Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-452/14
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
1. Oktober 2015 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung — Art. 267 AEUV — Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs — Rechtsangleichung — Arzneispezialitäten — Humanarzneimittel — Genehmigung für das Inverkehrbringen — Änderung — Gebühren — Verordnung (EG) Nr. 297/95 — Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 — Anwendungsbereich“
In der Rechtssache C‑452/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 22. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 29. September 2014, in dem Verfahren
Agenzia Italiana del Farmaco (AIFA),
Ministero della Salute
gegen
Doc Generici Srl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
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der Doc Generici Srl, vertreten durch C. Marrapese, avvocato, |
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der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte, |
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der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte, |
— |
von Irland, vertreten durch E. Creedon, A. Joyce und B. Counihan als Bevollmächtigte im Beistand von C. Toland, Barrister, |
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der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro-Nolin, M. Šimerdová und A. Sipos als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 267 AEUV und Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 297/95 des Rates vom 10. Februar 1995 über die Gebühren der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 35, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 273/2012 der Kommission vom 27. März 2012 (ABl. L 90, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 297/95). |
2 |
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Agenzia Italiana del Farmaco (AIFA) (Italienische Arzneimittelagentur) und der Doc Generici Srl (im Folgenden: Doc Generici) über die Höhe der für die Änderung mehrerer Genehmigungen für das Inverkehrbringen (im Folgenden: Verkehrsgenehmigungen) zu entrichtenden Gebühren. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 297/95
3 |
In Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Verordnung Nr. 297/95 ist geregelt: „Die Gebühren für die Erteilung und Weitergewährung von Gemeinschaftsgenehmigungen für das Inverkehrbringen von Human- und Tierarzneimitteln und für andere Leistungen der [Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA)] werden gemäß dieser Verordnung erhoben. Die Höhe der Gebühren wird in [Euro] festgelegt.“ |
4 |
Art. 3 dieser Verordnung („Humanarzneimittel, die den Verfahren nach der Verordnung [EG] Nr. 726/2004 unterfallen“) bestimmte: „1. [Verkehrsgenehmigung] eines Arzneimittels … 2. Änderung einer [Verkehrsgenehmigung]
…“ |
Verordnung (EG) Nr. 1234/2008
5 |
Der sechste Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 der Kommission vom 24. November 2008 über die Prüfung von Änderungen der Zulassungen von Human- und Tierarzneimitteln (ABl. L 334, S. 7) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 712/2012 der Kommission vom 3. August 2012 (ABl. L 209, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1234/2008) sieht vor: „Jede Änderung sollte getrennt eingereicht werden. In manchen Fällen sollte es allerdings zulässig sein, Änderungen zusammenzufassen, damit die Überprüfung der Änderungen vereinfacht und der Verwaltungsaufwand reduziert wird. Es sollte aber nur dann erlaubt sein, die Änderungen mehrerer [Verkehrsgenehmigungen] ein und desselben [Verkehrsgenehmigungs]inhabers zusammenzufassen, wenn alle diese [Verkehrsgenehmigungen] von genau derselben Gruppe von Änderungen betroffen sind.“ |
6 |
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2008 lautet: „In dieser Verordnung werden die Vorschriften für die Prüfung von Änderungen der [Verkehrsgenehmigungen] für Human- und Tierarzneimittel festgelegt, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136, S. 1)], gemäß der Richtlinie 2001/83/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67)], gemäß der Richtlinie 2001/82/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 311, S. 1)] und gemäß der Richtlinie 87/22/EWG [des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der einzelstaatlichen Maßnahmen betreffend das Inverkehrbringen technologisch hochwertiger Arzneimittel, insbesondere aus der Biotechnologie (ABl. L 15, S. 38)] erteilt wurden.“ |
