Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-141/14

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

14. Januar 2016 ( *1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Richtlinie 2009/147/EG — Erhaltung der wildlebenden Vogelarten — Besondere Schutzgebiete Kaliakra und Belite skali — Richtlinie 92/43/EWG — Schutz der natürlichen Lebensräume und der wildlebenden Arten — Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung Kompleks Kaliakra — Richtlinie 2011/92/EU — Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten — Zeitliche Anwendbarkeit der Schutzbestimmungen — Verschlechterung der natürlichen Lebensräume der Arten sowie Störungen von Arten — Windenergie — Tourismus“

In der Rechtssache C‑141/14

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 24. März 2014,

Europäische Kommission, vertreten durch E. White, C. Hermes und P. Mihaylova als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Bulgarien, vertreten durch E. Petranova und D. Drambozova als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer M. Ilešič in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2015,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. September 2015

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Bulgarien

dadurch, dass sie es unterlassen hat, die für den Vogelschutz wichtigen Gebiete (im Folgenden: IBA) zur Gänze in das besondere Schutzgebiet (im Folgenden: BSG) der Region Kaliakra (im Folgenden: BSG Kaliakra) zu integrieren, nicht die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete für den Schutz biologischer Arten nach Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7, im Folgenden: Vogelschutzrichtlinie) und für den Schutz der nicht in diesem Anhang aufgeführten regelmäßig auftretenden Zugvogelarten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, als BSG ausgewiesen hat und somit gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie verstoßen hat;

dadurch, dass sie die Durchführung der Projekte „AES Geo Energy“, „Windtech“, „Brestiom“, „Disib“, „Eco Energy“ und „Longman Investment“ in dem Gebiet des IBA der Region Kaliakra (im Folgenden: IBA Kaliakra) genehmigt hat, das nicht als BSG ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie verstoßen hat;

dadurch, dass sie die Durchführung der Projekte „Kaliakra Wind Power“, „EVN Enertrag Kavarna“, „TSID – Atlas“, „Vertikal – Petkov & Cie“ und „Thracian Cliffs Golf & Spa Resort“ in dem BSG Kaliakra, in dem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung „Kompleks Kaliakra“ (im Folgenden: GGB Kompleks Kaliakra) und in dem BSG der Region Belite skali (im Folgenden: BSG Belite skali) genehmigt hat, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat;

dadurch, dass sie es unterlassen hat, die kumulativen Auswirkungen der Projekte „AES Geo Energy“, „Windtech“, „Brestiom“, „Disib“, „Eco Energy“ und „Longman Investment“ ordnungsgemäß zu prüfen, deren Durchführung sie in dem Gebiet des IBA Kaliakra genehmigt hat, das nicht als BSG ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26, S. 1) in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 und 3 und Anhang III Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Vogelschutzrichtlinie

2

Die Vogelschutzrichtlinie betrifft nach ihrem Art. 1 Abs. 1 die Erhaltung sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, auf welches der EU-Vertrag Anwendung findet, heimisch sind. Sie hat den Schutz, die Bewirtschaftung und die Regulierung dieser Arten zum Ziel und regelt die Nutzung dieser Arten.

3

Art. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Auf die in Anhang I aufgeführten Arten sind besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.

In diesem Zusammenhang sind zu berücksichtigen:

а)

vom Aussterben bedrohte Arten;

b)

gegen bestimmte Veränderungen ihrer Lebensräume empfindliche Arten;

c)

Arten, die wegen ihres geringen Bestands oder ihrer beschränkten örtlichen Verbreitung als selten gelten;

d)

andere Arten, die aufgrund des spezifischen Charakters ihres Lebensraums einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen.

Bei den Bewertungen werden Tendenzen und Schwankungen der Bestände der Vogelarten berücksichtigt.

Die Mitgliedstaaten erklären insbesondere die für die Erhaltung dieser Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu [BSG], wobei die Erfordernisse des Schutzes dieser Arten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, zu berücksichtigen sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten treffen unter Berücksichtigung der Schutzerfordernisse in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, entsprechende Maßnahmen für die nicht in Anhang I aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten hinsichtlich ihrer Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten. Zu diesem Zweck messen die Mitgliedstaaten dem Schutz der Feuchtgebiete und ganz besonders der international bedeutsamen Feuchtgebiete besondere Bedeutung bei.

(4)   Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, in den Absätzen 1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten bemühen sich ferner, auch außerhalb dieser Schutzgebiete die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume zu vermeiden.“

Habitatrichtlinie

4

Art. 6 Abs. 2 bis 4 der Habitatrichtlinie sieht vor:

„(2)   Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3)   Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4)   Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden.“

Richtlinie 2011/92

5

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.“

6

Art. 4 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie bestimmt:

„(2)   Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss. Die Mitgliedstaaten treffen diese Entscheidung anhand

а)

einer Einzelfalluntersuchung

oder

b)

der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a und b genannten Verfahren anzuwenden.

(3)   Bei der Einzelfalluntersuchung oder der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien im Sinne des Absatzes 2 sind die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen …“

7

Nach Anhang III Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie sind die Merkmale der Projekte u. a. hinsichtlich der Kumulierung mit anderen Projekten zu beurteilen.

Die Akte über den Beitritt der Bulgarischen Republik zur Europäischen Union

8

Die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Bulgarischen Republik und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht (ABl. 2005, L 157, S. 203), trat am 1. Januar 2007 in Kraft.

Vorgeschichte des Rechtsstreits und Vorverfahren

9

Die Region Kaliakra an der bulgarischen Schwarzmeerküste stellt ein wichtiges Gebiet für die Erhaltung zahlreicher Vogelarten und ihrer Lebensräume dar, weshalb diese Region von der Nichtregierungsorganisation BirdLife International als IBA ausgewiesen wurde.

10

Am 18. Dezember 2007 schuf Bulgarien gemäß der Vogelschutzrichtlinie das BSG Kaliakra. Dieses Schutzgebiet schloss allerdings nur zwei Drittel des Gebiets des IBA Kaliakra ein. Die Republik Bulgarien errichtete außerdem westlich des BSG Kaliakra und außerhalb des IBA Kaliakra das BSG Belite skali. Darüber hinaus schlug die Republik Bulgarien der Kommission vor, unter der Bezeichnung „Kompleks Kaliakra“ ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB Kompleks Kaliakra) auszuweisen, das nahezu die gesamte Fläche des BSG Kaliakra und des BSG Belite skali umfasst.

11

Auf Beschwerden der Bulgarischen Gesellschaft für Vogelschutz (Bulgarsko druzhestvo za zashtita na ptitsite) hinsichtlich der unzureichenden geografischen Ausdehnung des BSG Kaliakra und der negativen Auswirkungen mehrerer Projekte für wirtschaftliche Tätigkeiten auf die natürlichen Lebensräume sowie auf die Habitate von Vogelarten richtete die Kommission am 6. Juni 2008 ein Mahnschreiben an die Republik Bulgarien und gab ihr auf, die festgestellten Verstöße gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie in Bezug auf sechs BSG, darunter das BSG Kaliakra, zu beheben. Da die verschiedenen Antworten der Republik Bulgarien die Kommission nicht zufriedenstellten, versandte sie am 1. Dezember 2008 ein zweites Mahnschreiben, in dem sie die Republik Bulgarien verpflichtete, die Verstöße gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/92 sowie Anhang III dieser Richtlinie zu beheben, soweit die Republik Bulgarien die Errichtung mehrerer Windkraftanlagen innerhalb des IBA Kaliakra genehmigt hatte. Die Republik Bulgarien antwortete auf diese Aufforderungen am 30. Januar 2009 und übermittelte später mehrmals zusätzliche Informationen.

