Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-693/13

T‑693/1362013TJ0693EU:T:2016:2830001111010T

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

10. Mai 2016 ( *1 )

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik — Restriktive Maßnahmen gegen Belarus — Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen — Beschränkungen der Einreise in und der Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Union — Belassung des Namens des Klägers auf der Liste der betroffenen Personen — Journalist — Verteidigungsrechte — Begründungspflicht — Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T‑693/13

Aliaksei Mikhalchanka, wohnhaft in Minsk (Belarus), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Michalauskas,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J.‑P. Hix und F. Naert als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2013/534/GASP des Rates vom 29. Oktober 2013 zur Änderung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2013, L 288, S. 69) sowie der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1054/2013 des Rates vom 29. Oktober 2013 zur Durchführung von Artikel 8a Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2013, L 288, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen (Berichterstatter), der Richterin I. Pelikánová sowie des Richters E. Buttigieg,

Kanzler: G. Predonzani, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2015

folgendes

Urteil ( 1 )

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Der Kläger, Aliaksei Mikhalchanka, ist belarussischer Staatsangehöriger und Journalist beim öffentlichen Fernsehsender Obshchenatsional’noe Televidenie (ONT).

2

Aus dem Gemeinsamen Standpunkt 2006/276/GASP des Rates vom 10. April 2006 über restriktive Maßnahmen gegen einzelne belarussische Amtsträger und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/661/GASP (ABl. 2006, L 101, S. 5) ergibt sich, dass nach dem Verschwinden von Persönlichkeiten in Belarus, den Fälschungen bei den Wahlen und bei einem Referendum sowie schweren Menschenrechtsverletzungen beim Vorgehen gegen friedliche Demonstranten im Anschluss an die Wahlen und das Referendum beschlossen wurde, restriktive Maßnahmen gegenüber verschiedenen Personen aus Belarus wie die Verhinderung der Einreise in oder der Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Europäischen Union sowie die Ermächtigung zum Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen zu ergreifen.

3

Die Durchführungsbestimmungen der Union wurden in der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 des Rates vom 18. Mai 2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2006, L 134, S. 1) festgelegt. Diese Bestimmungen waren mehreren aufeinanderfolgenden Änderungen unterworfen, und Art. 8a Abs. 1 dieser Verordnung in geänderter Fassung sieht vor, dass der Rat der Europäischen Union, wenn er beschließt, eine natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung den in Art. 2 Abs. 1 genannten Maßnahmen zu unterwerfen, den Anhang mit der Liste, in der diese Person aufgeführt ist, entsprechend ändert.

4

Die im Gemeinsamen Standpunkt 2006/276 vorgesehenen restriktiven Maßnahmen wurden durch den Gemeinsamen Standpunkt 2009/314/GASP des Rates vom 6. April 2009 zur Änderung des Gemeinsamen Standpunkts 2006/276 und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2008/844/GASP (ABl. 2009, L 93, S. 21) bis zum 15. März 2010 verlängert. Die gegen bestimmte belarussische Amtsträger verhängten Aufenthaltsverbote wurden jedoch, mit Ausnahme der Aufenthaltsverbote für Amtsträger, die in das Verschwinden mehrerer Persönlichkeiten in den Jahren 1999 und 2000 verwickelt waren, und des Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission, bis zum 15. Dezember 2009 ausgesetzt.

5

Am 15. Dezember 2009 nahm der Rat den Beschluss 2009/969/GASP zur Verlängerung der im Gemeinsamen Standpunkt 2006/276 festgelegten restriktiven Maßnahmen gegen einzelne belarussische Amtsträger und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2009/314 (ABl. 2009, L 332, S. 76) an. Er verlängerte sowohl die im Gemeinsamen Standpunkt 2006/276 vorgesehenen restriktiven Maßnahmen als auch die Aussetzung der Aufenthaltsverbote für bestimmte belarussische Amtsträger bis zum 31. Oktober 2010.

6

Nach einer Überprüfung des Gemeinsamen Standpunkts 2006/276 verlängerte der Rat durch den Beschluss 2010/639/GASP vom 25. Oktober 2010 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2010, L 280, S. 18) sowohl die im Gemeinsamen Standpunkt 2006/276 vorgesehenen restriktiven Maßnahmen als auch die Aussetzung der Aufenthaltsverbote für bestimmte belarussische Amtsträger bis zum 31. Oktober 2011.

