Schlussantrag des Generalanwalts vom Europäischer Gerichtshof - C-268/14

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 15. Oktober 2015(1)

Rechtssache C‑268/14 P

Italmobiliare SpA

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Märkte für Zement und verwandte Produkte – Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates – Befugnisse der Kommission bei Auskunftsverlangen – Adressat eines Auskunftsverlangens – Verhältnismäßigkeit – Begründung – Anspruch auf rechtliches Gehör“






1.        Welchen Voraussetzungen und welchen Beschränkungen unterliegen die Befugnisse der Kommission, im Rahmen einer Untersuchung möglicher Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln der Union durch Beschluss von Unternehmen Auskunft zu verlangen?

2.        Dies sind im Wesentlichen die zentralen Fragen, die das Rechtsmittel der Italmobiliare SpA (im Folgenden: Italmobiliare oder Rechtsmittelführerin) gegen das Urteil des Gerichts aufwirft, mit dem dieses die Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses der Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003(2) abgewiesen hat, mit dem von diesem Unternehmen die Erteilung von Auskünften in erheblichem Umfang verlangt wurde.

3.        Weitgehend ähnliche Fragen werfen auch drei weitere Rechtsmittel anderer im Zementmarkt tätiger Unternehmen gegen drei Urteile des Gerichts auf, mit denen das Gericht ihre Klagen gegen Beschlüsse der Kommission, die dem von Italmobiliare angefochtenen Beschluss entsprechen, ebenfalls im Wesentlichen abgewiesen hat. In diesen drei anderen Verfahren werde ich heute ebenfalls meine Schlussanträge vorlegen(3). Die vorliegenden Schlussanträge sind daher im Zusammenhang mit diesen Schlussanträgen zu betrachten.

I –    Rechtlicher Rahmen

4.        Der 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 lautet:

„Die Kommission sollte die Befugnis haben, im gesamten Bereich der Gemeinschaft die Auskünfte zu verlangen, die notwendig sind, um gemäß [Art. 101 AEUV] verbotene Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie die nach [Art. 102 AEUV] untersagte missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung aufzudecken. Unternehmen, die einer Entscheidung der Kommission nachkommen, können nicht gezwungen werden, eine Zuwiderhandlung einzugestehen; sie sind auf jeden Fall aber verpflichtet, Fragen nach Tatsachen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen, auch wenn die betreffenden Auskünfte dazu verwendet werden können, den Beweis einer Zuwiderhandlung durch die betreffenden oder andere Unternehmen zu erbringen.“

5.        Art. 18 („Auskunftsverlangen“) der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt im hier relevanten Teil:

„(1) Die Kommission kann zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Entscheidung von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen, dass sie alle erforderlichen Auskünfte erteilen.

(2) Bei der Versendung eines einfachen Auskunftsverlangens an ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung gibt die Kommission die Rechtsgrundlage, den Zweck des Auskunftsverlangens und die benötigten Auskünfte an, legt die Frist für die Übermittlung der Auskünfte fest und weist auf die in Artikel 23 für den Fall der Erteilung einer unrichtigen oder irreführenden Auskunft vorgesehenen Sanktionen hin.

(3) Wenn die Kommission durch Entscheidung … Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zur Erteilung von Auskünften verpflichtet, gibt sie die Rechtsgrundlage, den Zweck des Auskunftsverlangens und die geforderten Auskünfte an und legt die Frist für die Erteilung der Auskünfte fest. Die betreffende Entscheidung enthält ferner einen Hinweis auf die in Artikel 23 vorgesehenen Sanktionen und weist entweder auf die in Artikel 24 vorgesehenen Sanktionen hin oder erlegt diese auf. Außerdem weist sie auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof gegen die Entscheidung Klage zu erheben.

…“

II – Vorgeschichte des Rechtsstreits

6.        Die Kommission führte in den Jahren 2008 und 2009 – nach Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 – mehrere Nachprüfungen in den Räumlichkeiten mehrerer in der Zementbranche tätiger Unternehmen durch. Diese Nachprüfungen fanden u. a. in den Räumlichkeiten der Italcementi Fabbriche Riunite Cemento SpA (im Folgenden: Italcementi), der Ciments français SA, der Ciment Calcia SA und der Ciment Belges SA statt, bei denen es sich dem angefochtenen Urteil zufolge um direkt oder indirekt von der Rechtsmittelführerin kontrollierte Gesellschaften handelt. An diese Nachprüfungen schlossen sich 2009 und 2010 mehrere Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 an, die – u. a. – an Italcementi gerichtet waren.

7.        Mit Schreiben vom 4. November 2010 unterrichtete die Kommission Italcementi von ihrer Absicht, einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 an sie zu richten, und übermittelte ihr den Entwurf eines Fragebogens, den sie diesem Beschluss beizufügen gedachte. Italcementi nahm der Kommission gegenüber am 15. November und 1. Dezember 2010 Stellung.

8.        Am 6. Dezember 2010 teilte die Kommission der Rechtsmittelführerin mit, dass sie beschlossen habe, gegen sie und sieben weitere Unternehmen ein Verfahren nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004(4) wegen mutmaßlicher Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV einzuleiten, bei denen es sich um die Beschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und um andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte handele.

9.        Am 30. März 2011 erließ die Kommission den Beschluss K(2011) 2364 endgültig in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

10.      In dem angefochtenen Beschluss wies die Kommission darauf hin, dass sie nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Beschluss von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen könne, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen (dritter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Im Anschluss an den Hinweis, dass Italcementi von der Absicht der Kommission, einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu erlassen, in Kenntnis gesetzt worden sei und zu einem Fragebogenentwurf Stellung genommen habe (Erwägungsgründe 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses), forderte die Kommission die Rechtsmittelführerin und ihre Tochtergesellschaften durch Beschluss auf, den Fragebogen in Anhang I zu beantworten. Bemerkenswert ist, dass der Anhang I 78 Seiten und 10 Fragegruppen umfasste. Anhang II enthielt Hinweise zur Beantwortung dieses Fragebogens und Anhang III die Antwortvorlagen.

11.      Die Kommission wies ferner auf die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen hin (zweiter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), die sie wie folgt bezeichnete: „Bei den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen … handelt es sich um die Beschränkung des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) …, einschließlich der Beschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte“. Unter Verweis auf Art und Umfang der verlangten Auskünfte sowie auf die Schwere der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln erachtete es die Kommission für angemessen, der Rechtsmittelführerin eine Frist von zwölf Wochen für die Beantwortung des Auskunftsverlangens zu gewähren.

12.      Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Artikel 1

Italmobiliare SpA (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) muss die in Anhang I dieses Beschlusses beschriebenen Informationen in der in Anhang II und Anhang III dieses Beschlusses verlangten Form innerhalb von zwölf Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses vorlegen. Alle Anhänge sind Bestandteil dieses Beschlusses.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Italmobiliare (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) …, gerichtet.“

13.      Am 27. Juni und 11. Juli 2011 reichte die Rechtsmittelführerin ihre Antworten auf den Fragebogen der Kommission ein.

III – Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

14.      Mit am 8. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift beantragte Italmobiliare, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

15.      Mit Urteil vom 14. März 2014, Italmobiliare/Kommission, T‑305/11 (im Folgenden: angefochtenes Urteil)(5), wies das Gericht die Klage ab und verurteilte Italmobiliare zur Tragung der Kosten.

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof und Rechtsmittelanträge

16.      Mit ihrem am 26. Mai 2014 beim Gerichtshof eingegangenen Rechtsmittel beantragt Italmobiliare,

–        das Urteil in der Rechtssache T‑305/11 aufzuheben und den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        die erforderlichen und angebrachten prozessleitenden Maßnahmen nach Art. 62 und Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs anzuordnen;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge aufzuerlegen;

–        hilfsweise, den Rechtsstreit zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen.

17.      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        soweit erforderlich, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses zu bestätigen;

–        Italmobiliare die Kosten aufzuerlegen.

V –    Würdigung der Rechtsmittelgründe

18.      Italmobiliare macht fünf Rechtsmittelgründe geltend. Allgemein gesprochen, betreffen diese Rechtsmittelgründe die Frage, ob das Gericht die Befugnisse der Kommission bei Auskunftsverlangen nach der Verordnung Nr. 1/2003 richtig ausgelegt hat.

19.      Die für die Befugnisse der Kommission bei Auskunftsverlangen maßgebenden Rechtsvorschriften und die maßgebende Rechtsprechung werden in meinen ebenfalls heute vorgelegten Schlussanträgen in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission(6) erörtert.

20.      Vor diesem Hintergrund werde ich die von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Rechtsmittelgründe prüfen.