12

Am 30. September 2011 stellte die Kommission der Republik Bulgarien ein ergänzendes drittes Mahnschreiben zu, das zum einen den vorangegangenen Aufforderungen Nachdruck verleihen sollte und zum anderen neue Forderungen hinsichtlich der Gebiete des IBA Kaliakra, des BSG Belite skali und des GGB Kompleks Kaliakra enthielt. Dieses Schreiben warf zwei Arten von Fragen auf: Die unzureichende geografische Ausdehnung des Gebiets des BSG Kaliakra und die Auswirkungen mehrerer Projekte auf das BSG Kaliakra, das BSG Belite skali, das GGB Kompleks Kaliakra und das Gebiet, das nach dem IBA-Verzeichnis als BSG hätte ausgewiesen werden müssen, was aber nicht geschehen war.

13

Am 30. Januar 2012 teilte die Republik Bulgarien der Kommission mit, dass die von ihr aufgeführten Projekte zum Großteil vor dem Beitritt Bulgariens zur Union oder vor der Eingliederung der betreffenden Gebiete in das Netz Natura 2000 genehmigt worden seien, weshalb auf diese Gebiete das Unionsrecht nicht zur Anwendung kommen könne.

14

Mit Schreiben vom 22. Juni 2012 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie der Republik Bulgarien vorwarf, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1, 2 und 4 der Vogelschutzrichtlinie, aus Art. 6 Abs. 2, 3 und 4 der Habitatrichtlinie und aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 und 3 und Anhang III dieser Richtlinie verstoßen zu haben.

15

Die Republik Bulgarien antwortete auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme und teilte der Kommission auf der Grundlage zusätzlicher Informationen mit, dass sie eine Reihe von Maßnahmen zur Behebung der festgestellten Mängel erlassen habe.

16

Da die Kommission die Situation weiterhin für unbefriedigend hielt, hat sie am 24. März 2014 die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Zur ersten Rüge: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie

Vorbringen der Parteien

17

Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, dass die Republik Bulgarien dadurch, dass sie in das BSG Kaliakra nicht die gesamten Gebiete des IBA Kaliakra aufgenommen habe, deren Schutz im Hinblick auf die Erhaltung der Vogelarten wichtig gewesen sei, nicht die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete für den Schutz biologischer Arten nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie und für den Schutz der nicht in diesem Anhang aufgeführten regelmäßig auftretenden Zugvogelarten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung finde, als BSG ausgewiesen habe.

18

Nach Ansicht der Kommission hat die Republik Bulgarien durch ihre verschiedenen ergänzenden Mitteilungen eingeräumt, gegen die Verpflichtung, das gesamte Gebiet des IBA Kaliakra als BSG auszuweisen, verstoßen zu haben. Daher seien mehrere Maßnahmen getroffen worden, um die festgestellten Verstöße zu beheben, d. h. das BSG Kaliakra bis zu den Grenzen des IBA Kaliakra auszudehnen. Außerdem besiegle ein Rechtsakt vom 6. Februar 2014, der am 21. Februar 2014 im Darzhaven vestnik Nr. 15 veröffentlicht worden sei, formal die Ausdehnung des Schutzgebiets. Diese Maßnahmen änderten jedoch formal nichts an den Verstößen, da sie nach Ablauf der von der Kommission in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme angegebenen Frist, also nach dem 22. August 2012, erlassen worden seien.

19

Die Kommission stützt diese Rüge unter Berufung auf zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse im Wesentlichen auf drei Argumente.

20

Erstens seien die nicht als BSG ausgewiesenen Gebiete des IBA Kaliakra aus ornithologischer Sicht für mehrere Arten von großer Bedeutung und stellten ein typisches „Flaschenhalsgebiet“ auf der Via Pontica, der zweitgrößten Vogelzugstrecke Europas, dar.

21

Vor diesem Hintergrund seien die gesamten Gebiete des IBA Kaliakra für die Zugvögel als eine einzige Funktionseinheit, d. h. als eine einheitliche Region anzusehen, die nicht zerstückelt werden dürfe. Zudem blieben mehrere Zugkorridore und Rastplätze, die von einem erheblichen Teil der Zugvogelpopulationen an der Meeresküste, insbesondere dem Weißstorch, dem Kurzfangsperber, dem Zwergadler, der Wiesenweihe, der Steppenweihe, dem Rotfußfalken und anderen Arten genutzt würden, durch die Ausklammerung der Nutzflächen aus dem BSG Kaliakra ungeschützt.

22

Zweitens biete der nicht als BSG ausgewiesene Teil des IBA Kaliakra Nistplätze für bestimmte Vogelpopulationen, insbesondere die Kalanderlerche (Melanocorypha calandra), die Kurzzehenlerche (Calandrella brachydactyla), den Triel (Burhinus oedicnemus) und den Brachpieper (Anthus campestris). Außerdem sei dieses nicht ausgewiesene Gebiet ein wichtiges Jagdgebiet für mehrere Vogelarten, die als Brutvögel im Standarddatenbogen aufgeführt und bei der Bewertung des BSG ausdrücklich genannt würden. Zu diesen Arten gehörten insbesondere Raubvögel wie der Kurzfangsperber (Accipiter brevipes), der Adlerbussard (Buteo rufinus) und der Uhu (Bubo bubo).

23

Drittens überwintere in der betreffenden Region die gesamte Weltpopulation der Rothalsgans (Branta ruficollis), die als weltweit bedrohte Art angesehen werde, während mehr als 80 % der Lebensräume, in denen die Gänse Futter finden könnten, im nicht geschützten Teil des IBA Kaliakra lägen.

24

Die Republik Bulgarien bestreitet die behauptete Vertragsverletzung. Sie trägt vor, dass sie mit der Errichtung des BSG Kaliakra im Jahr 2007 die Ausweisung der für die Erhaltung der betreffenden Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie vorgenommen habe. Im Schriftwechsel mit der Kommission und in den von der Republik Bulgarien getroffenen Maßnahmen komme nur ihr Wille zum Ausdruck, im Einklang mit der Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dieser einen Dialog zu führen.

25

In Erwiderung auf die von der Kommission angeführten wissenschaftlichen Erkenntnisse legt die Republik Bulgarien verschiedene wissenschaftliche Studien vor, aus denen ihrer Ansicht nach hervorgeht, dass das Gebiet Kaliakra kein „Flaschenhalsgebiet“ für die Vögel darstellt. Auch wenn sie letztlich entschieden habe, das BSG Kalikra bis zu den Grenzen des gleichnamigen IBA auszudehnen, spreche keine wissenschaftliche Erkenntnis ornithologischer Art dafür, die in dem IBA Kaliakra belegenen landwirtschaftlichen Flächen in dieses BSG einzugliedern, da diese Flächen nicht unbedingt eine natürliche Einheit mit den küstennahen Flächen bildeten, die bereits als BSG geschützt seien. Die für die Lebensräume des letztgenannten Schutzgebiets typischen Brutvögel brüteten in den angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen nämlich in deutlich geringerem Umfang.

