Beschluss vom Europäischer Gerichtshof - C-322/15

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

8. September 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Art. 53 Abs. 2 und Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs — Keine hinreichenden Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang des Ausgangsrechtsstreits sowie zu den Gründen, aus denen sich die Notwendigkeit einer Antwort auf die Vorlagefrage ergibt — Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache C‑322/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) mit Entscheidung vom 22. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 2015, in dem Verfahren

Google Ireland Limited,

Google Italy Srl

gegen

Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni,

Beteiligte:

Filandolarete Srl,

Associazione Confindustria Radio Televisioni,

Federazione Italiana Editori Giornali (FIEG),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Google Ireland Limited und der Google Italy Srl, vertreten durch M. Siragusa, S. Valentino und F. Marini Balestra, avvocati,

der Associazione Confindustria Radio Televisioni, vertreten durch C. San Mauro und G. Rossi, avvocati,

der Federazione Italiana Editori Giornali (FIEG), vertreten durch M. Annecchino und C. Palmieri, avvocati,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigten im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,

der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und E. Montaguti als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Google Ireland Limited und der Google Italy Srl einerseits und der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Aufsichts‑ und Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen, Italien, im Folgenden: AGCOM) andererseits über einen Beschluss der AGCOM, mit dem die Verpflichtung zur Abgabe einer systematischen Erklärung zur Bereitstellung von wirtschaftlichen Daten (Informativa economica di sistema, im Folgenden: IES) auf Werbeagenturen, die im Internet mit Werbeflächen handeln, und Gesellschaften mit Sitz im Ausland ausgedehnt wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 94 („Inhalt des Vorabentscheidungsersuchens“) der Verfahrensordnung des Gerichtshofs lautet wie folgt:

„Das Vorabentscheidungsersuchen muss außer den dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen enthalten:

a)

eine kurze Darstellung des Streitgegenstands und des maßgeblichen Sachverhalts, wie er vom vorlegenden Gericht festgestellt worden ist, oder zumindest eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen;

b)

den Wortlaut der möglicherweise auf den Fall anwendbaren nationalen Vorschriften und gegebenenfalls die einschlägige nationale Rechtsprechung;

c)

eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt.“

Italienisches Recht

4

Mit dem Decreto-legge n. 63, recante Disposizioni urgenti in materia di riordino dei contributi alle imprese editrici, nonché di vendita della stampa quotidiana e periodica e di pubblicità istituzionale (Gesetzesdekret Nr. 63 mit Dringlichkeitsbestimmungen für die Umgestaltung der Zuschüsse für Verlage sowie Unternehmen, die Tageszeitungen und Zeitschriften verkaufen und Firmenwerbung betreiben) vom 18. Mai 2012 (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 63/2012) wurde Art. 1 Abs. 6 Buchst. a Nr. 5 der Legge n. 249, Istituzione dell’Autorita per le garanzie nelle comunicazioni e norme sui sistemi delle telecomunicazioni e radiotelevisivo (Gesetz Nr. 249 über die Errichtung der Aufsichts‑ und Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen mit Vorschriften über die Telekommunikations‑ sowie Rundfunk‑ und Fernsehsysteme) vom 31. Juli 1997 geändert mit der Folge, dass Werbeagenturen, die über Rundfunk oder Fernsehen, Tageszeitungen oder Zeitschriften, im Internet oder auf anderen festen oder mobilen digitalen Plattformen Werbung betreiben, zur Eintragung in das Register der Anbieter von Kommunikationsdiensten (Registro degli operatori di comunicazione, im Folgenden: ROC) verpflichtet sind.

5

Mit dem Gesetzesdekret Nr. 63/2012 wurde außerdem Art. 43 Abs. 10 des Decreto legislativo n. 177 – Testo Unico dei Servizi di Media Audiovisivi e Radiofonici (gesetzesvertretendes Dekret Nr. 177 – Einheitstext der audiovisuellen und Rundfunk-Mediendienste) geändert, indem die Einkünfte aus Online‑Werbung und Werbung auf diversen Plattformen, u. a. in direkter Form, einschließlich Suchmaschinen und sozialer Netzwerke sowie Filesharing-Plattformen, den Gesamteinnahmen des integrierten Kommunikationssystems zugerechnet wurden.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

6

Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die AGCOM es angesichts der vorstehend genannten Gesetzesänderungen für erforderlich hielt, die Verpflichtung zur Abgabe einer IES auf Werbeagenturen, die im Internet mit Werbeflächen handeln, und Gesellschaften mit Sitz im Ausland auszudehnen. Die AGCOM erließ daher am 25. Juni 2013 den Beschluss Nr. 397/13/CONS, in dem unter den Wirtschaftsteilnehmern, die zur Abgabe einer IES verpflichtet sind, u. a. Werbeagenturen, die im Internet und auf anderen festen und mobilen digitalen Plattformen mit Flächen handeln (Art. 2 Abs. 1 Buchst. e), sowie Personen, die ihre Einkünfte im Inland erzielen, auch wenn diese Einkünfte in den Bilanzen von im Ausland ansässigen Gesellschaften verbucht werden (Art. 3 Abs. 5), genannt werden.

