Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-155/14
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
16. Juni 2016 ( *1 )
„Rechtsmittel — Wettbewerb — Art. 81 EG — Kartelle — Märkte für Calciumcarbidpulver, Calciumcarbidgranulate und Magnesiumgranulate in einem erheblichen Teil des Europäischen Wirtschaftsraums — Preisfestsetzung, Marktaufteilung und Informationsaustausch — Verantwortlichkeit einer Muttergesellschaft für Zuwiderhandlungen ihrer Tochtergesellschaften gegen die Wettbewerbsregeln — Bestimmender Einfluss der Muttergesellschaft — Widerlegbare Vermutung bei einer Beteiligung von 100 % — Voraussetzung für die Widerlegung dieser Vermutung — Missachtung einer ausdrücklichen Weisung“
In der Rechtssache C‑155/14 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. April 2014,
Evonik Degussa GmbH mit Sitz in Essen (Deutschland),
AlzChem AG, vormals AlzChem Trostberg GmbH, mit Sitz in Trostberg (Deutschland),
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Steinle und I. Bodenstein,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch G. Meessen und R. Sauer als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), A. Rosas, E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2015,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. September 2015
folgendes
Urteil
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Mit ihrem Rechtsmittel begehren die Evonik Degussa GmbH (im Folgenden: Degussa) und die AlzChem AG, vormals AlzChem Trostberg GmbH, die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 23. Januar 2014, Evonik Degussa und AlzChem/Kommission (T‑391/09, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2014:22), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 5791 endg. der Kommission vom 22. Juli 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.396 – Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl- und die Gasindustrien) (im Folgenden: streitige Entscheidung), soweit sie die Rechtsmittelführerinnen betrifft, und, hilfsweise, auf Abänderung dieser Entscheidung dahin, dass die ihnen auferlegte Geldbuße aufgehoben oder herabgesetzt wird und die SKW Stahl-Metallurgie GmbH (im Folgenden: SKW) zusammen mit den Rechtsmittelführerinnen für den vollen Betrag dieser Geldbuße gesamtschuldnerisch haftet, teilweise abgewiesen hat. |
Rechtlicher Rahmen
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Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) enthält die Regelung der Geldbußen, die von der Europäischen Kommission aufgrund der Art. 81 EG und 82 EG verhängt werden können. |
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung
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Die relevante Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 1 bis 4 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt:
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Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. September 2004 bis zum 16. Januar 2007, in dem SKW nicht mehr im Alleineigentum von AlzChem und Degussa, sondern von SKW Stahl-Metallurgie Holding (im Folgenden: SKW Holding) und der Gigaset AG, vormals Arques Industrie AG, stand, stellte die Kommission fest, dass sich SKW, SKW Holding und Gigaset an der fraglichen Zuwiderhandlung beteiligt hätten und/oder dafür haftbar zu machen seien. In Art. 2 Buchst. f der streitigen Entscheidung in der durch das Urteil Gigaset/Kommission (T‑395/09, EU:T:2014:23) abgeänderten Fassung verhängte sie gegen SKW und SKW Holding gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 13300000 Euro. Für die Zahlung eines Teils dieses Betrags, nämlich 12300000 Euro, wurde auch Gigaset gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen. |
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
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Mit Klageschrift, die am 5. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragten die Rechtsmittelführerinnen, die streitige Entscheidung in dem sie betreffenden Umfang für nichtig zu erklären und, hilfsweise, die gegen sie gemäß Art. 2 Buchst. g und h dieser Entscheidung festgesetzte Geldbuße herabzusetzen und SKW zusammen mit ihnen selbst für den vollen Betrag der Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar zu machen. |
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Die Rechtsmittelführerinnen stützten ihre Klage auf ein nicht in Klagegründe unterteiltes Vorbringen, das das Gericht dahin auffasste, dass es sich erstens darauf beziehe, dass ihnen die von ihrer Tochtergesellschaft SKW begangene Zuwiderhandlung zugerechnet worden sei, zweitens auf die Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbußen, drittens auf die gesamtschuldnerische Haftung von SKW für die Zahlung dieser Geldbußen und viertens darauf, dass die streitige Entscheidung im Widerspruch zum Urteil vom 3. März 2011, Siemens und VA Tech Transmission & Distribution/Kommission (T‑122/07 bis T‑124/07, EU:T:2011:70), stehe. Die letztgenannte Rüge wurde im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht. |
