Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-796/14

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

15. September 2016 ( *1 )

„Zugang zu Dokumenten — Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 — Dokumente, die im Rahmen der Vorarbeiten für den Erlass der Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen erstellt wurden — Verweigerung des Zugangs — Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung — Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses — Überwiegendes öffentliches Interesse“

In der Rechtssache T‑796/14

Philip Morris Ltd mit Sitz in Richmond (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K. Nordlander und M. Abenhaïm,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Bescheids Ares (2014) 3142109 der Kommission vom 24. September 2014, soweit der Klägerin darin der vollständige Zugang zu den angeforderten Dokumenten – mit Ausnahme der darin enthaltenen geschwärzten personenbezogenen Daten – verweigert wird,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie der Richterin M. Kancheva und des Richters C. Wetter (Berichterstatter),

Kanzler: L. Grzegorczyk, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Mit E‑Mail vom 22. Januar 2014 reichte die Klägerin, die Philip Morris Ltd, mehrere Anträge auf Zugang zu Dokumenten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) beim Generalsekretariat der Europäischen Kommission ein.

2

Die Anträge betrafen alle das Gesetzgebungsverfahren, das zum Erlass der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1, im Folgenden: Tabakrichtlinie) führte.

3

Mit E‑Mail vom 21. Februar 2014 teilte die Generaldirektion (GD) „Gesundheit und Verbraucherschutz“ der Kommission der Klägerin mit, dass sie angesichts des Umfangs der angeforderten Dokumente nicht innerhalb der Frist antworten könne, die in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehen sei, und schlug vor, nach einer Lösung gemäß Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu suchen.

4

Mit Schreiben vom 10. März 2014 stimmte die Klägerin dem Vorschlag der GD „Gesundheit und Verbraucherschutz“ zu, die angeforderten Dokumente in mehrere Pakete aufzuteilen. Sie erklärte, den Vorschlag aber abzulehnen, wenn er dazu führe, dass sie bis zum 25. April 2014 keine Antwort bezüglich aller von ihren Anträgen erfassten Dokumente erhalte.

5

Mit Schreiben vom 21. März 2014 wies die Leiterin des Referats D4 „Substanzen menschlichen Ursprungs und Tabakkontrolle“ der GD „Gesundheit und Verbraucherschutz“ darauf hin, dass die von der Klägerin vorgeschlagene Frist nicht angemessen sei, denn ein Organ habe die Möglichkeit, die Bedeutung des Zugangs der Öffentlichkeit zu den Dokumenten und die sich daraus ergebende Arbeitsbelastung gegeneinander abzuwägen, um in besonderen Fällen die Interessen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu wahren. Sie kündigte außerdem an, dass sie baldmöglichst auf diese Frage zurückkommen werde, um die künftigen Schritte und die anwendbaren Fristen festzulegen.

6

Mit Schreiben vom 2. April 2014 beantwortete die Direktorin der GD „Gesundheit und Verbraucherschutz“ mehrere Zugangsanträge und teilte der Klägerin mit, dass sie die Anträge bearbeiten werde, die die anderen, in verschiedene Pakete aufgeteilten Dokumente beträfen.

7

Mit Schreiben vom 23. April 2014 erinnerte die Klägerin die Kommission daran, dass diese mangels einer angemessenen Lösung an die Fristen gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 gebunden sei und dass sie, die Klägerin, sich das Recht vorbehalte, rechtliche Schritte zu unternehmen, wenn ihre Anträge nicht bis zum 1. Mai 2014 bearbeitet seien. Darüber hinaus bat sie darum, die Rangfolge für die Bearbeitung der Dokumentenpakete leicht abzuändern, was von der Kommission größtenteils akzeptiert wurde.

8

Mit ihrer ersten Antwort vom 15. Mai 2014 gewährte die GD „Gesundheit und Verbraucherschutz“ vollständigen Zugang für die Mehrzahl der Dokumente (nach Entfernung der personenbezogenen Daten) in Paket 1 (insgesamt 39 Dokumente), Paket 3 (insgesamt 24 Dokumente) und Paket 5 (insgesamt 5 Dokumente). Sie wies darauf hin, dass die Prüfung der Dokumente in Paket 2 und Paket 4 sowie eines Teils der Dokumente in Paket 3 noch nicht abgeschlossen sei. Für 13 Dokumente in Paket 1 bzw. Paket 3 gewährte die Kommission teilweisen Zugang. Die Weigerung, vollständigen Zugang zu gewähren, begründete sie mit dem Schutz des Entscheidungsprozesses (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001), der Rechtsberatung (Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001), der internationalen Beziehungen (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001), der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person (Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001) sowie der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001).

9

Mit Schreiben vom 6. Juni 2014 stellte die Klägerin bei der Kommission einen Zweitantrag auf vollständigen Zugang zu den 13 Dokumenten, für die die Kommission nur teilweisen Zugang gewährt hatte.

10

Am 1. Juni 2014 verlängerte das Generalsekretariat der Kommission die Antwortfrist um 15 Arbeitstage gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001.

11

Mit Schreiben vom 23. Juli 2014 wurde die Klägerin erneut um Geduld gebeten.

12

Am 24. September 2014 erließ die Kommission als Antwort auf den Zweitantrag den Bescheid Ares (2014) 3142109 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), mit der sie einen vollständigen Zugang zu sechs der 13 vom Zweitantrag erfassten Dokumente verweigerte.

13

Ihre Weigerung begründete sie mit dem notwendigen Schutz

der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001) in Bezug auf die Dokumente mit den Nrn. 1 und 3 bis 7;

der Rechtsberatung (Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001) in Bezug auf das Dokument Nr. 1;

der Gerichtsverfahren (Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001) in Bezug auf die Dokumente mit den Nrn. 3 bis 7;

des Entscheidungsprozesses (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001) in Bezug auf die Dokumente mit den Nrn. 1 und 3 bis 7;

hilfsweise des Entscheidungsprozesses (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001) in Bezug auf die Dokumente mit den Nrn. 1 und 3 bis 7.

14

Darüber hinaus war die Kommission der Auffassung, dass auch kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 a. E. und Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 a. E. der Verordnung Nr. 1049/2001 gegeben sei, das die Verbreitung der Dokumente gleichwohl rechtfertigen würde.