7

Mit dem Beschluss 2011/69/GASP des Rates vom 31. Januar 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/639 (ABl. 2011, L 28, S. 40) wurde entschieden, in Anbetracht der Fälschungen bei den Präsidentschaftswahlen vom 19. Dezember 2010 in Belarus und des gewaltsamen Vorgehens gegen die politische Opposition, die Zivilgesellschaft und die Vertreter von unabhängigen Massenmedien in Belarus, die Aussetzung der Aufenthaltsverbote zu beenden und weitere restriktive Maßnahmen zu treffen. Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2010/639 wurde wie folgt ergänzt:

„d)

für die Verletzung internationaler Wahlstandards bei den Präsidentschaftswahlen vom 19. Dezember 2010 in Belarus und das harte Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich sind und den mit ihnen in Verbindung stehenden Personen (Anhang IIIA)“.

8

Art. 2 des Beschlusses 2010/639 erhielt durch den Beschluss 2011/69 folgende Fassung:

Artikel 2

(1)   Es werden sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren, die sich im Besitz, im Eigentum, in der Verfügungsgewalt oder unter der Kontrolle folgender Personen, Organisationen oder Einrichtungen befinden:

b)

der für die Verletzung internationaler Wahlstandards bei den Präsidentschaftswahlen vom 19. März 2006 in Belarus und das harte Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in Anhang IIIA aufgeführt sind.

…“

9

Der Name des Klägers wurde in Anhang V des Beschlusses 2011/69 aufgenommen, mit dem dem Beschluss 2010/639 der Anhang IIIA hinzugefügt wurde. Der unter Nr. 77 aufgeführte Name des Klägers wird durch folgende Angabe ergänzt: „Journalist des staatlichen Fernsehsenders ONT mit leitender und einflussreicher Stellung“.

10

Durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 84/2011 des Rates vom 31. Januar 2011 zur Änderung der Verordnung Nr. 765/2006 (ABl. 2011, L 28, S. 17) erhielt Art. 2 der Verordnung Nr. 765/2006 folgende Fassung:

Artikel 2

(1)   Es werden alle Finanzmittel und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren, die sich im Besitz, im Eigentum, in der Verfügungsgewalt oder unter der Kontrolle der in Anhang I bzw. Anhang IA aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen befinden.

(2)   Es wird sichergestellt, dass weder Gelder noch wirtschaftliche Ressourcen den in Anhang I bzw. Anhang IA aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen direkt oder indirekt zur Verfügung gestellt werden oder ihnen zugutekommen.

(5)   Anhang IA enthält eine Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen [oder] Einrichtungen, die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b des Beschlusses 2010/639… des Rates in der geänderten Fassung genannt sind.“

11

Durch Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 84/2011 (Anhang IA der Verordnung Nr. 765/2006: Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen nach Artikel 2 Absätze 1, 2 und 5) wurde der Name des Klägers mit derselben Angabe wie die vorstehend in Rn. 9 genannte eingefügt.

12

Am 2. Februar 2011 wurde im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung für die Personen veröffentlicht, auf die Maßnahmen nach dem Beschluss 2011/69 und der Durchführungsverordnung Nr. 84/2011 Anwendung finden (ABl. 2011, C 33, S. 17).

13

Mit dem Durchführungsbeschluss 2011/174/GASP des Rates vom 21. März 2011 zur Durchführung des Beschlusses 2010/639 (ABl. 2011, L 76, S. 72) erhielten die Anhänge I bis III, IIIA und IV des Beschlusses 2010/639 die Fassung der Anhänge I bis V dieses Durchführungsbeschlusses. Der Name des Klägers erscheint mit der oben in Rn. 9 bezeichneten Funktion in Anhang IV.

14

Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 271/2011 des Rates vom 21. März 2011 zur Durchführung von Artikel 8a Absatz 1 der Verordnung Nr. 765/2006 (ABl. 2011, L 76, S. 13) erhielten die Anhänge I und IA der Verordnung Nr. 765/2006 die Fassung der Anhänge I und II dieser Durchführungsverordnung. Der Name des Klägers erscheint mit der oben in Rn. 9 bezeichneten Funktion in Anhang II.