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Im angefochtenen Urteil gab das Gericht der Klage teilweise statt. Der Tenor dieses Urteils lautet:
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Aus diesem Urteil ergibt sich, dass gegen die Gesellschaften, die zu der im Eigentum der Muttergesellschaft Degussa stehenden wirtschaftlichen Einheit gehörten, wegen der Beteiligung von SKW an der fraglichen Zuwiderhandlung für den Zeitraum vom 22. April 2004 bis zum 30. August 2004 folgende Geldbußen verhängt wurden:
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Anträge der Parteien im Rechtsmittelverfahren
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Degussa und AlzChem beantragen,
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Die Kommission beantragt,
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Zum Rechtsmittel
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Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf fünf Gründe. |
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Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügen sie einen Verstoß gegen Art. 81 EG, den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit, die Unschuldsvermutung und das Verschuldensprinzip. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund machen sie geltend, das Gericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und gegen Art. 296 AEUV verstoßen, soweit es ihr Vorbringen, die streitige Entscheidung stehe im Widerspruch zum Urteil vom 3. März 2011, Siemens und VA Tech Transmission & Distribution/Kommission (T‑122/07 bis T‑124/07, EU:T:2011:70), zurückgewiesen habe. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund rügen sie einen Verstoß des Gerichts gegen seine Begründungspflicht und den Grundsatz der Gleichbehandlung. Mit dem vierten, hilfsweise vorgetragenen Rechtsmittelgrund machen sie geltend, das Gericht habe gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz nulla poena sine lege certa und seine Begründungspflicht verstoßen. Mit dem fünften, ebenfalls hilfsweise vorgetragenen Rechtsmittelgrund rügen sie schließlich einen Verstoß gegen Art. 81 EG, eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und einen Verstoß gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003. |
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In der mündlichen Verhandlung haben die Rechtsmittelführerinnen ihren zweiten Rechtsmittelgrund zurückgenommen. |
Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 81 EG, den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit, die Unschuldsvermutung und das Verschuldensprinzip
Vorbringen der Parteien
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Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, der sich gegen die Rn. 70 bis 119 des angefochtenen Urteils richtet, werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, gegen Art. 81 EG sowie den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit, die Unschuldsvermutung und das Verschuldensprinzip verstoßen zu haben, indem es zu hohe Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Rechtsmittelführerinnen auf SKW gestellt und so die Widerlegbarkeit dieser Vermutung verkannt habe. |
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Zum einen wenden sie sich dagegen, dass das Gericht diese Vermutung, wie sich aus den Rn. 102 bis 107 des angefochtenen Urteils ergebe, nicht als widerlegt angesehen habe, obgleich sie geltend gemacht hätten, dass sich SKW unter eklatanter Missachtung ihrer in den Rn. 91 und 102 des angefochtenen Urteils angeführten ausdrücklichen Weisungen an den Alleingeschäftsführer von SKW, keine Absprachen mit Wettbewerbern über Produkte zur Roheisenentschwefelung zu treffen, am fraglichen Kartell beteiligt habe. Dies belege, dass tatsächlich kein bestimmender Einfluss auf SKW ausgeübt worden sei. |
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Sie beanstanden zudem, dass das Gericht die in Rn. 107 des angefochtenen Urteils angeführte Erklärung des damaligen Vertriebsleiters von SKW, wonach der Direktor von AlzChem nicht über die Mittel verfügt habe, um die Befolgung der Weisungen sicherzustellen, als unerheblich angesehen habe. Diese Erklärung sei aber der Beweis dafür, dass derjenige, der die Weisung erteilt habe, tatsächlich keinen bestimmenden Einfluss auf ihren Empfänger ausgeübt habe. |
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Im Übrigen machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, für die Zurechnung der Verantwortung für einen Verstoß gegen Art. 81 EG sei nicht die bloße Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluss auszuüben, sondern die tatsächliche Ausübung eines solchen Einflusses ausschlaggebend, was durch Rn. 62 des Urteils vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission (T‑112/05, EU:T:2007:381), bestätigt werde. Das Gericht habe aber mehrfach, insbesondere hinsichtlich des Umsatzes von SKW, um den es in den Rn. 108 bis 113 des angefochtenen Urteils gehe, eine hypothetische, auf spekulativen Umständen beruhende Einflussnahme genügen lassen und die tatsächliche Ausübung eines solchen bestimmenden Einflusses der Rechtsmittelführerinnen auf SKW nicht dargetan. |