15

Schließlich gewährte die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 vollständigen Zugang zu den Dokumenten mit den Nrn. 2 und 8 bis 13 und einen erweiterten teilweisen Zugang zu den Dokumenten mit den Nrn. 1 und 3. Sie stellte fest, dass für die übrigen Dokumente (mit den Nrn. 1 und 3 bis 7) kein weitergehender teilweiser Zugang gewährt werden könne, da die unleserlich gemachten Abschnitte in diesen Dokumenten, wie bereits dargelegt, den angegebenen Ausnahmeregelungen unterlägen.

Verfahren und Anträge der Parteien

16

Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 4. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

17

Die Kommission hat am 16. März 2015 ihre Klagebeantwortung eingereicht.

18

Das Gericht (Achte Kammer) hat nach Art. 47 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 entschieden, dass ein zweiter Schriftsatzwechsel nicht erforderlich ist.

19

Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Achte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

20

Mit Beschluss vom 11. November 2015 hat das Gericht der Kommission aufgegeben, eine Abschrift der angeforderten Dokumente gemäß Art. 91 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts vorzulegen, und darauf hingewiesen, dass die Dokumente der Klägerin nicht bekannt gegeben werden. Die Kommission ist diesem Beschluss fristgerecht nachgekommen.

21

Mit Entscheidung vom 16. Dezember 2015 hat der Präsident der Achten Kammer des Gerichts die Rechtssachen T‑796/14, T‑800/14 und T‑18/15 gemäß Art. 68 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden.

22

In der Sitzung vom 21. Januar 2016 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

23

Die Klägerin beantragt,

die Klage für zulässig zu erklären;

den angefochtenen Bescheid für nichtig zu erklären, soweit darin der vollständige Zugang zu den in der Klageschrift aufgezählten Dokumenten mit den Nrn. 1 und 3 bis 7 mit Ausnahme der Daten, die den Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen betreffen, verweigert wird;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

25

Die Klägerin führt drei Klagegründe an, mit denen sie erstens einen Begründungsmangel, zweitens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 und drittens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung geltend macht.

Zum ersten Klagegrund: unzureichende Begründung des angefochtenen Bescheids

26

Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe die teilweise Zugangsverweigerung nicht begründet. Die Kommission habe nämlich allgemeine Gründe für die Verweigerung vorgetragen, ohne die in jedem einzelnen Fall für die Verweigerung maßgeblichen Erwägungen und tatsächlichen Umstände genauer darzulegen. Was die Frage betreffe, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliege, habe die Kommission, statt die Anforderungen bei jedem einzelnen Grund abzuwägen, für alle unterschiedlichen Gründe und Dokumente die gleiche Würdigung vorgenommen. Folglich sei der angefochtene Bescheid für nichtig zu erklären. Bei der Anwendung der Ausnahmeregelung in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, ob die Begründung für die jeweilige Unkenntlichmachung sich auf „Rechtsberatung“ oder auf „Gerichtsverfahren“ beziehe. Schließlich sei der Grundsatz der Waffengleichheit im Rahmen des Zugangs zu Dokumenten, die ein Gesetzgebungsverfahren beträfen, nicht maßgeblich.

27

Die Kommission hält dieses Vorbringen für unbegründet.

28

Vorab ist festzustellen, dass es sich bei der Begründungspflicht nach ständiger Rechtsprechung um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (Urteile vom 22. März 2001, Frankreich/Kommission, C‑17/99, EU:C:2001:178, Rn. 35, und vom 26. Oktober 2011, Dufour/EZB, T‑436/09, EU:T:2011:634, Rn. 52).

29

Nach ständiger Rechtsprechung muss die durch Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink's France, C‑367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 63, vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 55, vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 80, und vom 19. November 2014, Ntouvas/ECDC, T‑223/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:975, Rn. 20).

30

Was einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten betrifft, muss jede Entscheidung eines Organs über die Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 begründet werden. Beschließt ein Organ, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, dessen Verbreitung bei ihm beantragt wurde, so muss es zunächst erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine von ihm geltend gemachte Ausnahme nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigt, und in den Fällen des Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung sodann klären, ob nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das die Verbreitung des betreffenden Dokuments dennoch rechtfertigt (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 48 und 49, vom 11. März 2009, Borax Europe/Kommission, T‑121/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:64, Rn. 37, und vom 12. September 2013, Besselink/Rat, T‑331/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:419, Rn. 96).

31

Es obliegt folglich dem Organ, das den Zugang zu einem Dokument verweigert hat, eine Begründung zu geben, der sich entnehmen und anhand deren sich überprüfen lässt, ob das angeforderte Dokument tatsächlich in den der angeführten Ausnahme unterliegenden Bereich fällt und ob tatsächlich ein Schutzbedarf im Hinblick auf diese Ausnahme besteht (Urteile vom 26. April 2005, Sison/Rat, T‑110/03, T‑150/03 und T‑405/03, EU:T:2005:143, Rn. 61, und vom 12. September 2013, Besselink/Rat, T‑331/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:419, Rn. 99).

32

Im vorliegenden Fall geht aus der Begründung des angefochtenen Bescheids hervor, dass die Kommission die Verweigerung des vollständigen Zugangs, soweit er die vorliegende Rechtssache betrifft, auf die Ausnahmeregelungen in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich (Schutz von Gerichtsverfahren und Rechtsberatung) und Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 (Schutz des Entscheidungsprozesses) der Verordnung Nr. 1049/2001 stützte.

