Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-297/14

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

23. Dezember 2015 ( * )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen — Verordnung (EG) Nr. 44/2001 — Gerichtliche Zuständigkeit für Verbraucherverträge — Art. 15 Abs. 1 Buchst. c und Art. 16 Abs. 1 — Begriff der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, die ‚auf‘ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ‚ausgerichtet ist‘ — Geschäftsbesorgungsvertrag zur Verwirklichung des wirtschaftlichen Erfolgs, der mit einem zuvor in Ausübung einer ‚auf‘ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ‚ausgerichteten‘ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossenen Maklervertrag angestrebt wird — Enge Verbindung“

In der Rechtssache C‑297/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juni 2014, in dem Verfahren

Rüdiger Hobohm

gegen

Benedikt Kampik Ltd & Co. KG,

Benedikt Aloysius Kampik,

Mar Mediterraneo Werbe- und Vertriebsgesellschaft für Immobilien SL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterinnen A. Prechal und K. Jürimäe,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,

der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. Fonseca Santos als Bevollmächtigte,

der schweizerischen Regierung, vertreten durch M. Jametti als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A.‑M. Rouchaud-Joët und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2015

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 der Verordnung.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Hobohm, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, auf der einen Seite und der Benedikt Kampik Ltd & Co. KG, Herrn Kampik und der Mar Mediterraneo Werbe- und Vertriebsgesellschaft für Immobilien SL, die alle in Spanien ansässig sind, auf der anderen Seite über die Rückzahlung von Geldern, die Herr Hobohm Herrn Kampik überlassen hatte.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 44/2001

3

Die Verordnung Nr. 44/2001 dient laut ihrem zweiten Erwägungsgrund im Interesse des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts dazu, „Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil‑ und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen“.

4

In den Erwägungsgründen 11 bis 13, 15 und 19 dieser Verordnung heißt es:

„(11)

Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(12)

Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.

(13)

Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

(15)

Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. …

(19)

Um die Kontinuität zwischen dem [Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32, im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen)] und dieser Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen [Union]. …“

5

Die mit dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften stehen in ihrem Kapitel II. Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften“) dieses Kapitels umfasst u. a. die Art. 2 und 3, während Abschnitt 4 dieses Kapitels die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen betrifft und die Art. 15 bis 17 umfasst.

6

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt, dass „[v]orbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung … Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen [sind]“.

7

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung lautet:

„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.“

8

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung bestimmt:

„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

c)

in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.“

9

Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

10

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Herr Kampik, der in Spanien beruflich tätig ist, im Laufe des Jahres 2005 den Erwerb einer Eigentumswohnung in einer von einem deutschen Bauträger in Denia (Spanien) noch zu errichtenden Ferienanlage zwischen Herrn Hobohm und der Kampik Immobilien KG vermittelte (im Folgenden: Maklervertrag).

11

Die zu dieser Ferienanlage gehörenden Wohnungen wurden u. a. in Deutschland mit einem deutschsprachigen Prospekt vertrieben.

12

Am 17. Juni 2006 schlossen der Bauträger der Ferienanlage als Verkäufer und Herr Hobohm sowie seine Ehefrau (im Folgenden: Eheleute Hobohm) als Käufer den mit dem Maklervertrag in Aussicht genommenen Kaufvertrag über die in Denia gelegene Wohnung (im Folgenden: Kaufvertrag).

13

Nachdem die Eheleute Hobohm die ersten beiden Kaufpreisraten ihrer Wohnung in Höhe von insgesamt 62 490 Euro entrichtet hatten, geriet der Bauträger 2008 in finanzielle Schwierigkeiten, die die Fertigstellung der Ferienanlage gefährdeten.

14

Daraufhin bot Herr Kampik Herrn Hobohm an, sich um die Herstellung der Bezugsfertigkeit der Wohnung zu kümmern. Die Eheleute Hobohm begaben sich nach Spanien und unterzeichneten dort eine notarielle Vollmacht, durch die Herr Kampik mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in Bezug auf den Kaufvertrag betraut wurde (im Folgenden: Geschäftsbesorgungsvertrag).