7 |
In Art. 2 dieser Verordnung heißt es: „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
…
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8 |
Art. 7 („Zusammenfassung von Änderungen“) der Verordnung bestimmt: „(1) Werden mehrere Änderungen mitgeteilt oder beantragt, wird für jede Änderung eine eigene Mitteilung bzw. ein eigener Antrag gemäß Kapitel II bzw. Kapitel III bzw. Artikel 19 eingereicht. (2) Abweichend von Absatz 1 gilt Folgendes:
…“ |
9 |
Art. 13a („Mitteilungsverfahren für geringfügige Änderungen des Typs IA“) der Verordnung Nr. 1234/2008 bestimmt: „(1) Wird eine geringfügige Änderung des Typs IA vorgenommen, reicht der Inhaber bei der zuständigen Behörde eine Mitteilung ein, die die in Anhang IV aufgeführten Unterlagen enthält. Diese Mitteilung ist innerhalb von 12 Monaten nach der Durchführung der Änderung einzureichen. …“ |
10 |
In Art. 13d („Zusammenfassung von Änderungen rein nationaler [Verkehrsgenehmigungen]“) dieser Verordnung heißt es: „(1) Werden mehrere Änderungen mitgeteilt oder beantragt, wird für jede Änderung eine eigene Mitteilung bzw. ein eigener Antrag gemäß Artikel 13a bzw. 13b bzw. 13c bzw. Artikel 19 bei der zuständigen Behörde eingereicht. (2) Abweichend von Absatz 1 gilt Folgendes:
…“ |
11 |
Anhang II („Einstufung der Änderungen“) der Verordnung bestimmt:
…“ |
12 |
In Anhang IV („Vorzulegende Unterlagen“) der Verordnung Nr. 1234/2008 heißt es: „…
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Mitteilungen der EMA
13 |
In Art. 4a der Mitteilung „Regeln zur Durchführung der Verordnung Nr. 297/95 über die Gebühren der Europäischen Arzneimittel-Agentur und andere Maßnahmen“ der EMA vom 22. Juli 2013 (EMA/MB/358554/2013) (im Folgenden: Mitteilung vom 22. Juli 2013) heißt es: „Zusammenfassung von Änderungen und Verfahren der Arbeitsumverteilung zur Bearbeitung der Änderungen 1. Die in der Verordnung Nr. 297/95 oder in diesen Regeln genannte anwendbare Gebühr wird für jede Änderung einer [Verkehrsgenehmigung] erhoben, die in einer einzelnen Mitteilung oder einem einzelnen Antrag nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1234/2008 zusammengefasst wird. …“ |
14 |
Nr. 1.1.5 der Mitteilung „Erläuternde Anmerkung zu den Gebühren der Europäischen Arzneimittel-Agentur“ der EMA vom 9. Dezember 2013 (EMA/458574/2013) (im Folgenden: Mitteilung vom 9. Dezember 2013) bestimmt: „Verfahren der Zusammenfassung und der Umverteilung der Arbeit zur Bearbeitung der Änderungen
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Italienisches Recht
15 |
Im Decreto legislativo Nr. 44 zur Umsetzung der Richtlinie 93/39/EWG und zur Änderung der Richtlinien 65/65/EWG, 75/318/EWG und 75/319/EWG über Arzneimittel (Decreto legislativo n. 44 – Attuazione direttiva 93/39/CEE, che modifica le direttive 65/65/CEE, 75/318/CEE e 75/319/CEE relative ai medicinali) vom 18. Februar 1997 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 54 vom 6. März 1997) hieß es in Art. 5 Abs. 1: „Für die Prüfung von Anträgen auf [eine Verkehrsgenehmigung] für Arzneimittel und für Anträge auf Änderung oder Erneuerung der nach dem Decreto legislativo Nr. 178 vom 29. Mai 1991 … erlassenen Genehmigungen sind an das Gesundheitsministerium Gebühren in Höhe eines Fünftels der in der Verordnung Nr. 297/95 … festgelegten Gebühren zu entrichten.“ |
16 |
Art. 158 Abs. 11 Buchst. c und Art. 12 des Decreto legislativo Nr. 219 zur Umsetzung der Richtlinie 2001/83/EG (und der späteren Richtlinien, mit denen diese geändert wurde) zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel sowie der Richtlinie 2003/94/EG (Decreto legislativo n. 219 – Attuazione della direttiva 2001/83/CE [e successive direttive di modifica] relativa ad un codice comunitario concernente i medicinali per uso umano, nonché della direttiva 2003/94/CE) vom 24. April 2006 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 142 vom 21. Juni 2006) war wie folgt gefasst: „11. Bestätigt werden: …