33

In Verbindung mit dem Erstbescheid ergibt sich aus der Begründung außerdem, dass es sich bei den streitigen Dokumenten, für die nur ein teilweiser Zugang gewährt wurde, um folgende handelt:

Dokument Nr. 1: „Aktenvermerk – Besprechung des Referats C6 mit JD und GS“ vom 6. Mai 2011, bestehend aus dem Protokoll einer Sitzung zwischen Vertretern der GD „Gesundheit und Verbraucherschutz“ und dem Juristischen Dienst der Kommission;

Dokument Nr. 3: Protokoll der Sitzung der Lenkungsgruppe für Folgenabschätzungen betreffend die Überarbeitung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse, abgehalten am 19. Juli 2012;

Dokument Nr. 4: E‑Mail eines Beamten der GD „Unternehmen und Industrie“ vom 13. März 2012 zu bestimmten Fragen, die im Laufe des Verfahrens zur Ausarbeitung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse intern diskutiert wurden;

Dokument Nr. 5: E‑Mail eines Beamten der GD „Binnenmarkt und Dienstleistungen“ vom 11. Mai 2011 an mehrere Generaldirektionen betreffend die vierte Sitzung der Lenkungsgruppe für Folgenabschätzungen;

Dokument Nr. 6: E‑Mail eines Beamten der GD „Binnenmarkt und Dienstleistungen“ vom 20. März 2012 an mehrere Generaldirektionen;

Dokument Nr. 7: E‑Mail eines Beamten der GD „Binnenmarkt und Dienstleistungen“ vom 20. Juli 2012 an andere Beamten seiner GD, bestehend aus dem Protokoll einer am 19. Juli 2012 abgehaltenen Sitzung verschiedener Dienststellen der Kommission.

34

Die Kommission war erstens der Auffassung, dass die Verbreitung des Dokuments Nr. 1, das eine Stellungnahme des Juristischen Dienstes enthalte, die Rechtsberatung beeinträchtige, die durch die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt werde. Diese Ausnahme diene dem Schutz des Interesses eines Organs, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten. Durch die Verbreitung würden interne Stellungnahmen zu sehr heiklen Fragestellungen, die Gegenstand eines Rechtsstreits geworden seien, an die Öffentlichkeit gelangen. Zu den Dokumenten der Nrn. 3 bis 7, die für den internen Gebrauch im Rahmen der Beratungen und Vorgespräche zur Verabschiedung von Gesetzesvorschlägen erstellt wurden und Anmerkungen verschiedener Dienststellen der Kommission zur Verpackung und Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen und zu deren Verkaufsmodalitäten enthielten, vertrat die Kommission die Auffassung, dass ihre Verbreitung zu einer Beeinträchtigung der ebenfalls durch Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Gerichtsverfahren führen würde.

35

Sowohl im Hinblick auf den Schutz der Rechtsberatung als auch im Hinblick auf den Schutz von Gerichtsverfahren war die Kommission der Ansicht, die vollständige Offenlegung der angeforderten Dokumente könne sich auf ihre Möglichkeit, die Gültigkeit der Tabakrichtlinie wirksam zu verteidigen, negativ auswirken. Die Gefahr einer Beeinträchtigung des geschützten Interesses sei nicht hypothetisch, sondern real und konkret. Dazu wies die Kommission auf Folgendes hin:

Polen habe beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union erhoben (in dieser Rechtssache ist zwischenzeitlich das Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat [C‑358/14, EU:C:2016:323], ergangen);

der Erlass der Tabakrichtlinie sei von der Tabakindustrie heftig kritisiert worden. Folglich seien Vorabentscheidungsfragen zur Gültigkeit der Richtlinie und der Maßnahmen der Mitgliedstaaten in naher Zukunft zu erwarten, wie dies bereits im Rahmen der ersten Richtlinie über Tabakerzeugnisse der Fall gewesen sei;

die Klägerin habe zwischenzeitlich selbst angekündigt, beim High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen's Bench [Verwaltungsgericht], Vereinigtes Königreich), gegen die Tabakrichtlinie zu klagen, was bedeute, dass sich der Gerichtshof der Europäischen Union höchstwahrscheinlich im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens mit der Rechtssache befassen müsse;

bei der Welthandelsorganisation (WTO) seien mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig (diese Begründung wurde nur im Rahmen der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren für die Dokumente mit den Nrn. 3 bis 7 geltend gemacht).

36

Außerdem war die Kommission der Auffassung, dass die Verbreitung der Dokumente mit den Nrn. 1 und 3 bis 7 auch den Schutz des Entscheidungsprozesses gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 beeinträchtige. Da die Richtlinie über Tabakerzeugnisse Gegenstand einer Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union sei, schließe die Kommission für den Fall der Nichtigerklärung der Tabakrichtlinie nicht aus, dass der gesetzgeberische Entscheidungsprozess in dieser Sache wieder in Gang gesetzt werden müsse und ein solcher etwaiger gesetzgeberischer Entscheidungsprozess durch die vollständige Offenlegung der Dokumente, die Überlegungen zu diesem Thema enthielten, stark beeinträchtigt würde. In diesem Zusammenhang vertrat die Kommission in dem angefochtenen Bescheid die Ansicht, die Verbreitung der unkenntlich gemachten Abschnitte der fraglichen Dokumente beeinträchtige den Entscheidungsprozess gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001. Solange das Gerichtsverfahren anhängig sei, könne der Entscheidungsprozess nicht als endgültig abgeschlossen angesehen werden. Hilfsweise machte die Kommission geltend, dass die Dokumente auch unter die Ausnahme des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 fielen.

37

Zweitens schloss die Kommission ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung aus. Zwar erkannte die Kommission an, dass Transparenz wichtig sei, um die Bürger am demokratischen Prozess zu beteiligen, und dass für Dokumente, die ein Gesetzgebungsverfahren beträfen, eine Vermutung der Offenheit bestehe, doch vertrat sie die Auffassung, dass der Schutz ihrer internen Überlegungen, des Grundsatzes der Waffengleichheit und ihres Entscheidungsprozesses von größerer Bedeutung sei. Im Übrigen sei das von der Klägerin geltend gemachte Interesse privater und nicht öffentlicher Natur.

38

Aus dieser Begründung des angefochtenen Bescheids geht hervor, dass die Kommission in Übereinstimmung mit der oben in den Rn. 29 und 30 angeführten Rechtsprechung hinreichend klar und verständlich erläutert hat, warum sie der Auffassung war, dass erstens der Zugang zu den angeforderten Dokumenten das durch die genannten Ausnahmeregelungen gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützte Interesse konkret und tatsächlich beeinträchtigen würde und zweitens kein überwiegendes öffentliches Interesse gegeben sei, das die Verbreitung der Dokumente dennoch rechtfertige.