15

Herr Hobohm übergab Herrn Kampik einen Inhaberscheck über 27 647 Euro als Teilbetrag der dritten Kaufpreisrate für die Wohnung. Herr Kampik ließ diesen Scheck auf das Konto der Mar Mediterraneo Werbe‑ und Vertriebsgesellschaft für Immobilien SL einziehen. 2009 überwies Herr Hobohm Herrn Kampik einen zusätzlichen Betrag von 1448,72 Euro.

16

Da es zwischen den Parteien des Geschäftsbesorgungsvertrags nach der Insolvenz des Bauträgers zu Unstimmigkeiten gekommen war, widerriefen die Eheleute Hobohm die Vollmacht, die sie Herrn Kampik erteilt hatten.

17

In der Folge erhob Herr Hobohm beim Landgericht Stade, in dessen Bezirk sein Wohnsitz liegt, Klage auf Rückzahlung der Beträge, die er Herrn Kampik gezahlt hatte. Das Landgericht wies seine Klage mit Entscheidung vom 21. September 2011 wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig ab.

18

Die von Herrn Hobohm beim Oberlandesgericht Celle gegen die Entscheidung des Landgerichts Stade eingelegte Berufung wurde mit Entscheidung vom 18. Juli 2012 zurückgewiesen. Das Berufungsgericht schloss insoweit die Anwendbarkeit von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 und damit die Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzes von Herrn Hobohm mit der Begründung aus, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht unmittelbar auf die Immobilienvermittlungstätigkeit zurückgeführt werden könne, die Herr Kampik im Sinne dieser Bestimmung „auf“ Deutschland „ausgerichtet“ habe.

19

Herr Hobohm hat gegen diese Berufungsentscheidung beim vorlegenden Gericht Revision eingelegt. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts war die in Spanien von Herrn Hobohm ausgeübte Immobilienvermittlungstätigkeit im Sinne dieser Bestimmung „auf“ Deutschland „ausgerichtet“, da im vorliegenden Fall bestimmte der vom Gerichtshof in seinem Urteil Pammer und Hotel Alpenhof (C‑585/08 und C‑144/09, EU:C:2010:740) angenommenen Indizien für eine „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichtete“ Tätigkeit vorlägen, nämlich u. a. der Umstand, dass erstens Herr Kampik seine Dienste im Internet unter der Domänenkennung „.com“ in deutscher Sprache angeboten habe, zweitens auf dieser Website als Kontaktmöglichkeit eine E-Mail-Anschrift auf einem Server mit der Domänenkennung „.de“ angegeben gewesen sei, drittens das Backoffice von Herrn Kampik über eine Berliner Telefonnummer erreichbar gewesen sei und viertens Herr Kampik sich für seine Tätigkeit deutschsprachiger Prospekte bedient habe. Der Maklervertrag erfülle daher die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001, da er in Ausübung der „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat von Herrn Hobohm „ausgerichteten“ Tätigkeit von Herrn Kampik geschlossen worden sei. Demgegenüber erfülle der Geschäftsbesorgungsvertrag, aus dem Herr Hobohm seine Ansprüche herleite, bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung, da er nicht in den Bereich einer solchen Tätigkeit falle.

20

Jedoch bestehe zwischen der von Herrn Kampik „auf“ Deutschland „ausgerichteten“ Immobilienvermittlungstätigkeit und dem Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrags ein maßgebender inhaltlicher Zusammenhang. Diese Tätigkeit habe 2005 und 2006 nämlich zum Abschluss des Maklervertrags und des Kaufvertrags durch die Eheleute Hobohm geführt. Ohne diese Verträge wäre es auch nicht zum Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrags gekommen, der der Klageforderung von Herr Hobohm zugrunde liege und der zur Lösung der Probleme bei der Abwicklung des Kaufvertrags habe dienen sollen. Auch wenn die den Parteien aufgrund des Maklervertrags obliegenden Pflichten durch den Abschluss des Kaufvertrags erfüllt worden seien, sei das wirtschaftliche Ziel des Maklervertrags, das darin bestanden habe, dass die Eheleute Hobohm die aufgrund der Vermittlung verkaufte Wohnung tatsächlich hätten nutzen können, jedoch nicht erreicht worden.