26

Die Republik Bulgarien stellt auch in Abrede, dass die Region Kaliakra für einen Großteil der Zugvogelpopulationen einen Rastplatz darstelle. Aus verschiedenen Sachverständigenberichten gehe hervor, dass diese Plätze je nach konkreter Strecke des Vogelzugs und je nach Wetterbedingungen variierten. In Bezug auf die weltweit bedrohte Art der Rothalsgans beruft sich die Republik Bulgarien auf verschiedene Berichte, denen zufolge deren wichtigsten Nahrungsgebiete außerhalb des IBA Kaliakra, in der Nähe der Seen Shabla und Durankulak lägen.

Würdigung durch den Gerichtshof

27

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Gebiete, die den in diesen Bestimmungen festgelegten ornithologischen Kriterien entsprechen, zu BSG zu erklären (Urteil Kommission/Irland, C‑418/04, EU:C:2007:780, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Zweitens sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Gebiete zu BSG zu erklären, die nach ornithologischen Kriterien am geeignetsten für die Erhaltung der betreffenden Arten erscheinen (Urteil Kommission/Irland, C‑418/04, EU:C:2007:780, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29

Drittens hat der Gerichtshof entschieden, dass sich der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Auswahl der Gebiete, die für die Ausweisung als BSG am geeignetsten sind, nicht darauf bezieht, diejenigen Gebiete zu BSG zu erklären, die nach ornithologischen Kriterien am geeignetsten erscheinen, sondern nur auf die Anwendung dieser Kriterien für die Bestimmung der Gebiete, die für die Erhaltung der in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Arten am geeignetsten sind (Urteil Kommission/Österreich, C‑209/04, EU:C:2006:195, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Schließlich hat der Gerichtshof viertens hinsichtlich der teilweisen Ausweisung bestimmter Regionen entschieden, dass zum einen die Ausweisung eines BSG nicht das Ergebnis einer isolierten Prüfung des ornithologischen Wertes jeder einzelnen der in Rede stehenden Flächen sein kann, sondern unter Berücksichtigung der natürlichen Grenzen des betroffenen Ökosystems erfolgen muss und dass zum anderen die ornithologischen Kriterien, auf denen die Ausweisung ausschließlich zu beruhen hat, wissenschaftlich begründet sein müssen (Urteil Kommission/Irland, C‑418/04, EU:C:2007:780, Rn. 142).

31

In der vorliegenden Rechtssache steht fest, dass das IBA Kaliakra eine vorrangige Bedeutung für eine Reihe von Vogelarten und ihren Lebensraum hat. Den Daten zufolge, die der Kommission von der Republik Bulgarien geliefert wurden, beherbergt das Gebiet Kaliakra insgesamt 310 Vogelarten, davon etwa 100, deren Lebensraumerhaltung besonderer Maßnahmen bedarf, und 95, die in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführt sind, sowie eine große Anzahl von Zugvogelarten. Von diesen 310 dort vorkommenden Vogelarten sind 106 im Hinblick auf die Erhaltung von europaweiter Bedeutung, 17 sind weltweit bedroht, 21 sind in der Kategorie „SPEC 2“ und 68 in der Kategorie „SPEC 3“ als Arten mit besorgniserregendem Erhaltungszustand in Europa ausgewiesen.

32

Zum Vorkommen von Brutvögeln in dem ursprünglich nicht ausgewiesenen Teil des IBA Kaliakra ist zunächst, wie die Generalanwältin in den Nrn. 41 bis 43 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, festzustellen, dass die Republik Bulgarien plausibel und in diesem Punkt von der Kommission unwidersprochen erklärt hat, dass die Brutvögel, die auf die ursprünglich geschützten küstennahen Lebensräume spezialisiert sind, in deutlich geringerem Umfang in den Gebieten brüten, die aus landwirtschaftlichen Flächen bestehen. Außerdem reicht das sehr begrenzte Vorkommen des Kurzfangsperbers (Accipiter brevipes), des Adlerbussards (Buteo rufinus) und des Uhus (Bubo bubo), so dass diese Arten von der Nichtregierungsorganisation Birdlife nicht als Grund für die Identifizierung des Gebiets Kaliakra als IBA genannt werden, nicht aus, um diese landwirtschaftlichen Flächen als am besten geeignet für den Schutz der in Rede stehenden Arten anzusehen.

33

Was des Weiteren die Zugvögel betrifft, so ist die Kommission – im Einklang mit der Bewertung dieses Gebiets als IBA und unter Berufung auf eine Studie, die im Jahr 2005 speziell zur Identifizierung der „Flaschenhalsgebiete“ in Bulgarien durchgeführt wurde – der Ansicht, dass das IBA Kaliakra ein solches Flaschenhalsgebiet darstelle. Nach dieser Studie konnten nämlich im Laufe jenes Jahres mehr als 30000 Gleitvögel bei Kaliakra beobachtet werden. Diese Feststellung kann durch das Vorbringen der Republik Bulgarien, dass große Zugvogelscharen in dem in Rede stehenden Gebiet nur unregelmäßig beobachtet würden, weil die Route des Vogelzugs von den Windverhältnissen beeinflusst werde, nicht widerlegt werden.

34

Wie die Generalanwältin in Nr. 50 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, geht nämlich gerade aus den von der Republik Bulgarien vorgelegten Daten hervor, dass diese Vogelkonzentrationen weder zufällig noch völlig außergewöhnlich sind und ganz im Gegenteil regelmäßig auftreten, wenn entsprechende Windverhältnisse vorherrschen. Wenn aber diese Konzentrationen eintreten, sind die Zugvögel gerade auf die ursprünglich nicht ausgewiesenen landwirtschaftlichen Flächen des IBA Kaliakra als Rast- und Nahrungslebensräume angewiesen.

35

Folglich gehört das IBA Kaliakra zu den für den Vogelschutz während des Zuges am besten geeigneten Gebieten.

36

Schließlich kann auch dem Vorbringen der Republik Bulgarien nicht gefolgt werden, der später als BSG ausgewiesene Teil des IBA Kaliakra sei für die Erhaltung der als weltweit bedroht angesehenen Art der Rothalsgans, von der praktisch die gesamte Weltpopulation an der westlichen Schwarzmeerküste überwintere, allerdings nicht von sehr großer Bedeutung. Nach einer Studie, auf die die Republik Bulgarien Bezug nimmt, sucht diese Art nicht jedes Jahr ihre Nahrung in den mit der Ausdehnung des BSG Kaliakra eingegliederten Gebietsteilen. Wie die Kommission ausführt, geht jedoch aus genau dieser Studie hervor, dass zumindest während zwei der fünf Jahre des Beobachtungszeitraums von 1995 bis 2000 mehrere Tausend Rothalsgänse in diesem Teil des IBA Kaliakra, der später als BSG ausgewiesen wurde, Nahrung gesucht haben.

37

Wie die Generalanwältin in den Nrn. 60 bis 63 ihrer Schlussanträge ausführt, schließt zudem die Tatsache, dass jüngere Beobachtungen für ein geringeres Vorkommen der Rothalsgans in diesen nicht von Anfang an als BSG ausgewiesenen Gebietsteilen sprechen, nicht aus, dass diese ein Gebiet von vorrangiger Bedeutung für die Nahrung dieser Vogelart darstellen, da diese Beobachtungen erst nach der Errichtung einer großen Zahl von Windkraftanlagen in diesen Gebietsteilen begannen.

38

Daher ist festzustellen, dass die erste Rüge der Kommission begründet ist.

