Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-96/15

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

16. Juni 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Landwirtschaft — Zucker — Produktionsabgaben — Anspruch auf Erstattung — Gelagerter, nicht ausgeführter Zucker — Ungerechtfertigte Bereicherung — Unternehmerische Freiheit — Berechnungsmethode“

In der Rechtssache C‑96/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de grande instance de Nanterre (Regionalgericht Nanterre, Frankreich) mit Entscheidung vom 22. Januar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Februar 2015, in dem Verfahren

Saint Louis Sucre, vormals Saint Louis Sucre SA,

gegen

Directeur général des douanes et droits indirects

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter D. Šváby, J. Malenovský, M. Safjan und M. Vilaras,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Saint Louis Sucre, vertreten durch S. Le Roy, avocat, sowie durch Rechtsanwälte H.‑J. Prieß und C. Pitschas,

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, A. Daly, J. Bousin und C. Candat als Bevollmächtigte,

der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von B. De Moor und M. Keup, avocats,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Schima, P. Ondrůšek und A. Lewis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. Januar 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 2 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. 2001, L 178, S. 1) sowie die Gültigkeit, im Hinblick auf diesen Rechtsakt, der Verordnung (EG) Nr. 164/2007 der Kommission vom 19. Februar 2007 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2005/06 (ABl. 2007, L 51, S. 17).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Saint Louis Sucre, vormals Saint Louis Sucre SA, und dem Directeur général des douanes et droits indirects (Generaldirektor für Zölle und indirekte Abgaben) über die für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker entrichteten Abgaben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 9 bis 13 und 15 der Verordnung Nr. 1260/2001 lauteten:

„(9)

Die Gründe, die bisher die Gemeinschaft dazu veranlasst haben, für die Zucker-, Isoglucose- und Inulinsiruperzeugung eine Quotenregelung beizubehalten, bestehen derzeit noch immer. Diese Regelung wurde jedoch angepasst, um einerseits der jüngsten Erzeugungsentwicklung Rechnung zu tragen und um andererseits der [Europäischen] Gemeinschaft die Mittel in die Hand zu geben, die notwendig sind, um auf gerechte, aber wirksame Art die volle Finanzierung der Kosten durch die Erzeuger selbst sicherzustellen, die sich aus dem Absatz des Überschusses ergeben, um den die Gemeinschaftserzeugung den Verbrauch übersteigt, und um somit den Verpflichtungen zu entsprechen, die sich aus den Übereinkünften ergeben, die im Rahmen der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde (nachstehend ‚GATT‑Übereinkünfte‘ genannt) geschlossen und mit dem Beschluss 94/800/EG [des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche] genehmigt wurden [ABl. 1994, L 336, S. 1].

(10)

… [D]ie Quotenregelung in den Wirtschaftsjahren 2001/2002 bis 2005/2006 [ist] beizubehalten.

(11)

Die gemeinsame Marktorganisation für Zucker ist auf folgende zwei Elemente gestützt: zum einen auf den Grundsatz, wonach der Erzeuger in jedem Wirtschaftsjahr für die Verluste voll verantwortlich ist, die sich unter Berücksichtigung der Quoten aus dem Absatz der im Verhältnis zum Binnenverbrauch überschüssigen Gemeinschaftserzeugung ergeben, und zum anderen auf eine Regelung der Preis- und Absatzgarantien, die nach den den einzelnen Unternehmen zugeteilten Erzeugungsquoten differenziert sind. Im Zuckersektor werden die Erzeugungsquoten den einzelnen Unternehmen nach Maßgabe ihrer tatsächlichen Erzeugung während eines bestimmten Referenzzeitraums zugeteilt.

(12)

… So ist es wünschenswert, die Selbstfinanzierung des Sektors durch die Produktionsabgaben und die Regelung der Erzeugungsquoten beizubehalten.

(13)

Der Grundsatz der finanziellen Verantwortlichkeit wird somit gewährleistet durch die Beiträge der Erzeuger, die in der Erhebung einer Grundproduktionsabgabe bestehen, die sich auf die gesamte A‑ und B‑Zuckererzeugung erstreckt, aber auf 2 % des Interventionspreises für Weißzucker begrenzt ist, sowie aus einer B‑Abgabe, die die B‑Zuckererzeugung bis zu einem Höchstsatz von 37,5 % des vorgenannten Preises belastet. Die Isoglucose- und Inulinsiruperzeuger beteiligen sich unter bestimmten Bedingungen an diesen Beiträgen. …

(15)

Die den einzelnen Zuckerunternehmen zugeteilten Erzeugungsquoten können in einem bestimmten Wirtschaftsjahr dazu führen, dass die Ausfuhrmengen die in dem [im Rahmen der GATT‑Übereinkünfte geschlossenen] Übereinkommen [über die Landwirtschaft] festgesetzten Mengen in Anbetracht des Verbrauchs, der Erzeugung, der Einfuhren, der Lagerbestände und der Übertragungen sowie des voraussichtlichen durchschnittlichen Verlustes zulasten der Selbstfinanzierungsregelung überschreiten. Daher ist die Anpassung der sich aus den Quoten ergebenden Garantien während jedes Wirtschaftsjahres vorzusehen, um die Einhaltung der von der Gemeinschaft eingegangenen Verpflichtungen zu ermöglichen.“