12. … Beschränkt auf die Gebühren nach Abs. 11 Buchst. c werden die Beträge auf Vorschlag der AIFA durch Dekret des Gesundheitsministers im Verhältnis zu den Veränderungen der von der EMA erhobenen Gebühren aktualisiert. In jedem Fall dürfen die Gebühren nach Abs. 11 Buchst. c nicht niedriger sein als ein Fünftel des Betrags, der in den gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen als Gebühr für entsprechende Leistungen der EMA festgelegt ist.“ |
17 |
Im Dekret des Gesundheitsministers vom 24. Mai 2004 hieß es in Anhang 3 Nr. 2: „Änderung einer [Verkehrsgenehmigung] A. Gebühren für Änderungen des Typs I Diese Gebühr wird für geringfügige Änderungen einer [Verkehrsgenehmigung] auf der Grundlage der auf diesem Gebiet geltenden Verordnung der Kommission erhoben. Bei identischer Änderung gilt die Gebühr für alle zugelassenen Dosierungen, Zubereitungen und Darreichungsformen [und beträgt] 1392 [Euro].“ |
18 |
Nach Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus der im Zeitpunkt des Ausgangssachverhalts geltenden Regelung, dass die von der AIFA für geringfügige Änderungen des Typs IA erhobene Gebühr 600 Euro betrug. |
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
19 |
Die Doc Generici ist Inhaberin von 62 Verkehrsgenehmigungen, die von der AIFA ausgestellt wurden. Sie teilte dieser Behörde die Adressänderung ihres Gesellschaftssitzes mit und beantragte daher die Änderung aller Verkehrsgenehmigungen, deren Inhaberin sie ist. |
20 |
Mit Schreiben vom 23. März 2013 erhob die AIFA von dieser Gesellschaft eine Gebühr in Höhe von 600 Euro für jede der 62 Verkehrsgenehmigungen, die entsprechend zu ändern waren, d. h. eine Gesamtsumme von 37200 Euro (im Folgenden: Entscheidung vom 23. März 2013). |
21 |
Die Doc Generici erhob beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) Klage und beantragte erstens die Aufhebung der Entscheidung vom 23. März 2013 und zweitens Schadensersatz in Höhe von 36600 Euro, was der Differenz zwischen der der AIFA gezahlten Summe (37200 Euro) und der, die sie für geschuldet hielt (600 Euro), entspricht. |
22 |
Dieser Klage wurde mit der Begründung stattgegeben, dass nur eine Gebühr in Höhe von 600 Euro für eine einzige Änderung, die gleichzeitig für alle geltenden Genehmigungen vorzunehmen sei, erhoben werde. Das Gericht erster Instanz stützte sich auf die Bestimmung, wonach „die Gebühr für alle zugelassenen Dosierungen, Zubereitungen und Darreichungsformen“ gilt, die sowohl in Anhang 3 des Dekrets des Gesundheitsministers vom 24. Mai 2004 als auch in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 297/95 geregelt ist. Die zuletzt genannte Bestimmung umfasse auch die Fälle, in denen dieselbe Änderung mehrere Verkehrsgenehmigungen betreffe. Diese Auslegung sei mit dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1234/2008 vereinbar, nach dem es zulässig sei, in einer einzigen Mitteilung dieselbe Gruppe von Änderungen ein und desselben Verkehrsgenehmigungsinhabers zusammenzufassen, um den Verwaltungsaufwand für ihre Bearbeitung zu reduzieren. |
23 |
Gegen dieses Urteil legte die AIFA ein Rechtsmittel beim Consiglio di Stato ein, der in letzter Instanz entscheidet. Dieser wies in der Vorlageentscheidung darauf hin, dass aus der nationalen Regelung offensichtlich hervorgehe, dass das System der auf die Verkehrsgenehmigungen anwendbaren Gebühren der AIFA nach freier Entscheidung des italienischen Gesetzgebers seit 1997 mit der Unionsregelung eng verbunden sei. Die Höhe der nationalen Gebühr sei nämlich in einer Prozentzahl der von der EMA im Rahmen des zentralisierten Verfahrens erhobenen Gebühr angegeben. |
24 |
Der Consiglio di Stato zweifelt daran, dass sich die Auslegung des Unionsrechts durch das Gericht erster Instanz halten lässt. Er ist der Ansicht, dass Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 297/95 einen anderen Fall als den des Ausgangsrechtsstreits betreffe. Wenn der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung Situationen wie die des Ausgangsverfahrens hätte erfassen wollen, hätte er ausdrücklich auf „alle zugelassenen Arzneimittel“ Bezug genommen, um dadurch jedweden Zweifel in diesem Punkt auszuräumen. |
25 |
