Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-456/15
URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)
5. Oktober 2016 ( *1 )
„Unionsmarke — Nichtigkeitsverfahren — Unionswortmarke T.G.R. ENERGY DRINK — Bösgläubigkeit — Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“
In der Rechtssache T‑456/15
Foodcare sp. z o.o. mit Sitz in Zabierzów (Polen), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin A. Matusik
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Palmero Cabezas als Bevollmächtigte,
Beklagter,
anderer Beteiligter im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelfer vor dem Gericht:
Dariusz Michalczewski, wohnhaft in Gdańsk (Polen), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Matusiewicz‑Kulig, M. Czerwińska und M. Marek
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 12. Mai 2015 (Sache R 265/2014‑2) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Herrn Michalczewski und Foodcare
erlässt
DAS GERICHT (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen sowie der Richter A. M. Collins und V. Valančius (Berichterstatter),
Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,
aufgrund der am 10. August 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 29. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,
aufgrund der am 26. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des Streithelfers,
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2016
folgendes
Urteil
Sachverhalt
1 |
Am 31. Juli 2003 schlossen der Streithelfer, der frühere Berufsboxer Dariusz Michalczewski, und die Klägerin, die Foodcare sp. z o.o., eine Vereinbarung, die es dieser gestattete, das Bild, den Beinamen (nämlich „Tiger“) und die Wort- und Bildmarken des Streithelfers für die Förderung der Vermarktung von Energiegetränken zu nutzen. Die Verpackung der von der Klägerin vermarkteten Energiegetränke war u. a. mit dem Zeichen Tiger Energy Drink versehen. Am 1. Juli 2005 wurde eine zweite Vereinbarung gleicher Art zwischen dem Streithelfer und der Klägerin geschlossen. |
2 |
Am 14. Februar 2007 meldete die Klägerin nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an. |
3 |
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen T.G.R. ENERGY DRINK. |
4 |
Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 32 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Essenzen für die Getränkeherstellung, Limonaden, Limonadenpulver, alkoholfreie Getränke, Brausen, Brausepulver, Fruchtnektar, Brausetabletten, Brausepulver, Präparate zur Herstellung kohlensäurehaltiger Wässer, Produkte zur Herstellung kohlensäurehaltiger Wässer, Pulver zur Herstellung von stärkenden und mit Spurenelementen angereicherten Energiegetränken, Produkte zur Herstellung von Mineralwässern, Fruchtsäfte, Gemüsesäfte, Sorbets (Getränke), Sirupe für Getränke, kohlensäurehaltige Wässer, Tafelwasser, Mineralwässer, Erfrischungs- und Energiegetränke.“ |
5 |
Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 56/2007 vom 1. Oktober 2007 veröffentlicht. |
6 |
Am 6. März 2008 wurde das Wortzeichen unter der Nr. 5689237 als Unionsmarke eingetragen. |
7 |
Am 17. November 2011 reichte der Streithelfer einen Antrag auf Nichtigerklärung der Wortmarke der Klägerin für sämtliche Waren ein, für die sie angemeldet worden war. |
8 |
Dieser Antrag wurde auf den absoluten Nichtigkeitsgrund gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 207/2009 und auf die relativen Nichtigkeitsgründe gemäß Art. 53 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 gestützt. |
9 |
Der Antrag auf Nichtigerklärung war im Hinblick auf die relativen Nichtigkeitsgründe auf die folgenden älteren Marken gestützt:
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10 |
Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde, was den Grund nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 betrifft, darauf gestützt, dass die Klägerin bei der Anmeldung der Marke bösgläubig gewesen sei. |
11 |