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Die Rechtsmittelführerinnen werfen dem Gericht zudem vor, aus der Beurteilung einer vor dem Zeitraum der Zuwiderhandlung liegenden Situation eine Schlussfolgerung hinsichtlich dieses Zeitraums gezogen zu haben, während sie geltend gemacht hätten, zu keiner Zeit bestimmenden Einfluss ausgeübt zu haben. Außerdem habe sich das Gericht darauf beschränkt, das Verhältnis zwischen ihnen und SKW anhand der Aufteilung der Gesellschaftsanteile und des Führungspersonals zu bewerten, ohne konkret geprüft zu haben, ob sie tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausgeübt hätten. |
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Zum anderen rügen die Rechtsmittelführerinnen, dass das Gericht es abgelehnt habe, die fehlende tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf SKW festzustellen, obwohl SKW ihr Geschäft autonom geführt habe, während sie mit dessen Verkauf befasst gewesen seien, und das Misstrauen von SKW gegenüber ihren Muttergesellschaften durch Beweise belegt sei, wie sich aus der in Rn. 105 des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Erklärung von Herrn N. ergebe. |
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Insbesondere habe das Gericht die Beweislast bei der Widerlegung der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses fehlerhaft bewertet, indem es sich auf eine theoretisch mögliche Einflussnahme der Rechtsmittelführerinnen auf SKW und nicht auf ihre konkrete Situation gestützt habe. Sie hätten nicht zu beweisen, dass sie allgemein keinerlei bestimmenden Einfluss auf SKW hätten ausüben können, sondern nur, dass sie im konkreten Fall tatsächlich keinen solchen Einfluss ausgeübt hätten. Das Gericht habe jedoch in den Rn. 82, 83, 88, 89, 93, 94 bis 98 und 108 bis 113 des angefochtenen Urteils allein auf ihre theoretisch mögliche Einflussnahme auf SKW abgestellt. |
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Schließlich machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe dadurch, dass es aus einer bloßen Berichtspflicht von SKW an AlzChem auf die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses geschlossen habe, die Beweise verfälscht. |
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Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig, da die Rechtsmittelführerinnen damit die vom Gericht vorgenommene Würdigung der ihm vorgelegten Tatsachen und Beweismittel beanstandeten. Er sei jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
– Zur Zulässigkeit
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Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs allein das Gericht für die Feststellung und Würdigung der Tatsachen sowie für die Prüfung der Beweise, auf die es seine Feststellungen stützt, zuständig ist. Sind diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden, ist es nämlich allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen. Diese Beurteilung ist somit, sofern die Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission, C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 40). Außerdem muss sich eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 28. Januar 2016, Éditions Odile Jacob/Kommission, C‑514/14 P, EU:C:2016:55, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
24 |
Wie der Generalanwalt in Nr. 75 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat das Gericht im vorliegenden Fall die ihm vorgelegten Beweise nicht verfälscht, als es in Rn. 87 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die Verpflichtung des Geschäftsführers von SKW, dem Direktor von AlzChem regelmäßig Bericht zu erstatten, ein Indiz dafür sei, dass AlzChem die Entscheidungen von SKW bestimmend beeinflusst habe. |
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Soweit die Rechtsmittelführerinnen die vom Gericht u. a. in den Rn. 87 und 107 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Tatsachenwürdigungen beanstanden, sind ihre Rügen somit unzulässig. |
26 |
Soweit sie hingegen die Methode anfechten, die das Gericht bei der Würdigung der Beweiskraft der von ihnen zur Widerlegung der Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf SKW angeführten Gesichtspunkte angewandt hat, wobei sie die Feststellung des Gerichts beanstanden, dass der Nachweis eines Verhaltens einer Tochtergesellschaft, das in eklatantem Widerspruch zu den Weisungen ihrer Muttergesellschaft stehe, diese Vermutung nicht widerlegen könne, und dem Gericht zudem vorwerfen, ein zu restriktives Kriterium angewandt zu haben, das diese Vermutung unwiderlegbar mache, sind ihre Rügen zulässig. Die Frage, ob das Gericht seiner Würdigung der Tatsachen und Beweise ein zutreffendes rechtliches Kriterium zugrunde gelegt hat, ist nämlich eine Rechtsfrage, die der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Kommission/Stichting Administratiekantoor Portielje, C‑440/11 P, EU:C:2013:514, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