 A – Adressat des Beschlusses

1.     Vorbringen der Parteien

21.      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Italmobiliare geltend, dass das Gericht Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 fehlerhaft ausgelegt und angewendet habe, indem es davon ausgegangen sei, dass die Kommission ihr Auskunftsverlangen im vorliegenden Fall an eine reine Finanzholding habe richten dürfen, deren Kontrolle über Italcementi nicht nachgewiesen worden sei. Darüber hinaus rügt die Rechtsmittelführerin einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil die Kommission in vorherigen Mitteilungen angegeben habe, dass Italcementi die Adressatin eines Beschlusses nach Art. 18 Abs. 3 sein werde. Schließlich rügt die Rechtsmittelführerin einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot: Sie sei die einzige Finanzholding in der vorliegenden Untersuchung gewesen, an die ein Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 gerichtet worden sei, obwohl auch bei anderen, von der gleichen Untersuchung betroffenen Unternehmensgruppen eine Finanzholding an der Spitze ihrer Gesellschaftsstruktur stehe.

22.      Nach Ansicht der Kommission ist der erste Teil dieses Rechtsmittelgrundes unzulässig, weil er Tatsachenfragen aufwerfe; jedenfalls sei die Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 befugt, Auskunft von jedem zu verlangen, von dem sie vernünftigerweise annehme, dass er im Besitz relevanter Informationen sein könnte. Im Übrigen habe Italmobiliare keine sicheren Rückschlüsse daraus ziehen können, dass der Entwurf des Fragebogens Italcementi übermittelt worden sei; sie habe Italcementi keine eindeutige und nicht an Bedingungen geknüpfte Zusicherung hinsichtlich des Adressaten eines zukünftigen Beschlusses erteilt.

 2. Würdigung

23.      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin drei verschiedene angebliche Fehler des Gerichts in Bezug auf seine Entscheidung, dass der angefochtene Beschluss rechtmäßig an die Rechtsmittelführerin habe gerichtet werden können.

24.      Bevor ich zu dem komplexesten Teil dieses Rechtsmittelgrundes komme – d. h. auf die Frage, ob ein Unternehmen Adressat eines Auskunftsverlangens sein kann, das in erster Linie die Tätigkeit eines anderen Unternehmens betrifft, an dem es Anteile hält –, möchte ich mich den anderen Teilen des ersten Rechtsmittelgrundes zuwenden.

25.      Zunächst hat das Gericht meines Erachtens rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Rechtsmittelführerin von der Kommission keine präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Zusicherungen erhalten hat, dass ein künftiger Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 an Italcementi gerichtet werden würde. Erstens war der Italcementi am 4. November 2010 übersandte Fragebogen lediglich ein Entwurf, den die Kommissionsdienststellen erstellt hatten und der der Kommission ermöglichen sollte, eine Stellungnahme einzuholen, um den Text des endgültigen Fragebogens überarbeiten zu können. Eine bloße Anhörung für sich allein kann für die Kommission im Hinblick auf den Erlass einer verbindlichen Entscheidung nach Art. 18 Abs. 3 nicht bindend sein(7). Jedenfalls konnte der Wortlaut des Fragebogenentwurfs nicht so verstanden werden, dass er die Möglichkeit ausschloss, dass andere Gesellschaften, die zur selben Unternehmensgruppe gehörten oder in irgendeiner gesellschaftsrechtlichen Verbindung zu Italcementi standen, Adressat eines Beschlusses nach Art. 18 Abs. 3 sein konnten. Zweitens schließt der Umstand, dass die Rechtsmittelführerin Adressatin des Beschlusses über die Einleitung des Verfahrens war, der nur wenige Tage nach Übermittlung des Fragebogenentwurfs an Italcementi erlassen wurde, die Möglichkeit aus, dass die Rechtsmittelführerin sich auf von der Kommission hierzu erhaltene Zusicherungen berufen könnte, die „klar, nicht an Bedingungen geknüpft und übereinstimmend“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Vertrauensschutz sein könnten(8).

26.      Was die angebliche Diskriminierung angeht, ist diese Rüge meines Erachtens unbegründet. Wie ich in den folgenden Absätzen erläutern werde, ist die Kommission nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 befugt, von jedem Unternehmen Auskunft zu verlangen, von dem sie annimmt, dass es im Besitz von Informationen ist, die für ihre Untersuchungen relevant sind. Die Art der Tätigkeiten, die ein Unternehmen ausübt, an das ein Auskunftsverlangen gerichtet wird, ist somit grundsätzlich irrelevant. Ob Italmobiliare anders behandelt wurde als andere Unternehmen, bei denen es sich ebenfalls um Finanzholdings handelte, ist daher unerheblich. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass diese Unternehmen sich in einer anderen Situation als Italmobiliare im Hinblick darauf befanden, ob sie im Besitz der von der Kommission gesuchten Informationen waren. Aus den Akten ist nichts dafür ersichtlich, dass das Gericht Italmobiliare unter diesem Gesichtspunkt tatsächlich mit diesen Unternehmen hätte vergleichen können.

27.      Nunmehr werde ich die meines Erachtens zentrale Frage prüfen, die der erste Rechtsmittelgrund aufwirft: War die Kommission im vorliegenden Fall befugt, einen Auskunftsbeschluss an eine Gesellschaft zu richten, die Anteile an den Gesellschaften hielt, bei denen der Verdacht von Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV bestand?

28.      Diese Frage – die eine Rechtsfrage und somit im Rechtsmittelverfahren zulässig ist – gründet sich auf den Vortrag der Rechtsmittelführerin, sie sei zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses lediglich als „Finanzholding“ tätig gewesen. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin führen weder der angefochtene Beschluss noch das angefochtene Urteil Beweise dafür an, dass sie Kontrolle über die zur Italcementi gehörenden Gesellschaften ausgeübt habe. Ohne diesen Beweis habe vernünftigerweise nicht die Annahme vertreten werden können, dass sie im Besitz von Informationen gewesen sei, die für die Untersuchung relevant gewesen seien.

29.      Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass die Kommission nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 ein Auskunftsverlangen an jedes Unternehmen richten kann, das über relevante Informationen verfügen könnte, ohne dass es auf seine Beteiligung an der mutmaßlichen Zuwiderhandlung ankommt.

30.      Die Kommission verfügt bei der Ausübung der ihr durch die Verordnung Nr. 1/2003 übertragenen Befugnisse, einschließlich derjenigen nach Art. 18 dieser Verordnung, über ein weites Ermessen. Dieses Ermessen ist jedoch nicht unbeschränkt. Bei der Ausübung ihrer Ermittlungsbefugnisse ist die Kommission nämlich verpflichtet, die im Unionsrecht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze und Grundrechte zu beachten(9). Diese Beschränkungen beziehen sich meines Erachtens nicht nur auf Aspekte wie die Menge der verlangten Informationen oder den Zeitraum, innerhalb dessen diese Auskünfte erteilt werden müssen, sondern auch auf die Auswahl des Unternehmens, an das ein Auskunftsverlangen zu richten ist.

31.      Im vorliegenden Fall dürfte meines Erachtens drei allgemeinen Rechtsgrundsätzen besondere Bedeutung zukommen.

32.      Erstens ist nach gefestigter Rechtsprechung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der verlangt, dass die von einer seiner Bestimmungen eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen(10). Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen(11). Im Zusammenhang mit den Wettbewerbsregeln der Union hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Untersuchung unverhältnismäßig ist, wenn sie einen übermäßigen und somit untragbaren Eingriff in die Rechte des betroffenen Unternehmens darstellt(12).

33.      Zweitens geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig hervor, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, verlangt, dass ein Unionsrechtsakt, insbesondere dann, wenn er Sanktionen auferlegt oder die Auferlegung von Sanktionen gestattet, klar und deutlich ist, damit die Betroffenen ihre sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können(13).

34.      Drittens ist die Kommission nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, in mutmaßliche Verstöße gegen die EU-Wettbewerbsregeln betreffenden Verwaltungsverfahren den Grundsatz der guten Verwaltung zu beachten, der in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist(14). Dieser Grundsatz umfasst u. a. die Pflicht der Unionsverwaltung, „ihre Entscheidungen zu begründen“.

35.      Im vorliegenden Fall wirft der Beschluss der Kommission meines Erachtens Fragen auf, die diese drei allgemeinen Grundsätze berühren.

36.      Erstens stelle ich mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fest, dass unstreitig ist, dass Italmobiliare in den Märkten, die Gegenstand der Untersuchung waren, nicht tätig war. Es ist ebenso unbestritten, dass die Kommission eine sehr genaue Vorstellung davon hatte, welches die Unternehmen waren, gegen die innerhalb der Unternehmensgruppe von Italmobiliare der Verdacht von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union bestand. Bei vier dieser Gesellschaften wurden nämlich im November 2008 Nachprüfungen vor Ort durchgeführt. Italcementi war ferner in den Jahren 2009 und 2010 Adressatin mehrerer Auskunftsverlangen sowie Adressatin des Fragebogenentwurfs, der am 4. November 2010 übersandt wurde. Vor allem aber zielte der angefochtene Beschluss selbst nicht auf die Tätigkeiten von Italmobiliare ab, sondern betraf in erster Linie die Tätigkeiten dieser anderen Unternehmen.