Zur dritten Rüge: Missachtung der Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie hinsichtlich der Genehmigung der Projekte in den BSG Kaliakra und Belite skali sowie im Gebiet des GGB Kompleks Kaliakra

Vorbringen der Parteien

39

Mit ihrer dritten Rüge, die als Zweites zu prüfen ist, beantragt die Kommission, festzustellen, dass die Republik Bulgarien durch Genehmigung der Projekte für Windkraftanlagen unter den Bezeichnungen „Kaliakra Wind Power“, „EVN Enertrag Kavarna“, „TSID – Atlas“, „Vertikal – Petkov & Cie“ sowie des Immobilienprojekts „Thracian Cliffs Golf & Spa Ressort“ in dem Gebiet der BSG Kaliakra und Belite skali sowie des GGB Kompleks Kaliakra gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie, wie ihn der Gerichtshof in den Urteilen Dragaggi u. a. (C‑117/03, EU:C:2005:16) und Bund Naturschutz in Bayern u. a. (C‑244/05, EU:C:2006:579) ausgelegt habe, verstoßen habe, da sie nicht die geeigneten Maßnahmen getroffen habe, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für deren Erhaltung diese Gebiete als BSG oder GGB ausgewiesen worden seien, zu vermeiden.

40

Die Kommission trägt vor, dass für die entsprechenden Gebietsteile von Kaliakra und Belite skali vor ihrer Ausweisung als BSG, d. h. vom 1. Januar 2007 bis zum 18. Dezember 2007, die rechtliche Regelung des Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie, wie ihn der Gerichtshof in den Urteilen Kommission/Frankreich (C‑96/98, EU:C:1999:580) und Kommission/Frankreich (C‑374/98, EU:C:2000:670) ausgelegt habe, anwendbar gewesen sei. Infolge der Ausweisung des Gebiets als BSG, d. h. seit dem 18. Dezember 2007, sei die rechtliche Regelung des Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie auf diese beiden BSG anwendbar.

41

Hinsichtlich des GGB Kompleks Kaliakra macht die Kommission geltend, dass vor der Aufnahme dieses Gebiets in die europäische Liste der GGB, aber nach seiner Ausweisung in der nationalen Liste als geplantes GGB, d. h. vom 18. Dezember 2007 bis zum 15. Dezember 2008, folgende rechtliche Regelung anwendbar gewesen sei, die der Gerichtshof in seinen Urteilen Dragaggi u. a. (C‑117/03, EU:C:2005:16) und Bund Naturschutz in Bayern u. a. (C‑244/05, EU:C:2006:579) genannt habe:

Die Mitgliedstaaten sind in Bezug auf die Gebiete, die als GGB bestimmt werden könnten, die in den der Kommission zugeleiteten nationalen Listen aufgeführt sind und zu denen insbesondere solche gehören können, die prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten beherbergen, nach der Habitatrichtlinie verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die im Hinblick auf das mit dieser Richtlinie verfolgte Erhaltungsziel geeignet sind, die ökologische Bedeutung, die diesen Gebieten auf nationaler Ebene zukommt, zu wahren.

Für eine angemessene Schutzregelung für Gebiete, die in einer der Kommission nach Art. 4 Abs. 1 der Habitatrichtlinie übermittelten nationalen Liste aufgeführt sind, ist es erforderlich, dass die Mitgliedstaaten keine Eingriffe zulassen, die die ökologischen Merkmale dieser Gebiete ernsthaft beeinträchtigen könnten.

42

Was als Erstes die BSG Kaliakra und Belite skali anbelangt, macht die Kommission auf der Grundlage von wissenschaftlichen Berichten geltend, dass die verschiedenen von der Republik Bulgarien genehmigten Projekte (Infrastrukturen im Zusammenhang mit der Erzeugung von Windenergie, Golfplatz, Hotels, Unterkünfte etc.), die in Rn. 39 des vorliegenden Urteils genannt werden, erhebliche negative Auswirkungen auf die Vögel, die prioritären Lebensräume und die prioritären Arten hätten. So werde in dem BSG Kaliakra die direkte Zerstörung der Lebensräume von Vogelarten, die in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführt seien, auf mindestens 15,8 % der Gesamtfläche dieses Gebiets geschätzt. In dem BSG Belite skali seien 456,23 Hektar Land – das entspreche 10,9 % der Fläche dieses Gebiets – auf dem sich prioritäre Steppenlebensräume, hauptsächlich Nistplätze für in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführte Vogelarten befunden hätten, unwiederbringlich zerstört worden.

43

Die Durchführung dieser verschiedenen von der Republik Bulgarien genehmigten Projekte habe demnach zur Zerstörung der Lebensräume geführt, die u. a. die folgenden, in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Arten beherbergten, die auch im Standarddatenbogen der beiden BSG aufgeführt seien: den Nonnensteinschmätzer (Oenanthe pleschanka), die Kalanderlerche (Melanocorypha calandra), die Kurzzehenlerche (Calandrella brachydactyla), den Triel (Burhinus oedicnemus), den Adlerbussard (Buteo rufinus), den Kurzfangsperber (Accipiter brevipes) und die Blauracke oder Mandelkrähe (Coracias garrulus).

44

Was als Zweites das GGB Kompleks Kaliakra betrifft, wirft die Kommission der Republik Bulgarien vor, dieses nicht ausreichend vor Schäden durch die Durchführung der Projekte im Zusammenhang mit der Erzeugung von Windenergie, nämlich der Projekte „Kaliakra Wind Power“, „EVN Enertrag Kavarna“ und „Vertikal – Petkov & Cie“, sowie des Tourismusinfrastrukturprojekts „Thracian Cliffs Golf & Spa Resort“ geschützt zu haben. Insoweit schätzt die Kommission, dass diese Projekte innerhalb dieses GGB die unwiederbringliche Zerstörung von 587,51 Hektar Land, auf dem sich der in Anhang I der Habitatrichtlinie unter dem Code 62C0* aufgeführte prioritäre Lebensraum „pontisch-sarmatische Steppe“ befunden habe, d. h. 24,5 % dieses Lebensraums nach sich gezogen hätten.

45

Diesem Vorbringen hält die Republik Bulgarien entgegen, dass Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie auf Projekte, die vor ihrem Beitritt zur Union genehmigt worden seien, nicht anwendbar sei, also auch nicht in Bezug auf deren Durchführung. Die drei Projekte für die Erzeugung von Windenergie sowie das Projekt für die Hotelkomplexe seien nämlich im Jahr 2005 genehmigt worden und ihre Auswirkungen auf die Erhaltung der natürlichen Lebensräume könnten daher nicht anhand dieser Richtlinie geprüft werden.

46

Außerdem erläutere die Kommission nicht, auf welche Art und Weise die Zahlen und Daten gewonnen worden seien, von denen in den Rn. 42 bis 45 des vorliegenden Urteils die Rede ist.

47

Schließlich entgegnet die Republik Bulgarien hinsichtlich der erheblichen negativen Auswirkungen auf das GGB Kompleks Kaliakra auch mit dem Argument, dass die von der Kommission in ihrer Klage erwähnten vier Projekte von der Republik Bulgarien im Jahr 2005 genehmigt worden seien, so dass ihr nicht vorgeworfen werden könne, möglicherweise gegen die Verpflichtungen aus einer Richtlinie verstoßen zu haben, die ihr vor ihrem Beitritt zur Union nicht habe entgegengehalten werden können.