4

Art. 1 Abs. 2 Buchst. e bis g der Verordnung Nr. 1260/2001 definierte „A-Zucker“ bzw. „B-Zucker“ als alle Zuckermengen, die unter Anrechnung auf ein bestimmtes Wirtschaftsjahr im Rahmen der A‑ bzw. B‑Quote des betreffenden Unternehmens erzeugt wurden, während „C‑Zucker“ alle Mengen waren, die unter Anrechnung auf ein bestimmtes Wirtschaftsjahr erzeugt wurden und entweder die Summe der A‑ und B‑Quoten des betreffenden Unternehmens überschritten oder von einem Unternehmen erzeugt wurden, dem keine Quoten zugeteilt worden waren.

5

Kapitel 2 („Quotenregelung“) in Titel I der Verordnung Nr. 1260/2001 enthielt die Art. 10 bis 21 dieser Verordnung. Art. 10 der Verordnung sah vor:

„(1)   Kapitel 2 gilt für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006.

(2)   Die Grundmengen für die Erzeugung von A‑ und B‑Zucker … entsprechen denjenigen, die in Artikel 11 Absatz 2 festgesetzt wurden.

(3)   Zur Einhaltung der Verpflichtungen, die die Gemeinschaft im Rahmen des … [WTO-]Übereinkommens über die Landwirtschaft eingegangen ist, können die Garantien für den Absatz von Zucker, Isoglucose und Inulinsirup, die im Rahmen der Quotenregelung erzeugt wurden, für ein oder mehrere Wirtschaftsjahre verringert werden.

(4)   Für die Anwendung von Absatz 3 wird vor dem 1. Oktober für jedes Wirtschaftsjahr die im Rahmen der Quoten garantierte Menge anhand der Vorausschätzungen der Erzeugung, der Einfuhren, des Verbrauchs, der Lagerhaltung, der Übertragung und der ausführbaren Restmenge sowie des voraussichtlichen durchschnittlichen Verlustes zulasten der Selbstfinanzierungsregelung im Sinne von Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe d) festgestellt. Lassen diese Vorausschätzungen erkennen, dass die ausführbare Restmenge für das betreffende Wirtschaftsjahr über der in dem Übereinkommen vorgesehenen Höchstmenge liegt, so wird die garantierte Menge … um die Differenz verringert.“

6

Mit Art. 11 der Verordnung Nr. 1260/2001 wurden für jeden Mitgliedstaat die Grundmengen A und B festgelegt; anschließend waren die A‑ und B‑Quoten unter den Erzeugern aufzuteilen. Nach Art. 13 der Verordnung durfte C‑Zucker nicht auf dem Binnenmarkt der Gemeinschaft abgesetzt werden, sondern musste entweder in unverarbeiteter Form vor dem auf das Ende des betreffenden Wirtschaftsjahrs folgenden 1. Januar ausgeführt werden oder nach Art. 14 der Verordnung übertragen werden.

7

In Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1260/2001 hieß es:

„Jedes Unternehmen kann beschließen, den die A‑Quote überschreitenden Teil der Zuckererzeugung ganz oder teilweise unter Anrechnung auf die Erzeugung des folgenden Wirtschaftsjahres auf dieses Wirtschaftsjahr zu übertragen. Dieser Beschluss ist unwiderruflich.

Jedes Unternehmen kann beschließen, die Erzeugung an A‑ und B‑Zucker, der in Anwendung des Artikels 10 Absätze 3 bis 6 zu C‑Zucker geworden ist, teilweise oder ganz auf das nachfolgende Wirtschaftsjahr zu übertragen, wobei diese Übertragung auf die Erzeugung während dieses Wirtschaftsjahres angerechnet wird. Dieser Beschluss ist ebenfalls unwiderruflich. …“

8

Art. 15 der Verordnung Nr. 1260/2001 bestimmte:

„(1)   Vor dem Ende jedes Wirtschaftsjahres wird Folgendes festgestellt:

a)

die voraussichtliche A‑ und B‑Menge an Zucker, Isoglucose und Inulinsirup, die unter Anrechnung auf das laufende Wirtschaftsjahr hergestellt worden ist;

b)

die voraussichtliche Zucker-, Isoglucose- und Inulinsirupmenge, die während des laufenden Wirtschaftsjahres für den Verbrauch in der Gemeinschaft abgesetzt wird;

c)

der ausführbare Überschuss, wobei die unter Buchstabe a genannte Menge um die unter Buchstabe b genannte Menge verringert wird;

d)

der voraussichtliche durchschnittliche Verlust oder der voraussichtliche durchschnittliche Erlös je Tonne Zucker im Hinblick auf die im laufenden Wirtschaftsjahr zu erfüllenden Ausfuhrverpflichtungen.