7

Am selben Tag führte die AGCOM durch den Beschluss Nr. 398/13/CONS bestimmte Änderungen hinsichtlich des ROC ein. So sind Presseagenturen von nationaler Bedeutung, Anbieter von audiovisuellen oder Hörfunkmediendiensten und Anbieter von damit zusammenhängenden interaktiven Diensten und Diensten mit Zugangskontrolle nunmehr verpflichtet, sich ins ROC eintragen zu lassen, um diese Art von Tätigkeiten den vom Beschluss Nr. 397/13/CONS erfassten Tätigkeiten anzugleichen.

8

Die AGCOM ist nämlich der Ansicht, dass die beiden Systeme zum Sammeln von Informationen, d. h., die IES und das ROC, eng miteinander verknüpft seien und beide dem Erfordernis entsprächen, ihr umfassende Informationen über die im Medienbereich tätigen Anbieter zu verschaffen, um ihr die Ausübung ihrer Aufgaben zu ermöglichen.

9

Da Google Ireland und Google Italy den Beschluss Nr. 397/13/CONS für rechtswidrig halten, soweit er die Verpflichtung zur Abgabe einer IES auf Werbeunternehmen ausdehnt, die im Internet tätig sind und ihren Sitz im Ausland haben, erhoben sie beim vorlegenden Gericht eine Klage, mit der sie die teilweise Nichtigerklärung dieses Beschlusses begehren. Die Klägerinnen ersuchen das vorlegende Gericht ferner, anzuerkennen, dass sie Anspruch darauf haben, nicht zu den Personen gerechnet zu werden, die zur Vorlage einer IES verpflichtet sind.

10

Das vorlegende Gericht hegt Zweifel an der Vereinbarkeit dieses Beschlusses sowie bestimmter diesbezüglicher nationaler Rechtsvorschriften mit der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 56 AEUV.

11

Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht Art. 56 AEUV dem entgegen, dass der angefochtene Beschluss Nr. 397/13/CONS der AGCOM und die diesbezüglichen nationalen Gesetzesvorschriften in ihrer Auslegung durch diese Behörde – wonach eine komplexe (zwingend nach den italienischen Grundsätzen der Rechnungsführung erstellte) IES über wirtschaftliche Tätigkeiten betreffend italienische Verbraucher vorgeschrieben ist, eine Erklärung, die mit dem Schutz des Wettbewerbs begründet ist, deren Ziele aber zwangsläufig mit den zahlreichen und begrenzteren institutionellen Aufgaben derselben Behörde zusammenhängen, den Pluralismus im fraglichen Sektor zu schützen – auf Wirtschaftsteilnehmer angewendet werden, die nicht in den Anwendungsbereich der für diesen Sektor geltenden nationalen Regelung (Einheitstext der audiovisuellen und Rundfunk-Mediendienste) fallen, insbesondere im vorliegenden Fall auf einen nationalen Wirtschaftsteilnehmer, der lediglich gegenüber einer Gesellschaft irischen Rechts, die derselben Gruppe angehört, Dienstleistungen erbringt, und darüber hinaus im vorliegenden Fall auf einen Wirtschaftsteilnehmer, der im nationalen Hoheitsgebiet keinen Geschäftssitz hat und dort keine Geschäftstätigkeit unter Einsatz von Arbeitnehmern betreibt, oder anders gefragt, handelt es sich dabei um eine Maßnahme, die den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union unter Verstoß gegen Art. 56 AEUV beeinträchtigt?

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

12

Gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn er für die Entscheidung über eine Rechtssache offensichtlich unzuständig ist oder wenn ein Ersuchen oder eine Klage offensichtlich unzulässig ist, nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.

13

Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.

14

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das mit Art. 267 AEUV eingerichtete Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. u. a. Urteil vom 27. November 2012, Pringle, C‑370/12, EU:C:2012:756; Rn. 83).