Würdigung durch den Gerichtshof

48

Einleitend ist festzustellen, dass die Kommission angesichts der von der Republik Bulgarien in ihrer Klagebeantwortung gemachten Angaben, dass sie die Durchführung des Projekts „TSID – Atlas“ nicht genehmigt habe, entschieden hat, dieses Projekt aus der vorliegenden Vertragsverletzungsklage auszuklammern.

49

Zudem ist, wie die Generalanwältin in den Nrn. 71 bis 73 ihrer Schlussanträge zutreffend ausführt, diese dritte Rüge dahin zu verstehen, dass die Kommission vorträgt, die Republik Bulgarien sei zum einen den Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie nicht nachgekommen, weil sie es unterlassen habe, sich der Durchführung von Projekten innerhalb der BSG Kaliakra und Belite skali zu widersetzen, und habe zum anderen die vorläufigen Schutzpflichten nach Maßgabe der Urteile Dragaggi u. a. (C‑117/03, EU:C:2005:16) und Bund Naturschutz in Bayern u. a. (C‑244/05, EU:C:2006:579) verletzt, weil sie es unterlassen habe, sich Projekten zu widersetzen, die im Bereich des vorgeschlagenen GGB Kompleks Kaliakra durchgeführt worden seien. Mit dieser Rüge beanstandet die Kommission daher nicht die von der Republik Bulgarien vor ihrem Beitritt zur Union erlassenen Entscheidungen über die Genehmigung von Projekten, sondern deren Durchführung nach diesem Beitritt und die daraus folgende Verschlechterung der oben genannten Gebiete.

50

Als Erstes ist daher zu prüfen, ob Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie auf den in Rede stehenden Sachverhalt zeitlich in dem Sinne anwendbar war, dass diese Bestimmung die Republik Bulgarien zwingen konnte, sich der Durchführung der Projekte „Kaliakra Wind Power“, „EVN Enertrag Kavarna“, „Vertikal – Petkov & Cie“ und „Thracian Cliffs Golf & Spa Resort“ in den BSG Kaliakra und Belite skali zu widersetzen.

51

Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie auch für Anlagen gilt, für die das Vorhaben von der zuständigen Behörde genehmigt wurde, bevor der nach dieser Richtlinie vorgesehene Schutz für das betreffende Schutzgebiet Geltung erlangte (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Spanien, C‑404/09, EU:C:2011:768, Rn. 124).

52

Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass solche Projekte zwar nicht den Vorgaben der Habitatrichtlinie über eine Ex-ante-Prüfung ihrer Auswirkungen auf das betreffende Gebiet unterliegen, ihre Durchführung jedoch unter Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie fällt (Urteile Stadt Papenburg, C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 48 und 49, sowie Kommission/Spanien, C‑404/09, EU:C:2011:768, Rn. 125).

53

Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten zum einen hervor, dass das Projekt „Kaliakra Wind Power“ zur Errichtung von 35 Windkraftanlagen im Jahr 2006 genehmigt und am 5. Juni 2008 in Betrieb genommen wurde. Das Projekt „EVN Enertrag Kavarna“, das die Errichtung von 32 Windkraftanlagen zum Gegenstand hatte, wurde am 26. Juli 2006 genehmigt. Diese Genehmigung wurde in der Folge auf 20 Anlagen reduziert, von denen acht errichtet worden seien und seit dem 8. Juni 2012 in Betrieb sein sollen. Drei weitere Anlagen wurden im Rahmen des Projekts „Vertikal – Petkov & Cie“ im Jahr 2005 genehmigt. Eine Klage gegen diese drei Entscheidungen führte am 26. Juli 2007 zu einem Vergleich, in dessen Folge zwei Anlagen am 24. April 2008 bzw. am 14. Februar 2011 in Betrieb genommen wurden, während die dritte Anlage nicht errichtet wurde.

54

Zum anderen wurde für das Tourismusprojekt „Thracian Cliffs Golf & Spa Resort“ im BSG Belite skali, das die Errichtung eines Golfplatzes und eines Thermalzentrums umfasst, am 22. Dezember 2005 eine erste Baugenehmigung erteilt, während die Betriebsgenehmigung am 6. April 2010 erging.

55

Aus den Überlegungen in den Rn. 51 und 52 des vorliegenden Urteils leitet sich ab, dass die Durchführung dieser Projekte und die Tätigkeit, die durch die daraus entstandenen Anlagen entfaltet wird, unter Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie fallen, obwohl ihre Genehmigungen vor dem Beitritt der Republik Bulgarien und vor dem Zeitpunkt erfolgten, zu dem die Vogelschutzrichtlinie und die Habitatrichtlinie auf diese Genehmigungen zur Anwendung kamen.

56

Was zweitens die Rüge angeht, die Republik Bulgarien habe nicht die geeigneten Maßnahmen ergriffen, um eine Verschlechterung einer Reihe von Habitaten von Arten und eine Störung der Vögel durch die Tätigkeit im Zusammenhang mit den in Durchführung der in Rede stehenden vier Projekte in den BSG Kaliakra und Belite skali entstandenen Anlagen zu verhindern, ist darauf hinzuweisen, dass eine Tätigkeit nur dann im Einklang mit Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie steht, wenn gewährleistet ist, dass sie keine Störung verursacht, die die Ziele dieser Richtlinie, insbesondere deren Erhaltungsziele, erheblich beeinträchtigen kann (Urteil Kommission/Spanien, C‑404/09, EU:C:2011:768, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57

Demnach ist die vorliegende Rüge nur begründet, wenn die Kommission rechtlich hinreichend dartut, dass die Republik Bulgarien keine angemessenen Maßnahmen ergriffen hat, um zu verhindern, dass die Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb der aus diesen Projekten entstandenen Anlagen – soweit sie nach der Ausweisung der Gebiete Kaliakra und Belite skali als BSG entfaltet wurden – die Habitate einer Reihe von Arten verschlechtern und zum Nachteil dieser Arten Störungen verursachen, die erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf das Ziel der Habitatrichtlinie, die Erhaltung dieser Arten zu gewährleisten, haben könnten (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Spanien, C‑404/09, EU:C:2011:768, Rn. 128).

58

Allerdings braucht die Kommission für den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie nicht das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Betrieb der aus einem Projekt entstandenen Anlagen und einer erheblichen Störung der betreffenden Arten darzutun. Es genügt nämlich, wenn sie die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr nachweist, dass der Betrieb solche Störungen verursacht (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Spanien, C‑404/09, EU:C:2011:768, Rn. 142 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59

Insoweit geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass die Tätigkeit der in dem BSG Kaliakra insbesondere im Rahmen des Projekts „Kaliakra Wind Power“ errichteten Windkraftanlagen angesichts ihrer hohen Dichte geeignet ist, erhebliche Störungen und eine Verschlechterung der Habitate von geschützten Vogelarten zu verursachen. Dasselbe gilt für den Teil des BSG Belite skali, der von den Anlagen des „Thracian Cliffs Golf & Spa Resort“ betroffen ist, dessen Betrieb die Merkmale der in Rede stehenden Lebensräume verändert.

60

In Anbetracht dessen ist die vorliegende von der Kommission erhobene Rüge insoweit begründet.

61

Was als Drittes hingegen die substanzielle Zerstörung des prioritären Lebensraums „pontisch-sarmatische Steppe“ betrifft, von der in Rn. 44 des vorliegenden Urteils die Rede ist, macht die Republik Bulgarien unwidersprochen geltend, dass die Bodenbearbeitung, die diese im Gebiet des GGB Kompleks Kaliakra belegenen Lebensräume zerstört habe, vor dem Beitritt der Republik Bulgarien zur Union durchgeführt worden sei. Daher kann die Zerstörung dieser Lebensräume in zeitlicher Hinsicht keinen Verstoß gegen das Unionsrecht darstellen.