Dieser durchschnittliche Verlust oder durchschnittliche Erlös entspricht der Differenz zwischen dem Gesamterstattungsbetrag und dem Gesamtabschöpfungsbetrag, bezogen auf die Gesamttonnage der betreffenden Ausfuhrverpflichtungen;

e)

der voraussichtliche Gesamtverlust oder der voraussichtliche Gesamterlös, wobei der unter Buchstabe c) genannte Überschuss mit dem unter Buchstabe d) genannten durchschnittlichen Verlust oder durchschnittlichen Erlös multipliziert wird.

(2)   Vor Ablauf des Wirtschaftsjahres 2005/2006 und unbeschadet von Artikel 10 Absätze 3 bis 6 wird für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006 kumulativ Folgendes festgestellt:

a)

der ausführbare Überschuss, der sich aus der endgültigen Erzeugung von A‑ und B‑Zucker, von A‑ und B‑Isoglucose sowie von A‑ und B‑Inulinsirup einerseits und der zum Verbrauch in der Gemeinschaft endgültig abgesetzten Zuckermenge, Isoglucosemenge sowie Inulinsirupmenge andererseits errechnet;

b)

der durchschnittliche Verlust oder der durchschnittliche Erlös je Tonne Zucker, der sich aus der nach dem Berechnungsverfahren des Absatzes 1 Buchstabe d) Unterabsatz 2 ermittelten Summe der Ausfuhrverpflichtungen ergibt;

c)

der Gesamtverlust oder der Gesamterlös, wobei der unter Buchstabe a) genannte Überschuss mit dem unter Buchstabe b) genannten durchschnittlichen Verlust oder durchschnittlichen Erlös multipliziert wird;

d)

die Gesamtsumme der erhobenen Grundproduktionsabgaben und der B‑Abgaben.

Der in Absatz 1 Buchstabe e) genannte voraussichtliche Gesamtverlust oder voraussichtliche Gesamterlös wird nach Maßgabe der Differenz zwischen den unter den Buchstaben c) und d) genannten Feststellungen angepasst.

(3)   Ergeben die in Absatz 1 genannten Feststellungen nach ihrer Anpassung gemäß Absatz 2 und unbeschadet des Artikels 18 Absatz 1 einen voraussichtlichen Gesamtverlust, so wird dieser durch die voraussichtliche Menge A‑ und B‑Zucker, A‑ und B‑Isoglucose und A‑ und B‑Inulinsirup, die unter Anrechnung auf das laufende Wirtschaftsjahr erzeugt worden ist, dividiert. Der sich so ergebende Betrag wird von den Herstellern als Grundproduktionsabgabe auf die von ihnen erzeugten A‑ und B‑Zuckermengen, A‑ und B‑Isoglucosemengen und A‑ und B‑Inulinsirupmengen erhoben.

(8)   Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel werden nach dem Verfahren des Artikels 42 Absatz 2 festgelegt, und zwar insbesondere:

die Höhe der zu erhebenden Abgaben,

…“

9

Art. 6 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 314/2002 der Kommission vom 20. Februar 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung im Zuckersektor (ABl. 2002, L 50, S. 40) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1140/2003 der Kommission vom 27. Juni 2003 (ABl. 2003, L 160, S. 33) geänderten Fassung sah vor:

„Die gemäß Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b) und Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung … Nr. 1260/2001 festzustellende, für den Verbrauch in der Gemeinschaft abgesetzte Menge wird anhand der Summe der in Weißzucker ausgedrückten Mengen Zucker und Sirupe gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a) bis d) der vorliegenden Verordnung sowie Isoglucose und Inulinsirup berechnet, die

a)

zu Beginn des Wirtschaftsjahres eingelagert sind,

b)

im Rahmen der A- und B-Quoten erzeugt werden,

c)

in unverändertem Zustand eingeführt werden,

d)

in den eingeführten Verarbeitungserzeugnissen enthalten sind.

Von der in Unterabsatz 1 genannten Summe werden die in Weißzucker ausgedrückten Mengen Zucker, Isoglucose und Inulinsirup abgezogen, die

a)

in unverändertem Zustand ausgeführt werden,

b)

in den ausgeführten Verarbeitungserzeugnissen enthalten sind,

c)

zum Ende des Wirtschaftsjahres eingelagert sind,

d)

Gegenstand von Bescheinigungen über die in Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung … Nr. 1260/2001 genannten Produktionserstattungen sind.