37.      Selbst unterstellt, dass Italmobiliare die gesuchten Informationen in ihrem Besitz hatte oder zumindest Zugang dazu gehabt hätte, wären die erteilten Auskünfte meines Erachtens aus einer Quelle gekommen, die nur als die „zweitbeste“ angesehen werden konnte. Mit anderen Worten, die verlangen Auskünfte wären jedenfalls von einem Unternehmen gekommen, das nicht dasjenige Unternehmen war, auf das sich diese Auskünfte bezogen und das sie vermutlich zusammengestellt hatte.

38.      Unter diesen Umständen erscheint mir unverständlich, dass die Kommission den angefochtenen Beschluss nicht an diese Gesellschaften richtete, die – das sei noch einmal wiederholt – durchaus bekannt waren, sondern an die Rechtsmittelführerin. Es dürfte offensichtlich sein, dass diese Auskünfte einfacher und leichter von diesen Gesellschaften hätten erteilt werden können.

39.      Wenn allerdings der angefochtene Beschluss aus dem Grunde an die Rechtsmittelführerin gerichtet wurde, damit die Daten von allen zur Unternehmensgruppe von Italmobiliare gehörenden Unternehmen in einem einzigen konsolidierten Satz von Auskünften beschafft werden konnten, hielte ich diesen Grund für nicht ausreichend. Wie in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission eingehender erörtert, ist die Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht befugt, den Adressaten eines Auskunftsverlangens zur Erfüllung von Aufgaben zu verpflichten, die zur Ermittlung der Sache gehören und somit grundsätzlich von den Mitarbeitern der Kommission durchzuführen sind(15).

40.      Ferner bringt die Rechtsmittelführerin – meines Erachtens überzeugend – vor, dass nicht, wie offenbar von der Kommission so gehandhabt, einfach angenommen werden könne, dass sie aufgrund ihrer Beteiligung „Kontrolle“ über diese Gesellschaften gehabt habe und dass hieraus wiederum folge, dass sie im Besitz der gesuchten Informationen gewesen sei oder diese einfach und leicht habe beschaffen können. Selbst wenn man unterstellt, dass die Rechtsmittelführerin aufgrund der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Verbindungen zu diesen Gesellschaften Zugang zu diesen Informationen haben könnte, ist jedenfalls kaum bestreitbar, dass die Sammlung, Formatierung und Vorlage der verlangten Informationen komplizierter, zeitaufwändiger und teurer wurde. Gleichzeitig wird Italcementi die Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte, einschließlich des Rechts, sich nicht selbst belasten zu müssen, erschwert, da diese Rechte durch „den Filter“ Italmobiliare wahrgenommen werden müssen.

41.      Dies gilt besonders im vorliegenden Fall, da der angefochtene Beschluss außerordentlich viele Fragen umfasste, die sehr unterschiedliche Themen betrafen und ein hohes Maß an Detailliertheit bei der Beantwortung erforderten(16). Die Kommission konnte meines Erachtens nicht vernünftigerweise erwarten, dass die Rechtsmittelführerin – als reine Finanzholding – über alle diese Informationen bereits verfügte. Sie konnte auch nicht von den Mitarbeitern einer Finanzholding erwarten, dass sie diese Informationen so effizient und schnell ordnen und vorlegen konnten, wie die Mitarbeiter derjenigen Gesellschaften, um deren Informationen es sich eigentlich handelte.

42.      Dies gilt umso mehr in Anbetracht dessen, dass drei vorangegangene Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 an Italcementi gerichtet worden waren, die von dieser ordnungsgemäß beantwortet wurden. Das Gericht hat festgestellt, dass viele Fragen im angefochtenen Beschluss dieselben Auskünfte betroffen hätten, die bereits vorher nach Art. 18 Abs. 2 verlangt worden seien(17). Ich halte es für wenig einleuchtend, dass ein Beschluss, mit dem großteils lediglich die nochmalige Vorlage bereits erteilter Auskünfte verlangt wird, um diese Auskünfte in einem anderen Format zu konsolidieren(18) oder um zusätzliche Einzelheiten zu ergänzen(19), nicht an dasselbe Unternehmen gerichtet wird, an das auch die vorangegangen Auskunftsverlangen gerichtet wurden.

43.      Ferner waren wegen des besonders komplexen und anspruchsvollen Formats, das für die Vorlage der verlangten Auskünfte vorgegeben war, die durch den angefochtenen Beschluss entstehenden Kosten sicherlich erheblich(20). Es ist kaum ein überzeugender Grund dafür ersichtlich, warum diese Kosten allein von einem der Anteilseigner der Gesellschaften zu tragen sein sollten, gegen die sich die Untersuchung richtete.

44.      Vor diesem Hintergrund konnte es meines Erachtens als insbesondere für die Rechtsmittelführerin weniger belastende Maßnahme angesehen werden, einen Beschluss gegenüber den Gesellschaften zu erlassen, gegen die sich die Untersuchung richtete.

45.      Zweitens konnte mit Blick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit meiner Ansicht nach dadurch, dass die Kommission nicht klar und eindeutig dazu Stellung bezog, welche Unternehmen Gegenstand der Untersuchung waren – wie in Nrn. 25 und 37 der vorliegenden Schlussanträge verdeutlicht – für die Rechtsmittelführerin Unsicherheit entstehen.

46.      Hinzuweisen ist insoweit auch darauf, dass nach Art. 1 des angefochtenen Beschlusses „Italmobiliare SpA (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt kontrolliert werden) … die … Informationen … vorlegen [muss]“. Ferner lautet Art. 2 des Beschlusses: „Dieser Beschluss ist an die Italmobiliare SpA (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) … gerichtet.“ Von der Kommission wurde jedoch in keiner Weise erläutert, was unter diesen Begriffen der direkten oder indirekten Kontrolle zu verstehen war.

47.      Diese Bestimmungen können eindeutig nicht so verstanden werden, dass die rechtliche Verpflichtung zur Vorlage der verlangten Auskünfte für ein anderes Unternehmen als Italmobiliare galt: Eine solche Verpflichtung (die durch finanzielle Sanktionen durchsetzbar ist) kann logischerweise nicht für Unternehmen gelten, die nicht identifiziert und nicht ohne Weiteres identifizierbar sind. Italmobiliare wurde gleichwohl aber verpflichtet, Informationen vorzulegen, die sich auf Unternehmen bezogen, deren Anzahl und Identitäten für sie nicht sicher sein konnten.

48.      Bekanntermaßen kann der Begriff „Kontrolle“ in den Wettbewerbsregeln der Union gelegentlich schwer greifbar sein. Ein Begriff der „Kontrolle“ wird u. a. im Kontext der Unionsvorschriften für die Fusionskontrolle verwendet(21). Hierneben wird im Kontext von Verfahren über die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV häufig der Begriff „wirtschaftliche Einheit“ verwendet. Ausdruck findet dies in der umfangreichen Rechtsprechung der Unionsgerichte zur Haftung von Muttergesellschaften für Kartellverstöße ihrer Tochtergesellschaften; diese Rechtsprechung beruht auch auf dem Gedanken, dass erstere über letztere Gesellschaften „Kontrolle“ ausüben können. Darüber hinaus gibt es nationale und supranationale Regelungen über Rechnungslegungsstandards mit Anforderungen, die für verschiedene Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe zu einer konsolidierten Rechnungslegung verpflichten können.

49.      Vor diesem Hintergrund konnte der angefochtene Beschluss meines Erachtens mangels ausdrücklicher Angaben der Kommission dazu, wie die Rechtsmittelführerin die Erwähnung ihrer „Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden“ zu verstehen hatte, für die Rechtsmittelführerin Rechtsunsicherheit hervorrufen.

50.      Im vorliegenden Fall war dies insofern besonders problematisch, als die Rechtsmittelführerin als Adressatin des angefochtenen Beschlusses verpflichtet war, diesem Beschluss unter Androhung finanzieller Sanktionen nach Art. 23 und Art. 24 der Verordnung Nr. 1/2003 nachzukommen. Diese Androhung wurde zudem im Text des dem angefochtenen Beschluss beigefügten Fragebogens hervorgehoben, wonach die erteilten Auskünfte als unzutreffend/irreführend bewertet werden konnten, auch wenn sie lediglich nicht unter Einhaltung der in den Anhängen II und III des angefochtenen Beschlusses genannten Begriffsbestimmungen und Anweisungen erteilt wurden(22).

51.      Drittens möchte ich im Hinblick auf den Grundsatz der guten Verwaltung – soweit dieser im vorliegenden Fall eine Bedeutung hat, die über das hinausgeht, was unmittelbar aus Art. 296 AEUV folgt – darauf hinweisen, dass die Kommission nicht klar erläutert hat, warum die Auskünfte von der Rechtsmittelführerin und nicht direkt von den Gesellschaften angefordert wurden, gegen die sich die Untersuchung richtete. Es war somit für Italmobiliare schwierig, die Gründe dafür zu erfassen, dass der Beschluss an sie und nicht an diese Gesellschaften gerichtet war. Dieses Problem verschärfte sich dadurch, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses vage und knapp war(23).