Mit Entscheidung vom 25. November 2013 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung zurück. Sie war der Auffassung, dass zwischen den älteren Marken und der streitigen Marke keine Verwechslungsgefahr bestehe, dass die Unterschiede zwischen den älteren Marken und der streitigen Marke nicht ermöglichten, einen Widerspruch darauf zu stützen, dass die Anmeldung ohne Zustimmung durch einen Agenten oder Vertreter des Streithelfers erfolgt sei, und dass eine Bösgläubigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht nachgewiesen worden sei. |
12 |
Am 20. Januar 2014 legte der Streithelfer beim EUIPO gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein. |
13 |
Mit Entscheidung vom 12. Mai 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf und gab dem Antrag auf Nichtigerklärung statt. Insbesondere war sie der Ansicht, dass die Nichtigkeitsabteilung keine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände vorgenommen habe, um eine etwaige Bösgläubigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke zu beurteilen, und sie habe infolge einer solchen Betrachtung festgestellt, dass erwiesen sei, dass die Klägerin bei der Anmeldung der streitigen Marke bösgläubig gewesen sei. |
Anträge der Parteien
14 |
Die Klägerin beantragt,
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15 |
Das EUIPO und der Streithelfer beantragen,
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Rechtliche Würdigung
16 |
Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. |
17 |
Sie trägt im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdekammer nicht alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt habe, um ihre etwaige Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke zu bestimmen. Zur Beurteilung der Bösgläubigkeit bei Anmeldung der streitigen Marke hätten die Umstände erstens der früheren Rechtslage des Streithelfers, zweitens der Art des Vertragsverhältnisses zwischen ihr und dem Streithelfer sowie drittens der durch sie vorgenommenen Nutzung der streitigen Marke berücksichtigt werden müssen. |
18 |
Zur früheren Rechtslage des Streithelfers trägt die Klägerin zunächst vor, dass dieser in Polen nicht Inhaber von Rechten an Marken mit dem Wortbestandteil „tiger“, die Waren der Klasse 32 bezeichnen, gewesen sei, als sie im Jahr 2003 ein Vertragsverhältnis eingegangen seien. Unter diesen Umständen sei das Vertragsverhältnis zwischen ihr und dem Streithelfer nicht als Markenlizenzvertrag anzusehen, da der Streithelfer nicht Inhaber älterer Rechte an Marken mit dem Wortbestandteil „tiger“ gewesen sei. Des Weiteren habe der Streithelfer vor Beginn des Vertragsverhältnisses niemals eine Marke mit dem Wortbestandteil „tiger“ für die Vermarktung von Energiegetränken genutzt. |
19 |
Des Weiteren stelle das fragliche Vertragsverhältnis seiner Art nach eine Vereinbarung zur Absatzförderung dar, durch die mit dem Streithelfer vereinbart worden sei, dass die Klägerin seinen Namen, Beinamen und Bild gegen Entgelt dazu nutzen dürfe, die Produktwerbung für die von ihr auf eigene Veranlassung vertriebenen Waren, darunter Energiegetränke, sicherzustellen. Sie sei daher befugt, neue Waren und Marken zu entwickeln, und die Anmeldung der streitigen Marke sei somit rechtmäßig. |
20 |
Schließlich werde in einer Werbekampagne aus dem Jahr 2011, die in der angefochtenen Entscheidung angeführt sei, nicht die streitige Marke benutzt, sondern nur der Wortbestandteil „tiger“, begleitet von Bildbestandteilen, die Kratzer darstellten. |
21 |
Das EUIPO und der Streithelfer treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
22 |
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 die Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt wird, wenn der Anmelder bei der Anmeldung der streitigen Marke bösgläubig war. |
23 |
In dieser Hinsicht ist es Sache desjenigen, der den Antrag auf Nichtigerklärung stellt und sich auf diesen Grund stützen will, die Umstände darzutun, die den Schluss zulassen, dass der Inhaber einer Unionsmarke bei deren Anmeldung bösgläubig war (vgl. Urteil vom 21. Mai 2015, Urb Rulmenti Suceava/HABM – Adiguzel [URB], T‑635/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:297, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
24 |
Der in Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltene Begriff „Bösgläubigkeit“ ist, wie Generalanwältin Sharpston in Nr. 36 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (C‑529/07, EU:C:2009:148) ausgeführt hat, in den Rechtsvorschriften in keiner Weise definiert, abgegrenzt oder auch nur beschrieben. |