Die in Unterabsatz 1 Buchstaben c) und d) sowie Unterabsatz 2 Buchstaben a) und b) genannten Mengen werden aus den Eurostat-Datenbanken abgeleitet und beziehen sich auf die verfügbaren letzten zwölf Monate, wenn keine vollständigen Angaben für ein Wirtschaftsjahr zur Verfügung stehen. …

…“

10

Die Verordnung Nr. 1260/2001 wurde aufgehoben und ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. 2006, L 58, S. 1), die durch die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. 2007, L 299, S. 1) aufgehoben und ersetzt wurde, die ihrerseits durch die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. 2013, L 347, S. 671) aufgehoben und ersetzt wurde.

11

Der 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 318/2006 lautete:

„Es sollte eine Produktionsabgabe eingeführt werden, um zur Finanzierung der Ausgaben im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker beizutragen.“

12

Art. 8 („Zusätzliche Zuckerquote“) der Verordnung Nr. 318/2006 sah in seinen Abs. 1 und 3 vor:

„1.   Jedes Zuckerunternehmen kann spätestens bis zum 30. September 2007 bei dem Mitgliedstaat, in dem es ansässig ist, die Zuteilung einer zusätzlichen Zuckerquote beantragen.

3.   Auf die zusätzlichen Quoten, die Unternehmen gemäß den Absätzen 1 und 2 zugeteilt worden sind, wird ein einmaliger Betrag von 730 [Euro] erhoben. Dieser Betrag wird je Tonne der zugeteilten zusätzlichen Quote erhoben.“

13

Art. 16 („Produktionsabgabe“) der Verordnung Nr. 318/2006 bestimmte in seinen Abs. 1 und 2:

„1.   Ab dem Wirtschaftsjahr 2007/2008 wird auf die Zucker-, Isoglucose- und Inulinsirupquote, über die die Zucker, Isoglucose oder Inulinsirup erzeugenden Unternehmen verfügen, eine Produktionsabgabe erhoben.

2.   Die Produktionsabgabe wird festgesetzt auf 12,00 [Euro] pro Tonne Quotenzucker bzw. Quoteninulinsirup. Für Isoglucose wird die Produktionsabgabe auf 50 % der für Zucker geltenden Abgabe festgesetzt.“

14

Art. 32 („Geltungsbereich der Ausfuhrerstattungen“) der Verordnung Nr. 318/2006 sah in seinen Abs. 1 und 2 die Möglichkeit vor, Ausfuhrerstattungen für Zucker, Isoglucose und Inulinsirup einzuführen.

15

In Art. 44 („Übergangsmaßnahmen“) der Verordnung Nr. 318/2006 hieß es:

„Nach dem in Artikel 39 Absatz 2 genannten Verfahren können Maßnahmen erlassen werden, um:

a)

den Übergang von der Marktsituation im Wirtschaftsjahr 2005/2006 zur Marktsituation im Wirtschaftsjahr 2006/2007 zu erleichtern, insbesondere durch die Herabsetzung der Menge, die im Rahmen der Quote erzeugt werden kann, und um den Übergang von den Vorschriften der Verordnung … Nr. 1260/2001 auf diejenigen der vorliegenden Verordnung zu erleichtern;

und

b)

zu gewährleisten, dass die Gemeinschaft bei C‑Zucker ihren internationalen Verpflichtungen nach Artikel 13 der Verordnung … Nr. 1260/2001 nachkommt und Störungen des Zuckermarktes in der Gemeinschaft vermieden werden.“

16

Im achten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 493/2006 der Kommission vom 27. März 2006 mit Übergangsmaßnahmen für die Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1265/2001 und (EG) Nr. 314/2002 (ABl. 2006, L 89, S. 11) heißt es:

„Für die Berechnung, die Festsetzung und die Erhebung der Produktionsabgaben des Wirtschaftsjahrs 2005/06 müssen bestimmte Vorschriften der Verordnung … Nr. 314/2002 … und der Verordnung (EG) Nr. 779/96 der Kommission vom 29. April 1996 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates hinsichtlich der Mitteilungen im Zuckersektor [(ABl. 1996, L 106, S. 9)] über den 30. Juni 2006 hinaus weiter gelten. Die Abgaben werden auf der Grundlage regelmäßig aktualisierter statistischer Daten berechnet. Da es sich um die letzte Festsetzung von Abgaben für den gesamten Zeitraum vom Wirtschaftsjahr 2001/02 bis zum Wirtschaftsjahr 2005/06 handelt und die Berechnung anders als in den Vorjahren nicht mithilfe aktualisierter Daten später angepasst werden kann, empfiehlt es sich, die Abgaben erst am 15. Februar 2007 zu berechnen und festzusetzen, damit die Richtigkeit der Berechnungen und die Verwendung zutreffender statistischer Daten sichergestellt sind.“

17

Art. 6 der Verordnung Nr. 493/2006 bestimmt:

„Für die Festsetzung und Erhebung der Produktionsabgaben des Wirtschaftsjahrs 2005/06, einschließlich der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung … Nr. 1260/2001 vorgesehenen Berichtigungen der Berechnung der Abgaben für die Wirtschaftsjahre 2001/02 bis 2004/05, gilt die Verordnung … Nr. 314/2002 in der durch die vorliegende Verordnung geänderten Fassung.“

18

Art. 12 der Verordnung Nr. 493/2006 sieht vor:

„Die Verordnung … Nr. 314/2002 wird wie folgt geändert:

3.