15

Mit dem Beschluss 2012/642/GASP vom 15. Oktober 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2012, L 285, S. 1) hat der Rat die geltenden restriktiven Maßnahmen bis zum 31. Oktober 2013 verlängert und diese mit dem Beschluss 2010/639 verhängten Maßnahmen in einem einzigen Rechtsinstrument zusammengefasst. Art. 3 Abs. 1 dieses Beschlusses sieht Folgendes vor:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um folgenden im Anhang aufgeführten Personen die Einreise in oder die Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet zu verweigern:

a)

Personen, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen oder die Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich sind oder deren Aktivitäten die Demokratie oder die Rechtsstaatlichkeit in Belarus auf andere Weise ernsthaft untergraben, sowie allen mit ihnen in Verbindung stehenden Personen,

b)

Personen, die von dem Lukaschenko-Regime profitieren oder es unterstützen.“

16

Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 2012/642 lautet:

„Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum folgender im Anhang aufgeführter Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren:

a)

Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen oder die Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich sind oder deren Aktivitäten die Demokratie oder die Rechtsstaatlichkeit in Belarus auf andere Weise ernsthaft untergraben, oder mit ihnen in Verbindung stehende natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen sowie die in ihrem Eigentum stehenden und von ihnen kontrollierten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen,

b)

natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die von dem Lukaschenko-Regime profitieren oder es unterstützen, sowie die in ihrem Eigentum stehenden oder von ihnen kontrollierten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen“.

17

Im Anhang des Beschlusses 2012/642 wurde der Name des Klägers mit folgender Angabe in Nr. 138 eingetragen:

„Journalist des staatlichen Fernsehsenders ONT in einflussreicher Stellung. Er ist Moderator der Fernsehsendung ‚So ist es‘. Dieses Programm ist ein Instrument der Staatspropaganda im Fernsehen, die repressive Maßnahmen gegen die demokratische Opposition und die Zivilgesellschaft unterstützt und rechtfertigt. Die Opposition und die Zivilgesellschaft werden unter Verwendung gefälschter Informationen systematisch negativ und herabwürdigend dargestellt. In dieser Hinsicht war er nach der Niederschlagung der friedlichen Demonstrationen vom 19. Dezember 2010 und der anschließenden Proteste besonders aktiv.“

18

Durch die Verordnung (EU) Nr. 1014/2012 vom 6. November 2012 (ABl. 2012, L 307, S. 1) änderte der Rat die Verordnung Nr. 765/2006. Art. 2 dieser Verordnung wurde durch folgenden Text ersetzt:

„(1)   Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang I aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

(2)   Den in Anhang I aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.

(3)   Es ist verboten, sich wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten zu beteiligen, mit denen unmittelbar oder mittelbar die Umgehung der in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen bezweckt oder bewirkt wird.

(4)   Anhang I enthält eine Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die vom Rat nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Beschlusses 2012/642… als Personen, Organisationen oder Einrichtungen ermittelt wurden, die für schwere Menschenrechtsverletzungen oder Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich sind oder deren Aktivitäten die Demokratie oder die Rechtsstaatlichkeit in Belarus auf andere Weise ernsthaft untergraben, und der mit ihnen in Verbindung stehenden natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen sowie der in ihrem Eigentum stehenden oder von ihnen kontrollierten juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen.

(5)   Anhang I enthält auch eine Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die vom Rat nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b des Beschlusses 2012/642… als natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen ermittelt wurden, die Nutznießer des Lukaschenko-Regimes sind oder es unterstützen, sowie der in ihrem Eigentum stehenden oder von ihnen kontrollierten juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen.“

19

Im Übrigen wurden durch die Verordnung Nr. 1014/2012 die Bezugnahmen auf die „Anhänge I, IA und IB“ und die Bezugnahmen auf „Anhang I bzw. IA“ in der geänderten Verordnung Nr. 765/2006 durch Bezugnahmen auf „Anhang I“ ersetzt.

20

Durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1017/2012 vom 6. November 2012 zur Durchführung von Artikel 8a Absatz 1 der Verordnung Nr. 765/2006 (ABl. 2012, L 307, S. 7) ersetzte der Rat den Text der Anhänge I, IA und IB der Verordnung Nr. 765/2006 durch einen einzigen Anhang. Darin findet sich der Name des Klägers, gefolgt von derselben Angabe wie die vorstehend in Rn. 17 wiedergegebene.