62

Außerdem ist, wie die Generalanwältin in Nr. 107 ihrer Schlussanträge ausführt, festzustellen, dass dann, wenn ein Lebensraumtyp auf den betreffenden Flächen bereits zerstört ist, der spätere Betrieb der in Durchführung der Projekte entstandenen Anlagen ihn nicht zusätzlich verschlechtern kann. Daher ist die Klage der Kommission in diesem Punkt unbegründet.

Zur zweiten Rüge: Missachtung der Bestimmungen des Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie hinsichtlich der Genehmigung der Projekte in dem IBA Kaliakra

Vorbringen der Parteien

63

Mit ihrer zweiten Rüge beantragt die Kommission die Feststellung, dass die Republik Bulgarien durch die Genehmigung der Projekte „AES Geo Energy“, „Windtech“, „Brestiom“, „Disib“, „Eco Energy“ und „Longman Investment“ in dem Gebiet des IBA Kaliakra, das nicht als BSG ausgewiesen worden sei, obwohl dies hätte geschehen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie, wie ihn der Gerichtshof in den Urteilen Kommission/Frankreich (C‑96/98, EU:C:1999:580) und Kommission/Frankreich (C‑374/98, EU:C:2000:670) ausgelegt habe, verstoßen habe.

64

Die Kommission macht geltend, dass die Republik Bulgarien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie verstoßen habe, dass sie es unterlassen habe, geeignete Maßnahmen im Hinblick auf das von der Vogelschutzrichtlinie verfolgte Erhaltungsziel zu treffen, und dass sie Eingriffe genehmigt oder toleriert habe, die erstens die ökologischen Merkmale des nicht als BSG ausgewiesenen Teils des IBA Kaliakra ernsthaft beeinträchtigen könnten, zweitens die Fläche dieses Gebiets wesentlich verringerten, drittens zum Aussterben von in diesem Gebiet vorkommenden prioritären Arten führten und schließlich viertens die Zerstörung dieses Gebiets oder die Beseitigung seiner repräsentativen Merkmale zur Folge hätten. Hierzu trägt die Kommission vor, dass in diesem Teil des IBA Kaliakra 1450 Hektar Land, auf dem sich Lebensräume sowie Futter- und Rastgebiete für in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführte Vögel befunden hätten, unwiederbringlich verloren seien.

65

Die Republik Bulgarien liefert ihrerseits Angaben zum tatsächlichen Stand verschiedener Investitionsprojekte und macht u. a. geltend, dass im Jahr 2012 eine fünfjährige Verjährungsfrist in das nationale Recht eingeführt worden sei, durch die die Gültigkeitsdauer der für die Durchführung dieser Projekte erteilten Genehmigungen begrenzt werde, so dass alle Projekte, mit deren Durchführung nicht fristgerecht begonnen worden sei, ausgesetzt würden.

Würdigung durch den Gerichtshof

66

Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, in den BSG zu vermeiden.

67

Insoweit ist erstens festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Mitgliedstaaten die Verpflichtungen, die sich aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie ergeben, auch dann zu beachten haben, wenn die betreffenden Gebiete nicht als BSG ausgewiesen wurden, obwohl dies offensichtlich hätte geschehen müssen (vgl. Urteil Kommission/Spanien, C‑186/06, EU:C:2007:813, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68

Wie den dem Gerichtshof vorgelegten Akten zu entnehmen ist, befinden sich die in Rede stehenden Projekte in Gebieten, die – wie in Rn. 38 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist – von der Republik Bulgarien als BSG hätten ausgewiesen werden müssen, was jedoch erst nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist am 22. August 2012 geschehen ist.

69

Zweitens ist für den Nachweis einer Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie, wie die Generalanwältin in Nr. 115 ihrer Schlussanträge ausführt, mutatis mutandis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Verstößen gegen Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie Bezug zu nehmen, da der Wortlaut dieser Bestimmung weitgehend mit Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie übereinstimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Irland, C‑117/00, EU:C:2002:366, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70

Nach dieser Rechtsprechung ist, wie aus Rn. 58 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ein Verstoß gegen die betreffende Bestimmung festzustellen, wenn die Kommission nachweist, dass die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass ein Projekt die Habitate der geschützten Vogelarten verschlechtert oder für diese Arten erhebliche Störungen verursacht.

71

Daher ist zu prüfen, ob die Kommission nachgewiesen hat, dass die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass die in Rede stehenden Projekte innerhalb des zu spät als BSG ausgewiesenen Teils des IBA Kaliakra die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Verschlechterungen und Störungen verursachen.

72

Zum einen ergibt sich aus der Klagebeantwortung der Republik Bulgarien, deren Inhalt die Kommission insoweit nicht widersprochen hat, dass für drei der in Rn. 63 des vorliegenden Urteils genannten Projekte, nämlich die Projekte „Windtech“, „Brestiom“ und „Eco Energy“ lediglich entschieden wurde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei. Die Republik Bulgarien hat für diese Projekte keine weitere Genehmigung erteilt und die Anlagen wurden nicht gebaut. Mittlerweile sind auch die Entscheidungen, mit denen festgestellt wurde, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden müsse, nicht mehr wirksam.

73

Daher ist die zweite Rüge der Kommission, soweit sie sich auf diese drei Projekte bezieht, unbegründet.

74

Was zum anderen die drei weiteren Projekte betrifft, von denen in Rn. 63 des vorliegenden Urteils die Rede ist, mit den Bezeichnungen „AES Geo Energy“, „Disib“ und „Longman Investment“, ist den dem Gerichtshof vorgelegten Akten zu entnehmen, dass die Republik Bulgarien weitere Genehmigungen erteilt hat und die genehmigten Windkraftanlagen errichtet wurden. Das erste dieser Projekte erhielt nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Jahr 2008 eine Baugenehmigung zur Errichtung von 52 Windkraftanlagen, die am 15. November 2011 in Betrieb genommen wurden. Auch für das zweite und das dritte Projekt wurde nach dem Beitritt der Republik Bulgarien zur Union eine Genehmigung erteilt, was zur Errichtung von zwei Windkraftanlagen führte, die im Laufe des Jahres 2008 in Betrieb genommen wurden.

75

Wie in Rn. 59 des vorliegenden Urteils bereits festgestellt worden ist, ist der Betrieb von Windkraftanlagen geeignet, erhebliche Störungen und eine Verschlechterung der Habitate von geschützten Vogelarten zu verursachen.

76

Dass nach Beobachtungsdaten des Windparks „AES Geo Energy“, auf die sich Bulgarien beruft, die in Rede stehenden Gebiete noch immer von Rothalsgänsen aufgesucht würden und sich der Vogelzug bei entsprechenden Windverhältnissen im Gebiet Kaliakra konzentriere, spricht nicht gegen diese Feststellung. Denn die Schutzpflichten bestehen schon, bevor eine Abnahme der Vogelzahl festgestellt worden ist oder bevor sich die Gefahr des Aussterbens einer geschützten Vogelart konkretisiert hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Spanien, C‑186/06, EU:C:2007:813, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77

Außerdem scheinen diese Daten, wie die Generalanwältin in Nr. 128 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, auf einen Attraktivitätsverlust hinzudeuten, weil aus ihnen hervorgeht, dass die Nutzung der Flächen durch Rothalsgänse im Verhältnis zu den in der Zeit vor der Errichtung der Windkraftanlagen festgestellten Spitzenwerten geringer ist.