Artikel 8 wird wie folgt geändert:

a)

Dem Absatz 1 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Für das Wirtschaftsjahr 2005/06 werden die in Unterabsatz 1 Buchstaben a und b genannten Beträge und Koeffizienten vor dem 15. Februar 2007 festgesetzt.‘

…“

19

Für das Wirtschaftsjahr 2005/06 wurden die Produktionsabgaben mit der Verordnung Nr. 164/2007 festgesetzt. Im Anschluss an das Urteil vom 8. Mai 2008, Zuckerfabrik Jülich u. a. (C‑5/06 und C‑23/06 bis C‑36/06, EU:C:2008:260), erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 1193/2009 vom 3. November 2009 zur Berichtigung der Verordnungen (EG) Nr. 1762/2003, (EG) Nr. 1775/2004, (EG) Nr. 1686/2005 und (EG) Nr. 164/2007 sowie zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006 (ABl. 2009, L 321, S. 1). Da die Verordnung Nr. 1193/2009 vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich u. a. (C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591), für ungültig erklärt wurde, erließ der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 vom 2. Dezember 2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben (ABl. 2013, L 343, S. 2).

20

Nach der Verordnung (EG) Nr. 958/2006 der Kommission vom 28. Juni 2006 über eine Dauerausschreibung für das Wirtschaftsjahr 2006/07 zur Festsetzung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Weißzucker (ABl. 2006, L 175, S. 49) wurde die entsprechende Ausschreibung durchgeführt.

21

Eine neue Ausschreibung wurde infolge des Erlasses der Verordnung (EG) Nr. 900/2007 der Kommission vom 27. Juli 2007 über eine Dauerausschreibung bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 2007/08 zur Festsetzung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Weißzucker (ABl. 2007, L 196, S. 26) durchgeführt.

22

Nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1360/2013 wurden die Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2005/2006, wie sie in Nr. 1 des Anhangs dieser Verordnung vorgesehen sind, mit Wirkung vom 23. Februar 2007 für anwendbar erklärt, d. h. zum gleichen Zeitpunkt, ab dem nach Art. 2 der Verordnung Nr. 164/2007 die in dieser Verordnung vorgesehenen Abgaben gelten.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

23

Saint Louis Sucre ist eine Gesellschaft, die Zucker erzeugt und zum maßgeblichen Zeitpunkt unter die mit der Verordnung Nr. 1260/2001 eingeführte gemeinsame Marktorganisation für Zucker fiel und somit dem System der Produktionsabgaben nach dieser Verordnung unterlag.

24

Da sie der Ansicht war, sie habe für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 zu Unrecht Produktionsabgaben zur Finanzierung von Erstattungen für die Ausfuhr von Zucker auf gelagerte Mengen entrichten müssen, die bis zu dem Zeitpunkt – 30. Juni 2006 –, zu dem die diese Abgaben und Erstattungen regelnde gemeinsame Marktorganisation ausgelaufen sei, nicht ausgeführt worden seien, legte Saint Louis Sucre am 28. Dezember 2008 Einspruch ein und beantragte die Erstattung von 158982544 Euro.

25

Nachdem die Direction générale des douanes et droits indirects (Generaldirektion für Zölle und indirekte Abgaben) den Einspruch mit Bescheid vom 30. September 2009 zurückgewiesen hatte, erhob Saint Louis Sucre mit Klageschrift vom 19. November 2009 Klage beim Tribunal de grande instance de Nanterre (Regionalgericht Nanterre, Frankreich) und beantragte die Nichtigerklärung dieses Bescheids.

26

Die Rechtssache wurde am 6. September 2010 auf Antrag der Parteien bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofs über ein Vorabentscheidungsersuchen betreffend die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1193/2009 ausgesetzt. Da diese Verordnung vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich u. a. (C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591), für ungültig erklärt wurde, erließ der Rat die Verordnung Nr. 1360/2013. Nach dem Erlass dieser Verordnung wurde das Verfahren in der Rechtssache fortgesetzt.

27

Saint Louis Sucre meint, die Verordnung Nr. 1360/2013 erlaube zwar die Berechnung der Höhe der beantragten Erstattung, doch stelle sich weiterhin die Frage nach der Erstattung der Abgaben auf den zum Zeitpunkt des Auslaufens der durch die Verordnung Nr. 1260/2001 eingeführten gemeinsamen Marktorganisation für Zucker gelagerten und nicht ausgeführten Zucker, da der Mechanismus der Produktionsabgaben durch die Verordnung Nr. 318/2006 beendet worden sei. Die durch diese Verordnung eingeführte neue Marktorganisation für Zucker habe keine Produktionsabgaben mehr zur Selbstfinanzierung der Ausfuhren vorgesehen, so dass ein Teil der entrichteten Abgaben nicht der Finanzierung der Ausfuhren gedient habe, sondern die Europäische Union bereichert habe. Da die Union zum 30. Juni 2006 einen Bestand von 5669000 Tonnen Quotenzucker angehäuft habe, der als ausführbarer Überschuss angesetzt, aber nicht ausgeführt worden sei, und da für diese Mengen zu diesem Zeitpunkt keine Erstattung erfolgt sei, sei ihr Erstattungsantrag gerechtfertigt.

