Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-124/15

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

17. Februar 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Gemeinsamer Zolltarif — Tarifierung — Kombinierte Nomenklatur — Position 3004 — Brausetabletten mit einem Calciumgehalt von 500 mg — Menge eines in der pro Tag empfohlenen Verzehrmenge enthaltenen Stoffes, die deutlich über der für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlenen Tagesdosis liegt“

In der Rechtssache C‑124/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. Februar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 12. März 2015, in dem Verfahren

Salutas Pharma GmbH

gegen

Hauptzollamt Hannover

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter A. Arabadjiev, J.‑C. Bonichot, C. G. Fernlund und S. Rodin (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Salutas Pharma GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte M. Niestedt und K. Göcke,

des Hauptzollamts Hannover, vertreten durch T. Röper als Bevollmächtigten,

der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und A. M. Pálfy als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Caeiros und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 (ABl. L 282, S. 1) (im Folgenden: KN).

2

Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Salutas Pharma GmbH (im Folgenden: Salutas Pharma), einer Firma, die pharmazeutische Produkte herstellt und vertreibt, und dem Hauptzollamt Hannover (im Folgenden: Hauptzollamt) wegen der zolltariflichen Einreihung von Brausetabletten mit der Handelsbezeichnung „Calcium-Sandoz Forte 500 mg“.

Rechtlicher Rahmen

Harmonisiertes System

3

Der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), wurde durch das am 15. Dezember 1950 in Brüssel unterzeichnete Abkommen zur Gründung dieses Rates errichtet. Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde von der WZO ausgearbeitet und mit dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS-Übereinkommen) eingeführt, das mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt wurde.

4

Nach Art. 3 Abs. 1 des HS-Übereinkommens verpflichtet sich jede Vertragspartei, ihre Zolltarifnomenklatur und ihre Statistiknomenklaturen mit dem HS in Übereinstimmung zu bringen, alle Positionen und Unterpositionen des HS sowie die dazugehörigen Codes zu verwenden, ohne etwas hinzuzufügen oder zu ändern, und die Nummernfolge des HS einzuhalten. Die Vertragsparteien verpflichten sich außerdem, die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS sowie alle Anmerkungen zu den Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen des HS anzuwenden und die Tragweite der Abschnitte, Kapitel, Positionen oder Unterpositionen des HS nicht zu verändern.

5

Die WZO genehmigt unter den in Art. 8 des HS-Übereinkommens festgelegten Voraussetzungen die vom HS-Ausschuss ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise.

6

Die Position 21.06 des HS umfasst „Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen“.

7

In der Erläuterung zu dieser Position heißt es:

8

Die Position 30.04 des HS lautet:

9

Nach der Erläuterung zur Position 30.04 des HS gehören zu dieser Position „nicht ‚Nahrungsergänzungsmittel‘, die Vitamine und Mineralsalze enthalten und zur Erhaltung der Gesundheit oder des Wohlbefindens dienen, sofern sie keine Angaben über die Verhütung oder Behandlung einer Krankheit enthalten. Diese Erzeugnisse, die gewöhnlich in flüssiger Form vorliegen, aber auch Pulver- oder Tablettenform aufweisen können, gehören im Allgemeinen zu Pos. 21.06 oder zu Kapitel 22.“

KN

10

Die KN baut auf dem HS auf und übernimmt dessen sechsstellige Positionen und Unterpositionen; nur die siebte und die achte Stelle bilden eigene Unterteilungen der KN.

11

Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. L 28, S. 16) geänderten Fassung veröffentlicht die Europäische Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Sie finden ab dem 1. Januar des folgenden Kalenderjahrs Anwendung.

12

Die Positionen 2106 und 3004 der KN übernehmen den Wortlaut der Positionen 21.06 und 30.04 des HS.

13

Die Unterposition 3004 90 00 der KN lautet „andere“.