39

Wie außerdem die Schriftsätze der Klägerin zeigen, hat die Begründung des angefochtenen Bescheids die Klägerin in die Lage versetzt, die Gründe für die Verweigerung des Zugangs zu verstehen und ihre Klage vorzubereiten. Darüber hinaus ist die Begründung auch ausreichend, um dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe zu ermöglichen.

40

Nach alledem ist festzustellen, dass der angefochtene Bescheid ausreichend begründet ist Die Frage, ob die für die angeforderten Dokumente geltend gemachten Ausnahmen zutreffen, ist im Rahmen des zweiten und des dritten Klagegrundes zu prüfen.

41

Folglich ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

42

Mit dem zweiten Klagegrund beanstandet die Klägerin erstens, dass die Kommission nicht für jeden einzelnen Fall dargetan habe, wie eine Verbreitung den Schutz der Rechtsberatung oder der Gerichtsverfahren konkret und tatsächlich beeinträchtigen würde. Zweitens ist sie der Auffassung, dass die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren nicht anwendbar sei.

43

Was die Begründungen hinsichtlich der Rechtsberatung betrifft, macht die Klägerin geltend, die Organe müssten – als Grundregel – die Stellungnahmen ihrer Juristischen Dienste zum Gesetzgebungsverfahren offenlegen. Die Kommission habe nicht dargetan, warum im vorliegenden Fall eine vollständige Offenlegung der fraglichen Dokumente den Schutz der Rechtsberatung konkret und tatsächlich beeinträchtigen würde. Allgemeine Hinweise auf die Möglichkeit des Juristischen Dienstes, die Gültigkeit der Tabakrichtlinie zu verteidigen, seien weder für die Ausnahme zum Schutz der Rechtsberatung noch für die Ausnahme zum Schutz von „Gerichtsverfahren“ relevant. Schließlich habe die Kommission nicht für jedes der fraglichen Dokumente genau und konkret geprüft, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse seine Verbreitung rechtfertigen könne.

44

Die Klägerin ist der Auffassung, die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren sei nicht anwendbar. Die fraglichen Dokumente seien ausschließlich im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen im Hinblick auf die Verabschiedung des fraglichen Gesetzesvorschlags erstellt worden. Keines der Dokumente sei im Rahmen eines anhängigen, abgeschlossenen oder künftigen Gerichtsverfahrens verfasst worden.

45

Was den Verweis der Kommission auf das WTO-Verfahren betrifft, macht die Klägerin geltend, dass die Verpflichtung, die Ausnahmen eng auszulegen, dieses Verfahren zwangsläufig ausschließe, da es sich bei dem Streitbeilegungsverfahren der WTO um kein „Gericht“ handle. Außerdem liege dem WTO-Verfahren ein ganz anderer Rechtsrahmen zugrunde, und die angeforderten Dokumente seien für einen Streitfall vor der WTO nicht von Bedeutung.

46

Die Kommission hält dieses Vorbringen für unbegründet.

47

Was den Schutz der Rechtsberatung betreffe, habe sie ausreichend begründet, warum das Dokument Nr. 1 schutzbedürftig sei.

48

Was die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren betreffe, könne diese Ausnahme nur so verstanden werden, dass sie vor und nach Eröffnung des Gerichtsverfahrens nicht nur die Dokumente, die die Gerichtsakte enthalte, und die Dokumente, die nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt worden seien, sondern auch andere interne Dokumente schütze, die mit künftigen oder anhängigen Gerichtsverfahren eng „verbunden“ oder für sie „relevant“ seien, da die Verbreitung dieser Dokumente den Grundsatz der Waffengleichheit verletze und den ruhigen und ungestörten Verlauf des Gerichtsverfahrens beeinträchtige.

49

Die Verordnung Nr. 1049/2001 trägt nach ihrem ersten Erwägungsgrund dem in Art. 1 Abs. 2 EUV zum Ausdruck gebrachten Willen Rechnung, eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer „immer engeren Union der Völker Europas“ zu erreichen, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden. Wie aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgeht, knüpft das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten der Organe an deren demokratischen Charakter an (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 34, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 68, und vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 72).

50

Deshalb soll die Verordnung Nr. 1049/2001, wie sich aus ihrem vierten Erwägungsgrund und Art. 1 ergibt, der Öffentlichkeit ein größtmögliches Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe gewähren (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 33, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 69, und vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 73).

51

Jedoch unterliegt dieses Recht gleichwohl gewissen Einschränkungen aufgrund öffentlicher oder privater Interessen. Insbesondere sieht die Verordnung Nr. 1049/2001 im Einklang mit ihrem elften Erwägungsgrund in Art. 4 eine Regelung über Ausnahmen vor, wonach die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern können, falls durch dessen Verbreitung eines der mit dieser Vorschrift geschützten Interessen beeinträchtigt würde (Urteile vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 62, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 70 und 71; vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 74, und vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 29).

52

Da jedoch solche Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, sind sie eng auszulegen und anzuwenden (Urteile vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 63, vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 36, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 73, und vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 75).

53

Der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschütztes Interesse betrifft, kann jedoch nicht für die Anwendung dieser Verordnung ausreichen (Urteile vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 51, und vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 69).

54

Beschließt ein Organ, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, zu dem bei ihm Zugang beantragt wurde, muss es nämlich zum einen grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch die von ihm in Anspruch genommene Ausnahme nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung muss außerdem bei vernünftiger Betrachtung absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein (vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55

Außerdem muss ein Organ bei der Anwendung einer der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 das besondere Interesse, das durch die Nichtverbreitung des betreffenden Dokuments geschützt werden soll, u. a. gegen das allgemeine Interesse an der Zugänglichmachung dieses Dokuments abwägen, und zwar unter Berücksichtigung der Vorteile, die sich, wie im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ausgeführt, aus einer größeren Transparenz ergeben, nämlich einer besseren Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und einer größeren Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 45, vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 32, und vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 53).

