 Buchst. a noch in irgendeiner anderen Bestimmung der Universaldienstrichtlinie wird ausgeführt, was unter „alle erforderlichen Maßnahmen“ zu verstehen ist, welcher Art diese Maßnahmen sind oder ob die NRB befugt sind, solche Maßnahmen zu treffen, so dass sich die Frage stellt, ob eine Tarifverpflichtung wie die im Ausgangsverfahren streitige zur Erreichung des mit diesem Artikel angestrebten Ziels auferlegt werden darf. Unter diesen Bedingungen ist zu prüfen, ob sich in der Rahmenrichtlinie und den Einzelrichtlinien, die zusammen einen harmonisierten Rechtsrahmen für Netze und Dienste bilden, Anhaltspunkte finden, die eine Beantwortung dieser Frage ermöglichen.

33

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil T‑Mobile Austria, C‑282/13, EU:C:2015:24, Rn. 32).

34

Ihrem Art. 1 Abs. 1 und 2 zufolge harmonisiert die Zugangsrichtlinie auf der von der Rahmenrichtlinie geschaffenen Grundlage die Regulierung des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung durch die Mitgliedstaaten. Ziel der Zugangsrichtlinie ist es, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Binnenmarkts einen Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen Netzbetreibern und Diensteanbietern zu schaffen, der einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste gewährleistet und die Interessen der Verbraucher fördert. Die Zugangsrichtlinie gibt den NRB u. a. Ziele in Bezug auf den Zugang und die Zusammenschaltung vor.

35

Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie regelt die Befugnisse und Zuständigkeiten der NRB in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung. Dort ist vorgesehen, dass diese Behörden zur Verwirklichung der in Art. 8 der Rahmenrichtlinie festgelegten Ziele einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste garantieren und die Effizienz fördern, den Wettbewerb stimulieren und für größtmöglichen Nutzen für die Endnutzer sorgen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Polen, C‑227/07, EU:C:2008:620, Rn. 64).

36

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die NRB nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie die Aufgabe haben, einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste durch Maßnahmen zu garantieren, die nicht abschließend aufgezählt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil TeliaSonera Finland, C‑192/08, EU:C:2009:696, Rn. 58).

37

In diesem Rahmen müssen die NRB nach Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Zugangsrichtlinie unbeschadet etwaiger Maßnahmen gemäß deren Art. 8 in Bezug auf Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht in der Lage sein, „Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren“, allein zum Zweck der Gewährleistung des End-zu-End-Verbunds „Verpflichtungen auf[zu]erlegen, wozu in begründeten Fällen auch die Verpflichtung gehören kann, ihre Netze zusammenzuschalten“ (vgl. in diesem Sinne Urteil TeliaSonera Finland, C‑192/08, EU:C:2009:696, Rn. 59).

38

Art. 5 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie betrifft ebenfalls den Zugang und die Zusammenschaltung und verlangt, dass den NRB die Befugnis eingeräumt wird, autonom tätig zu werden, indem er vorsieht, dass die NRB u. a. aus eigener Initiative tätig werden können, um entsprechend der Zugangsrichtlinie und den Verfahren insbesondere der Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie die Beachtung der in Art. 8 der Rahmenrichtlinie aufgeführten Ziele zu gewährleisten.

39

Diese Bestimmungen der Rahmenrichtlinie und der Zugangsrichtlinie ermöglichen es somit den NRB, Maßnahmen gegenüber einem Unternehmen zu treffen, das keine beträchtliche Marktmacht hat, aber den Zugang zu den Endnutzern kontrolliert (vgl. in diesem Sinne Urteil TeliaSonera Finland, C‑192/08, EU:C:2009:696, Rn. 62).

40

Nach Art. 8 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die NRB befugt sind, die in Art. 9 bis 13a dieser Richtlinie genannten Verpflichtungen – u. a. die mit der Preiskontrolle zusammenhängenden Verpflichtungen gemäß Art. 13 der Zugangsrichtlinie – aufzuerlegen. Nach Art. 8 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie erlegen die NRB einem Betreiber, wenn er aufgrund einer Marktanalyse nach Art. 16 der Rahmenrichtlinie als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft wird, die genannten Verpflichtungen auf.

41

Gemäß Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie dürfen die NRB – unbeschadet bestimmter Vorschriften, darunter auch Art. 28 der Universaldienstrichtlinie, die Verpflichtungen für Unternehmen enthalten, mit Ausnahme jener, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft sind – die Verpflichtungen in Bezug auf die Preiskontrolle, die u. a. in Art. 13 der Zugangsrichtlinie vorgesehen sind, nur Betreibern auferlegen, die gemäß Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden.