21

Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Kann ein Verbraucher gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, 2. Alt., in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1, 2. Alt., der Verordnung Nr. 44/2001 vor dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Wohnsitz hat, Klage gegen seinen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübenden Vertragspartner erheben, wenn zwar der der Klage zugrunde liegende Vertrag nicht unmittelbar in den Bereich einer solchen Tätigkeit des Vertragspartners fällt, die auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist, der Vertrag jedoch der Verwirklichung des wirtschaftlichen Erfolgs dient, der mit einem zwischen den Parteien zuvor geschlossenen und bereits abgewickelten anderen, vom Anwendungsbereich der eingangs zitierten Bestimmungen erfassten Vertrag angestrebt wird?

Zur Vorlagefrage

22

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001, soweit er sich auf einen Vertrag bezieht, der in dem Bereich einer von einem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen wurde, in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 der Verordnung dahin auszulegen ist, dass er auf einen zwischen einem Verbraucher und einem beruflich oder gewerblich Handelnden geschlossenen Vertrag Anwendung finden kann, der als solcher nicht in den Bereich der von dem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit fällt, aber eine Verbindung zu einem anderen Vertrag aufweist, der zuvor zwischen denselben Parteien im Bereich einer solchen Tätigkeit geschlossen wurde.

23

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass der in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehene Gerichtsstand des Wohnsitzes des Verbrauchers nur gegeben ist, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung vorliegen.

24

Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass für die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Erstens muss ein Vertragspartner die Eigenschaft eines Verbrauchers haben, der in einem Rahmen handelt, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, zweitens muss ein Vertrag zwischen diesem Verbraucher und einem beruflich oder gewerblich Handelnden tatsächlich geschlossen worden sein, und drittens muss dieser Vertrag zu einer der Kategorien von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis c gehören. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, so dass, wenn es an einer der drei Voraussetzungen fehlt, die Zuständigkeit nicht nach den Regeln über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen bestimmt werden kann (Urteil Kolassa, C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannte erste Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, da die Eheleute Hobohm nicht zu einem Zweck gehandelt haben, der als zu ihren beruflichen oder gewerblichen Tätigkeiten gehörend angesehen werden kann, sondern in ihrer Eigenschaft als private Endverbraucher (vgl. in diesem Sinne Urteil Vapenik, C‑508/12, EU:C:2013:790, Rn. 28).

26

Hinsichtlich der zweiten dieser Voraussetzungen steht fest, dass die Eheleute Hobohm und Herr Kampik im Laufe des Jahres 2008 den Geschäftsbesorgungsvertrag tatsächlich abgeschlossen haben.

27

Hinsichtlich der dritten Voraussetzung ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001, dass zwei Umstände vorliegen müssen, damit der in Rede stehende Vertrag in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen unter diese Bestimmung fallen kann. So ist zum einen erforderlich, dass der beruflich oder gewerblich Handelnde seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausübt oder diese Tätigkeit auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten einschließlich dieses Mitgliedstaats ausrichtet, und zum anderen, dass der in Rede stehende Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Dabei betrifft die Fragestellung des vorlegenden Gerichts den Teil dieser Bestimmung, der sich auf einen Vertragsschluss im Bereich einer von einem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit bezieht.

28

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass in dem Streitfall des Ausgangsverfahren zwar der Maklervertrag in den Bereich der von Herrn Kampik „auf“ Deutschland „ausgerichteten“ Immobilienvermittlungstätigkeit fiel, aber bei isolierter Betrachtung nicht der Geschäftsbesorgungsvertrag. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts besteht jedoch zwischen dem Maklervertrag und dem Geschäftsbesorgungsvertrag eine sich aus demselben wirtschaftlichen Ziel beider Verträge ergebende Verbindung, die es rechtfertige, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag ebenso wie der Maklervertrag dennoch in den Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 falle.

29

Daher ist im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 und auf die mit dieser Verordnung verfolgten Ziele zu prüfen, ob das Vorliegen einer Verbindung zwischen Verträgen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen die Annahme zulässt, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag in den Bereich der von Herrn Kampik „auf“ Deutschland „ausgerichteten“ Tätigkeit fällt, und falls ja, welcher Art eine solche Verbindung sein muss.