14

Die Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 30 der KN sieht vor:

15

Die Erläuterung zur Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 30 der KN in der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union“ (ABl. 2011, C 137, S. 1, im Folgenden: Erläuterung zu Kapitel 30 der KN) sieht unter Nr. 3 vor:

16

Außerdem ergibt sich aus Nr. 3, dass die empfohlene Tagesdosis für Calcium 800 mg beträgt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

17

Am 2. Mai 2012 beantragte Salutas Pharma die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft für die Tabletten „Calcium-Sandoz Forte 500 mg“. Sie schlug vor, dieses Produkt in die Unterposition 3004 90 00 der KN einzureihen.

18

Das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Produkt ist eine Zubereitung, die im Wesentlichen aus Calcium besteht und zur Einnahme nach Auflösung in Wasser bestimmt ist. Jede Brausetablette enthält 500 mg Calcium. Informationen zu dem Produkt, insbesondere zur Dosierung, zum Anwendungsfeld und zu den enthaltenen Wirkstoffen finden sich auf der Faltschachtel und auf einem Beipackzettel. Als Tagesdosis werden für Erwachsene eine bis drei Brausetabletten – also 500 bis 1500 mg Calcium – und für Kinder eine bis zwei Brausetabletten – also 500 bis 1000 mg Calcium – empfohlen. Im Beipackzettel heißt es, die Brausetabletten würden zur Vorbeugung und Behandlung eines Calciummangels und zur Unterstützung einer speziellen Therapie zur Vorbeugung und Behandlung von Osteoporose angewandt. Salutas Pharma vertreibt die Brausetabletten ausschließlich über Apotheken.

19

Am 8. Oktober 2012 reihte das Hauptzollamt das genannte Produkt mit verbindlicher Zolltarifauskunft in die Unterposition 2106 90 92 der KN ein und begründete dies damit, dass es nicht unter die Position 3004 der KN falle, da die empfohlene Verzehrmenge an Calcium nicht deutlich höher liege als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Tagesdosis.

20

Auf den von Salutas Pharma am 26. Oktober 2012 eingelegten Einspruch hin bestätigte das Hauptzollamt am 13. Januar 2014 die Entscheidung, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Produkt in die Position 2106 der KN einzureihen, da die in der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 30 der KN enthaltene Voraussetzung nicht erfüllt sei. Der Calciumgehalt der für das streitgegenständliche Erzeugnis empfohlenen maximalen täglichen Verzehrmenge entspreche nämlich nicht dem Dreifachen der für Calcium empfohlenen Tagesdosis.

21

Am 17. Februar 2014 erhob Salutas Pharma beim vorlegenden Gericht Klage gegen die Entscheidung vom 13. Januar 2014 und trug dazu vor, die Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 30 der KN sei ungültig, da sie den Inhalt der Tarifposition 3004 der KN ändere. Hilfsweise machte sie geltend, diese Zusätzliche Anmerkung verlange nicht, dass der Calciumgehalt der empfohlenen täglichen Verzehrmenge des fraglichen Produkts zwingend dem Dreifachen der erforderlichen Tagesdosis entspreche, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, dass eine Tagesdosis von 2400 mg Calcium – die dem Dreifachen der empfohlenen Tagesdosis entspreche – die gesundheitlich kritische Grenze überschreite.

22

Das Hauptzollamt meint, die Klage sei abzuweisen, weil die Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 30 der KN verbindlich sei und weil bis zu 2500 mg Calcium pro Tag ohne gesundheitsschädliche Auswirkungen eingenommen werden könnten. Die empfohlene maximale Tagesdosis der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Brausetabletten von 1500 mg sei nicht „deutlich höher“ im Sinne der Zusätzlichen Anmerkung.

23

Das vorlegende Gericht führt aus, die Tabletten erfüllten die in Abs. 1 Buchst. a bis d der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 30 der KN genannten Voraussetzungen. Deshalb hänge ihre Einreihung zum einen von der Auslegung des in Abs. 3 dieser Zusätzlichen Anmerkung enthaltenen Begriffs „deutlich höher“ und zum anderen von der Auslegung der Erläuterung zu Kapitel 30 der KN ab.