78

Nach alledem hat die Republik Bulgarien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie verstoßen, dass sie die Projekte für Windkraftanlagen „AES Geo Energy“, „Disib“ und „Longman Investment“ in dem Gebiet des IBA Kaliakra genehmigt hat, das nicht als BSG ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen.

Zur vierten Rüge: Missachtung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/92 sowie von Anhang III Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie

Vorbringen der Parteien

79

Mit ihrer vierten Rüge macht die Kommission geltend, dass die Republik Bulgarien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 und 3 und Anhang III Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie verstoßen habe, dass sie die kumulativen Auswirkungen der Projekte für Windkraftanlagen, deren Errichtung in dem Gebiet des IBA Kaliakra, das nicht als BSG ausgewiesen worden sei, obwohl dies hätte geschehen müssen, genehmigt worden sei, nämlich der Projekte „AES Geo Energy“, „Windtech“, „Brestiom“, „Disib“, „Eco Energy“ und „Longman Investment“, nicht ordnungsgemäß geprüft habe.

80

Bei vieren dieser Projekte, nämlich den Projekten „Windtech“, „Brestiom“, „Eco Energy“ und „Longman investment“ habe die Republik Bulgarien beschlossen, keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen. Bei einem dieser Projekte, „AES Geo Energy“, habe die Republik Bulgarien entschieden, eine solche Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, ohne dabei jedoch die kumulativen Auswirkungen der durch die verschiedenen in dem IBA Kaliakra genehmigten Projekte verursachten Belästigungen, den Vermeidungseffekt und die Störungswirkung, die die Windkraftanlagen auf das Verhalten der Vögel hätten, die Barrierewirkung der Turbinen oder den Verlust und die Beeinträchtigung zu berücksichtigen, die diese Anlagen zulasten der verschiedenen Vogelhabitate mit sich brächten.

81

Die Kommission stützt diese Rüge u. a. darauf, dass bei den vier Projekten, die keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden seien, die entsprechenden Entscheidungen im Wesentlichen identischen Wortlaut hätten. Im Übrigen seien diese Entscheidungen nicht durch triftige Argumente untermauert, aus denen hervorgehe, dass das betreffende Projekt keine erheblichen negativen Auswirkungen auf das als IBA ausgewiesene und zur Eingliederung in das Netz Natura 2000 bestimmte Gebiet haben werde.

82

Die Republik Bulgarien macht geltend, dass in den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Entscheidungen ausdrücklich festgestellt worden sei, dass keine kumulativen Auswirkungen mit anderen Projekten zu erwarten seien. Außerdem seien die Projekte „Disib“ und „AES Geo Energy“ vom Gegenstand der vorliegenden Klage auszuklammern, da die Anträge auf Prüfung der Erforderlichkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor dem 1. Januar 2007 gestellt worden seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

83

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Feststellung eines Verstoßes gegen die Richtlinie 2011/92 beantragt, während die Entscheidungen, auf die sie zur Stützung ihrer Klage abstellt, von der Republik Bulgarien im Jahr 2007 erlassen wurden, als die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156, S. 17) geänderten Fassung in Kraft war. Die hier einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien 85/337 und 2011/92 sind jedoch, wie die Generalanwältin in Nr. 139 ihrer Schlussanträge zutreffend ausführt, im Wesentlichen identisch.

84

Ferner ist der Erwiderung der Kommission zu entnehmen, dass sie angesichts der von der Republik Bulgarien in der Klagebeantwortung gelieferten Informationen die Projekte für Windkraftanlagen „Disib“ und „AES Geo Energy“ von der vorliegenden Rüge ausklammern möchte.

85

Vor diesem Hintergrund ist erstens zu prüfen, ob der Gerichtshof über ausreichende Informationen für die Feststellung verfügt, dass die Republik Bulgarien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/92 sowie aus Anhang III Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie verstoßen hat, dass sie nicht ordnungsgemäß die kumulativen Auswirkungen der Projekte für Windkraftanlagen „Windtech“, „Brestiom“, „Eco Energy“ und „Longman Investment“ geprüft hat, die in den Gebieten des IBA Kaliakra genehmigt wurden, die erst nach der von der Kommission in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt als BSG ausgewiesen wurden.

86

Wie in Rn. 72 des vorliegenden Urteils bereits festgestellt, wurde für die Projekte „Windtech“, „Brestiom“ und „Eco Energy“ keine Baugenehmigung erteilt, und nach den Angaben der Republik Bulgarien sind die Entscheidungen über die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht mehr wirksam, da sie nicht innerhalb der nach nationalem Recht vorgeschriebenen fünfjährigen Frist umgesetzt wurden. Nur das Projekt „Longman Investment“ wurde durchgeführt und ist seit dem 16. Juni 2008 in Betrieb.

87

Insoweit enthalten die dem Gerichtshof vorgelegten Akten hinsichtlich der Projekte „Windtech“, „Brestiom“ und „Eco Energy“ keinen Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92.

88

Zwar stimmt, dass die Entscheidungen über die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu dem von der Kommission in der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt, d. h. am 22. August 2012, noch wirksam waren und erst fünf Jahre nach ihrem Erlass, d. h. am 24. bzw. 28. September 2012, hinfällig wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung aber anhand der Situation zu beurteilen, wie sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist in dem Mitgliedstaat besteht; spätere Änderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Belgien, C‑421/12, EU:C:2014:2064, Rn. 45).

89

Wie den dem Gerichtshof vorgelegten Akten zu entnehmen ist und wie die Generalanwältin in den Nrn. 148 und 149 ihrer Schlussanträge ausführt, entsprechen jedoch die Entscheidungen darüber, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projekts nicht erforderlich sei, im nationalen Recht nicht einer Entscheidung, mit der die Durchführung dieses Projekts genehmigt wird, da es noch einer Baugenehmigung bedarf. Folglich ist festzustellen, dass der Republik Bulgarien nicht vorgeworfen werden kann, im Hinblick auf die Projekte „Windtech“, „Brestiom“ und „Eco Energy“ von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung „vor Erteilung der Genehmigung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 abgesehen zu haben. Da jedoch die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung gleichwohl nach Maßgabe dieser Richtlinie und insbesondere gemäß Art. 4 Abs. 2 und 3 sowie Anhang III dieser Richtlinie zu treffen ist, können diese Bestimmungen verletzt worden sein, auch wenn das Projekt niemals alle notwendigen Genehmigungen erhalten hat.

90

In Bezug auf das durchgeführte Projekt, „Longman Investment“, hinsichtlich dessen entschieden wurde, dass vor Erteilung der erforderlichen Genehmigung keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt zu werden brauchte, ist festzustellen, dass die Republik Bulgarien gegen ihre Verpflichtungen sowohl aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 als auch aus Art. 4 Abs. 2 und 3 sowie aus Anhang III dieser Richtlinie verstoßen haben kann.

91

Was zweitens die Vorprüfung der Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2011/92 entweder anhand einer Einzelfalluntersuchung oder anhand der von ihnen festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien bestimmen, ob die unter Anhang II dieser Richtlinie fallenden Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Zu diesen Projekten zählen die in Nr. 3 dieses Anhangs aufgeführten Anlagen zur Nutzung von Windenergie zur Stromerzeugung (Windfarmen).