28

In diesem Kontext hat das Tribunal de grande instance de Nanterre (Regionalgericht Nanterre) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

29

Die französische Regierung trägt einleitend vor, die von dem vorlegenden Gericht gestellten Fragen seien aus den folgenden Gründen offensichtlich unzulässig.

30

Erstens habe das vorlegende Gericht keine Gründe angeführt, die geeignet seien, seine Vorlage zu rechtfertigen, und habe sich darauf beschränkt, festzustellen, dass über die Auslegung eines Rechtsakts der Union gestritten werde. In Wirklichkeit habe es dem Gerichtshof lediglich die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens vorgeschlagenen Fragen vorgelegt.

31

Zweitens könne anhand des von dem vorlegenden Gericht dargelegten Sachverhalts nicht festgestellt werden, ob die Fragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erforderlich seien.

32

Es stehe jedoch fest, dass nach den Urteilen vom 8. Mai 2008, Zuckerfabrik Jülich u. a. (C‑5/06 und C‑23/06 bis C‑36/06, EU:C:2008:260), sowie vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich u. a. (C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591), und dem Beschluss vom 6. Oktober 2008, SAFBA (C‑175/07 bis C‑184/07, EU:C:2008:543), mit denen die Verordnungen der Kommission, auf deren Grundlage die nationalen Behörden von den Zuckerherstellern die Produktionsabgaben erhoben hätten, für ungültig erklärt worden seien, von der Kommission durch den Erlass der Verordnung Nr. 1193/2009 und dann vom Rat durch den Erlass der Verordnung Nr. 1360/2013 die Maßnahmen ergriffen worden seien, die sich aus diesen Urteilen und diesem Beschluss ergeben hätten. Die auf die Verordnung Nr. 1360/2013 gestützten Erstattungen seien zugunsten der Zuckerhersteller jedoch erst im April 2015, d. h. nach der am 22. Januar 2015 erfolgten Einreichung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens, vorgenommen worden. Daher habe das vorlegende Gericht nicht die Konsequenzen aus dieser Erstattung für die bei ihm anhängige Klage ziehen und insbesondere nicht bestimmen können, ob diese Erstattung dazu geführt habe, dass die Klage gegenstandslos geworden sei.

33

Drittens habe das vorlegende Gericht nicht erläutert, warum es Zweifel an der Gültigkeit der Verordnung Nr. 164/2007 habe und welchen Zusammenhang es zwischen dieser Verordnung und dem Ausgangsrechtsstreit sehe.

34

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Er darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 11. November 2015, Pujante Rivera, C‑422/14, EU:C:2015:743, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen klar, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung von Art. 15 Abs. 2 und 8 der Verordnung Nr. 1260/2001 ersucht und gegebenenfalls zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 164/2007 befragt, um über die Gültigkeit der Weigerung der zuständigen nationalen Behörden gegenüber Saint Louis Sucre zu entscheiden, dieser die Produktionsabgaben zu erstatten, die sie auf die Quotenzuckermengen, die am 30. Juni 2006 noch gelagert waren, entrichtet hat – und zwar angesichts dessen, dass die Regelung über die Produktionsabgaben mit der Verordnung Nr. 318/2006 nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert worden war.

36

Was speziell die vierte Vorlagefrage betrifft, bei der es um die Gültigkeit der Verordnung Nr. 164/2007 geht, hat sich Saint Louis Sucre in ihren schriftlichen Erklärungen auf die Ungültigkeit dieser Verordnung berufen, während die belgische Regierung sie als gültig ansah und die Kommission vorgetragen hat, dass diese Frage nicht zu beantworten sei, da diese Verordnung vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich u. a. (C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591), für ungültig erklärt worden sei. Auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs hin haben die belgische Regierung und die Kommission sodann den Standpunkt vertreten, dass der Gerichtshof diese vierte Frage dahin auslegen solle, dass sie die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1360/2013 betreffe. Die französische Regierung war, vorbehaltlich allgemeinerer Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens, ebenfalls dieser Ansicht, und auch Saint Louis Sucre hat sich in diesem Sinne geäußert, allerdings unter dem Vorbehalt, dass eine Feststellung der Ungültigkeit dieser Verordnung Erstattungen unberührt lassen müsse, die Erzeugern nach dieser Verordnung bereits gewährt worden seien.