24

Nach dieser Erläuterung falle ein Präparat wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende als „Zubereitung auf der Grundlage von Vitaminen und Mineralstoffen“ offenbar nur dann unter Kapitel 30, wenn der Gehalt an Vitaminen oder an Mineralstoffen deutlich höher als die empfohlene Tagesdosis sei, im Allgemeinen mindestens dreimal so hoch. Da die empfohlene Tagesdosis für Calcium 800 mg betrage, müsste der Calciumgehalt der empfohlenen täglichen Verzehrmenge eines Produkts wie des im Ausgangsverfahren fraglichen, damit es in die Position 3004 der KN eingereiht werden könne, 2400 mg betragen. Bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Produkt betrage die Höchstdosis jedoch 1500 mg pro Tag.

25

Diese Dosis liege um mehr als 85 % über der empfohlenen Tagesdosis für Calcium. Eine derartige Dosis dürfte aber als „deutlich höher“ im Sinne der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 30 anzusehen sein, auch wenn sie nicht das Dreifache der empfohlenen Tagesdosis betrage. Die Erläuterung zu Kapitel 30 der KN verweise offenbar durch die Verwendung des Begriffs „im Allgemeinen“ auf mögliche Ausnahmen. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass ein niedrigerer Gehalt an Vitaminen oder Mineralstoffen als das Dreifache der empfohlenen Tagesdosis bei einem Produkt für die Einreihung in die Position 3004 der KN ausnahmsweise ausreiche.

26

Überdies gebe es auf dem Markt kein oral einzunehmendes Präparat mit einem dreimal höheren Calciumgehalt als der empfohlenen Tagesdosis, und man könne nicht pauschal sagen, dass die Einnahme einer Tagesdosis von 2400 mg Calcium keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen habe.

27

Zwar spreche eine Reihe von Gesichtspunkten dafür, den Begriff des „deutlich höheren“ Gehalts an Vitaminen oder Mineralstoffen je nach Vitamin oder Mineralstoff einer differenzierten Betrachtung zu unterziehen, doch könnten praktische Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Verwaltung auch die Festlegung einer klaren und leicht überprüfbaren Grenze für diesen Gehalt gebieten. Bei der tariflichen Einreihung der Waren dürfe nicht anhand der Üblichkeit auf dem betreffenden Markt oder der medizinischen Sinnhaftigkeit differenziert werden.

28

Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Hamburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Zur Vorlagefrage

29

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. Urteile Sysmex Europe, C‑480/13, EU:C:2014:2097, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, Vario Tek, C‑178/14, EU:C:2015:152, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Amazon EU, C‑58/14, EU:C:2015:385, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Die Anmerkungen zu den Kapiteln der KN sind deshalb wichtige Hilfsmittel, um eine einheitliche Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs zu gewährleisten, und können als wertvolle Erkenntnismittel für die Auslegung des Tarifs angesehen werden. Der Inhalt dieser Erläuterungen muss daher mit den Bestimmungen der KN in Einklang stehen und darf deren Bedeutung nicht verändern (vgl. Urteil X und X BV, C‑319/10 und C‑320/10, EU:C:2011:720, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31

Außerdem sind die von der Kommission zur KN und von der WZO zum HS ausgearbeiteten Erläuterungen ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der Tragweite der einzelnen Tarifpositionen (vgl. Urteil Data I/O, C‑297/13, EU:C:2014:331, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, handelt es sich im Ausgangsverfahren unstreitig um ein Produkt auf der Grundlage von Mineralstoffen, das für den Einzelverkauf aufgemacht ist. Die Konzentration des enthaltenen Wirkstoffs, die zu verabreichende Menge, die Art der Anwendung sowie die Krankheiten, Leiden oder Symptome, bei denen das Produkt verwendet werden soll, sind auf dessen Verpackung oder Beipackzettel angegeben. Folglich erfüllt das Produkt die in Abs. 1 Buchst. a bis d der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 30 der KN genannten Voraussetzungen.