52.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes stichhaltig ist und das angefochtene Urteil demzufolge aufzuheben ist.

B –    Zweck des Auskunftsverlangens

1.      Vorbringen der Parteien

53.      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht Italmobiliare geltend, dass das Gericht Art. 296 AEUV rechtsfehlerhaft ausgelegt habe, was die vorgeschriebene Begründung eines Beschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 angehe. Ferner beanstandet die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht ohne hinreichende Begründung ihr Vorbringen zurückgewiesen habe, wonach die Kommission zu Unrecht einen verbindlichen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 statt eines einfachen Auskunftsverlangens nach Abs. 2 dieser Bestimmung erlassen habe.

54.      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Die Kommission betont, dass das Verfahren noch in einem frühen Stadium gewesen sei, als der angefochtene Beschluss erlassen worden sei. Ein Auskunftsverlangen könne nicht das Maß an Detailliertheit aufweisen, das für Beschlüsse gelte, die am Ende der Untersuchung erlassen würden. Ferner sei die Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht verpflichtet, die Gründe dafür zu erläutern, dass sie sich für den Erlass eines verbindlichen Beschlusses statt eines einfachen Auskunftsverlangens entscheide.

2.      Würdigung

55.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung für von Unionsorganen erlassene Maßnahmen der betreffenden Maßnahme angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das die Maßnahme erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und die Unionsgerichte ihre Rechtmäßigkeit kontrollieren können. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet(24).

56.      Für Beschlüsse, mit denen eine Nachprüfung nach Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 angeordnet wird, hat der Gerichtshof kürzlich bestätigt, dass die Kommission weder den Adressaten solcher Beschlüsse alle ihr vorliegenden Informationen über vermutete Zuwiderhandlungen zu übermitteln braucht noch eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlungen vornehmen muss, sofern sie klar angibt, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt. Die Kommission hat zwar möglichst genau anzugeben, wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll, doch braucht aus einem Nachprüfungsbeschluss nicht notwendigerweise eine genaue Abgrenzung des relevanten Marktes, die exakte rechtliche Qualifizierung der vermuteten Zuwiderhandlungen oder der genaue Zeitraum hervorzugehen, in dem diese Zuwiderhandlungen begangen sein sollen, sofern sie nur die vorstehend genannten wesentlichen Angaben enthält. Nachprüfungen finden nämlich normalerweise zu Beginn einer Untersuchung statt, so dass die Kommission in diesem Stadium noch nicht über genaue Informationen zu diesen Punkten verfügt. Es ist gerade der Zweck einer Nachprüfung, Beweismaterial für die mutmaßliche Zuwiderhandlung zu sammeln, um der Kommission eine Prüfung ihres Verdachts und eine spezifischere rechtliche Würdigung zu ermöglichen(25).

57.      Diese Grundsätze sind meines Erachtens – sinngemäß – auf Auskunftsentscheidungen nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 anwendbar. Eindeutig verfolgen beide Arten von Rechtsakten das gleiche Ziel und bestehen darin, Tatsachen zu ermitteln. Auch wenn sie nicht denselben Wortlaut haben, legt die relative Ähnlichkeit der beiden Bestimmungen ebenfalls ihre einheitliche Auslegung nahe(26).

58.      Vor diesem Hintergrund ist die zentrale Frage, ob das Gericht in einwandfreier Weise geprüft hat, inwieweit die Begründung des angefochtenen Beschlusses ausreichend war. Mit anderen Worten stellt sich folgende Frage: Ist die fragliche Begründung unter Berücksichtigung des Verfahrensstadiums, in dem der angefochtene Beschluss erlassen wurde, klar genug, um einerseits den Adressaten in die Lage zu versetzen, seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen und seine Mitwirkungspflicht gegenüber der Kommission zu erkennen, und andererseits den Unionsgerichten die Ausübung einer gerichtlichen Kontrolle zu ermöglichen?

59.      Diese Frage ist meines Erachtens zu verneinen.

60.      In Rn. 68 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht fest, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses „aus einer sehr allgemein gehaltenen Formulierung [bestehe], deren Präzisierung angebracht gewesen wäre, so dass sie insoweit zu beanstanden ist“. Dies ist meines Erachtens kaum zu bestreiten: Drei wichtigen Aspekten der Begründung mangelt es nämlich an hinreichender Detailliertheit. Ich spreche insbesondere von der Bezeichnung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, ihrem räumlichen Umfang und den von den Zuwiderhandlungen betroffenen Produkten.

61.      Was die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen angeht, wird im zweiten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt: „Bei den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen … handelt es sich um die Beschränkung des Handelsverkehrs …, einschließlich der Beschränkung von Einfuhren …, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken“. Diese Beschreibung der möglichen Zuwiderhandlungen erscheint nicht nur recht vage („Beschränkung des Handelsverkehrs“, „einschließlich der Beschränkung von Einfuhren“), sondern auch allumfassend („andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken“). Die Erwähnung einer „Marktaufteilung“ und von „Preisabsprachen“ – in dieser Allgemeinheit – grenzt die Art des von der Kommission vermuteten Verhaltens kaum genauer ein. Marktaufteilungs- und Preisabsprachenelemente weisen nämlich die meisten Kartelle auf. In der Praxis dürften die allermeisten der nach Art. 101 AEUV verbotenen Arten von Vereinbarungen unter diese Beschreibung fallen.

62.      Was den räumlichen Umfang der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen angeht, erwähnt der angefochtene Beschluss die Beschränkung des Handelsverkehrs im EWR, einschließlich der Beschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR. Zwar ist es nicht erforderlich, dass die geografische Komponente des betreffenden Marktes in einem Beschluss nach Art. 18 bestimmt wird(27), doch sollte es möglich gewesen sein, wenigstens einige der betroffenen Länder zu nennen. Insbesondere ist unklar, ob der möglicherweise betroffene Markt aus dem gesamten EWR oder lediglich aus Teilen davon besteht, und welche dies gegebenenfalls sind.

63.      Schließlich ist der angefochtene Beschluss noch weniger greifbar, soweit es um die Benennung der Produkte geht, die Gegenstand der Untersuchung sind. Es wird praktisch nur Zement als das relevante Produkt bezeichnet, da der Beschluss – im Übrigen – „Märkte für … [zement-]verwandte Produkte“ nennt. Diese Umschreibung ist wiederum nicht nur äußerst vage (wie eng müssen die Produkte mit Zement „verwandt“ sein?), sondern deckt potenziell alle Arten von Produkten ab, auf die sich die Tätigkeit der Rechtsmittelführerin (als Verkäuferin oder Käuferin) erstreckt.

64.      Dem Gericht zufolge(28) wird die mangelnde Detailliertheit des angefochtenen Beschlusses teilweise dadurch abgemildert, dass er ausdrücklich auf den Beschluss der Kommission über die Einleitung des Verfahrens verweise, der zusätzliche Informationen über den räumlichen Umfang der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen und die Art der betroffenen Erzeugnisse enthalte.

65.      Die Rechtsmittelführerin bestreitet, dass die Mängel des angefochtenen Beschlusses durch einen bloßen Verweis auf einen vorangegangenen Beschluss geheilt werden könnten, und weist darauf hin, dass es jedenfalls dem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens ebenso an Detailliertheit mangele.

66.      Meines Erachtens bedürfen Unionsrechtsakte, die Verpflichtungen auferlegen, die in die Sphäre der privaten Betätigung von Einzelpersonen oder Unternehmen eingreifen und im Fall eines Verstoßes das Risiko erheblicher finanzieller Sanktionen nach sich ziehen, grundsätzlich einer eigenständigen Begründung(29). Es ist nämlich wichtig, dass diese Einzelpersonen oder Unternehmen in die Lage versetzt werden, die Gründe eines solchen Rechtsakts ohne übermäßige Auslegungsbemühungen zu erfassen(30), so dass sie ihre Rechte wirksam und rechtzeitig wahrnehmen können. Dies gilt insbesondere für Rechtsakte, die ausdrückliche Verweise auf vorangegangene Rechtsakte mit einer anderen Begründung enthalten. Jeder bedeutsame Unterschied zwischen den beiden Rechtsakten kann für den Adressaten eine Quelle der Unsicherheit sein.

67.      Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bin ich der Ansicht, dass das Gericht im vorliegenden Fall zu Recht ausnahmsweise festgestellt hat, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses in Verbindung mit der Begründung des Beschlusses über die Einleitung des Verfahrens verstanden werden kann. Die beiden Beschlüsse wurden im Rahmen derselben Untersuchung erlassen und betreffen offenkundig dieselben mutmaßlichen Zuwiderhandlungen. Sie ergingen ferner innerhalb kurzer Zeit. Vor allem aber dürfte ein bedeutsamer Unterschied zwischen den Begründungen beider Beschlüsse nicht bestehen. Daher komme ich zu der Ansicht, dass im vorliegenden Fall der erste Beschluss als „Kontext“ des zweiten Beschlusses angesehen werden kann, der dem Adressat nicht unbekannt sein konnte(31).