21

Mit Schreiben vom 7. November 2012 teilte der Rat dem Kläger und seinem Rechtsvertreter den Beschluss 2012/642, die Verordnung Nr. 1014/2012 sowie die Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012 mit.

22

Am selben Tage wurde eine Mitteilung für die Personen und Organisationen, auf die restriktive Maßnahmen nach den drei oben in Rn. 21 bezeichneten Rechtsakten Anwendung finden, im Amtsblatt (ABl. 2012, C 339, S. 9) veröffentlicht.

23

Mit dem Beschluss 2013/534/GASP vom 29. Oktober 2013 zur Änderung des Beschlusses 2012/642 (ABl. 2013, L 288, S. 69) verlängerte der Rat die geltenden restriktiven Maßnahmen bis zum 31. Oktober 2014 und ersetzte den Anhang des Beschlusses 2012/642. Der in Nr. 132 des Anhangs des Beschlusses 2013/534 erscheinende Name des Klägers wurde mit derselben Angabe wie der vorstehend in Rn. 17 angeführten eingetragen.

24

Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1054/2013 vom 29. Oktober 2013 zur Durchführung von Artikel 8a Absatz 1 der Verordnung Nr. 765/2006 (ABl. 2013, L 288, S. 1) änderte der Rat den Anhang der Verordnung Nr. 765/2006. Der in Nr. 132 dieses Anhangs erscheinende Name des Klägers wurde wiederum mit derselben Angabe wie der vorstehend in Rn. 17 genannten eingetragen.

25

Mit Urteil vom 23. September 2014, Mikhalchanka/Rat (T‑196/11 und T‑542/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:801), hat das Gericht den Beschluss 2011/69, den Durchführungsbeschluss 2011/174, die Durchführungsverordnung Nr. 271/2011, den Beschluss 2012/642 sowie die Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012 für nichtig erklärt, soweit sie den Kläger betreffen.

Verfahren und Anträge der Parteien

26

Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 31. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Klage mit dem Antrag erhoben,

den Beschluss 2013/534 für nichtig zu erklären, soweit er ihn betrifft;

die Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013 für nichtig zu erklären, soweit sie ihn betrifft;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

27

Mit ebenfalls am 31. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger einen Antrag auf Prozesskostenhilfe nach den Art. 94 und 95 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 gestellt.

28

Am 18. März 2014 hat der Rat eine Klagebeantwortung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht mit dem Antrag,

die Klage abzuweisen;

dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

29

Der Kläger hat am 6. Mai 2014 eine Erwiderung eingereicht, und der Rat hat am 18. Juni 2014 eine Gegenerwiderung eingereicht.

30

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2014, Mikhalchanka/Rat (T‑693/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1098), wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt.

31

Mit am 8. und 16. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen haben der Rat und der Kläger die als prozessleitende Maßnahme gestellte Frage des Gerichts nach den in der vorliegenden Rechtssache zu ziehenden Konsequenzen aus den Erwägungen des Gerichts im Urteil vom 23. September 2014, Mikhalchanka/Rat (T‑196/11 und T‑542/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:801), beantwortet. Im Rahmen seiner Antwort hat der Rat einen Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gestellt. Hilfsweise hat er geltend gemacht, aus diesem Urteil gehe nicht hervor, dass der Beschluss 2013/534 und die Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013, auf den vorliegenden Fall bezogen, rechtswidrig seien.

32

Mit am 24. Juli 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger zum Antrag des Rates, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, schriftlich Stellung genommen.

33

Mit am 16. und 22. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen haben der Kläger und der Rat die als prozessleitende Maßnahme gestellte Frage des Gerichts, ob der Kläger von der Begründung des Beschlusses 2013/534 und der Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013 vor dem Erlass dieser Rechtsakte unter Berücksichtigung der mit dem Urteil vom 23. September 2014, Mikhalchanka/Rat (T‑196/11 und T‑542/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:801), erfolgten Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/642 und der Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012, soweit sie den Kläger betrafen, Kenntnis hatte, beantwortet.

Rechtliche Würdigung

34

Zur Stützung seiner Klage macht der Kläger vier Klagegründe geltend, nämlich erstens eine Verletzung der Verteidigungsrechte, zweitens eine unzureichende Begründung, drittens einen Beurteilungsfehler und viertens den unverhältnismäßigen Charakter der ihn betreffenden Maßnahme.

35

Da der Rat einen Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gestellt hat, ist dieser vorab zu prüfen.