– Zur Begründetheit
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Verantwortung für das Verhalten einer Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden kann, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen den beiden Rechtssubjekten. Da nämlich in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a., C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
28 |
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft, die gegen die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union verstoßen hat, unmittelbar oder mittelbar hält, eine widerlegbare Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübt (Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a., C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 41). |
29 |
Bei einer solchen Sachlage kann die Kommission schon dann von der Anwendbarkeit dieser Vermutung ausgehen, wenn sie nachweist, dass die Muttergesellschaft unmittelbar oder mittelbar das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält. Die Kommission kann aus diesem Grund die Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zur Verantwortung ziehen und sie als Gesamtschuldnerin für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße in Anspruch nehmen, es sei denn, dass die Muttergesellschaft, der es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, ausreichende Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a., C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 42 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
30 |
Kommt diese Vermutung, was die Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Fall nicht bestreiten, zum Tragen, impliziert sie daher mangels Widerlegung, dass die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft als erwiesen gilt, und berechtigt die Kommission, die Muttergesellschaft für das Verhalten der Tochtergesellschaft zur Verantwortung zu ziehen, ohne zusätzliche Beweise beibringen zu müssen. |
31 |
Kommt die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses zum Tragen, ist es nämlich allein Sache der Muttergesellschaft, die das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, sie zu widerlegen. |
32 |
Um diese Vermutung zu widerlegen, muss eine Muttergesellschaft dem Unionsrichter im Rahmen von Klagen gegen eine Entscheidung der Kommission alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen ihr und ihrer Tochtergesellschaft, die dem Nachweis dienen könnten, dass sie keine wirtschaftliche Einheit bilden, zur Würdigung vorlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C‑90/09 P, EU:C:2011:21, Rn. 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Um zu beurteilen, ob die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten eigenständig bestimmt oder im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Kommission/Stichting Administratiekantoor Portielje, C‑440/11 P, EU:C:2013:514, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung), hat der Unionsrichter sämtliche relevanten Umstände zu berücksichtigen, die von Fall zu Fall variieren können und daher nicht abschließend aufgezählt werden können (Urteil vom 26. September 2013, The Dow Chemical Company/Kommission, C‑179/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:605, Rn. 54). |
34 |
Hierbei hat das Gericht eine Würdigung der Umstände vorzunehmen, die in den Zeitraum der Zuwiderhandlung fielen, jedoch unbeschadet der Möglichkeit, Umstände aus einem früheren Zeitraum heranzuziehen, sofern es ihre Erheblichkeit für den Zeitraum der Zuwiderhandlung dartun kann und nicht automatisch auf diesen Zeitraum Schlussfolgerungen überträgt, die sich aus der Würdigung früherer Umstände ergeben. |
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Im vorliegenden Fall ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Rn. 100 bis 107 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht eine Würdigung vorgenommen hat, die mit diesen Anforderungen im Einklang steht. |
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So hat das Gericht, nachdem es in Rn. 99 des angefochtenen Urteils zu dem Schluss gelangt war, dass den Rechtsmittelführerinnen nicht der Nachweis gelungen sei, dass sie vor dem 1. Januar 2004 keinen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von SKW ausgeübt hätten, in Rn. 100 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass zu prüfen sei, ob dies auch für den Zeitraum der Zuwiderhandlung und ganz allgemein für die Zeit nach dem 1. Januar 2004 gelte. In diesem Zusammenhang hat es in den Rn. 106 und 107 des angefochtenen Urteils hervorgehoben, dass das in dessen Rn. 102 bis 105 wiedergegebene Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen – dessen Darstellung im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht oder nicht wirksam in Frage gestellt worden ist – nicht beweise, dass die Rechtsmittelführerinnen im Jahr 2004 einen solchen Einfluss tatsächlich nicht mehr ausgeübt hätten. Diese Würdigung fällt, wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils dargelegt, in die Zuständigkeit des Gerichts. |