68.      Dennoch war der erste Beschluss, auch wenn er sich zum räumlichen Umfang der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen deutlich detaillierter verhielt (indem er die potenziell betroffenen Mitgliedstaaten aufführte), nicht gleichermaßen präzise, was die Art dieser Zuwiderhandlungen und die betroffenen Produkte angeht. Insbesondere umfasst die angegebene Erläuterung des Begriffs „Zement und verwandte Produkte“ in einer Fußnote auf Seite 4 dieses Beschlusses eine potenziell sehr weitreichende und disparate Gruppe von Produkten.

69.      Allerdings führt der Umstand, dass eine Begründung möglicherweise zu allgemein oder in bestimmten Punkten eher vage ist, meines Erachtens nicht zur Ungültigkeit, wenn der Beschluss im Übrigen dem Adressaten und den Unionsgerichten ermöglicht, hinreichend genau zu ersehen, um welche Informationen es der Kommission geht und welches die Gründe hierfür sind(32). Wenn auch nur mittelbar oder implizit, kann nämlich der Gegenstand der Fragen eine Begründung zusätzlich erhellen, die möglicherweise nicht mit der erforderlichen Genauigkeit verfasst wurde. Sehr genaue und gezielte Fragen legen schließlich zwangsläufig den Umfang der Ermittlungen der Kommission offen. Dies dürfte meines Erachtens insbesondere für Rechtsakte gelten, die in einem frühen Stadium des Verfahrens erlassen werden, wenn der Umfang der notwendigen Ermittlungsmaßnahmen nicht völlig und endgültig feststeht und infolge der nachfolgend gesammelten Informationen möglicherweise später noch begrenzt oder erweitert werden muss.

70.      Im vorliegenden Fall gilt jedoch vielmehr das Gegenteil. Die Fragen an Italmobiliare sind außerordentlich zahlreich und betreffen sehr unterschiedliche Arten von Auskünften. Aus meiner Sicht lässt sich eine innere Verbindung zwischen vielen der in dem Fragebogen enthaltenen Fragen ausgesprochen schwer ausmachen(33). Ferner stehen einige Fragen offenbar nicht ganz im Einklang mit dem Aussagegehalt des vorangegangenen Beschlusses über die Einleitung des Verfahrens: Beispielsweise sind die Fragen 3 und 4 (mit denen besonders umfangreiche Informationen über einen Zehn-Jahres-Zeitraum verlangt werden) nicht auf die Mitgliedstaaten begrenzt, die im Beschluss über die Einleitung des Verfahrens als möglicherweise betroffen bezeichnet wurden.

71.      Soweit im Übrigen die zwischen einigen dieser Fragen bestehende innere Verbindung in einer vollständigen Abbildung der Erträge und Kostenstruktur des Unternehmens bestehen sollte, um der Kommission eine Analyse des Unternehmens mit ökonometrischen Methoden (durch Vergleich mit anderen in der Zementbranche tätigen Unternehmen) zu ermöglichen, könnte fraglich erscheinen, ob ein solches weites und allumfassendes Auskunftsverlangen überhaupt nach Art. 18 angemessen ist. Soweit der Kommission keine konkreten Indizien vorliegen, die auf ein zu beanstandendes Verhalten hindeuten, für das eine solche Analyse den erforderlichen Beleg liefern könnte, erscheint ein solches Auskunftsverlangen eher angemessen für die Untersuchung eines Wirtschaftszweigs nach Art. 17 der Verordnung Nr. 1/2003.

72.      Unter diesen Umständen stimme ich mit der Rechtsmittelführerin darin überein, dass der Zweck des Auskunftsverlangens der Kommission nicht hinreichend klar und eindeutig war. Demzufolge war für dieses Unternehmen übermäßig schwer zu ersehen, welches die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen sein sollten, um den Umfang seiner Mitwirkungspflicht gegenüber der Kommission zu erkennen und gegebenenfalls seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen, etwa durch Ablehnung einer Beantwortung der Fragen, die seiner Ansicht nach rechtswidrig waren. Dies gilt umso mehr im Hinblick darauf, dass einige Fragen sich auf Informationen bezogen, die nicht rein tatsächlicher Art waren, sondern eine Bewertung erforderten(34), und andere Fragen relativ vage waren(35). Somit konnte die Rechtsmittelführerin in Anbetracht dieser Fragen das Risiko einer Beantwortung, mit der sie sich selbst belastete, nicht ohne Weiteres ausschließen(36).

73.      Dieser Mangel an Detailliertheit kann – entgegen dem Vorbringen der Kommission – nicht dadurch gerechtfertigt sein, dass der angefochtene Beschluss in einem frühen Stadium der Ermittlungen erlassen wurde. Der Beschluss erging nämlich fast drei Jahre nach Beginn der Untersuchung. In dieser Zeit hatte eine Reihe von Nachprüfungen stattgefunden, und es waren bereits sehr detaillierte Auskunftsverlangen der Kommission ergangen und von den betroffenen Unternehmen beantwortet worden. Die Kommission hatte nämlich einige Monate vor Erlass des angefochtenen Beschlusses ihrer Ansicht nach hinreichende Anhaltspunkte gesammelt, um ein Verfahren nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 2 der Verordnung Nr. 773/2004 einzuleiten. Diese Anhaltspunkte sollten es der Kommission ermöglicht haben, den angefochtenen Beschluss detaillierter zu begründen.

74.      Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass die Anforderungen an die Detailliertheit einer Begründung u. a. von den Informationen abhängen, die ihr vorliegen, wenn ein Beschluss nach Art. 18 erlassen wird(37). Die notwendige Folgerung hieraus ist aus meiner Sicht jedoch, dass eine Begründung, die für eine zu Beginn einer Untersuchung erlassene Entscheidung (d. h. für eine Entscheidung über die Verpflichtung eines Unternehmen zur Duldung einer Nachprüfung nach Art. 20 oder für den ersten Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3) ausreichen mag, für eine in einem viel späteren Stadium der Untersuchung erlassene Entscheidung nicht mehr ausreichen kann, wenn die Kommission über umfassendere Informationen zu den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen verfügt.

75.      Unter diesen Umständen halte ich es für unentschuldbar, dass Italmobiliare trotz aller Auskünfte, die der Kommission in den vorangegangenen Jahren bereits erteilt worden waren, und des zusätzlichen Aufwands, den der angefochtene Beschluss nach sich zog, weiterhin über den genauen Umfang der Ermittlungen der Kommission im Dunkeln gelassen wurde.

76.      Ferner bringt die Rechtsmittelführerin meines Erachtens zu Recht vor, dass die Ausübung der gerichtlichen Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses durch die Unionsgerichte erheblich erschwert sei. Wie in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission(38) eingehender erörtert, wird dem Gerichtshof aufgrund der dürftigen Informationen zu den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, die der angefochtene Beschluss enthält (selbst wenn der Beschluss vor dem Hintergrund des Beschlusses über die Einleitung des Verfahrens betrachtet wird), die Prüfung erschwert, ob die Voraussetzungen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsverlangens erfüllt sind(39). Was den erstgenannten Punkt angeht, soll der Gerichtshof beurteilen, ob der Zusammenhang zwischen der mutmaßlichen Zuwiderhandlung und den verlangten Informationen eng genug ist, um das Auskunftsverlangen der Kommission zu rechtfertigen. Im Hinblick auf den letztgenannten Punkt muss der Gerichtshof feststellen, ob der einem Unternehmen abverlangte Aufwand im öffentlichen Interesse gerechtfertigt und nicht übermäßig ist.

77.      Aus diesen Gründen hat das Gericht meines Erachtens Art. 296 AEUV und Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 im Hinblick auf die für einen Auskunftsbeschluss erforderliche Begründung fehlerhaft ausgelegt und angewendet. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben, soweit das Gericht damit aus den in den Rn. 51 bis 72 des Urteils ausgeführten Gründen festgestellt hat, dass der angefochtene Beschluss hinreichend begründet sei.

C –    Hinreichende Indizien für eine Zuwiderhandlung

1.      Vorbringen der Parteien

78.      Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund beanstandet Italmobiliare die Prüfung ihres Vorbringens durch das Gericht, wonach die Kommission durch den Erlass eines Beschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ultra vires gehandelt habe. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin steht aufgrund der erheblichen Menge und der Unbestimmtheit der verlangten Auskünfte fest, dass die Kommission nicht über hinreichende Indizien für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV verfügt habe, als sie den angefochtenen Beschluss erlassen habe. Die Kommission hätte somit nach Art. 17 der Verordnung handeln müssen. Die Rechtsmittelführerin beanstandet ferner, dass das Gericht keine Beweisaufnahme angeordnet habe, um festzustellen, ob der Kommission hinreichende Indizien vorgelegen hätten, um einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 zu erlassen.