[nicht wiedergegeben]

Zum ersten Klagegrund: Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte

44

Der Kläger bringt im Wesentlichen vor, er sei nicht im Vorhinein von der Verlängerung der restriktiven Maßnahmen durch den Beschluss 2013/534 und die Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013 informiert worden. Diese Rechtsakte seien ihm erst am 30. Oktober 2013 mitgeteilt worden, somit nach dem Zeitpunkt ihres Erlasses, obwohl dem Rat seine Adresse bekannt gewesen sei. Die ihm durch den Rat eingeräumte Möglichkeit, eine nachträgliche Überprüfung zu beantragen, könne nicht einem kontradiktorischen Verfahren gleichgestellt werden, das jeglicher Sanktionsmaßnahme vorangehen müsse. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausgeführt, dass eine kontradiktorische Auseinandersetzung vor dem Erlass der genannten Rechtsakte nützlich gewesen wäre, um den tatsächlichen Sachverhalt zu beurteilen, der sich im Übrigen seit dem Zeitpunkt der Ergreifung der ersten ihn betreffenden restriktiven Maßnahmen geändert habe.

[nicht wiedergegeben]

46

In dieser Hinsicht geht aus der Rechtsprechung hervor, dass im Rahmen eines Verfahrens, das den Erlass der Entscheidung betrifft, den Namen einer Person in eine Liste im Anhang eines Rechtsakts zum Erlass restriktiver Maßnahmen aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, die Achtung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz erfordert, dass die zuständige Unionsbehörde der betroffenen Person die ihr vorliegenden, diese Person belastenden Informationen, auf die sie ihre Entscheidung stützt, mitteilt, damit diese Person ihre Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es angebracht ist, den Unionsrichter anzurufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 111).

47

Im Zusammenhang mit dieser Mitteilung muss die zuständige Unionsbehörde diese Person in die Lage versetzen, ihren Standpunkt zu den in Bezug auf sie herangezogenen Gründen in sachdienlicher Weise vorzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 112).

48

Bei einer Entscheidung, die darin besteht, den Namen der betroffenen Person auf der Liste im Anhang des Rechtsakts zum Erlass restriktiver Maßnahmen zu belassen, muss diese doppelte Verfahrenspflicht, anders als bei einer erstmaligen Aufnahme, vor dem Erlass dieser Entscheidung erfüllt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 113).

49

Der Gerichtshof hat befunden, dass der Überraschungseffekt bei einem Folgebeschluss über das Einfrieren von Geldern, nach dem eine Person oder Organisation, die bereits auf der Liste aufgeführt ist, dort verbleibt, nicht mehr erforderlich ist, um die Wirksamkeit der Maßnahme sicherzustellen, so dass grundsätzlich vor Erlass eines solchen Beschlusses die belastenden Umstände mitgeteilt werden müssen und der betroffenen Person oder Organisation Gelegenheit zur Anhörung gegeben werden muss (Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 62).

50

Das Recht auf vorherige Anhörung muss gewahrt werden, wenn der Rat zulasten der Person, gegen die die restriktive Maßnahme gerichtet ist und die auf der fraglichen Liste verbleibt, neue Erkenntnisse berücksichtigt hat (Urteil vom 13. September 2013, Makhlouf/Rat, T‑383/11, EU:T:2013:431, Rn. 43; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 63).

51

Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der spezifisch den Kläger betreffenden Gründe festzuhalten, dass der Beschluss 2013/534 und die Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013 den Namen des Klägers auf der Liste der Personen, gegen die die betreffenden restriktiven Maßnahmen gerichtet sind, belassen haben.

52

Unstreitig ist, dass diese Gründe, wie bereits oben in den Rn. 23 und 24 festgehalten, dieselben sind wie jene im Beschluss 2012/642 und in der Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012. Im Übrigen ist der vorstehenden Rn. 21 zu entnehmen, dass der Beschluss 2012/642 und die Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012 dem Kläger mitgeteilt wurden, der somit die Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt zu den fraglichen Gründen zu äußern.

53

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Rat für den Erlass des Beschlusses 2013/534 sowie der Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013 keine neuen Erkenntnisse zulasten des Klägers berücksichtigt hat und dass er gemäß der oben in den Rn. 46 bis 50 wiedergegebenen Rechtsprechung nicht verpflichtet war, dem Kläger vor dem Erlass dieser Rechtsakte die fraglichen Gründe mitzuteilen.