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Folglich konnte das Gericht, ohne einen Rechtsfehler zu begehen, die Situation vor dem 1. Januar 2004 berücksichtigen, um das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurückzuweisen, sie hätten die Vermutung, dass sie tatsächlich bestimmenden Einfluss auf SKW ausgeübt hätten, widerlegt. |
38 |
Die Rüge der Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe die Widerlegung der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf SKW insbesondere in den Rn. 84 bis 87, 88 und 89, 93 bis 98 sowie 108 bis 113 zu Unrecht, gestützt auf eine potenzielle oder theoretisch mögliche Einflussnahme, zurückgewiesen, beruht auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils und ist daher zurückzuweisen. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen ergibt sich aus dem Urteil nämlich, dass das Gericht nicht auf eine potenzielle oder theoretisch mögliche Einflussnahme der Rechtsmittelführerinnen auf SKW abgestellt, sondern lediglich festgestellt hat, dass ihr Vorbringen nicht belege, dass sie keinen bestimmenden Einfluss auf SKW ausgeübt hätten, und daher nicht ausreiche, um die kapitalbezogene Vermutung zu widerlegen. |
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Hinsichtlich der Rüge, das Gericht habe unberücksichtigt gelassen, dass sich SKW unter eklatanter Missachtung der in den Rn. 106 und 107 des angefochtenen Urteils angesprochenen ausdrücklichen Weisungen der Rechtsmittelführerinnen an der betreffenden Zuwiderhandlung beteiligt habe, ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter, wie in den Rn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils ausgeführt, bei der Prüfung, ob die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses widerlegt wurde, sämtliche ihm vorgelegten Beweise berücksichtigen muss. |
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Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kann zwar eine ausdrückliche Weisung einer Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaft, sich nicht an wettbewerbswidrigen Praktiken auf einem bestimmten Markt zu beteiligen, ein beweiskräftiger Anhaltspunkt für die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft sein; hingegen kann der Umstand, dass sich die Tochtergesellschaft nicht an diese Weisung gehalten hat, vom Gericht nicht – wie in den Rn. 90 bis 92 des angefochtenen Urteils geschehen – als beweiskräftiger Anhaltspunkt für die tatsächliche Ausübung eines solchen Einflusses angesehen werden. |
41 |
Dass sich eine Tochtergesellschaft nicht an eine Weisung ihrer Muttergesellschaft hält, kann allerdings für sich genommen noch nicht als Beleg dafür ausreichen, dass die Muttergesellschaft keinen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausgeübt hat, denn der Gerichtshof hat klargestellt, dass es für den Beweis des Vorliegens eines bestimmenden Einflusses nicht erforderlich ist, dass die Tochtergesellschaft alle Weisungen ihrer Muttergesellschaft befolgt, sofern die Nichtbefolgung der Weisungen nicht den Regelfall darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 96 und 97). |
42 |
Folglich konnte das Gericht, ohne einen Rechtsfehler zu begehen, in den Rn. 106 und 107 des angefochtenen Urteils feststellen, dass die Rechtsmittelführerinnen ungeachtet ihrer Weisungen an SKW, sich nicht an wettbewerbswidrigen Vereinbarungen auf den betreffenden Märkten zu beteiligen, nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hatten, dass sie während des Zeitraums der Zuwiderhandlung keinen bestimmenden Einfluss auf SKW ausübten. |
43 |
Schließlich werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, ein übermäßig restriktives Kriterium herangezogen zu haben, das die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses unwiderlegbar mache. |
44 |
Hierzu hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass die Tatsache, dass es schwierig ist, den zur Widerlegung einer Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses erforderlichen Gegenbeweis zu erbringen, als solche nicht bedeutet, dass die Vermutung tatsächlich unwiderlegbar wäre, vor allem, wenn die Einheiten, denen gegenüber die Vermutung eingreift, am besten in der Lage sind, diesen Nachweis in ihrer eigenen Tätigkeitssphäre zu suchen (Urteil vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a., C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
45 |
Desgleichen lässt der Umstand, dass das Gericht in der vorliegenden Rechtssache im Rahmen seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung festgestellt hat, dass die Rechtsmittelführerinnen die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses nicht widerlegt hätten, nicht den Schluss zu, dass das Gericht dieser Vermutung unwiderlegbaren Charakter beigemessen und dadurch einen Rechtsfehler begangen hat. |
46 |
Somit greift diese Rüge nicht durch. |