25 |
Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist zu entnehmen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob der Anmelder bösgläubig war, der Zeitpunkt der Anmeldung durch den Betreffenden ist (Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 35). |
26 |
Des Weiteren hat der Gerichtshof im Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 53), ausgeführt, dass für die Beurteilung der Frage, ob der Anmelder im Sinne von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bösgläubig ist, alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind, die dem zu entscheidenden Fall eigen sind, insbesondere
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27 |
Somit ergibt sich aus der Formulierung im Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (C‑529/07, EU:C:2009:361), wie die Beschwerdekammer in Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung zu Recht hervorgehoben hat, dass die oben in Rn. 26 aufgeführten Faktoren lediglich Beispiele aus einer Gesamtheit von Elementen sind, die bei der Beurteilung der etwaigen Bösgläubigkeit eines Markenanmelders im Zeitpunkt der Anmeldung berücksichtigt werden können (Urteil vom 14. Februar 2012, Peeters Landbouwmachines/HABM – Fors MW [BIGAB], T‑33/11, EU:T:2012:77, Rn. 20). |
28 |
Im Rahmen der umfassenden Beurteilung nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 können daher auch die Herkunft des streitigen Zeichens und seine Verwendung seit seiner Schaffung, die unternehmerische Logik, in die sich die Anmeldung des Zeichens als Unionsmarke einfügte, und die Geschehensabfolge bei der Anmeldung berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Februar 2012, BIGAB, T‑33/11, EU:T:2012:77, Rn. 21, und vom 11. Juli 2013, SA.PAR./HABM – Salini Costruttori [GRUPPO SALINI], T‑321/10, EU:T:2013:372, Rn. 30). |
29 |
Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Schlussfolgerung der Beschwerdekammer, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke am 14. Februar 2007 bösgläubig gewesen, ist u. a. anhand der vorstehenden Erwägungen, soweit sie auf die vorliegende Rechtssache anwendbar sind, vorzunehmen. |
30 |
Erstens steht fest, dass, wie die Beschwerdekammer in Rn. 34 der angefochtenen Entscheidung in Verbindung mit deren Rn. 27 und 29 ausgeführt hat, der Streithelfer und die Klägerin am 31. Juli 2003 eine Vereinbarung geschlossen haben, nach der es dieser gestattet war, das Bild, den Beinamen und die Wort- und Bildmarken des Streithelfers für die Förderung der Vermarktung von Energiegetränken zu nutzen, deren Verpackung u. a. mit dem Zeichen Tiger versehen war. Die Klägerin hat auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ergänzt, dass diese Vereinbarung zunächst für eine Dauer von 50 Jahren geschlossen worden war. Wie die Parteien übereinstimmend anerkennen, bestand der Grund für die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Streithelfer in dem Image, das durch den Streithelfer, einen früheren, unter dem Pseudonym „Tiger“ bekannten Berufsboxer transportiert wird. Am 1. Juli 2005 wurde eine zweite Vereinbarung gleicher Art zwischen dem Streithelfer und der Klägerin geschlossen. Daher kann man davon ausgehen, dass diese Verträge den Willen der Klägerin ausdrücken, ihre Geschäftstätigkeit u. a. dadurch zu entwickeln, dass sie sich auf das durch den Streithelfer vermittelte Bild und seine Bekanntheit stützt. |
31 |
Des Weiteren geht aus der Akte hervor, dass diese Vereinbarungen die Verpflichtung der Klägerin vorsahen, dem Streithelfer ein Entgelt für die Nutzung seines Bildes, seines Namens, seines Beinamens sowie seiner Wort- und Bildmarken zu zahlen. Die betreffenden Vertragsbedingungen lassen keinen Zweifel darüber, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke von der Existenz der älteren Marken, deren Inhaber der Streithelfer war, Kenntnis hatte. |
32 |
Aus der Akte geht zudem hervor, dass jede tatsächliche Nutzung der Rechte des Streithelfers und seiner Marken sein vorheriges schriftliches Einverständnis voraussetzte. |
33 |