92

Hinsichtlich der Festlegung dieser Schwellenwerte bzw. Kriterien räumt Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 den Mitgliedstaaten insoweit zwar einen Wertungsspielraum ein. Dieser Spielraum wird jedoch durch die in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie festgelegte Pflicht begrenzt, die Projekte, bei denen u. a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen zu rechnen ist, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen auf die Umwelt zu unterziehen (Urteile Salzburger Flughafen, C‑244/12, EU:C:2013:203, Rn. 29, und Marktgemeinde Straßwalchen u. a., C‑531/13, EU:C:2015:79, Rn. 40).

93

Demgemäß wird mit den in Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 erwähnten Kriterien und Schwellenwerten das Ziel verfolgt, die Beurteilung der konkreten Merkmale eines Projekts zu erleichtern, damit bestimmt werden kann, ob es der Pflicht zur Prüfung der Umweltverträglichkeit unterliegt (Urteile Salzburger Flughafen, C‑244/12, EU:C:2013:203, Rn. 30, und Marktgemeinde Straßwalchen u. a., C‑531/13, EU:C:2015:79, Rn. 41).

94

Daraus folgt, dass die zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf Genehmigung eines unter Anhang II dieser Richtlinie fallenden Projekts befasst sind, eine besondere Prüfung der Frage vorzunehmen haben, ob unter Berücksichtigung der Kriterien in Anhang III der Richtlinie eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist (Urteil Marktgemeinde Straßwalchen u. a., C‑531/13, EU:C:2015:79, Rn. 42).

95

In Bezug auf die Frage, ob im Hinblick auf die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/92 in Verbindung mit deren Anhang III Nr. 1 Buchst. b die kumulativen Auswirkungen der verschiedenen in dem IBA Kaliakra genehmigten Windenergieprojekte hätten geprüft werden müssen, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Merkmale eines Projekts insbesondere hinsichtlich der kumulativen Auswirkungen mit anderen Projekten zu beurteilen sind. Die Nichtberücksichtigung der kumulativen Auswirkung eines Projekts mit anderen Projekten kann nämlich zur Folge haben, dass es der Verpflichtung zur Verträglichkeitsprüfung entzogen wird, obwohl es zusammengenommen mit anderen Projekten erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann (Urteil Marktgemeinde Straßwalchen u. a., C‑531/13, EU:C:2015:79, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96

Daraus folgt, dass es einer nationalen Behörde bei der Prüfung, ob ein Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, obliegt, die Auswirkungen zu prüfen, die das Projekt zusammen mit anderen haben könnte (Urteil Marktgemeinde Straßwalchen u. a., C‑531/13, EU:C:2015:79, Rn. 45). Im vorliegenden Fall ist den dem Gerichtshof vorgelegten Akten zu entnehmen, dass in den fraglichen Entscheidungen lediglich festgestellt wird, dass keine kumulativen Auswirkungen zu erwarten seien. Wie die Generalanwältin in Nr. 161 ihrer Schlussanträge ausführt, beweist jedoch die bloße Behauptung der Republik Bulgarien, es werde keine kumulativen Auswirkungen geben, nicht, dass diese Schlussfolgerung auf einer eingehenden Prüfung beruht, da die Republik Bulgarien im Übrigen hierzu keinerlei Nachweis vorlegt.

97

Daher ist festzustellen, dass die Republik Bulgarien zum einen dadurch, dass sie die kumulativen Auswirkungen der Projekte für Windkraftanlagen „Windtech“, „Brestiom“, „Eco Energy“ und „Longman investment“ auf das Gebiet des IBA Kaliakra, das nicht als BSG ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen, bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in geeigneter Weise geprüft hat, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/92 sowie aus Anhang III Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie verstoßen hat und dass sie zum anderen dadurch, dass sie die Durchführung des Projekts für Windkraftanlagen „Longman investment“ gleichwohl genehmigt hat, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie verstoßen hat.

98

Nach alledem ist festzustellen, dass die Republik Bulgarien

dadurch, dass sie es unterlassen hat, die für den Vogelschutz wichtigen Gebiete zur Gänze in das BSG Kaliakra zu integrieren, nicht die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete für den Schutz biologischer Arten nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie und für den Schutz der nicht in Anhang I aufgeführten, aber regelmäßig auftretenden Zugvogelarten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, als BSG ausgewiesen hat und somit gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie verstoßen hat;

dadurch, dass sie die Durchführung der Projekte „AES Geo Energy“, „Disib“ und „Longman Investment“ in dem Gebiet des IBA Kaliakra genehmigt hat, das nicht als BSG ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie verstoßen hat;

dadurch, dass sie die Durchführung der Projekte „Kaliakra Wind Power“, „EVN Enertrag Kavarna“, „Vertikal – Petkov & Cie“ und „Thracian Cliffs Golf & Spa Resort“ in dem Gebiet der BSG Kaliakra bzw. Belite skali genehmigt hat, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie verstoßen hat;

zum einen dadurch, dass sie es unterlassen hat, die kumulativen Auswirkungen der Projekte „Windtech“, „Brestiom“, „Eco Energy“ und „Longman investment“ auf das Gebiet des IBA Kaliakra ordnungsgemäß zu prüfen, das nicht als BSG ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen, und zum anderen dadurch, dass sie die Durchführung des Projekts „Longman investment“ gleichwohl genehmigt hat, gegen ihre Verpflichtungen zum einen aus Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/92 und aus Anhang III Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie sowie zum anderen aus Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie verstoßen hat.

Kosten

99

Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da den gegen die Republik Bulgarien erhobenen Vorwürfen im Wesentlichen stattgegeben worden ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Republik Bulgarien hat

dadurch, dass sie es unterlassen hat, die für den Vogelschutz wichtigen Gebiete zur Gänze in das besondere Schutzgebiet der Region Kaliakra zu integrieren, nicht die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete für den Schutz biologischer Arten nach Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten und für den Schutz der nicht in Anhang I aufgeführten, aber regelmäßig auftretenden Zugvogelarten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, als besonderes Schutzgebiet ausgewiesen und somit gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie verstoßen;

dadurch, dass sie die Durchführung der Projekte „AES Geo Energy“, „Disib“ und „Longman Investment“ in dem für den Vogelschutz wichtigen Gebiet der Region Kaliakra genehmigt hat, das nicht als besonderes Schutzgebiet ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2009/147 verstoßen;

dadurch, dass sie die Durchführung der Projekte „Kaliakra Wind Power“, „EVN Enertrag Kavarna“, „Vertikal – Petkov & Cie“ und „Thracian Cliffs Golf & Spa Resort“ in den besonderen Schutzgebieten der Regionen Kaliakra bzw. Belite skali genehmigt hat, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstoßen;

zum einen dadurch, dass sie es unterlassen hat, die kumulativen Auswirkungen der Projekte „Windtech“, „Brestiom“, „Eco Energy“ und „Longman investment“ auf das für den Vogelschutz wichtige Gebiet der Region Kaliakra ordnungsgemäß zu prüfen, das nicht als besonderes Schutzgebiet ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen, und zum anderen dadurch, dass sie die Durchführung des Projekts „Longman investment“ gleichwohl genehmigt hat, gegen ihre Verpflichtungen zum einen aus Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten und aus Anhang III Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie sowie zum anderen aus Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie verstoßen.

 

2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

3.

Die Republik Bulgarien trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 )   Verfahrenssprache: Bulgarisch.

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