56

Überdies hat der Gerichtshof auch festgestellt, dass diese Erwägungen ersichtlich von ganz besonderer Bedeutung sind, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig wird, wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt, wonach gerade in einem solchen Fall ein umfassenderer Zugang zu Dokumenten zu gewähren ist. Transparenz in dieser Hinsicht trägt zur Stärkung der Demokratie bei, indem sie den Bürgern ermöglicht, alle Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Rechtsakt ergangen ist. Die Möglichkeit für die Bürger, sich über die Grundlagen der Gesetzgebungstätigkeit zu informieren, ist nämlich eine Voraussetzung dafür, dass sie ihre demokratischen Rechte effektiv ausüben können (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 46, und vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 33). Zwar betrifft diese Rechtsprechung einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten des Rates, doch ist sie auch für Dokumente der Kommission relevant, die im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erstellt wurden.

Zum Schutz der Rechtsberatung

57

Die Klägerin beanstandet im Wesentlichen, die Begründungen der Kommission seien vage und jedenfalls von der Rechtsprechung bereits abgelehnt worden.

58

Was die Ausnahme für die Rechtsberatung in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 betrifft, muss nach der Rechtsprechung die Prüfung, die das betreffende Organ vorzunehmen hat, wenn bei ihm die Verbreitung eines Dokuments beantragt wird, entsprechend den in dieser Bestimmung genannten drei Kriterien notwendigerweise in drei Schritten erfolgen (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 37, und vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 95).

59

So muss sich das Organ in einem ersten Schritt vergewissern, dass das Dokument, dessen Verbreitung beantragt wird, tatsächlich eine Rechtsberatung betrifft. In einem zweiten Schritt muss es prüfen, ob der Schutz der Rechtsberatung durch die Verbreitung der Abschnitte des fraglichen Dokuments, die als eine Rechtsberatung betreffend identifiziert wurden, in dem Sinne beeinträchtigt würde, dass das Interesse eines Organs, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, geschädigt würde. Die Gefahr einer Beeinträchtigung dieses Interesses kann nur geltend gemacht werden, wenn sie bei vernünftiger Betrachtung absehbar und nicht rein hypothetisch ist. In einem dritten und letzten Schritt muss das Organ, wenn es der Auffassung ist, dass die Verbreitung eines Dokuments den Schutz der Rechtsberatung, wie er soeben definiert worden ist, beeinträchtigt, prüfen, ob nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das diese Verbreitung trotz der Beeinträchtigung seiner Möglichkeiten, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, rechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 38 bis 44, und vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 96).

60

Soweit die Verbreitung der im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren erstellten Stellungnahmen des Juristischen Dienstes eines Organs das Interesse am Schutz der Unabhängigkeit dieses Juristischen Dienstes beeinträchtigen könnte, ist darüber hinaus, wie der Gerichtshof festgestellt hat, diese Gefahr gegen die überwiegenden öffentlichen Interessen abzuwägen, die der Verordnung Nr. 1049/2001 zugrunde liegen. Ein solches überwiegendes öffentliches Interesse ist darin zu sehen, dass die Verbreitung von Dokumenten, die die Stellungnahme des Juristischen Dienstes eines Organs zu Rechtsfragen enthalten, die bei der Diskussion über Gesetzesvorschläge aufgeworfen werden, geeignet ist, die Transparenz und die Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens zu erhöhen und das demokratische Recht der europäischen Bürger, die Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Rechtsakt ergangen ist, zu stärken, wie es insbesondere im zweiten und im sechsten Erwägungsgrund dieser Verordnung vorgesehen ist (Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 67).

61

Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 grundsätzlich eine Verpflichtung zur Verbreitung der Stellungnahmen des Juristischen Dienstes eines Organs zu Gesetzgebungsverfahren aufstellt (Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 68).

62

Gleichwohl schließt diese Feststellung nicht aus, dass die Verbreitung eines spezifischen Rechtsgutachtens, das im Zusammenhang mit einem Gesetzgebungsverfahren erstellt wurde, aber besonders sensibel oder von besonders großer Tragweite ist, die über den Rahmen des betreffenden Gesetzgebungsverfahrens hinausgeht, zum Schutz der Rechtsberatung verweigert werden kann. In einem solchen Fall müsste das betreffende Organ die Verweigerung substantiiert begründen (Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 69).

63

In der vorliegenden Rechtssache hat das Gericht anhand der Dokumente, die ihm im Rahmen der mit Beschluss vom 11. November 2015 angeordneten Beweisaufnahme vorgelegt worden sind, feststellen können, dass das Dokument Nr. 1 eine Stellungnahme des Juristischen Dienstes der Kommission ist.

64

Auch wenn nach dem Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374), ein Rechtsgutachten grundsätzlich zu verbreiten ist, schließt das Urteil die Nichtverbreitung eines solchen Gutachtens in besonderen Fällen nicht aus.

65

Zwar hat der Gerichtshof das Argument, wonach die Verbreitung eines Rechtsgutachtens die Möglichkeit des Organs, später die Gültigkeit eines Gesetzgebungsakts vor einem Gericht zu verteidigen, beeinträchtigen könne, mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass ein solch allgemeines Argument keine Ausnahme von der in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Transparenz rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 65).

66

Anders jedoch als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374) ergangen ist, war im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids am 24. September 2014 eine Klage bei den Gerichten des Vereinigten Königreichs anhängig, die die Klägerin Ende Juni 2014 gegen die Tabakrichtlinie erhoben hatte und die angesichts der kontroversen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Tabakrichtlinie und dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens für den Erlass der Tabakrichtlinie (vgl. unten, Rn. 91) die hohe Wahrscheinlichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens in sich barg.

67

Folglich konnte die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, dass ein Vorabentscheidungsersuchen in naher Zukunft absehbar war. Darüber hinaus hatte die Republik Polen am 22. Juli 2014 beim Gerichtshof der Europäischen Union eine Klage erhoben, mit der sie die Ungültigkeit mehrerer Bestimmungen der Tabakrichtlinie geltend machte, da diese Bestimmungen ihrer Meinung nach gegen Art. 114 AEUV, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Subsidiaritätsprinzip verstießen.

68

Somit ist das Vorbringen der Kommission zur Beeinträchtigung ihrer Möglichkeit, ihren Standpunkt im Rahmen von Gerichtsverfahren zu verteidigen, und zum Grundsatz der Waffengleichheit nicht unbegründet.