54

Dieser Befund wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Gericht im Urteil vom 23. September 2014, Mikhalchanka/Rat (T‑196/11 und T‑542/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:801, Rn. 74 und 75), den Beschluss 2012/642 und die Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012 für nichtig erklärt hat, soweit sie den Kläger betreffen, und zwar mit der Begründung, dass diese Rechtsakte dem Kläger nicht vor ihrem Erlass mitgeteilt worden waren und dass er daher nicht in der Lage gewesen war, seinen Standpunkt vor dem Erlass dieser Rechtsakte gebührend geltend zu machen.

55

Zum einen ist festzuhalten, dass weder der Kläger noch der Rat vorgebracht haben, dass die Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/642 und der Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012 sich auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Klägers von den in diesen Rechtsakten enthaltenen und in den Beschluss 2013/534 sowie in die Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013 übernommenen Gründen ausgewirkt habe.

56

Zum anderen und vor allem ist anzumerken, dass zwar, wenn der Unionsrichter gemäß Art. 264 Abs. 1 AEUV im Fall einer begründeten Nichtigkeitsklage die angefochtene Handlung für nichtig erklärt, daraus nach ständiger Rechtsprechung folgt, dass das Nichtigkeitsurteil des Unionsrichters die angefochtene Handlung mit Wirkung für und gegen alle Rechtsbürger rückwirkend beseitigt (Urteile vom 1. Juni 2006, P & O European Ferries [Vizcaya] und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission,C‑442/03 P und C‑471/03 P, EU:C:2006:356, Rn. 43, sowie vom 12. Februar 2008, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication, C‑199/06, EU:C:2008:79, Rn. 61), dies aber nichts daran ändert, dass nach dem Urteil vom 23. September 2014, Mikhalchanka/Rat (T‑196/11 und T‑542/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:801), die rückwirkende Beseitigung des Beschlusses 2012/642 und der Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012, was den Kläger angeht, keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt hatte, zu dem dieser Kenntnis von den Gründen dieser letzteren Rechtsakte erlangte.

57

Wie nämlich der Rat ausgeführt hat, hatte die Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/642 und der Durchführungsverordnung Nr. 1017/2012 weder die Nichtigerklärung der Veröffentlichung dieser Rechtsakte noch diejenige der Mitteilung betreffend diese Rechtsakte oder gar diejenige der mittels des an den Kläger und an seinen Rechtsvertreter gerichteten Schreibens erfolgten individuellen Bekanntgabe zur Folge. Der faktische Rahmen, innerhalb dessen der Kläger Kenntnis von den in den genannten Rechtsakten enthaltenen Gründen erlangt hatte, wurde somit durch das Urteil vom 23. September 2014, Mikhalchanka/Rat (T‑196/11 und T‑542/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:801), nicht berührt.

58

Daraus folgt, dass dem Kläger diese Gründe vor dem Erlass des Beschlusses 2013/534 und der Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013 mitgeteilt worden waren und er daher in der Lage war, seinen diesbezüglichen Standpunkt gegenüber dem Rat geltend zu machen.

59

Der erste Klagegrund ist folglich als unbegründet abzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

Zum dritten Klagegrund: Beurteilungsfehler

[nicht wiedergegeben]

109

Aus dem Vorstehenden folgt, dass der dritte Klagegrund als begründet anzusehen ist und der Beschluss 2013/534 sowie die Durchführungsverordnung Nr. 1054/2013 für nichtig zu erklären sind, soweit sie den Kläger betreffen, ohne dass eine Prüfung des vom Kläger geltend gemachten vierten Klagegrundes erforderlich wäre.

[nicht wiedergegeben]

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Antrag des Rates der Europäischen Union, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, wird zurückgewiesen.

 

2.

Für nichtig erklärt werden, soweit sie Aliaksei Mikhalchanka betreffen:

der Beschluss 2013/534/GASP des Rates vom 29. Oktober 2013 zur Änderung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Belarus;

die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1054/2013 des Rates vom 29. Oktober 2013 zur Durchführung von Artikel 8a Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus.

 

3.

Der Rat trägt neben seinen eigenen Kosten auch die Kosten von Herrn Mikhalchanka.

 

Kanninen

Pelikánová

Buttigieg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. Mai 2016.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.

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Referenzen

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