47 |
Da sämtliche von den Rechtsmittelführerinnen erhobenen Rügen verworfen worden sind und da die Würdigung der Tatsachen und Beweise in die Zuständigkeit des Gerichts fällt, ist der erste Rechtsmittelgrund als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen. |
Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß des Gerichts gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, Verletzung des Anspruchs der Rechtsmittelführerinnen auf rechtliches Gehör und Verstoß gegen die Begründungspflicht des Gerichts
Vorbringen der Parteien
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Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, der sich gegen die Rn. 287 bis 289 des angefochtenen Urteils richtet, machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und gegen seine Begründungspflicht verstoßen, indem es die gegen sie festgesetzte Geldbuße nicht herabgesetzt habe. |
49 |
Hierzu machen sie geltend, die Herabsetzung ihrer Geldbuße sei aus zwei Gründen geboten. Erstens hätte das Gericht die Konsequenzen aus seiner eigenen Feststellung in den Rn. 272 bis 275 des angefochtenen Urteils ziehen müssen, wonach die Kommission bei der Berechnung der gesamtschuldnerischen Haftung von SKW zu Unrecht den in Nr. 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2) vorgesehenen, als „Eintrittsgebühr“ bezeichneten Betrag nicht berücksichtigt und damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und die Grundsätze für die Festlegung gesamtschuldnerischer Geldbußen verstoßen habe. |
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Ferner machen sie geltend, wie sich aus dem Urteil vom 23. Januar 2014, SKW Stahl-Metallurgie Holding und SKW Stahl-Metallurgie/Kommission (T‑384/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:27), das den Zeitraum der Zuwiderhandlung vom 1. September 2004 bis zum 16. Januar 2007 betroffen habe, ergebe, hätte die Kommission die Geldbuße von SKW nicht nach der Kronzeugenregelung herabsetzen dürfen, da der von den Rechtsmittelführerinnen gestellte Kronzeugenantrag nicht für SKW gegolten habe und diese keinen derartigen Antrag im eigenen Namen und für eigene Rechnung gestellt habe. Hätte die Kommission diese Fehler nicht begangen, hätte die gegen SKW für den ersten Abschnitt der Zuwiderhandlung vom 22. April 2004 bis zum 30. August 2004 verhängte Geldbuße deutlich höher ausfallen müssen. |
51 |
Weil das Gericht es unterlassen habe, ihre Geldbußen herabzusetzen, um das rechtswidrige Missverhältnis zwischen den gegen sie und gegen SKW gemäß Art. 2 Buchst. g der streitigen Entscheidung verhängten Geldbußen zu beseitigen, habe es gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, zumal es im Urteil vom 23. Januar 2014, Gigaset/Kommission (T‑395/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:23), das eine Klage gegen Art. 2 Buchst. f dieser Entscheidung betroffen habe, in einer ähnlichen Situation die gegen Gigaset – die Muttergesellschaft von SKW nach deren Verkauf durch die Rechtsmittelführerinnen, die die Kommission für das Verhalten von SKW in der Zeit vom 1. September 2004 bis zum 16. Januar 2007 zur Verantwortung gezogen habe – verhängte Geldbuße herabgesetzt habe. |
52 |
In diesem Zusammenhang weisen die Rechtsmittelführerinnen darauf hin, dass das Gericht in Rn. 192 des Urteils vom 23. Januar 2014, Gigaset/Kommission (T‑395/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:23), ausgeführt habe, dass „die Gleichbehandlung der ungleichen Situationen, in denen sich [Gigaset] und SKW befanden, zur Folge [hatte], dass ihnen eine Geldbuße in derselben Höhe auferlegt wurde, obgleich zwischen den beiden gegen diese beiden Gesellschaften verhängten Geldbußen … ein Unterschied von [1 Mio.] Euro liegen müsste“, und dass es daher, „[u]m die festgestellte Ungleichbehandlung zum Nachteil [von Gigaset] zu beseitigen“, in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung entschieden habe, „den Betrag der in der [streitigen] Entscheidung gegen [Gigaset] verhängten Geldbuße um [1 Mio.] Euro herabzusetzen“. |
53 |
Außerdem habe das Gericht, indem es nicht auf das – von ihm als verspätet angesehene, weil erstmals in der Gegenerwiderung geltend gemachte – Vorbringen eingegangen sei, mit dem sie in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gerügt hätten, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und gegen seine Begründungspflicht verstoßen. Sie seien nämlich nicht in der Lage gewesen, dieses Vorbringen in einem früheren Stadium des Verfahrens geltend zu machen. |
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Die Kommission ist der Ansicht, dass dieser Rechtsmittelgrund, da er über den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens hinausgehe, unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. |
Würdigung durch den Gerichtshof