69

Aus den freigegebenen Abschnitten von Dokument Nr. 1 geht nämlich hervor, dass der Juristische Dienst der Auffassung war, dass die Europäische Union für bestimmte mit den Tabakerzeugnissen zusammenhängende politische Entscheidungen, die im Entwurf einer Folgenabschätzung enthalten waren und von denen einige unkenntlich gemacht worden waren, keine Gesetzgebungskompetenz habe oder dass diese politische Entscheidung im Licht von Art. 114 AEUV nicht verhältnismäßig sei.

70

Die Verbreitung der unkenntlich gemachten Abschnitte in Dokument Nr. 1 könnte jedoch den Schutz der Rechtsberatung, d. h. den Schutz des Interesses eines Organs, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, sowie den Standpunkt des Juristischen Dienstes der Kommission bei deren auf gleicher Stufe mit den anderen Parteien zu führenden Verteidigung der Gültigkeit der Tabakrichtlinie vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gefährden, da dadurch der Standpunkt des Juristischen Dienstes der Kommission zu sensiblen und umstrittenen Fragen offengelegt würde, bevor die Kommission Gelegenheit hätte, diesen Standpunkt im Rahmen des Gerichtsverfahrens darzulegen, während die Gegenpartei keiner vergleichbaren Verpflichtung unterliegen würde.

71

Was das Argument betrifft, die Kommission habe die Frage, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse die Verbreitung der fraglichen Dokumente rechtfertigen könne, nicht genau und konkret geprüft, geht aus dem angefochtenen Bescheid hervor, dass die Kommission die auf ihre Verteidigungsrechte gestützten Gründe dargelegt hat, die es ihrer Meinung nach rechtfertigen, das öffentliche Interesse an Transparenz den Gründen unterzuordnen, die der von ihr geltend gemachten Ausnahme zugrunde liegen. Ferner hat sie ausgeführt, dass es sich bei dem Interesse der Klägerin, einen möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten zu erhalten, nicht um ein öffentliches Interesse, sondern ganz offensichtlich um ein privates Interesse handle. Folglich kann nicht angenommen werden, dass die Kommission keine konkrete Prüfung vorgenommen oder ihren Bescheid nicht begründet hat.

72

Somit ist das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 betreffend den Schutz der Rechtsberatung geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

Zum Schutz von Gerichtsverfahren

73

Wie oben in Rn. 44 dargelegt, bestreitet die Klägerin die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung zum Schutz von Gerichtsverfahren für die Dokumente mit den Nrn. 3 bis 7. Darüber hinaus habe die Kommission nicht dargelegt, inwiefern eine Verbreitung der Dokumente den Schutz von Gerichtsverfahren konkret und tatsächlich beeinträchtige.

74

Die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren ist eine der in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 abschließend aufgeführten Ausnahmen.

75

Nach der Rechtsprechung ist der Begriff „Gerichtsverfahren“ dahin auszulegen, dass der Schutz des öffentlichen Interesses einer Verbreitung des Inhalts von Dokumenten entgegensteht, die nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt wurden (vgl. Urteile vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, EU:T:2006:190, Rn. 88 und 89 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 3. Oktober 2012, Jurašinović/Rat, T‑63/10, EU:T:2012:516, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76

Weiter ist entschieden worden, dass unter der Wendung „Dokumente, die nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt worden sind“ die eingereichten Schriftsätze oder Dokumente, die internen Schriftstücke, die die Bearbeitung der anhängigen Rechtssache betreffen, und der Schriftwechsel über die Rechtssache zwischen der betroffenen GD und dem Juristischen Dienst oder einer Rechtsanwaltskanzlei zu verstehen sind. Diese Abgrenzung des Geltungsbereichs der Ausnahme in dieser Rechtssache soll nämlich zum einen die Arbeit innerhalb der Kommission und zum anderen die Vertraulichkeit und die Wahrung des Grundsatzes der beruflichen Schweigepflicht der Rechtsanwälte gewährleisten (Urteil vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, EU:T:2006:190, Rn. 90).

77

Ferner ist anerkannt worden, dass eine allgemeine Vermutung für Schriftsätze besteht, die in einem Gerichtsverfahren im Sinne des Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 eingereicht werden, solange dieses Verfahren anhängig ist (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 94).

78

Dazu hat der Gerichtshof festgestellt, dass die bei ihm im Rahmen eines Gerichtsverfahrens eingereichten Schriftsätze ganz besondere Merkmale aufweisen, da sie ihrem Wesen nach sehr viel mehr Teil der Rechtsprechungstätigkeit des Gerichtshofs sind als Teil der Verwaltungstätigkeit der Kommission, bei der im Übrigen der Zugang zu Dokumenten nicht im gleichen Umfang erforderlich ist wie bei der Gesetzgebungstätigkeit eines Unionsorgans.

79

Die Schriftsätze werden nach dieser Rechtsprechung nämlich ausschließlich für das Gerichtsverfahren erstellt, dessen wesentlicher Bestandteil sie sind. Mit der Klageschrift grenzt der Kläger den Streitgegenstand ab, und insbesondere in der schriftlichen Phase dieses Verfahrens teilen die Parteien dem Unionsgericht den Streitstoff mit, über den dieses zu entscheiden hat (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 78).

80

Der Gerichtshof hat ferner die Ansicht vertreten, dass die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren auf die Wahrung der Grundsätze der Waffengleichheit und der geordneten Rechtspflege gerichtet ist. Würde nämlich einer Partei der Zugang zu Dokumenten gewährt, könnte damit das unerlässliche Gleichgewicht zwischen den Parteien eines Rechtsstreits – das dem Grundsatz der Waffengleichheit zugrunde liegt – gestört werden, da nur das Organ, bei dem ein Antrag auf Zugang zu seinen Dokumenten gestellt wird, nicht aber alle Verfahrensbeteiligten der Freigabepflicht unterlägen (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 85 bis 87).

81

Darüber hinaus hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich die Vermutung, die einer Verbreitung von Schriftsätzen entgegensteht, auf die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnungen der Unionsgerichte gründet (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 96 bis 99).