30

Wie sich aus den Erwägungsgründen 11, 13 und 15 der Verordnung Nr. 44/2001 ergibt, gehören zu diesen Zielen u. a. die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften, der Verbraucherschutz und so weit wie möglich die Vermeidung von Parallelverfahren, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen.

31

Hinsichtlich des Verbraucherschutzes lässt sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der durch das Brüsseler Übereinkommen geschaffenen Sonderregelung, die sich auf die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001 übertragen lässt, entnehmen, dass diese Regelung die Funktion hat, für einen angemessenen Schutz des Verbrauchers als des Vertragspartners zu sorgen, der gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten als wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren angesehen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Česká spořitelna, C‑419/11, EU:C:2013:165, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Kolassa, C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Es ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 eine Abweichung sowohl von der allgemeinen Zuständigkeitsregel des Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung, nach der die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, als auch von der besonderen Zuständigkeitsregel ihres Art. 5 Nr. 1 für Verträge oder Ansprüche aus Verträgen enthält, nach der das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Somit ist diese Bestimmung zwangsläufig eng auszulegen (Urteil Kolassa, C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich ferner, dass, auch wenn Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 dem Verbraucherschutz dient, dies nicht impliziert, dass dieser Schutz absolut ist (vgl. Urteil Mühlleitner, C‑190/11, EU:C:2012:542, Rn. 33).

33

Im Licht der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils genannten Ziele und unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters des in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehenen Gerichtsstands des Wohnsitzes des Verbrauchers ist festzustellen, dass Art. 15 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung auf einen Vertrag wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Geschäftsbesorgungsvertrag Anwendung finden kann, sofern dieser Vertrag eine enge Verbindung zu einem Vertrag wie dem Maklervertrag aufweist.

34

Für die Prüfung der Frage, ob hier Umstände, die eine solche enge Verbindung begründen, gegeben waren, lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass der mit dem Maklervertrag angestrebte wirtschaftliche Erfolg, nämlich den Eheleuten Hobohm den tatsächlichen Besitz an der Wohnung zu verschaffen, die sie infolge der von Herrn Kampik „auf“ ihren Wohnsitzmitgliedstaat „ausgerichteten“ Immobilienvermittlungstätigkeit erworben hatten, infolge der Insolvenz des Bauträgers nicht erreicht werden konnte. Gerade um dieser Situation des Ausbleibens des angestrebten wirtschaftlichen Erfolgs abzuhelfen und um den Eheleuten Hobohm als Verbrauchern zu der Leistung zu verhelfen, die Gegenstand dieser Vermittlungstätigkeit gewesen war, schlug ihnen der beruflich oder gewerblich Handelnde, Herr Kampik, den Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrags vor. Der Zweck des Geschäftsbesorgungsvertrags bestand somit darin, den mit dem Maklervertrag angestrebten konkreten wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen.

35

Daraus folgt, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag, auch wenn er als solcher nicht in den Bereich der von dem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit fällt, dennoch in unmittelbarer Fortsetzung dieser Tätigkeit geschlossen wurde und den Maklervertrag dadurch ergänzte, dass er der Verwirklichung des mit Letzterem angestrebten wirtschaftlichen Erfolgs dienen sollte.

36

Daher ist, auch wenn der Maklervertrag und der Geschäftsbesorgungsvertrag rechtlich nicht miteinander verknüpft sind, dennoch festzustellen, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Vertrag eine wirtschaftliche Verbindung besteht. Diese Verbindung besteht in der Verwirklichung des mit dem Maklervertrag angestrebten wirtschaftlichen Erfolgs, nämlich der tatsächlichen Nutzung der Wohnung, deren Fertigstellung infolge der Insolvenz des Bauträgers gefährdet war. Ohne die mit dem Geschäftsbesorgungsvertrag von den Parteien vereinbarten Arbeiten zur Herstellung der Bezugsfertigkeit wäre diese tatsächliche Nutzung nämlich nicht möglich gewesen.