42

Folglich ist – wie der Generalanwalt in Rn. 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie dahin auszulegen, dass die NRB Betreibern, die über keine beträchtliche Marktmacht auf einem bestimmten Markt verfügen, keine mit der Preiskontrolle zusammenhängenden Verpflichtungen wie die, um die es in Art. 13 der Zugangsrichtlinie geht, auferlegen können, außer im Rahmen bestimmter Vorschriften und insbesondere des Art. 28 der Universaldienstrichtlinie. Somit verbietet Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie nicht, dass einem Betreiber, der über keine beträchtliche Marktmacht auf einem bestimmten Markt verfügt, aufgrund von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie mit der Preiskontrolle zusammenhängende Verpflichtungen wie die, um die es in Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie geht, auferlegt werden, sofern die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie erfüllt sind.

43

Demzufolge dürfen die NRB einem Betreiber, der über keine beträchtliche Marktmacht verfügt, aber den Zugang zu den Endnutzern kontrolliert, aufgrund von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie Tarifverpflichtungen wie die, um die es in Art. 13 der Zugangsrichtlinie geht, auferlegen, wenn eine solche Verpflichtung eine erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme darstellt, um sicherzustellen, dass die Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu erreichen, was vom nationalen Gericht anhand aller relevanten Umstände – u. a. des Einflusses der in Rede stehenden Tarife auf den Zugang der Endnutzer zu diesen Dienste – zu prüfen ist.

44

Eine solche Auslegung steht im Übrigen im Einklang mit dem mit Art. 28 der Universaldienstrichtlinie verfolgten Ziel, das u. a. darin besteht, Endnutzern den Zugang zu Diensten unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu gewährleisten, und dem Ziel der Universaldienstrichtlinie, die im Einklang mit den Grundsätzen des Binnenmarkts einen Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen Netzbetreibern und Diensteanbietern schaffen soll, der einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste gewährleistet und die Interessen der Verbraucher fördert.

45

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 8 der Zugangsrichtlinie die Voraussetzungen vorsehen, die die von den NRB den Betreibern elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste gemäß Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 dieser Richtlinie auferlegten Verpflichtungen erfüllen müssen.

46

So sieht Art. 5 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie vor, dass die gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift auferlegten Verpflichtungen und Bedingungen objektiv, transparent und verhältnismäßig sein müssen, nicht diskriminierend sein dürfen und für ihre Anwendung die Verfahren der Art. 6, 7 und 7a der Rahmenrichtlinie gelten.

47

Nach Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie müssen die nach diesem Artikel auferlegten Verpflichtungen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie angemessen und gerechtfertigt sein und dürfen nur nach der Anhörung gemäß den Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie auferlegt werden.

48

Aus alledem ergibt sich, dass eine auf der Grundlage von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie erlassene Tarifverpflichtung wie die im Ausgangsverfahren streitige ebenfalls die in den Rn. 43, 46 und 47 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllen muss, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

49

In Anbetracht all dessen ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer zuständigen nationalen Behörde ermöglicht, auf der Grundlage von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie eine Tarifverpflichtung wie die im Ausgangsverfahren streitige vorzugeben, um ein Hindernis für die Anwahl geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu beseitigen, das nicht technischer Art, sondern Folge der praktizierten Tarife ist, ohne dass eine Marktanalyse durchgeführt worden ist, aus der hervorgeht, dass das betreffende Unternehmen über eine beträchtliche Marktmacht verfügt, sofern eine solche Verpflichtung eine erforderliche Maßnahme darstellt, um die Endnutzer in die Lage zu versetzen, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu erreichen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ob die Tarifverpflichtung objektiv, transparent, verhältnismäßig und nicht diskriminierend ist, der Art des aufgetretenen Problems entspricht und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie angemessen ist und ob die Verfahren der Art. 6, 7 und 7a der Rahmenrichtlinie eingehalten worden sind.

Zur dritten Frage

50

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass eine Tarifverpflichtung nach Art. 28 der Universaldienstrichtlinie wie die im Ausgangsverfahren streitige von einer anderen Behörde vorgegeben wird als der NRB, die im Allgemeinen mit der Anwendung des NRR betraut ist.

51

Nach Art. 28 sollen die Maßnahmen, von denen dort die Rede ist, durch die „zuständigen nationalen Behörden“ getroffen werden. Der Begriff „zuständige nationale Behörde“ wird jedoch weder in der Rahmenrichtlinie noch in der Universaldienstrichtlinie definiert.

52

Allerdings definiert Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie die NRB als eine oder mehrere Stellen, die von einem Mitgliedstaat mit einer der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien im Sinne von Art. 2 Buchst. l der Rahmenrichtlinie festgelegten Regulierungsaufgaben beauftragt werden. Diese Begriffsbestimmung gilt nach Art. 2 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie auch für die Zwecke dieser Richtlinie, die eine der Einzelrichtlinien im Sinne von Art. 2 Buchst. l der Rahmenrichtlinie darstellt.

53

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verfügen die Mitgliedstaaten zwar in diesem Bereich bei der Organisation und Strukturierung der NRB im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie über eine institutionelle Autonomie, doch kann diese nur unter vollständiger Beachtung der in dieser Richtlinie festgelegten Ziele und Pflichten ausgeübt werden (vgl. Urteile Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones, C‑82/07, EU:C:2008:143, Rn. 24, und Base u. a., C‑389/08, EU:C:2010:584, Rn. 26).