37

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus Rn. 22 des vorliegenden Urteils ergibt, die Verordnung Nr. 1360/2013, was die Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 betrifft, die Verordnung Nr. 164/2007 rückwirkend mit Wirkung vom 23. Februar 2007 ersetzt hat.

38

Daher ist die vierte Vorlagefrage dahin zu verstehen, dass sie die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1360/2013 betrifft.

39

Infolgedessen ist das Vorabentscheidungsersuchen in vollem Umfang zulässig.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

40

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 15 Abs. 2 und 8 der Verordnung Nr. 1260/2001 dahin auszulegen ist, dass er einem Zuckerhersteller deshalb einen Anspruch auf Erstattung der Produktionsabgaben gewährt, die für am 30. Juni 2006 noch gelagerte Zuckermengen der Quoten A und B entrichtet wurden, weil die Regelung über die Produktionsabgaben mit der Verordnung Nr. 318/2006 nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert wurde.

41

Dieser ersten Frage liegt der Antrag von Saint Louis Sucre zugrunde, der im Wesentlichen darauf gerichtet ist, dass ihre Produktionsabgabe für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 neu berechnet wird, da der in der Gemeinschaft am Ende des Wirtschaftsjahres vorhandene, den A‑ und B‑Quoten zuzurechnende Zuckerbestand keinen Anlass zu Ausgaben im Zusammenhang mit seinem Absatz gegeben habe.

42

Insoweit ist festzustellen, dass Art. 15 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1260/2001 vorsah, dass vor Ablauf des Wirtschaftsjahres 2005/2006 kumulativ für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006 der ausführbare Überschuss, der sich aus der endgültigen Erzeugung von A‑ und B‑Zucker, von A‑ und B‑Isoglucose sowie von A‑ und B‑Inulinsirup einerseits und der zum Verbrauch in der Gemeinschaft endgültig abgesetzten Zuckermenge, Isoglucosemenge sowie Inulinsirupmenge andererseits errechnet, festzustellen war.

43

Nach Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 314/2002 in der durch die Verordnung Nr. 1140/2003 geänderten Fassung wurde jedoch zum Zweck der Berechnung dieses ausführbaren Überschusses die Zucker-, Isoglucose- und Inulinsirupmenge, die für den Verbrauch in der Gemeinschaft abgesetzt wurde, anhand der Summe der Mengen dieser Nahrungsmittel berechnet, die zu Beginn des Wirtschaftsjahres eingelagert waren, im Rahmen der A‑ und B‑Quoten erzeugt wurden, in unverändertem Zustand eingeführt wurden und in den eingeführten Verarbeitungserzeugnissen enthalten waren, wobei die Mengen dieser Nahrungsmittel abgezogen wurden, die in unverändertem Zustand ausgeführt wurden, in den ausgeführten Verarbeitungserzeugnissen enthalten waren, zum Ende des Wirtschaftsjahres eingelagert waren oder Gegenstand einer Bescheinigung über eine Produktionserstattung waren.

44

Ein im Rahmen der Berechnung des ausführbaren Überschusses für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006 vorgenommener Ausschluss der zum Ende des Wirtschaftsjahres 2005/2006 eingelagerten Zucker-, Isoglucose- und Inulinsirupmengen stünde demnach im Widerspruch sowohl zu Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 314/2002 in der durch die Verordnung Nr. 1140/2003 geänderten Fassung, der ausdrücklich vorsieht, dass diese eingelagerten Mengen berücksichtigt werden, als auch zu Art. 15 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1260/2001, der sich ebenfalls auf den ausführbaren – und nicht ausgeführten – Überschuss bezieht, der notwendigerweise, wie sich u. a. aus dem 15. Erwägungsgrund der letztgenannten Verordnung ergibt, die am Ende des betreffenden Wirtschaftsjahres auf dem Markt vorhandenen Mengen, wie die gelagerten Mengen, umfasst.

45

Darüber hinaus impliziert, wie die Generalanwältin in Nr. 77 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, der Umstand, dass weiter, auch nach der in Art. 15 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1260/2001 für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006 vorgesehenen Anpassung, von einem „voraussichtlichen“ Gesamtverlust die Rede ist, dass der Verlust möglicherweise noch nicht vollständig entstanden ist. Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass die Methode zur Berechnung des voraussichtlichen Gesamtverlusts jedenfalls dazu dienen soll, die sich aus dem Absatz der überschüssigen Gemeinschaftserzeugung ergebenden Verluste in einer vorausschauenden, den Gepflogenheiten entsprechenden Weise zu ermitteln (Urteil vom 8. Mai 2008, Zuckerfabrik Jülich u. a., C‑5/06 und C‑23/06 bis C‑36/06, EU:C:2008:260, Rn. 43).

46

Außerdem ist, wie die Generalanwältin in Nr. 82 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, hervorzuheben, dass die durch die Verordnung Nr. 318/2006 eingeführte Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker trotz ihres Umfangs das System der Ausfuhrerstattungen, wie sich aus Art. 32 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung ergibt, nicht beendet hat.