15

Die Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens sind ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung aufgeführt, von dem das vorlegende Gericht im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen Zusammenarbeit Kenntnis haben sollte und den es sorgfältig zu beachten hat (vgl. Beschlüsse vom 3. Juli 2014, Talasca, C‑19/14, EU:C:2014:2049, Rn. 21, und vom 12. Mai 2016, Security Service u. a., C‑692/15 bis C‑694/15, EU:C:2016:344, Rn. 18, sowie Urteil vom 5. Juli 2016, Ognyanov, C‑614/14, EU:C:2016:514, Rn. 18).

16

Der Gerichtshof hat außerdem bereits darauf hingewiesen, dass sich aus Nr. 22 der Empfehlungen des Gerichtshofs an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2012, C 338, S. 1) ergibt, dass ein Vorabentscheidungsersuchen „ausführlich genug sein und alle relevanten Informationen enthalten [muss], damit der Gerichtshof und die zur Einreichung von Erklärungen Berechtigten den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits richtig erfassen können“ (Beschluss vom 3. September 2015, Vivium, C‑250/15, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:569, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Angaben in den Vorabentscheidungsersuchen nicht nur dem Gerichtshof zweckdienliche Antworten auf die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten Gelegenheit geben sollen, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Gelegenheit gegeben wird, da den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorabentscheidungsersuchen – zusammen mit einer Übersetzung in die Amtssprache des jeweiligen Mitgliedstaats – zugestellt werden, nicht aber dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht gegebenenfalls übermittelte nationale Verfahrensakten (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juni 2015, Base Company und Mobistar, C‑1/14, EU:C:2015:378, Rn. 48, und vom 5. Juli 2016, Ognyanov, C‑614/14, EU:C:2016:514, Rn. 19).

18

Da das Vorabentscheidungsersuchen als Grundlage für das Verfahren beim Gerichtshof dient, muss das nationale Gericht somit in diesem Ersuchen den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits erläutern und ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Unionsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang geben, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (vgl. u. a. Beschluss vom 14. November 2013, Mlamali, C‑257/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:763, Rn. 21, und Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 115).

19

Die Kommission stellt unter Berufung u. a. auf die Rechtsprechung, wonach eine Vorlagefrage als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn das nationale Gericht dem Gerichtshof nicht die tatsächlichen und rechtlichen Angaben liefert, die für eine zweckdienliche Beantwortung dieser Frage erforderlich sind (vgl. u. a. Urteil vom 5. März 2015, Copydan Båndkopi, C‑463/12, EU:C:2015:144, Rn. 93), die Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens in Frage.

20

Sie führt in ihren schriftlichen Erklärungen aus, dass im Vorabentscheidungsersuchen zwar das Vorbringen der Parteien ausführlich wiedergegeben werde, die Art der den Wirtschaftsteilnehmern durch den Beschluss Nr. 397/13/CONS auferlegten Verpflichtungen und die allgemeine Systematik der nationalen Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs und des Pluralismus, deren Wirksamkeit von der Einhaltung der Verpflichtung zur Vorlage einer IES abhänge, jedoch nicht hinreichend detailliert beschrieben werde.

21

Die Kommission betont u. a., dass allein die Prüfung der einschlägigen nationalen Vorschriften es ermöglichen würde, die Tragweite, die Logik und die Kohärenz der Mechanismen zum Schutz des Wettbewerbs und des Pluralismus zu verstehen, die der im Ausgangsverfahren fraglichen Datenerhebung zugrunde lägen.

22

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass ein Vorabentscheidungsersuchen, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, außer den zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen die Informationen enthalten muss, die in Art. 94 Buchst. a bis c der Verfahrensordnung genannt sind.

23

Insbesondere hinsichtlich der in den Buchst. b und c dieses Artikels genannten Anforderungen, betreffend zum einen den Wortlaut der möglicherweise auf den Fall anwendbaren nationalen Vorschriften und gegebenenfalls die einschlägige nationale Rechtsprechung und zum anderen eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, sowie die Angabe des Zusammenhangs, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt, ist festzustellen, dass die im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen insoweit enthaltenen Informationen diesen Anforderungen nicht genügen.