82

Schließlich hat der Gerichtshof entschieden, dass die genannte allgemeine Vermutung nur auf ein spezifisches anhängiges Verfahren Anwendung findet. Zwar wird bei der Verbreitung von Schriftsätzen, die im Rahmen eines anhängigen Gerichtsverfahrens eingereicht worden sind, vermutet, dass sie den Schutz dieses Verfahrens beeinträchtigt, weil die Schriftsätze die Grundlage bilden, auf der die Rechtsprechungstätigkeit ausgeübt wird, doch hat der Gerichtshof festgestellt, dass es sich anders verhält, wenn das fragliche Verfahren mit einer gerichtlichen Entscheidung abgeschlossen worden ist (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 130).

83

Nach Beendigung des Gerichtsverfahrens ist nicht mehr davon auszugehen, dass die Verbreitung der im Rahmen des Gerichtsverfahrens eingereichten Schriftsätze den Schutz des Verfahrens beeinträchtigen kann. Der Gerichtshof hat nicht ausgeschlossen, dass sich aus der Verbreitung von Schriftsätzen, die ein abgeschlossenes, aber mit einem anderen noch anhängigen Verfahren zusammenhängendes Verfahren betreffen, die Gefahr einer Beeinträchtigung des anhängigen Verfahrens ergeben könnte, insbesondere wenn die an diesem Verfahren Beteiligten nicht dieselben sind wie die am abgeschlossenen Verfahren Beteiligten. Eine solche Gefahr hängt jedoch von mehreren Faktoren ab, u. a. vom Grad der Ähnlichkeit des Vorbringens in den beiden Verfahren. Wenn sich nämlich die Schriftsätze der Kommission nur teilweise überschneiden, würde eine teilweise Freigabe ausreichen, um die Gefahr einer Beeinträchtigung des anhängigen Verfahrens auszuschließen. Unter diesen Umständen kann die Kommission nur aufgrund einer konkreten Prüfung der angeforderten Schriftsätze feststellen, ob ihre Verbreitung nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigert werden darf (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 132 bis 135).

84

In der vorliegenden Rechtssache steht fest, dass die Dokumente mit den Nrn. 3 bis 7 aus Jahren stammen, die dem Beginn jedweden Gerichtsverfahrens vorausgingen. Wie nämlich aus dem angefochtenen Bescheid eindeutig hervorgeht, wurden die Dokumente im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen im Hinblick auf die Verabschiedung des fraglichen Gesetzesvorschlags erstellt. Folglich können sie allein aufgrund dieses Umstands nicht als nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2012, Jurašinović/Rat, T‑63/10, EU:T:2012:516, Rn. 76).

85

Die Kommission fordert jedoch, die Ausnahme für den Schutz von Gerichtsverfahren so auszulegen, dass sie auch Dokumente erfasst, die nicht nur für ein Gerichtsverfahren erstellt wurden, und begründet dies im Wesentlichen mit dem Grundsatz der Waffengleichheit und ihren Verteidigungsrechten, die durch eine enge Auslegung der Ausnahme beeinträchtigt werden könnten. Wenn die Verbreitung von Schriftsätzen für ein bestimmtes Gerichtsverfahren ihre verfahrensrechtliche Stellung beeinträchtigen könne, gelte dies auch für ein Dokument, das der Öffentlichkeit ihren Standpunkt zu Fragen offenlege, die Gegenstand eines künftigen Rechtsstreits sein könnten, der noch nicht anhängig, jedoch bei vernünftiger Betrachtungsweise absehbar sei.

86

Gemäß der oben in Rn. 52 angeführten Rechtsprechung sind die Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 eng auszulegen und anzuwenden.

87

Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtssache, in der das Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission (C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541), ergangen ist, vor allem spezielle Dokumente, nämlich Schriftsätze, und die Frage betrifft, in welchem Fall eine allgemeine Vermutung gilt und in welchem Fall eine konkrete Prüfung durchzuführen ist, wenn es um Schriftsätze geht.

88

Aus der oben angeführten Rechtsprechung geht jedoch nicht hervor, dass andere Dokumente gegebenenfalls vom Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung zum Schutz von Gerichtsverfahren ausgeschlossen sind. Nach dieser Rechtsprechung bilden die Grundsätze der Waffengleichheit und der geordneten Rechtspflege nämlich den Kern dieser Ausnahme (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 85). Die Notwendigkeit, Waffengleichheit vor dem Gericht zu gewährleisten, rechtfertigt jedoch nicht nur den Schutz von Dokumenten, die, wie z. B. Schriftsätze, nur für einen bestimmten Rechtsstreit erstellt wurden, sondern auch den Schutz von Dokumenten, deren Verbreitung geeignet ist, im Rahmen eines bestimmten Rechtsstreits die Waffengleichheit zu beeinträchtigen, die aus dem Begriff des fairen Verfahrens folgt. Die Anwendbarkeit dieser Ausnahme setzt allerdings voraus, dass die angeforderten Dokumente zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, die den Zugang zu den Dokumenten verweigert, einen relevanten Bezug zu einem Rechtsstreit aufweisen, der vor einem Unionsgericht anhängig ist und im Hinblick auf den sich das betreffende Organ auf die Ausnahme beruft, und dass die Verbreitung der Dokumente, auch wenn sie nicht im Rahmen eines anhängigen Gerichtsverfahrens erstellt wurden, den Grundsatz der Waffengleichheit und möglicherweise die Verteidigungsmöglichkeiten des betreffenden Organs beeinträchtigt. Mit anderen Worten müssen die Dokumente den Standpunkt offenlegen, den das betreffende Organ zu streitigen Fragen einnimmt, die in dem geltend gemachten Gerichtsverfahren aufgeworfen wurden.

89

Die genannten Erwägungen können auch für Verfahren gelten, die zum Zeitpunkt des Erlasses einer Entscheidung, die den Zugang zu den angeforderten Dokumenten verweigert, bei einem nationalen Gericht anhängig sind, sofern in diesen Verfahren eine Frage der Auslegung oder der Gültigkeit eines Unionsrechtsakts aufgeworfen wird, so dass angesichts des Kontextes der Rechtssache ein Ersuchen um Vorabentscheidung besonders wahrscheinlich ist.

90

In beiden Fällen könnte es, auch wenn die Dokumente nicht im Rahmen eines bestimmten Gerichtsverfahrens erstellt wurden, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Integrität des betreffenden Gerichtsverfahrens und der Waffengleichheit zwischen den Parteien kommen, wenn Beteiligten ein privilegierter Zugang zu internen Informationen der gegnerischen Partei, die mit den rechtlichen Fragen in einem anhängigen oder einem potenziellen, aber unmittelbar bevorstehenden Rechtsstreit eng verbunden sind, gewährt würde.