Das vorlegende Gericht bezieht sich auf die Mitteilung vom 9. Dezember 2013. Obwohl es sich nicht um einen normativen Rechtsakt handle, könne dieses Dokument einen Hinweis auf eine auf dem Gebiet der Europäischen Union geteilte Auslegung der im Bereich der Gebühren anwendbaren Normen darstellen. |
26 |
Darüber hinaus möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es gemäß Art. 267 AEUV als Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, und bei Bestehen eines objektiven Widerspruchs zwischen den im Rahmen des Ausgangsverfahrens vorgeschlagenen Auslegungen des Unionsrechts zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege der Vorabentscheidung verpflichtet ist. |
27 |
Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
28 |
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 297/95 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Behörde erlaubt, für eine Adressänderung des Inhabers einer Verkehrsgenehmigung die Zahlung so vieler Gebühren zu verlangen, wie Verkehrsgenehmigungen zu ändern sind. |
29 |
Was die anwendbaren Gebühren für die von der EMA erbrachten Dienstleistungen im Fall einer Adressänderung des Inhabers einer Verkehrsgenehmigung betrifft, geht aus Art. 4a der Mitteilung vom 22. Juli 2013 in Verbindung mit Nr. 1.1.5.1 der Mitteilung vom 9. Dezember 2013 hervor, dass im Fall einer Zusammenfassung derselben Änderungen mehrerer Verkehrsgenehmigungen ein und desselben Inhabers die EMA der Ansicht ist, dass die anwendbare Gebühr, wie sie in der Verordnung Nr. 297/95 festgelegt ist, für jede Änderung und für jede in der Zusammenfassung enthaltene Verkehrsgenehmigung zu entrichten ist. Demnach besteht die Praxis der EMA für eine derartige Änderung mehrerer Verkehrsgenehmigungen ein und desselben Inhabers darin, die Zahlung so vieler Gebühren zu verlangen, wie es zu ändernde Verkehrsgenehmigungen gibt. |
30 |
Gleichwohl ist festzustellen, dass sich aus dem Titel der Verordnung Nr. 297/95 selbst ergibt, dass sie die Gebühren der EMA betrifft. Art. 1 dieser Verordnung, in dem ihr Anwendungsbereich geregelt ist, bestimmt insoweit, dass die „Gebühren für die Erteilung und Weitergewährung von Gemeinschaftsgenehmigungen für das Inverkehrbringen von Human- und Tierarzneimitteln und für andere Leistungen der Agentur … gemäß dieser Verordnung erhoben [werden]“. |
31 |
Der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens betrifft aber nicht die Höhe der Gebühren für die von der EMA erbrachten Dienstleistungen. Es geht ausschließlich um die Gebühren der AIFA. |
32 |
Daraus folgt, dass entgegen der Prämisse, auf der die erste Frage beruht, und ungeachtet des Umstands, dass die einschlägige nationale Regelung die Höhe der Gebühren der AIFA festlegt, indem auf die Verordnung Nr. 297/95 verwiesen wird, diese Verordnung den zuständigen nationalen Behörden im Bereich der Verkehrsgenehmigungen für Arzneimittel keine Pflicht auferlegt. |
33 |
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Es ist nämlich Aufgabe des Gerichtshofs, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den dem Gerichtshof von diesen Gerichten vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind (vgl. u. a. Urteile Campina, C‑45/06, EU:C:2007:154, Rn. 30 und 31, sowie Fuß, C‑243/09, EU:C:2010:609, Rn. 39). |
34 |
Auch wenn das vorlegende Gericht seine Fragen der Form nach auf die Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 297/95 beschränkt hat, hindert dies demnach den Gerichtshof nicht daran, dem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die diesem bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil Fuß, C‑243/09, EU:C:2010:609, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
35 |
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Vorlageentscheidung auch auf die Verordnung Nr. 1234/2008 Bezug nimmt. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung „werden [in ihr] die Vorschriften für die Prüfung von Änderungen der [Verkehrsgenehmigungen] für Human- und Tierarzneimittel festgelegt, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, gemäß der Richtlinie 2001/83/EG, gemäß der Richtlinie 2001/82/EG oder gemäß der Richtlinie 87/22/EWG … erteilt wurden“. Daher legt die Verordnung die Änderungen für alle Verkehrsgenehmigungen für Human- und Tierarzneimittel fest, sei es, dass sie von der EMA nach zentralisierten Verfahren oder von den zuständigen nationalen Behörden in dezentralisierten oder rein internen Verfahren bewilligt wurden. |