24

In Anbetracht der Zusammenarbeit, die das Verhältnis zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens kennzeichnet, führt das Fehlen bestimmter vorheriger Feststellungen durch das vorlegende Gericht zwar nicht zwingend zur Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens, sofern sich der Gerichtshof trotz dieser Unzulänglichkeiten in der Lage sieht, dem vorlegenden Gericht anhand der in der Akte enthaltenen Angaben eine sachdienliche Antwort zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2016, CASTA u. a., C‑50/14, EU:C:2016:56, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

25

Im Vorabentscheidungsersuchen wird nämlich zwar in allgemeiner Form der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende rechtliche Rahmen angegeben, es werden jedoch nicht die konkret auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Vorschriften genannt. Insbesondere beschränkt sich das Vorabentscheidungsersuchen im Wesentlichen darauf, zu erwähnen, dass der Beschluss Nr. 397/13/CONS von der AGCOM infolge der in den Rn. 4 und 5 des vorliegenden Beschlusses genannten Gesetzesänderungen erlassen wurde, um die Verpflichtung zur Abgabe einer IES auf Werbeagenturen, die im Internet mit Werbeflächen handeln, und Gesellschaften mit Sitz im Ausland auszudehnen.

26

Das Vorabentscheidungsersuchen enthält keinerlei Angaben hinsichtlich der Verpflichtung einer der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, Google Italy, zur Abgabe einer IES. Nach dem Vorabentscheidungsersuchen erbringt diese Klägerin, die nicht im audiovisuellen Sektor oder im Verlagsbereich tätig ist, nämlich lediglich Dienste gegenüber anderen Mitgliedern der Google-Gruppe und erzielt keine Werbeeinnahmen im Internet.

27

Außerdem betreffen die nationalen Rechtsvorschriften, so, wie sie im Vorabentscheidungsersuchen dargestellt wurden, nur die Ausdehnung der Verpflichtung zur Abgabe einer IES auf Wirtschaftsteilnehmer, die im Internet mit Werbeflächen handeln und ihren gesetzlichen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben. In dem Ersuchen werden somit weder der Umfang noch der Inhalt der Verpflichtung, deren Anwendungsbereich ausgeweitet wurde, nämlich die Informationen, die diese Wirtschaftsteilnehmer der AGCOM gemäß der IES übermitteln müssen, im Einzelnen benannt. Insbesondere wird in dem Ersuchen nicht angegeben, welche Folgen sich aus dem von der AGCOM für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer erstellten Formular ergeben, in dem die Informationen aufgeführt sind, die diese übermitteln müssen.

28

Was die Modalitäten der Verpflichtung zur Abgabe einer IES angeht, beschränkt sich das vorlegende Gericht im Wesentlichen auf den Hinweis, dass es sich um eine „komplexe“ Erklärung über „wirtschaftliche Tätigkeiten betreffend italienische Verbraucher“ handle, die „zwingend nach den italienischen Grundsätzen der Rechnungsführung erstellt werden müsse“.

29

Es ist jedoch unabdingbar, dass im Vorabentscheidungsersuchen der Wortlaut der möglicherweise auf den Fall anwendbaren nationalen Vorschriften und gegebenenfalls die einschlägige nationale Rechtsprechung angegeben wird, um es den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Beteiligten und dem Gerichtshof zu ermöglichen, unter Berücksichtigung u. a. der Art, des Inhalts und des Umfangs der genannten Verpflichtung deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu beurteilen.

30

In der vorliegenden Rechtssache, in der es um eine mögliche Beschränkung einer Grundfreiheit geht, hat das vorlegende Gericht es dem Gerichtshof angesichts des Fehlens genauer Angaben zum Inhalt der im vorliegenden Fall möglicherweise anwendbaren nationalen Vorschriften nicht ermöglicht, das Vorliegen und das Ausmaß einer solchen Beschränkung zu beurteilen und gegebenenfalls eine sachdienliche Prüfung der Rechtfertigung dieser Beschränkung vorzunehmen, einschließlich u. a. der Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Beschränkung.

31

Insbesondere ist der Gerichtshof in Anbetracht des Fehlens von genauen Angaben zum Umfang der Verpflichtungen, deren Anwendungsbereich durch den Beschluss Nr. 397/13/CONS auf Wirtschaftsteilnehmer ausgeweitet wurde, die im Internet mit Werbeflächen handeln und ihren gesetzlichen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik haben, nicht in der Lage, eine solche mögliche Rechtfertigung zu prüfen und somit dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben. Zwar stellt u. a. der Schutz des Wettbewerbs und des Pluralismus einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann, jedoch ermöglicht nur eine hinreichend detaillierte Beschreibung der Art und Weise, in der der fragliche Beschluss dieses Ziel verfolgt, es dem Gerichtshof, zu überprüfen, ob und inwieweit dieser Beschluss geeignet und erforderlich ist, um das mit ihm verfolgte im Allgemeininteresse liegende Ziel zu erreichen.

32

Nach alledem ist gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen offensichtlich unzulässig ist.

Kosten

33

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Das vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) mit Entscheidung vom 22. April 2015 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist offensichtlich unzulässig.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.