Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-346/13

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

6. Oktober 2015 ( * )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste — Richtlinie 2002/20/EG — Art. 13 — Entgelt für Rechte für die Installation von Einrichtungen — Geltungsbereich — Kommunale Regelung, die Eigentümer von Sendetürmen und ‑masten für den Mobilfunk mit der Zahlung einer Abgabe belegt“

In der Rechtssache C‑346/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Mons (Belgien) mit Entscheidung vom 7. Juni 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juni 2013, in dem Verfahren

Ville de Mons

gegen

Base Company SA, vormals KPN Group Belgium SA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Stadt Mons, vertreten durch N. Fortemps, avocate,

der Base Company SA, vormals KPN SA, vertreten durch A. Verheyden, S. Champagne und M. Derijke, avocats,

der belgischen Regierung, vertreten durch J. Van Holm als Bevollmächtigte im Beistand von J. Bourtembourg, avocat,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Juli 2015

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 21).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Base Company SA, vormals KPN Group Belgium SA (im Folgenden: Base Company), und der Ville de Mons (Stadt Mons) über eine Abgabe auf die im Gebiet dieser Stadt aufgestellten Mobilfunksendetürme und -masten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 1 („Ziel und Geltungsbereich“) der Genehmigungsrichtlinie bestimmt in seinem Abs. 2:

„Diese Richtlinie gilt für Genehmigungen, die für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste erteilt werden.“

4

Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie enthält folgende Begriffsbestimmung:

„a) ‚Allgemeingenehmigung‘: der in einem Mitgliedstaat errichtete rechtliche Rahmen, mit dem gemäß dieser Richtlinie Rechte für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder ‑dienste gewährleistet werden und in dem sektorspezifische Verpflichtungen festgelegt werden, die für alle oder für bestimmte Arten von elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten gelten können“.

5

Art. 13 („Entgelte für Nutzungsrechte und für Rechte für die Installation von Einrichtungen“) der Genehmigungsrichtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten können der zuständigen Behörde gestatten, bei Nutzungsrechten für Funkfrequenzen oder Nummern oder bei Rechten für die Installation von Einrichtungen auf, über oder unter öffentlichem oder privatem Grundbesitz Entgelte zu erheben, die eine optimale Nutzung dieser Ressourcen sicherstellen sollen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Entgelte objektiv gerechtfertigt, transparent, nichtdiskriminierend und ihrem Zweck angemessen sind, und tragen den in Artikel 8 der [Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33)] genannten Zielen Rechnung.“

Belgisches Recht

6

Am 5. März 2007 erließ der Stadtrat der Stadt Mons eine Abgabenverordnung, durch die eine Abgabe auf Sendetürme und ‑masten für den Mobilfunk mit Geltung für die Steuerjahre ab dem Jahr 2007 eingeführt wurde (im Folgenden: Abgabenverordnung).

7

Nach Art. 1 („Gegenstand der Abgabe“) der Abgabenverordnung gilt diese Abgabe für „Sendetürme und Masten von gewisser Größe auf eigener Stätte, die über die Dauer des Steuerjahrs aufgestellt und dazu bestimmt sind, die verschiedenen für den ordnungsgemäßen Betrieb des Mobilfunknetzes erforderlichen Arten von Antennen zu tragen, die nicht auf einer bereits bestehenden Stätte (Dach, Kirche usw.) angebracht werden konnten“.

8

Art. 3 („Abgabenpflichtiger“) der Abgabenverordnung sieht in seinem Abs. 1 vor, dass die Abgabe von „jeder natürlichen oder juristischen Person …, die Eigentümerin eines der in Art. 1 [der Abgabenverordnung] genannten Objekte ist“, geschuldet wird.

9

Art. 4 („Höhe der Abgabe“) der Abgabenverordnung setzt den pro Mobilfunksendeturm oder -mast zu entrichtenden Betrag der im Ausgangsverfahren streitigen Abgabe auf 2500 Euro fest.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

10

Ausweislich der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ist Base Company Betreiberin eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes und als solche Eigentümerin und Betreiberin eines Netzes von Sendetürmen mit Telekommunikationsantennen für den Mobilfunk auf dem Gebiet der Stadt Mons.

11

Die Behörden der Stadt Mons erließen gemäß der Abgabenverordnung drei Abgabenbescheide, mit denen Base Company die im Ausgangsverfahren streitige Abgabe für das Steuerjahr 2008 in Höhe von insgesamt 7500 Euro auferlegt wurde. Gegen diese Abgabenbescheide wurde beim Gemeindekollegium der Stadt Mons Beschwerde eingelegt. Nach deren Zurückweisung wurde gegen die Bescheide Klage beim Tribunal de Première Instance de Mons erhoben, das die Bescheide aufhob. Die Stadt Mons legte gegen dieses Urteil Berufung beim vorlegenden Gericht ein. Dieses hat Zweifel hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie im Ausgangsverfahren.

12

Unter diesen Umständen hat die Cour d’appel de Mons beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Untersagt Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie den Gebietskörperschaften, aus haushaltspolitischen oder anderen Gründen eine Abgabe auf die wirtschaftliche Betätigung von Telekommunikationsbetreibern zu erheben, die auf ihrem Gebiet durch für die Zwecke dieser Betätigung eingesetzte Sendetürme, Sendemasten oder Antennen für den Mobilfunk in Erscheinung treten?

Zur Vorlagefrage

13

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er daran hindert, einen Eigentümer von Aufbauten auf eigener Stätte wie Sendetürmen oder ‑masten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb des Mobilfunknetzes erforderlichen Antennen zu tragen, die nicht auf einer bereits bestehenden Stätte angebracht werden konnten, mit einer Abgabe wie der im Ausgangsverfahren streitigen zu belegen.