37

Bei der im Rahmen seiner Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen der Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen wurde, vorzunehmenden Prüfung, ob eine enge Verbindung zwischen dem Maklervertrag und dem Geschäftsbesorgungsvertrag besteht, hat das nationale Gericht die eine solche Verbindung begründenden Umstände zu berücksichtigen, so insbesondere die rechtliche oder tatsächliche Identität der Parteien dieser beiden Verträge, die Identität des wirtschaftlichen Erfolgs, der mit den Verträgen angestrebt wird, die denselben konkreten Gegenstand betreffen, und den ergänzenden Charakter des Geschäftsbesorgungsvertrags im Verhältnis zu dem Maklervertrag, da er der Verwirklichung des mit dem Maklervertrag angestrebten wirtschaftlichen Erfolgs dienen sollte.

38

Diese Umstände sind vom nationalen Gericht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, ob Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 auf den Geschäftsbesorgungsvertrag anwendbar ist (vgl. entsprechend Urteil Emrek, C‑218/12, EU:C:2013:666, Rn. 31).

39

Im Übrigen ist zu der im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 genannten Garantie der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften festzustellen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Verbrauchers für einen Rechtsstreit über einen Maklervertrag gegeben ist, der zu der von dem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat dieses Verbrauchers „ausgerichteten“ Tätigkeit gehört. Wenn der beruflich oder gewerblich Handelnde diesem Verbraucher anschließend den Abschluss eines Vertrags vorschlägt, durch den das mit dem ersten Vertrag angestrebte wesentliche Ziel erreicht werden soll, und gegebenenfalls diesen Vertrag auch abschließt, so kann sich dieser beruflich oder gewerblich Handelnde vernünftigerweise darauf einstellen, dass für beide Verträge dieselbe gerichtliche Zuständigkeitsregelung gilt.

40

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001, soweit er sich auf einen Vertrag bezieht, der in dem Bereich einer von einem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen wurde, in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 der Verordnung dahin auszulegen ist, dass er auf einen zwischen einem Verbraucher und einem beruflich oder gewerblich Handelnden geschlossenen Vertrag Anwendung finden kann, der als solcher nicht in den Bereich der von dem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit fällt, aber eine enge Verbindung zu einem anderen Vertrag aufweist, der zuvor zwischen denselben Parteien im Bereich einer solchen Tätigkeit geschlossen wurde. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die eine solche Verbindung begründenden Umstände, insbesondere die rechtliche oder tatsächliche Identität der Parteien der beiden Verträge, die Identität des wirtschaftlichen Erfolgs, der mit den Verträgen angestrebt wird, die denselben konkreten Gegenstand betreffen, und der ergänzende Charakter des zweiten Vertrags im Verhältnis zu dem ersten Vertrag, da er der Verwirklichung des mit dem ersten Vertrag angestrebten wirtschaftlichen Erfolgs dienen soll, gegeben sind.

Kosten

41

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen, soweit er sich auf einen Vertrag bezieht, der in dem Bereich einer von einem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen wurde, in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 der Verordnung ist dahin auszulegen, dass er auf einen zwischen einem Verbraucher und einem beruflich oder gewerblich Handelnden geschlossenen Vertrag Anwendung finden kann, der als solcher nicht in den Bereich der von dem beruflich oder gewerblich Handelnden „auf“ den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit fällt, aber eine enge Verbindung zu einem anderen Vertrag aufweist, der zuvor zwischen denselben Parteien im Bereich einer solchen Tätigkeit geschlossen wurde. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die eine solche Verbindung begründenden Umstände, insbesondere die rechtliche oder tatsächliche Identität der Parteien der beiden Verträge, die Identität des wirtschaftlichen Erfolgs, der mit den Verträgen angestrebt wird, die denselben konkreten Gegenstand betreffen, und der ergänzende Charakter des zweiten Vertrags im Verhältnis zu dem ersten Vertrag, da er der Verwirklichung des mit dem ersten Vertrag angestrebten wirtschaftlichen Erfolgs dienen soll, gegeben sind.

 

Unterschriften


( * )   Verfahrenssprache: Deutsch.

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Referenzen

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