36 |
Da die Verordnung Nr. 1234/2008 auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, ist unter diesen Umständen zu prüfen, ob ihre Bestimmungen verlangen oder verbieten, dass eine zuständige nationale Behörde für jede geänderte Verkehrsgenehmigung zur Berücksichtigung der Adressänderung ihres Inhabers eine Gebühr erhebt. |
37 |
Aus Anhang II Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1234/2008 ergibt sich, dass Änderungen rein administrativer Art im Zusammenhang mit der Identität und den Kontaktdaten des Verkehrsgenehmigungsinhabers als geringfügige Änderungen des Typs IA einzustufen sind. |
38 |
Art. 7 der Verordnung Nr. 1234/2008 steht in ihrem Kapitel I „Allgemeine Bestimmungen“ und Art. 13d dieser Verordnung in ihrem Kapitel IIa „Änderung rein nationaler [Verkehrsgenehmigungen]“. In ihren jeweiligen Geltungsbereichen sehen diese Bestimmungen vor, dass, wenn dieselben geringfügigen Änderungen des Typs IA mehrerer Verkehrsgenehmigungen ein und desselben Inhabers gleichzeitig derselben maßgeblichen Behörde mitgeteilt werden, alle diese Änderungen in einer einzigen Mitteilung erfasst werden können. |
39 |
Die Verordnung Nr. 1234/2008 ermöglicht also die Zusammenfassung mehrerer identischer, gleichzeitig eingereichter Anträge auf geringfügige Änderungen des Typs IA in einer einzigen Mitteilung. Nach dem sechsten Erwägungsgrund dieser Verordnung soll die Zusammenfassung „die Überprüfung der Änderungen vereinfach[en] und de[n] Verwaltungsaufwand reduzier[en]“, aber nur, „wenn alle diese [Verkehrsgenehmigungen] von genau derselben Gruppe von Änderungen betroffen sind“. |
40 |
Jedoch ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1234/2008 keine Bestimmung enthält, die die von den zuständigen nationalen Behörden erhobenen Gebühren für die Behandlung solcher Zusammenfassungen geringfügiger Änderungen des Typs IA regelt. Die Frage, ob diese nationalen Behörden so viele Gebühren erheben können, wie es zu ändernde Verkehrsgenehmigungen gibt, unterliegt ungeachtet der Zusammenfassung von Änderungsanträgen in Ermangelung von Rechtsvorschriften der Union dem nationalen Recht. |
41 |
Aus diesen Erwägungen folgt, dass auf die erste Frage zu antworten ist, dass weder die Verordnung Nr. 297/95 noch die Verordnung Nr. 1234/2008 einer zuständigen nationalen Behörde auferlegt oder untersagt, für eine Adressänderung des Inhabers einer Verkehrsgenehmigung die Zahlung so vieler Gebühren zu verlangen, wie Verkehrsgenehmigungen zu ändern sind. |
Zur zweiten Frage
42 |
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, auf die in den Rn. 23 bis 26 des vorliegenden Urteils Bezug genommen wird, Art. 267 AEUV dahin auszulegen ist, dass ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, seiner Vorlagepflicht nachkommen muss. |
43 |
Es ist daran zu erinnern, dass nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, seiner Vorlagepflicht nachkommen muss, wenn in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts gestellt wird, es sei denn, es hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. u. a. Urteile Cilfit u. a., 283/81, EU:C:1982:335, Rn. 21, sowie Boxus u. a., C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 31). |
44 |
Im vorliegenden Fall lässt sich den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts entnehmen, dass es der Ansicht ist, zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege der Vorabentscheidung verpflichtet zu sein. Der Rechtsstreit werfe nämlich eine Frage zur Auslegung des Unionsrechts auf, die entscheidungserheblich und neu sei und deren Beantwortung nicht derart offenkundig sei, dass für einen vernünftigen Zweifel an der Lösung keinerlei Raum bleibe. |
45 |
Aus diesen Erwägungen folgt, dass auf die zweite Frage zu antworten ist, dass Art. 267 AEUV dahin auszulegen ist, dass ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens seiner Vorlagepflicht nachkommen muss. |
Kosten
46 |
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.
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Referenzen
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