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es zulässig ist, ein Rechtsmittel einzulegen, mit dem Gründe geltend gemacht werden, die sich aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben und sich aus rechtlichen Erwägungen gegen dessen Begründetheit richten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. April 2014, Kommission u. a./Siemens Österreich u. a., C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 102, sowie vom 10. April 2014, Areva u. a./Kommission, C‑247/11 P und C‑253/11 P, EU:C:2014:257, Rn. 118 und 170 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
56 |
Unstreitig machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe bei der Überprüfung des Betrags der gegen sie verhängten Geldbußen Rechtsfehler begangen. Diese Überprüfung hat das Gericht, wie sich aus Rn. 269 des angefochtenen Urteils ergibt, in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne von Art. 261 AEUV vorgenommen. |
57 |
Folglich ist der vorliegende Rechtsmittelgrund entgegen dem Vorbringen der Kommission zulässig. |
58 |
Allerdings muss der Grundsatz der Gleichbehandlung, auf den sich die Rechtsmittelführerinnen berufen, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteil vom 10. November 2011, The Rank Group, C‑259/10 und C‑260/10, EU:C:2011:719, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
59 |
Daher können sich die Rechtsmittelführerinnen, soweit sie, wie aus den Rn. 49 und 50 des vorliegenden Urteils hervorgeht, zu ihren Gunsten anführen, dass bei der Bestimmung des Betrags der gegen SKW verhängten Geldbuße Regelwidrigkeiten begangen worden seien, jedenfalls nicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Urteil vom 23. Januar 2014, Gigaset/Kommission (T‑395/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:23), berufen, um die Höhe der vom Gericht gegen sie festgesetzten Geldbußen anzufechten. |
60 |
Schließlich können in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen die Rügen der Rechtsmittelführerinnen, dass das Gericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und gegen die Begründungspflicht verstoßen habe, weil es ihr auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gestütztes Vorbringen nicht geprüft habe, selbst dann nicht zum Erfolg führen, wenn sie begründet sein sollten. |
61 |
Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen, da er teils ins Leere geht und teils unbegründet ist. |
Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz nulla poena sine lege certa und die Begründungspflicht
Vorbringen der Parteien
62 |
Mit ihrem vierten, hilfsweise geltend gemachten Rechtsmittelgrund, der sich gegen Rn. 288 des angefochtenen Urteils und Nr. 2, erster Gedankenstrich, letzter Satzteil seines Tenors richtet, tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, weil es nicht ausdrücklich klargestellt habe, dass eine Zahlung von SKW doppelte Tilgungswirkung haben solle, nämlich nicht nur für die Rechtsmittelführerinnen, sondern auch für Gigaset; dieses Versäumnis könne die Kommission dazu veranlassen, bei der Einziehung der gegen sie verhängten Geldbußen die befreiende Wirkung einer etwaigen Zahlung von SKW für Gigaset zu bestreiten. Falls die Kommission der Auffassung sein sollte, dass eine Zahlung von SKW nur für sie und nicht für Gigaset befreiende Wirkung habe, könnten sie den von ihnen letztlich zu zahlenden Betrag nicht ermitteln, und der insoweit mit einem etwaigen Rechtsstreit befasste nationale Richter könnte über diesen Punkt nicht entscheiden. |
63 |
Dadurch habe das Gericht nicht nur gegen den im Bereich der gesamtschuldnerischen Haftung für die Zahlung von Geldbußen geltenden Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, sondern auch gegen den Grundsatz nulla poena sine lege certa, die ihm obliegende Begründungspflicht und Art. 296 AEUV. |
64 |
Die Kommission macht geltend, dieser Rechtsmittelgrund sei neu und damit unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. |
Würdigung durch den Gerichtshof
65 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmittelführerinnen mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund, der sich gegen Rn. 288 des angefochtenen Urteils und Nr. 2, erster Gedankenstrich, letzter Satzteil seines Tenors richtet, geltend machen, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es ausgeführt habe, dass etwaige Zahlungen von SKW auf die ihr in Art. 2 Buchst. f und g auferlegten Geldbußen lediglich für die Rechtsmittelführerinnen befreiende Wirkung hätten. |
66 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Rechtsschutzinteresse eine Zulässigkeitsvoraussetzung, die bis zum Erlass der gerichtlichen Sachentscheidung durchgängig vorliegen muss. Das Rechtsschutzinteresse besteht, solange das Rechtsmittel der Partei, die es eingelegt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (Urteil vom 24. März 2011, Ferrero/HABM, C‑552/09 P, EU:C:2011:177, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
67 |
Diese Zulässigkeitsvoraussetzung gilt sowohl für das Rechtsmittel insgesamt als auch für jeden zu seiner Stützung angeführten Grund. |
68 |