79.      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund unzulässig oder jedenfalls unbegründet.

2.      Würdigung

80.      Mit diesem Rechtsmittelgrund macht Italmobiliare im Wesentlichen geltend, dass die Kommission keine hinreichenden Gründe für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gehabt habe und dass die Menge und Art der verlangten Auskünfte erkennen ließen, dass das Vorgehen der Kommission Ausforschungscharakter gehabt habe („fishing expedition“).

81.      Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass dieser Rechtsmittelgrund teils unzulässig und teils unbegründet ist.

82.      Erstens zielt die Rechtsmittelführerin, soweit sie eine fehlerhafte Bewertung der Gesichtspunkte durch das Gericht geltend macht, die in erster Instanz zur Stützung ihrer Rüge vorgebracht wurden, die Kommission habe ultra vires gehandelt, im Wesentlichen auf eine neue Beurteilung dieser Gesichtspunkte durch den Gerichtshof ab. Dies ist jedoch im Rechtsmittelverfahren unzulässig.

83.      Zweitens ist die Kritik an der Entscheidung des Gerichts, keine Beweiserhebung oder prozessleitende Maßnahmen von Amts wegen anzuordnen, um das tatsächliche Vorliegen hinreichender Indizien für eine Zuwiderhandlung festzustellen, ebenfalls zurückzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache des Gerichts, zu entscheiden, ob die ihm in einer Rechtssache vorliegenden Informationen der Ergänzung bedürfen. Ob Verfahrensunterlagen beweiskräftig sind, unterliegt seiner freien Würdigung des Sachverhalts, die der Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren entzogen ist, sofern nicht dem Gericht vorgelegte Beweismittel verfälscht worden sind oder die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Gerichts sich aus den Akten ergibt(40). Dies gilt erst recht, wenn es um die Anordnung einer Beweiserhebung oder prozessleitender Maßnahmen von Amts wegen geht(41).

84.      Im vorliegenden Fall hatte die Rechtsmittelführerin die Möglichkeit, die Anordnung solcher Maßnahmen zum Zwecke der Feststellung, ob der Kommission hinreichende Indizien vorlagen, zu beantragen. In der „parallelen“ Rechtssache Cementos Portland Valderrivas/Kommission gab das Gericht der Kommission tatsächlich auf ausdrückliches Ersuchen der Klägerin auf, die in ihrem Besitz befindlichen Indizien vorzulegen, damit es sich vergewissern konnte, dass der angefochtene Beschluss nicht willkürlich war(42).

85.      Die Rechtsmittelführerin hat einen solchen Antrag jedoch nicht gestellt. Somit dürfte meines Erachtens kaum zu beanstanden sein, dass das Gericht nach Prüfung der von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Gesichtspunkte allgemeiner Art (einer im Rechtsmittelverfahren nicht überprüfbaren Beurteilung) und mangels eines spezifischen Antrags entschieden hat, dass die Frage keiner weiteren Ermittlung bedürfe(43).

D –    Verhältnismäßigkeit

1.      Vorbringen der Parteien

86.      Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch das Gericht geltend. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin hat das Gericht zum einen verkannt, dass weniger belastende Maßnahmen zur Erreichung des angestrebten Ziels zur Verfügung standen (etwa die Untersuchung eines Wirtschaftszweigs oder ein einfaches Auskunftsverlangen), und zum anderen die der Rechtsmittelführerin durch den angefochtenen Beschluss auferlegte übermäßige und untragbare Belastung nicht beanstandet.

87.      Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall zutreffend beurteilt; der angefochtene Beschluss verstoße nicht gegen diesen Grundsatz.

2.      Würdigung

88.      Dieser Rechtsmittelgrund wirft unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zwei verschiedene Fragen auf. Ich erörtere diese nacheinander.

a)      Wahl des Rechtsinstruments

89.      Der erste Teil dieses Rechtsmittelgrundes wirft im Wesentlichen die Frage auf, ob die Kommission – wie von der Rechtsmittelführerin vorgebracht – gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, indem sie einen verbindlichen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 statt eines einfachen Auskunftsverlangens nach Abs. 2 dieser Bestimmung bzw. der Vornahme einer Untersuchung eines Wirtschaftszweigs nach Art. 17 der Verordnung erließ.

90.      Diese Ansicht überzeugt mich nicht.

91.      Zunächst ist im Hinblick auf Untersuchungen eines Wirtschaftszweigs festzuhalten, dass das Gericht nicht festgestellt hat, dass es der Kommission an hinreichenden Indizien gemangelt habe, um ein Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 übermitteln zu dürfen. Den zu diesem Punkt vorgebrachten Rügen der Rechtsmittelführerin kann aus den oben erläuterten Gründen nicht gefolgt werden(44). Für das Argument, die Kommission hätte eine Untersuchung eines Wirtschaftszweigs nach Art. 17 der Verordnung Nr. 1/2003 einleiten können oder müssen, gibt es daher keine Grundlage.

92.      Wenn der Kommission hinreichende Indizien für das mögliche Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union vorlagen (worüber der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren nicht zu befinden hat), stellt Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 die richtige Rechtsgrundlage für die Ermittlung der Sache dar.

93.      Zweitens möchte ich mit Blick auf einfache Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 auf Folgendes hinweisen. Die meisten der im angefochtenen Beschluss verlangten Informationen bestanden aus Daten, die die Kommission von allen Unternehmen angefordert hatte, die im Verdacht der Teilnahme an der mutmaßlichen Zuwiderhandlung standen, um diese Daten miteinander zu vergleichen. Die Kommission konnte einen sinnvollen Vergleich nur ziehen, wenn die verlangten Informationen etwa zur gleichen Zeit übermittelt wurden und richtig und vollständig waren. Fehler oder Verzögerungen, selbst seitens eines einzigen Adressaten, hätten dazu geführt, dass der von der Kommission beabsichtigte Vergleich nicht durchführbar oder jedenfalls nicht aussagekräftig genug gewesen wäre.

94.      Unter diesen Umständen durfte die Kommission davon ausgehen, dass der Erlass einer verbindlichen Entscheidung nach Art. 18 Abs. 3 die geeignetste Methode war, um sicherzustellen, dass die verlangten Auskünfte so vollständig und zutreffend wie möglich und innerhalb der gewünschten Frist vorgelegt werden würden.

95.      Der erste Teil dieses Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.

b)      Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne

96.      Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass der Gerichtshof mehrfach hervorgehoben hat, dass das Erfordernis, den Einzelnen auch dann vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre seiner privaten Betätigung zu schützen, wenn sie der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln dienen, einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt(45). Insbesondere ist eine Ermittlungsmaßnahme unverhältnismäßig, wenn sie einen übermäßigen und somit untragbaren Eingriff in diese Rechte darstellt(46).

97.      Natürlich gibt es keinen eindeutig festgelegen Prüfungsmaßstab dafür, ob ein konkretes, an ein bestimmtes Unternehmen gerichtetes Auskunftsverlangen übermäßig ist oder nicht. Diese Frage lässt sich nur anhand einer Einzelfallprüfung beantworten, die alle maßgebenden Umstände berücksichtigt.

98.      Zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines konkreten Auskunftsverlangens sind insbesondere zwei Elemente gegeneinander abzuwägen. Auf der einen Seite der Abwägung steht das öffentliche Interesse, das die Untersuchung der Kommission rechtfertigt, und die Notwendigkeit, dass dieses Organ Informationen erhält, die es ihm ermöglichen, die ihm durch den Vertrag übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Je stärker eine mutmaßliche Zuwiderhandlung den Wettbewerb schädigt, umso eher sollte die Kommission von einem Unternehmen Bemühungen dahin erwarten dürfen, in Erfüllung seiner Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung die verlangen Auskünfte zu erteilen. Auf der anderen Seite der Abwägung steht der Arbeitsaufwand, der einem Unternehmen durch ein Auskunftsverlangen entsteht. Je größer der entstehende Arbeitsaufwand ist, der die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter des Unternehmens von ihren normalen betrieblichen Aufgaben ablenkt und zusätzliche Kosten verursacht, umso eher kann das Auskunftsverlangen als übermäßig anzusehen sein.

99.      Im vorliegenden Fall trägt die Kommission vor, dass das mutmaßliche Verhalten der Rechtsmittelführerin eine sehr schwere Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union darstelle. Trotz der wenigen Angaben, die der angefochtene Beschluss oder der Beschluss über die Einleitung des Verfahrens hierzu enthält, kann der Ansicht der Kommission wahrscheinlich zugestimmt werden, dass die Folgen der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen für die europäischen Verbraucher im Fall ihres Nachweises besonders schwer sein könnten(47).