54

Zudem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 3 der Rahmenrichtlinie insbesondere dafür zu sorgen haben, dass alle den nationalen Regulierungsbehörden übertragenen Aufgaben von einer zuständigen Stelle wahrgenommen werden; außerdem haben sie die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden zu gewährleisten, indem sie dafür sorgen, dass sie rechtlich und funktional von allen Unternehmen unabhängig sind, die elektronische Kommunikationsnetze, ‑geräte oder ‑dienste anbieten, und dafür zu sorgen, dass die Regulierungsbehörden ihre Befugnisse unparteiisch und transparent ausüben. Ferner müssen nach Art. 4 dieser Richtlinie gegen die Entscheidungen der Regulierungsbehörden wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Parteien unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sein (vgl. Urteil Base u. a., C‑389/08, EU:C:2010:584, Rn. 29).

55

Nach Art. 3 Abs. 2, 4 und 6 der Rahmenrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten nicht nur die Unabhängigkeit der NRB gewährleisten, indem sie dafür sorgen, dass sie rechtlich und funktional von allen Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze, ‑geräte oder ‑dienste anbieten, unabhängig sind, sondern auch die Aufgaben, die diese Behörden in Übereinstimmung mit dem NRR wahrzunehmen haben, in leicht zugänglicher Form veröffentlichen, insbesondere wenn diese Aufgaben mehreren Stellen übertragen sind, und der Kommission unter Angabe der jeweiligen Zuständigkeiten die Namen der Regulierungsbehörden mitteilen, denen die Aufgaben übertragen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones, C‑82/07, EU:C:2008:143, Rn. 25, und UPC Nederland, C‑518/11, EU:C:2013:709, Rn. 52).

56

Wenn daher die übertragenen Aufgaben, und sei es auch nur teilweise, in den Zuständigkeitsbereich einer anderen nationalen Behörde fallen als der NRB, die normalerweise mit der Anwendung des NRR betraut ist, ist es Sache des Mitgliedstaats, dafür zu sorgen, dass die andere Behörde nicht unmittelbar oder mittelbar mit den „betrieblichen Funktionen“ im Sinne der Rahmenrichtlinie zu tun hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones, C‑82/07, EU:C:2008:143, Rn. 26).

57

Demzufolge gestattet das Unionsrecht einem Mitgliedstaat, Aufgaben, die sich aus der Anwendung des NRR ergeben, mehreren Stellen zu übertragen, unter dem Vorbehalt, dass jede dieser Stellen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die in der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt und gegen die Entscheidungen, die die jeweilige Stelle im Rahmen dieser Aufgaben erlässt, wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Beteiligten unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die nationale Behörde, die die im Ausgangsverfahren streitige Tarifverpflichtung geschaffen hat, alle diese Voraussetzungen erfüllt.

58

In Anbetracht dessen ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass eine Tarifverpflichtung nach Art. 28 der Universaldienstrichtlinie wie die im Ausgangsverfahren streitige von einer anderen Behörde vorgegeben wird als der NRB, die im Allgemeinen mit der Anwendung des NRR betraut ist, unter dem Vorbehalt, dass diese Behörde die in der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt und gegen ihre Entscheidungen wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Beteiligten unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sind, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Kosten

59

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer zuständigen nationalen Behörde ermöglicht, auf der Grundlage von Art. 28 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung eine Tarifverpflichtung wie die im Ausgangsverfahren streitige vorzugeben, um ein Hindernis für die Anwahl geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu beseitigen, das nicht technischer Art, sondern Folge der praktizierten Tarife ist, ohne dass eine Marktanalyse durchgeführt worden ist, aus der hervorgeht, dass das betreffende Unternehmen über eine beträchtliche Marktmacht verfügt, sofern eine solche Verpflichtung eine erforderliche Maßnahme darstellt, um die Endnutzer in die Lage zu versetzen, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu erreichen.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ob die Tarifverpflichtung objektiv, transparent, verhältnismäßig und nicht diskriminierend ist, der Art des aufgetretenen Problems entspricht und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung angemessen ist und ob die Verfahren der Art. 6, 7 und 7a der Richtlinie 2002/21 in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung eingehalten worden sind.

 

2.

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass eine Tarifverpflichtung nach Art. 28 der Richtlinie 2002/22 in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung wie die im Ausgangsverfahren streitige von einer anderen Behörde vorgegeben wird als der nationalen Regulierungsbehörde, die im Allgemeinen mit der Anwendung des neuen Rechtsrahmens der Union für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste betraut ist, unter dem Vorbehalt, dass diese Behörde die in der Richtlinie 2002/22 in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt und gegen ihre Entscheidungen wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Beteiligten unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sind, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Unterschriften


( *1 )   Verfahrenssprache: Niederländisch.

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Referenzen

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