Im vorliegenden Fall hat das Gericht, wie der Generalanwalt in den Nrn. 96 und 98 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, in Rn. 288 des angefochtenen Urteils und in Nr. 2, erster Gedankenstrich, letzter Satzteil seines Tenors ausdrücklich vorgesehen, dass eine Tilgungswirkung hinsichtlich der gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängten Geldbußen eintritt, soweit SKW die in Art. 2 Buchst. f und g der streitigen Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße zahlt. Somit läuft der vorliegende Rechtsmittelgrund der Sache nach darauf hinaus, dass die Rechtsmittelführerinnen vom Gerichtshof verlangen, die Tilgungswirkung derartiger Zahlungen gegenüber einem Dritten, hier Gigaset, anzuerkennen, was ihnen keinen Vorteil bringen kann. |
69 |
Daher ist der vierte Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen. |
Zum fünften Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 81 EG, Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der Gleichbehandlung, Verletzung des Anspruchs der Rechtsmittelführerinnen auf rechtliches Gehör und Verstoß gegen die Begründungspflicht
Vorbringen der Parteien
70 |
Mit ihrem fünften, hilfsweise geltend gemachten Rechtsmittelgrund, der sich gegen Rn. 288 des angefochtenen Urteils und Nr. 2, erster Gedankenstrich, seines Tenors richtet, werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, bei der Überprüfung der Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbußen gegen Art. 81 EG, Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und gegen die Begründungspflicht verstoßen zu haben, indem es von dem Teil der Geldbuße, der im Fall der Zahlung durch SKW als von den Rechtsmittelführerinnen gezahlt gelte, die ihnen rechtswidrig gemäß der Kronzeugenregelung gewährte Ermäßigung abgezogen habe, ohne auf ihr Vorbringen zu diesem Punkt eingegangen zu sein. |
71 |
Hierzu machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass der Anteil der gegen sie in Nr. 2, erster Gedankenstrich, des Tenors des angefochtenen Urteils festgesetzten Geldbuße – 2,49 Mio. Euro –, für den die Zahlungen von SKW Tilgungswirkung hätten, ohne die Ermäßigung der Geldbuße, die SKW aufgrund des Kronzeugenantrags, den sie ausschließlich für sich und nicht für SKW gestellt hätten, rechtswidrig zugutegekommen sei, höher gewesen wäre und sich auf 3,47 Mio. Euro belaufen hätte. Folglich habe das Gericht auf diese Weise indirekt eine rechtswidrige Geldbußenermäßigung, von der SKW profitiert habe, zulasten der Rechtsmittelführerinnen berücksichtigt. |
72 |
Sie beantragen daher, die befreiende Wirkung einer Zahlung von SKW für Degussa auf 3,47 Mio. Euro festzusetzen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
73 |
Mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund beanstanden die Rechtsmittelführerinnen der Sache nach, dass das Gericht hinsichtlich der Geldbuße von 2,49 Mio. Euro, die es in Nr. 2, erster Gedankenstrich, des Tenors des angefochtenen Urteils gesamtschuldnerisch gegen sie festgesetzt hat, die Tilgungswirkung von Zahlungen, die SKW auf die in Art. 2 Buchst. f und g der streitigen Entscheidung gegen sie verhängten Geldbußen leistet, für Degussa auf 2,49 Mio. Euro und nicht auf 3,47 Mio. Euro festgesetzt hat. |
74 |
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Mechanismus der vom Gericht in Nr. 2, erster Gedankenstrich, des Tenors des angefochtenen Urteils gegen die Rechtsmittelführerinnen gesamtschuldnerisch festgesetzten Geldbuße für sie bereits jetzt durch Zahlungen von SKW zur Tilgung der ihr in Art. 2 Buchst. f und g der streitigen Entscheidung auferlegten Geldbußen eine befreiende Wirkung hinsichtlich der gesamtschuldnerisch gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängten Geldbuße in Höhe von insgesamt 2,49 Mio. Euro eintreten kann. |
75 |
Wie der Generalanwalt in Nr. 106 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann SKW aber nicht verpflichtet sein, die in Nr. 2, zweiter Gedankenstrich, des Tenors des angefochtenen Urteils vorgesehene Geldbuße in Höhe von 1,24 Mio. Euro auch nur teilweise zu zahlen. Denn wie sich aus Rn. 289 des angefochtenen Urteils und aus Nr. 2, zweiter Gedankenstrich, seines Tenors, die im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht angefochten worden sind, ergibt, wurde dieser Betrag ausschließlich gegen Degussa wegen Wiederholungstäterschaft verhängt und wird daher von etwaigen Zahlungen von SKW zur Tilgung der gegen sie verhängten Geldbuße nicht berührt. |
76 |
Daher ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen. |
77 |
Somit ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. |
Kosten
78 |
Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. |
79 |
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. |
80 |
Da Degussa und AlzChem mit ihrem Vorbringen unterlegen sind und die Kommission ihre Verurteilung zur Tragung der Kosten beantragt hat, tragen sie ihre eigenen Kosten und werden verurteilt, die der Kommission entstandenen Kosten zu tragen. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.
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Referenzen
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