91

Bekanntlich zählt der Gesetzesentwurf über Tabakerzeugnisse zu den umstrittensten der kürzlich von der Union angenommenen Entwürfe. Somit war absehbar, dass die Tabakrichtlinie – wie schon die erste Richtlinie über Tabakerzeugnisse, die Gegenstand erbitterter rechtlicher Auseinandersetzungen war – Gegenstand solcher Auseinandersetzungen werden würde.

92

Wie oben bereits dargelegt, steht nämlich fest, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids eine Klage vor den Gerichten des Vereinigten Königreichs anhängig war, die die Klägerin Ende Juni 2014 gegen die Tabakrichtlinie erhoben hatte. Darüber hinaus hatte die Republik Polen im Juli 2014 beim Gerichtshof der Europäischen Union ebenfalls eine Klage erhoben, mit der sie die Ungültigkeit mehrerer Bestimmungen der Tabakrichtlinie geltend machte, da diese Bestimmungen ihrer Meinung nach gegen Art. 114 AEUV, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Subsidiaritätsprinzip verstießen.

93

Somit konnte die Kommission angesichts des Verlaufs des Gesetzgebungsverfahrens für die Tabakrichtlinie zu Recht davon ausgehen, dass in naher Zukunft sehr wahrscheinlich ein Ersuchen um Vorabentscheidung gestellt würde und die Verbreitung der betreffenden Dokumente deshalb den Grundsatz der Waffengleichheit im ausstehenden Vorabentscheidungsverfahren beeinträchtigen könnte.

94

Es ist daher zu prüfen, ob die Dokumente mit den Nrn. 3 bis 7 für die zwei genannten Gerichtsverfahren „relevant“ sind und die Verbreitung dieser Dokumente folglich den Grundsatz der Waffengleichheit beeinträchtigen könnte, was von der Kommission als wichtigster Grund für die Verweigerung der vollständigen Freigabe der Dokumente genannt wird.

95

Zu bemerken ist, dass die Kommission für die Mehrzahl der angeforderten Dokumente einen vollständigen Zugang oder einen sehr weitgehenden teilweisen Zugang gewährt hat. Ebenso ist zu bemerken, dass es der Kommission angesichts der Kürze der in einigen Dokumenten unkenntlich gemachten Abschnitte nicht möglich war, den Inhalt dieser Dokumente genauer zu erläutern, ohne sie offenzulegen.

96

Im Übrigen ist anhand der Dokumente, die dem Gericht im Rahmen der mit Beschluss vom 11. November 2015 angeordneten Beweisaufnahme vorgelegt worden sind, festzustellen, dass die unkenntlich gemachten Abschnitte in den Dokumenten mit den Nrn. 3 bis 7 Fragen zur Verpackung und Kennzeichnung sowie Vereinbarungen über den Verkauf von Tabakerzeugnissen betrafen, die mit der Gesetzgebungskompetenz der Union, der gewählten Rechtsgrundlage und der Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme zusammenhängen konnten. Dabei handelte es sich um Stellungnahmen von Beamten verschiedener Generaldirektionen der Kommission zur Rechtmäßigkeit der verschiedenen ins Auge gefassten Alternativen.

97

Der Grundsatz der Waffengleichheit verlangt, dass das Organ, das den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, die Möglichkeit hat, die Rechtmäßigkeit seiner Handlung vor dem Gericht wirksam zu verteidigen. Diese Möglichkeit wäre jedoch erheblich beeinträchtigt, wenn sich das fragliche Organ nicht nur gegen die Klagegründe und Argumente des Klägers oder – wie im vorliegenden Fall – im Rahmen eines künftigen Vorabentscheidungsverfahrens verteidigen müsste, sondern auch im Hinblick auf interne Stellungnahmen zur Rechtmäßigkeit der verschiedenen Alternativen, die bei der Ausarbeitung des fraglichen Rechtsakts ins Auge gefasst wurden. Anders als im Fall von Dokumenten, deren Inhalt die faktische Grundlage für die Ausübung der Zuständigkeit der Kommission bildet und deren Verbreitung für die Verwirklichung der oben in Rn. 30 genannten Ziele notwendig sein kann, kann die Verbreitung von Dokumenten, die Stellungnahmen der genannten Art enthalten, das betreffende Organ praktisch dazu zwingen, sich im Hinblick auf Beurteilungen seiner eigenen Mitarbeiter zu verteidigen, die letzten Endes nicht berücksichtigt wurden. Dies könnte das Gleichgewicht zwischen den Parteien eines Gerichtsverfahrens aufheben, da der Kläger nicht verpflichtet werden könnte, derartige interne Beurteilungen offenzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 87).

98

Somit könnte die Offenlegung solcher Dokumente während eines laufenden Gerichtsverfahrens, in dem es um die Auslegung und Rechtmäßigkeit des fraglichen Rechtsakts geht, die Verteidigungsposition der Kommission schwächen und den Grundsatz der Waffengleichheit beeinträchtigen, weil interne Stellungnahmen rechtlicher Art, die von den Dienststellen der Kommission zu streitigen Fragen verfasst wurden, bereits mitgeteilt würden, während die gegnerische Partei keiner vergleichbaren Verpflichtung unterläge.

99

Aus alledem ergibt sich, dass der zweite Klagegrund zurückzuweisen ist. Da sich die Kommission auf mehrere Ausnahmen gestützt hat und sich zu Recht auf die Ausnahme zum Schutz der Rechtsberatung für das Dokument Nr. 1 und die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren für die Dokumente mit den Nrn. 3 bis 7 berufen hatte, muss die Begründetheit des dritten Klagegrundes, der sich auf einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 stützt und die Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses betrifft, nicht geprüft werden und ist in jedem Fall zurückzuweisen.

100

Folglich ist die Klage abzuweisen.

Kosten

101

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Philip Morris Ltd trägt die Kosten.

 

Gratsias

Kancheva

Wetter

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 2016.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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Referenzen

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