33

Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten lediglich darüber, ob der Calciumgehalt der empfohlenen Tagesdosis des fraglichen Produkts im Sinne der Zusätzlichen Anmerkung „deutlich höher [ist] als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Tagesdosis“.

34

In der Erläuterung zu Kapitel 30 der KN heißt es zur näheren Bestimmung dieses Kriteriums, dass die empfohlene Verzehrmenge eine „wesentlich höhere Menge an Vitaminen oder Mineralstoffen, im Allgemeinen mindestens dreimal höher als die normalerweise empfohlene Tagesdosis“, enthalten muss.

35

Zum einen ist hervorzuheben, dass nach dieser Erläuterung – die, wie in Rn. 31 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht rechtsverbindlich ist – ein Produkt, das die dreifache Menge der empfohlenen Tagesdosis an Vitaminen oder Mineralstoffen enthält, unter Kapitel 30 fällt, wenn alle übrigen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind. Zum anderen schließt die Erläuterung in Anbetracht des darin enthaltenen Begriffs „im Allgemeinen“ Produkte nicht allein deshalb von Kapitel 30 aus, weil ihre empfohlene Verzehrmenge an Vitaminen oder Mineralstoffen nicht das Dreifache der empfohlenen Tagesdosis beträgt.

36

Demzufolge ist die Erläuterung zu Kapitel 30 der KN nicht dahin auszulegen, dass die Vitamin- oder Mineralstoffmenge der empfohlenen Tagesdosis der aus diesen Stoffen bestehenden Produkte zwingend dreimal höher sein muss als die empfohlene Tagesdosis, damit sie in die Position 3004 der KN eingereiht werden können.

37

Wenn die Menge an Vitaminen, Mineralstoffen, essenziellen Aminosäuren oder Fettsäuren der empfohlenen Tagesdosis eines Produkts, das die in Position 3004 der KN festgelegten objektiven Merkmale und Eigenschaften aufweist, deutlich über das für die allgemeine Ernährung notwendige oder empfohlene Maß hinausgeht, ist es nämlich in diese Position einzureihen (vgl. in diesem Sinne Urteil Glob-Sped, C‑328/97, EU:C:1998:601, Rn. 28).

38

Insoweit ergibt sich für das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Produkt aus der Vorlageentscheidung erstens, dass der Calciumgehalt seiner empfohlenen Tagesdosis – maximal 1500 mg – um mehr als 85 % über der für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlenen Tagesdosis für Calcium liegt, und zweitens, dass der regelmäßige Verzehr von Calciummengen in Höhe des Dreifachen der empfohlenen Tagesdosis gesundheitsschädlich sein kann.

39

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der Calciumgehalt der empfohlenen maximalen Tagesdosis eines Produkts wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden deutlich über das für die allgemeine Ernährung notwendige oder empfohlene Maß hinausgeht. Sofern ein solches Produkt auch die in Abs. 1 Buchst. a bis d der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 30 der KN genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es in die Position 3004 der KN einzureihen.

40

Nach alledem ist die KN dahin auszulegen, dass ein Produkt wie Brausetabletten mit einem Calciumgehalt von 500 mg pro Tablette, die zur Vorbeugung und Behandlung eines Calciummangels und zur Unterstützung einer speziellen Therapie zur Vorbeugung und Behandlung einer Osteoporose angewandt werden und für die auf dem Etikett für Erwachsene eine maximale Tagesdosis von 1500 mg empfohlen wird, in die Position 3004 der KN einzureihen ist.

Kosten

41

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 ist dahin auszulegen, dass ein Produkt wie Brausetabletten mit einem Calciumgehalt von 500 mg pro Tablette, die zur Vorbeugung und Behandlung eines Calciummangels und zur Unterstützung einer speziellen Therapie zur Vorbeugung und Behandlung einer Osteoporose angewandt werden und für die auf dem Etikett für Erwachsene eine maximale Tagesdosis von 1500 mg empfohlen wird, in die Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen ist.

 

Unterschriften


( *1 )   Verfahrenssprache: Deutsch.

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Referenzen

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