14

Vorab ist daran zu erinnern, dass die Genehmigungsrichtlinie nach ihrem Art. 1 Abs. 2 für Genehmigungen gilt, die für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste erteilt werden (Urteil Belgacom und Mobistar, C‑256/13 und C‑264/13, EU:C:2014:2149, Rn. 35).

15

Diese Richtlinie sieht nicht nur Vorschriften über die Verfahren zur Erteilung von Allgemeingenehmigungen oder Nutzungsrechten an Funkfrequenzen oder Nummern sowie zum Inhalt dieser Genehmigungen vor, sondern auch Vorschriften über die Natur bzw. das Ausmaß der finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit diesen Verfahren, die die Mitgliedstaaten den Unternehmen im Sektor der elektronischen Kommunikationsdienste auferlegen können (Urteil Belgacom und Mobistar, C‑256/13 und C‑264/13, EU:C:2014:2149, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16

Wie sich aus einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, gilt das Verbot für die Mitgliedstaaten, andere Abgaben oder Entgelte für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste als die in der Genehmigungsrichtlinie vorgesehenen zu erheben, im Rahmen dieser Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteile Vodafone España und France Telecom España, C‑55/11, C‑57/11 und C‑58/11, EU:C:2012:446, Rn. 28 und 29, sowie Belgacom und Mobistar, C‑256/13 und C‑264/13, EU:C:2014:2149, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17

Somit setzt, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 33 bis 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Genehmigungsrichtlinie auf eine Abgabe wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende voraus, dass deren Entstehungstatbestand an das Verfahren der Allgemeingenehmigung anknüpft, mit der nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Genehmigungsrichtlinie Rechte für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder ‑dienste gewährleistet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Frankreich, C‑485/11, EU:C:2013:427, Rn. 30, 31 und 34, Vodafone Malta und Mobisle Communications, C‑71/12, EU:C:2013:431, Rn. 24 und 25, sowie Fratelli De Pra und SAIV, C‑416/14, EU:C:2015:617, Rn. 41).

18

Der Gerichtshof hat insoweit in Bezug auf Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie, um den es bei der Frage des vorlegenden Gerichts in der vorliegenden Rechtssache geht, darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung nicht alle Entgelte erfasst, die für Infrastrukturen erhoben werden, die die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste ermöglichen (Urteil Belgacom und Mobistar, C‑256/13 und C‑264/13, EU:C:2014:2149, Rn. 34).

19

Dieser Artikel betrifft nämlich die Modalitäten der Erhebung von Entgelten bei Nutzungsrechten für Funkfrequenzen oder Nummern oder bei Rechten für die Installation von Einrichtungen auf, über oder unter öffentlichem oder privatem Grundbesitz (Urteil Belgacom und Mobistar, C‑256/13 und C‑264/13, EU:C:2014:2149, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die im Ausgangsverfahren streitige Abgabe „von jeder natürlichen oder juristischen Person zu entrichten [ist], die Eigentümerin eines der … genannten Objekte ist“. Diese Objekte sind „Sendetürme und Masten von gewisser Größe auf eigener Stätte, die … dazu bestimmt sind, die verschiedenen für den ordnungsgemäßen Betrieb des Mobilfunknetzes erforderlichen Arten von Antennen zu tragen, die nicht auf einer bereits bestehenden Stätte (Dach, Kirche usw.) angebracht werden konnten“.

21

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verweisen die Begriffe „Einrichtungen“ und „Installation“ in Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie auf physische Infrastrukturen, die die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste ermöglichen, bzw. auf deren physische Schaffung auf dem betreffenden öffentlichen oder privaten Grundbesitz (Urteil Belgacom und Mobistar, C‑256/13 und C‑264/13, EU:C:2014:2149, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22

Die im Ausgangsverfahren fragliche Abgabe trifft also zwar die Eigentümer von Sendetürmen und ‑masten, die dazu bestimmt sind, die für den ordnungsgemäßen Betrieb des Mobilfunknetzes erforderlichen Antennen zu tragen, und die physische Infrastrukturen darstellen, die die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste ermöglichen, doch ist nicht ersichtlich, dass sie die Merkmale eines Entgelts aufweist, das von den Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze und -dienste bereitstellen, als Gegenleistung für das Recht zur Installation von Einrichtungen zu entrichten wäre.

23

Außerdem scheint ausweislich der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen der Entstehungstatbestand dieser Abgabe, mit der jeder Eigentümer von Sendetürmen oder -masten unabhängig davon belegt wird, ob er Inhaber einer gemäß der Genehmigungsrichtlinie erteilten Genehmigung ist, nicht an das Verfahren der Allgemeingenehmigung geknüpft, womit die Unternehmen ermächtigt werden, elektronische Kommunikationsnetze und -dienste bereitzustellen. Dies zu überprüfen ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts.

24

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht daran hindert, einen Eigentümer von Aufbauten auf eigener Stätte wie Sendetürmen oder ‑masten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb des Mobilfunknetzes erforderlichen Antennen zu tragen, die nicht auf einer bereits bestehenden Stätte angebracht werden konnten, mit einer Abgabe wie der im Ausgangsverfahren streitigen zu belegen.

Kosten

25

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 13 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) ist dahin auszulegen, dass er nicht daran hindert, einen Eigentümer von Aufbauten auf eigener Stätte wie Sendetürmen oder ‑masten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb des Mobilfunknetzes erforderlichen Antennen zu tragen, die nicht auf einer bereits bestehenden Stätte angebracht werden konnten, mit einer Abgabe wie der im Ausgangsverfahren streitigen zu belegen.

 

Unterschriften


( * )   Verfahrenssprache: Französisch.

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Referenzen

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