100. Ungeachtet dessen erscheint der Arbeitsaufwand, der der Rechtsmittelführerin durch den angefochtenen Beschluss (den das angefochtene Urteil als mit „ganz erheblichem Arbeitsaufwand“ verbunden beschreibt(48)) entstand, übermäßig und unangemessen belastend.

101. Es ist nicht ernsthaft zu bestreiten, dass der angefochtene Beschluss die Vorlage einer außerordentlichen Menge von Daten erforderte, die nahezu alle wirtschaftlichen Tätigkeiten der Rechtsmittelführerin in zwölf Mitgliedstaaten über ein Jahrzehnt abdeckte.

102. Ferner entstand der Rechtsmittelführerin allein durch die Zusammenstellung eines Teils der von der Kommission gestellten Fragen ein erheblicher Arbeitsaufwand; sie musste insoweit nahezu alle wirtschaftlichen Vorgänge prüfen, die von mehreren, zu ihrer Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften in den letzten zehn Jahren abgeschlossen wurden, um die verlangten Daten zu extrapolieren und zu konsolidieren.

103. Ein weiterer Grund für den durch den angefochtenen Beschluss entstandenen erheblichen Arbeitsaufwand liegt in dem von der Kommission für die Erteilung der verlangten Auskünfte vorgegebenen Format. Dass ein Auskunftsverlangen die Vorlage einer sehr großen Menge von Informationen erfordert, kann im digitalen Zeitalter nämlich häufig von zweitrangiger Bedeutung sein. In vielen Fällen wird der durch ein Auskunftsverlangen entstehende Arbeitsaufwand vor allem davon abhängen, wie der Adressat dieses Auskunftsverlangens die Auskünfte nach den Vorgaben der Kommission zu erteilen hat. Mit anderen Worten kann es häufig das von der Kommission für die verlangten Auskünfte vorgegebene Format sein, das für ein Unternehmen den größten Arbeitsaufwand nach sich zieht.

104. Hierzu ist festzustellen, dass Anhang II (spezifische Anweisungen zur Beantwortung des Fragebogens) und Anhang III (Antwortvorlagen) des angefochtenen Beschlusses zusammen fast 30 Seiten von äußerster Komplexität umfassen. Das vorgegebene Format war in höchstem Maße anspruchsvoll, und die Anweisungen waren außerordentlich detailliert.

105. Bezüglich des strikten Charakters der Vorlagen ist hervorzuheben, dass die vollständige Einhaltung des geforderten Formats durch ausdrückliche Androhung von Sanktionen gewährleistet wurde. In dem eingerahmten Textfeld zu Beginn des Fragebogens schreibt die Kommission (in fetter und unterstrichener Schrift): „Beachten Sie bitte, dass Ihre Antwort als unzutreffend/irreführend bewertet werden könnte, wenn Sie diese Begriffsbestimmungen und Anweisungen nicht berücksichtigen.“

106. Hinsichtlich der außergewöhnlichen Detailliertheit der Anweisungen ist allein schon auf die übergenauen Vorschriften über die Antworten zu verweisen, die die Kommission in Form einer Excel-Datei verlangte. Die Rechtsmittelführerin durfte nur die in Anhang III enthaltenen Vorlagen verwenden und musste die Anweisungen u. a. zur Zahl der vorzulegenden Dateien, zur Zahl der Arbeitsblätter pro Datei, zum Namen jedes Arbeitsblatts, zu den zu verwendenden Abkürzungen, zu Namen und Nummern von Spalten oder Zeilen, zum Datumsformat und zur Verwendung von Leerzeichen, Sonderzeichen oder Symbolen streng befolgen(49).

107. Ferner erhöhten die zahlreichen und fast kryptischen Codes, die der Adressat des Beschlusses – wie von der Kommission betont, „einheitlich“ und in „allen Antworten auf den Fragebogen“(50) – zu verwenden hatte, eindeutig weder die Lesbarkeit und Anwenderfreundlichkeit des angefochtenen Beschlusses, noch erleichterten sie dem Unternehmen die Aufgabe, die Antworten zusammenzustellen.

108. Es kann sicherlich festgehalten werden, dass das fragliche Format selbst einem erfahrenen Kaufmann auf den ersten Blick als ein Kopfzerbrechen bereitendes Rätsel erscheinen würde.

109. Wie in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission näher ausgeführt, kann der Begriff „Auskünfte“ im Sinne von Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht dahin ausgelegt werden, dass er der Kommission gestattet, Unternehmen zu verpflichten, die verlangten Auskünfte in einem bestimmten Format zu erteilen. Adressaten von Auskunftsverlangen sind selbstverständlich verpflichtet, auf ein Auskunftsverlangen durch Erteilung von Auskünften zu antworten, die nicht nur zutreffend und vollständig, sondern auch genau und eindeutig sind. Ferner kann von ihnen, soweit sie Informationen in eine bestimmte Form bringen müssen, um eine sachdienliche Antwort zu geben, aufgrund ihrer Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung auch erwartet werden, das von der Kommission verlangte Format zu berücksichtigen. Jedoch kann die Kommission Unternehmen nicht zur Wahrnehmung derart weitreichender, komplexer und zeitaufwendiger büro- und verwaltungstechnischer Aufgaben bei der Vorlage der verlangten Auskünfte verpflichten, dass die Sachbearbeitung und Vorbereitung eines Tatvorwurfs gegen diese Unternehmen in Wirklichkeit an sie „ausgelagert“ erscheint. Es ist schließlich Sache der Kommission, eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union nachzuweisen(51).

110. Abgesehen davon dürfte unabhängig von einem möglichen Verstoß gegen Art. 18 (den die Rechtsmittelführerin nicht geltend macht) das durch den angefochtenen Beschluss vorgegebene Format meines Erachtens eindeutig zu einem ganz erheblichen Arbeitsaufwand für die Rechtsmittelführerin geführt haben. Dies ist umso weniger hinnehmbar, als die von der Kommission verlangten Formatierungsarbeiten häufig Daten betrafen, die der Kommission bereits vorlagen oder öffentlich zugänglich waren.

111. Hinsichtlich des ersten Punkts darf nicht übersehen werden, dass der angefochtene Beschluss erging, nachdem andere besonders belastende Auskunftsverlangen (die die Form einfacher Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 hatten) von Italcementi beantwortet worden waren. Diese vorangegangenen Auskunftsverlangen betrafen weitgehend dieselben Arten von Auskünften, mit einigen Abweichungen in Details oder einem anderem Format.

112. Somit verpflichtete der angefochtene Beschluss den Adressaten – aufgrund des für die Erteilung der Auskünfte verlangten Formats – zu zusätzlichen Bemühungen für eine bloße Umformatierung von Daten, die der Kommission bereits vorgelegt worden waren. Für ein solches Auskunftsverlangen kann ich keine Rechtfertigung erkennen. Unter diesen Umständen könnte die von der Kommission verlangte Umformatierung einer sehr großen Menge von Daten in analoger Weise mit einer verlangten Übersetzung zahlreicher und umfangreicher, im Besitz eines Unternehmens befindlicher Schriftstücke in eine andere Sprache vergleichbar sein. Der Umstand, dass die Mitarbeiter der Kommission möglicherweise nicht über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen, könnte eine solche Vorgabe meines Erachtens nicht rechtfertigen.

113. Hätte die Kommission ihre Fragen in ihren Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 so verfasst, wie sie im angefochtenen Beschluss formuliert wurden, oder später lediglich die Erteilung der zusätzlich verlangten Auskünfte zugelassen, wäre der Rechtsmittelführerin Arbeit in erheblichem Umfang erspart worden.

114. Hinsichtlich des zweiten Punkts verlangte der angefochtene Beschluss von der Rechtsmittelführerin, Informationen in eine bestimmte Form zu bringen, die öffentlich zugänglich waren. So heißt es z. B. in Ziff. 10 des Anhangs II des angefochtenen Beschlusses: „Alle Beträge sollten in EUR ausgedrückt werden. Wenn … Beträge in lokalen Währungen (d. h. nicht in EUR) angegeben werden, gehen Sie bei Umrechnungen bitte vom offiziellen Wechselkurs aus, den die Europäische Zentralbank (EZB) für den relevanten Zeitraum veröffentlicht hat.“ Es ist unklar, warum diese Berechnungen nicht von eigenen Mitarbeitern der Kommission vorgenommen werden konnten(52).

115. Aus allen diesen Gründen macht die Rechtsmittelführerin meines Erachtens zu Recht geltend, dass der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieß. Demzufolge ist dem zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes stattzugeben und das angefochtene Urteil folglich aufzuheben.

E –    Anspruch auf rechtliches Gehör

1.      Vorbringen der Parteien

116. Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht Italmobiliare geltend, dass das angefochtene Urteil auf die von ihr gerügte Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht hinreichend eingegangen sei.

117. Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

2.      Würdigung

118. Ich bin mit der Kommission der Ansicht, dass dieser Rechtsmittelgrund unbegründet ist.

119. Weder in der Verordnung Nr. 1/2003 noch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist ein Anspruch auf rechtliches Gehör vor dem Erlass von Ermittlungsmaßnahmen, wie an die betroffenen Unternehmen gerichtete Auskunftsverlangen, anerkannt(53).

120. Entscheidet die Kommission in bestimmten Fällen, die Unternehmen vor dem Erlass einer solchen Maßnahme anzuhören(54), geschieht dies aus eigener Initiative und im eigenen Interesse der Kommission. Aus einer solchen Anhörung können Unternehmen keinen spezifischen Anspruch ableiten, außer vielleicht darauf, dass die von ihnen gegebenenfalls bei der Beantwortung abgegebenen Stellungnahmen von der Kommission gebührend berücksichtigt werden(55).

121. Demnach kann die Rechtsmittelführerin nicht beanstanden, dass Italcementi zwar am 4. November 2010 vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses zu dem Fragebogenentwurf angehört worden, die gesetzte Frist für die Vorlage ihrer Stellungnahme jedoch zu kurz gewesen sei, oder dass die Kommission schließlich einen Beschluss mit einem Fragebogen erlassen habe, der zum Teil von demjenigen abwich, der als Entwurfsfassung übermittelt worden war.

122. Der fünfte Rechtsmittelgrund ist folglich zurückzuweisen.

VI – Folgen der Würdigung

123. Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif, so kann ihn der Gerichtshof selbst endgültig entscheiden. Er kann die Sache auch an das Gericht zurückverweisen.

124. Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass drei der fünf von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Rechtsmittelgründen vollständig oder teilweise stattzugeben und das angefochtene Urteil folglich aufzuheben ist.

125. Angesichts des bekannten Sachverhalts und des Vortrags der Parteien vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof ist der Gerichtshof meines Erachtens in der Lage, die Rechtssache selbst endgültig zu entscheiden, ohne dass es, wie von der Rechtsmittelführerin beantragt, der Anordnung prozessleitender Maßnahmen bedarf.

126. In ihrer Klageschrift hat Italmobiliare fünf Klagegründe für ihren Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses geltend gemacht.

127. Aufgrund der vorstehend entwickelten Erwägungen war der angefochtene Beschluss meines Erachtens aus drei wesentlichen Gründen rechtswidrig: Er war zu Unrecht an Italmobiliare gerichtet (siehe Nrn. 23 bis 52 der vorliegenden Schlussanträge), er war im Hinblick auf den Zweck des Auskunftsverlangens unzureichend begründet (siehe Nrn. 55 bis 77 der vorliegenden Schlussanträge), und er erfüllte nicht die Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit (siehe Nrn. 96 bis 115 der vorliegenden Schlussanträge). Jeder dieser Rechtsfehler für sich allein bildet eine hinreichende Grundlage für die Nichtigerklärung des Beschlusses in seiner Gesamtheit. Folglich bedarf es meines Erachtens keiner Prüfung der Begründetheit der anderen von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Klagegründe.

VII – Kosten

128. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

129. Sollte der Gerichtshof mit meiner Würdigung des Rechtsmittels übereinstimmen, sind der Kommission nach den Art. 137, 138 und 184 der Verfahrensordnung die Kosten sowohl des erstinstanzlichen als auch des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

VIII – Ergebnis

130. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        das Urteil des Gerichts vom 14. März 2014, Italmobiliare/Kommission, T‑305/11, aufzuheben;

–        den Beschluss K(2011) 2364 endg. der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte) für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).


3 – HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P), Schwenk Zement/Kommission (C‑248/14 P) und Buzzi Unicem/Kommission (C‑267/14 P).


4 –      Verordnung der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission (ABl. L 123, S. 18).


5 – EU:T:2014:126.


6 – C‑247/14 P, Nrn. 22 bis 27.


7 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Buzzi Unicem/Kommission (C‑267/14 P, Nrn. 120 bis 125).


8 – Vgl. u. a. Urteil HGA u. a./Kommission (C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387, Rn. 132 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nrn. 22 und 24).


10 – Vgl. in diesem Sinne Urteile ABNA u. a. (C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, EU:C:2005:741, Rn. 68), S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, EU:C:2009:430, Rn. 41) und Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 51).


11 – Vgl. u. a. Urteil Fédesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 13).


12 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Roquette Frères (C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 76 und 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).


13 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Gondrand und Garancini (169/80, EU:C:1981:171, Rn. 17) und Van Es Douane Agenten (C‑143/93, EU:C:1996:45, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14 – Vgl. Urteil Ziegler/Kommission (C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 154 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nrn. 98 bis 112).


16 – Siehe hierzu unten, Nrn. 70 bis 71 der vorliegenden Schlussanträge.


17 – Vgl. Rn. 107 des angefochtenen Urteils.


18 – Vgl. Rn. 106 und 109 des angefochtenen Urteils.


19 – Vgl. Rn. 115 bis 117 des angefochtenen Urteils.


20 – Vgl. hierzu meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nr. 121).


21 – Siehe insbesondere Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. L 24, S. 1).


22 – Siehe unten, Nr. 105 der vorliegenden Schlussanträge.


23 – Siehe unten, Nrn. 55 bis 77 der vorliegenden Schlussanträge.


24 – Vgl. Urteil Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 31 und 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25 – Ebd., Rn. 34 bis 37 und die dort angeführte Rechtsprechung.


26 – Nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 muss die Entscheidung „die Rechtsgrundlage, den Zweck des Auskunftsverlangens und die benötigten Auskünfte an[geben] [und] … die Frist für die Übermittlung der Auskünfte fest[legen]“. Nach Art. 20 Abs. 3 derselben Verordnung muss die Entscheidung „den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung [bezeichnen] [und] den Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung [bestimmen]“.


27 – Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:223, Nrn. 35 bis 38).


28 – Rn. 67 und 68 des angefochtenen Urteils.


29 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache BPB Industries und British Gypsum/Kommission (C‑310/93 P, EU:C:1994:408, Nr. 22).


30 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache SITPA (C‑27/90, EU:C:1990:407, Nr. 59).


31 – Vgl. die in Nr. 55 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung. Vgl. ferner Urteil Acciaierie e ferriere Lucchini/Kommission (1252/79, EU:C:1980:288, Rn. 14) und Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Kommission/max.mobil (C‑141/02 P, EU:C:2004:646, Nr. 97).


32 – Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:223, Nr. 52).


33 – Eingehender hierzu meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nrn. 46 und 47).


34 – Wie etwa Frage 1D. Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nr. 161).


35 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nrn. 138 bis 146).


36 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nrn. 149 bis 168).


37 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nr. 50).


38 – Vgl. C‑247/14 P, Nrn. 52 bis 54.


39 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache SEP/Kommission (C‑36/92 P, EU:C:1993:928, Nr. 30).


40 – Vgl. Urteil Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission (C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 163 und die dort angeführte Rechtsprechung).


41 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Chalkor/Kommission (C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 65 und 66).


42 – T‑296/11, EU:T:2014:121, Rn. 41 bis 56.


43 – Rn. 79 des angefochtenen Urteils.


44 – Siehe oben, Nrn. 81 bis 85 der vorliegenden Schlussanträge.


45 – Vgl. Urteile Hoechst/Kommission (46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 19) und Roquette Frères (C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 27, 50 und 52).


46 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Roquette Frères (C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 76 und 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47 – Zu berücksichtigen sind meines Erachtens u. a. die Zahl der beteiligten Unternehmen, der räumliche Umfang der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen und die in den vermuteten Vereinbarungen enthaltenen Kernbeschränkungen.


48 – Rn. 98 und 101 des angefochtenen Urteils.


49 – Vgl. Ziff. 2, 6, 7, 8, 9, 13, 14 und 15 in Anhang III. Zu ähnlich komplexen Anweisungen vgl. u. a. auch Frage 1A und Frage 2 in Anhang I.


50 – Vgl. Ziff. 16 und 17 des Anhangs II.


51 – Vgl. Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003.


52 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache HeidelbergCement/Kommission (C‑247/14 P, Nr. 120).


53 – Vgl. entsprechend Urteil National Panasonic/Kommission (136/79, EU:C:1980:169, Rn. 21).


54 – Wie von ihr z. B. in Abschnitt 3.4.3 ihrer Best Practices for the submission of economic evidence and data collection in cases concerning the application of Article 101 and 102 and in merger cases (Staff working paper) (Bewährte Vorgehensweisen für die Vorlage wirtschaftlichen Beweismaterials und die Datenerhebung in Verfahren nach den Art. 101 AEUV und 102 AEUV und in Fällen von Zusammenschlüssen [Arbeitspapier]), „soweit angemessen und nützlich“, beabsichtigt (auf der Website der GD Wettbewerb der Europäischen Kommission veröffentlichtes Dokument).


55 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Buzzi Unicem/Kommission (C‑267/14 P, Nrn. 120 bis 125).

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