47

Es gab somit eine Überschneidung zwischen der durch die Verordnung Nr. 1260/2001 eingeführten gemeinsamen Marktorganisation für Zucker für den Zeitraum vom Wirtschaftsjahr 2001/2002 bis zum Wirtschaftsjahr 2005/2006 und der durch die Verordnung Nr. 318/2006 reformierten Marktorganisation für Zucker ab dem Wirtschaftsjahr 2006/2007.

48

So wurde gemäß der Verordnung Nr. 958/2006 eine Dauerausschreibung für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 zur Festsetzung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Weißzucker vorgenommen.

49

Demnach wurde die Möglichkeit der Erzeuger, den eingelagerten Zucker mit Erstattungen auszuführen, nicht zum letzten Tag des Wirtschaftsjahres 2005/2006 beendet.

50

Schließlich ist festzustellen, dass mit Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 318/2006 eine Produktionsabgabe erst ab dem Wirtschaftsjahr 2007/2008 eingeführt wurde und dass mit dieser im Übrigen gemäß dem 19. Erwägungsgrund dieser Verordnung bezweckt wurde, zur Finanzierung der Ausgaben im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker beizutragen, und nicht – wie es bei der mit der Verordnung Nr. 1260/2001 vorgesehenen Produktionsabgabe der Fall war –, vollständig die Kosten zu finanzieren, die sich aus dem Absatz des Überschusses ergeben, um den die Gemeinschaftserzeugung den Gemeinschaftsverbrauch übersteigt.

51

Im vorliegenden Fall kann darauf hingewiesen werden, dass nach der Verordnung Nr. 900/2007 eine Dauerausschreibung bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 2007/2008 zur Festsetzung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Weißzucker vorgenommen wurde.

52

Unter diesen Umständen ist unter Berücksichtigung dessen, dass der Unionsgesetzgeber im Bereich der Agrarpolitik über ein weites Ermessen verfügt, das seiner politischen Verantwortung entspricht, die ihm die Art. 40 AEUV bis 43 AEUV übertragen, und daher die richterliche Kontrolle auf die Prüfung der Frage zu beschränken ist, ob die betreffende Maßnahme nicht mit einem offensichtlichen Irrtum oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich überschritten hat (Urteil vom 14. März 2013, Agrargenossenschaft Neuzelle, C‑545/11, EU:C:2013:169, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung), nicht ersichtlich, dass der Rat einem offensichtlichen Irrtum unterlegen ist, einen Ermessensmissbrauch begangen oder die Grenzen seines Ermessens offensichtlich überschritten hat, indem er vorgesehen hat, dass, was das Wirtschaftsjahr 2005/2006 betrifft, der am Ende dieses Wirtschaftsjahres ausführbare Überschuss, der notwendigerweise die am Ende des Wirtschaftsjahres eingelagerten Zuckermengen mit einschloss, zu berücksichtigen ist.

53

Zum Vorbringen von Saint Louis Sucre in der mündlichen Verhandlung, wonach die im Rahmen des Wirtschaftsjahres 2006/2007 gewährten Ausfuhrerstattungen gemäß Art. 8 der Verordnung Nr. 318/2006 durch die Beträge finanziert wurden, die auf die den Zuckerunternehmen während dieses Wirtschaftsjahres zusätzlich gewährten Zuckerquoten erhoben wurden, ist festzustellen, dass es sich um eine freiwillige Quotenzuteilung handelte, die auf Antrag der Unternehmen selbst erfolgte, und dass jedenfalls nichts in den Unterlagen darauf hindeutet, dass die so erhobenen Beträge nicht verwendet wurden, um die mit diesen zusätzlichen Quoten verbundenen Kosten zu decken, sondern um die genannten Erstattungen zu finanzieren.

54

Infolgedessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 15 Abs. 2 und 8 der Verordnung Nr. 1260/2001 dahin auszulegen ist, dass er einem Zuckerhersteller nicht deshalb einen Anspruch auf Erstattung der Produktionsabgaben gewährt, die für am 30. Juni 2006 noch gelagerte Zuckermengen der Quoten A und B entrichtet wurden, weil die Regelung über die Produktionsabgaben mit der Verordnung Nr. 318/2006 nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert wurde.

Zur zweiten und zur dritten Frage

55

Angesichts der Antwort auf die erste Frage sind die zweite und die dritte Frage nicht zu beantworten.

Zur vierten Frage

56

In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage hat sich nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1360/2013 berühren könnte.

Kosten

57

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 15 Abs. 2 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker ist dahin auszulegen, dass er einem Zuckerhersteller nicht deshalb einen Anspruch auf Erstattung der Produktionsabgaben gewährt, die für am 30. Juni 2006 noch gelagerte Zuckermengen der Quoten A und B entrichtet wurden, weil die Regelung über die Produktionsabgaben mit der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert wurde.

 

2.

Es hat sich nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben, berühren könnte.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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