Die Beschwerdekammer hat somit fehlerfrei das unmittelbare Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Streithelfer, das vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke bestand, als einen der zur Beurteilung der Bösgläubigkeit der Klägerin maßgeblichen Faktoren berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Februar 2012, Carrols/HABM – Gambettola [Pollo Tropical CHICKEN ON THE GRILL], T‑291/09, EU:T:2012:39, Rn. 85 bis 87). |
34 |
Zweitens steht, wie die Beschwerdekammer in Rn. 36 der angefochtenen Entscheidung in Verbindung mit deren Rn. 12 ausgeführt hat, zudem fest, dass die Verpackung der von der Klägerin vermarkteten Energiegetränke u. a. mit dem Zeichen Tiger, aber auch wiederholt mit dem Bild des Streithelfers versehen war. Die folgenden Bilder wurden in den Jahren 2004, 2006 bzw. 2007 auf den Verpackungen der von der Klägerin vermarkteten Energiegetränke verwendet: |
35 |
Durch die Gestaltung der Verpackung der von der Klägerin vermarkteten Waren wird die aus dem Inhalt der genannten Vereinbarungen gezogene Schlussfolgerung bestätigt, dass die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit dadurch entwickeln wollte, dass sie sich auf das durch den Streithelfer vermittelte Image und seine Bekanntheit stützt. Somit hat die Beschwerdekammer diesen Umstand in Rn. 35 der angefochtenen Entscheidung fehlerfrei als einen der zur Beurteilung der Bösgläubigkeit der Klägerin maßgeblichen Faktoren berücksichtigt. |
36 |
Drittens ist, auch wenn im Rahmen eines Antrags auf Nichtigerklärung gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 keine detaillierte Prüfung der bildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit zwischen der streitigen Marke und den älteren Marken des Streithelfers vorzunehmen ist, festzustellen, dass die streitige Marke unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles dem ersten Anschein nach Ähnlichkeit mit dem Zeichen Tiger Energy Drink aufweist, das die Klägerin aufgrund ihres Vertragsverhältnisses mit dem Streithelfer zur Vermarktung ihrer Waren verwendet hat. |
37 |
Hierzu ist nämlich allgemein darauf hinzuweisen, dass zwei Marken ähnlich sind, wenn sie aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte mindestens teilweise übereinstimmen (Urteil vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany [MATRATZEN], T‑6/01, EU:T:2002:261, Rn. 30). Im vorliegenden Fall kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass das Zeichen Tiger Energy Drink und die streitige Marke T.G.R. ENERGY DRINK zumindest in bildlichen und klanglichen Aspekten und unabhängig von den maßgeblichen Verkehrskreisen teilweise übereinstimmen. Der einzige Unterschied insbesondere in visueller Hinsicht zwischen der streitigen Marke und dem Zeichen Tiger Energy Drink besteht darin, dass Letzteres zwei Vokale mehr enthält, was nicht ausreicht, um auszuschließen, dass diese Zeichen den gleichen Gesamteindruck hervorrufen. |
38 |
Diese starke Ähnlichkeit zwischen dem Zeichen Tiger Energy Drink und der streitigen Marke besteht nicht zufällig. Daher kann angenommen werden, dass diese starke Ähnlichkeit entgegen dem Vorbringen der Klägerin deren Willen belegt, in der Vorstellung des Verbrauchers wenn auch keine Verwechslung, so doch zumindest eine Verbindung zwischen der streitigen Marke und dem Zeichen Tiger Energy Drink hervorzurufen. Diese Schlussfolgerung wird überdies durch die folgenden Bilder gestützt: |
39 |
Die Beschwerdekammer hat somit in Rn. 38 der angefochtenen Entscheidung fehlerfrei ausgeführt, dass man die streitige Marke T.G.R. ENERGY DRINK als Variante des Zeichens Tiger verstehen kann. Dies gilt erst recht für das Zeichen Tiger Energy Drink. |
40 |
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es der Klägerin freigestanden hätte, wenn sie – wie sie vorbringt – nicht beabsichtigte, in der Vorstellung des Verbrauchers eine Verbindung zwischen der streitigen Marke und dem Zeichen Tiger Energy Drink herzustellen, dem, wie aus der Akte hervorgeht, ein hoher Bekanntheitsgrad zukommt, ihre Waren durch die Anbringung eines ganz anderen Zeichens auf der Verpackung als des Zeichens Tiger Energy Drink zu vermarkten, wie sie es anschließend ab 2011 mit der Benutzung des Zeichens Black Energy Drink getan hat. |
41 |
Die Beschwerdekammer hat somit fehlerfrei den Willen der Klägerin, wenn auch keine Verwechslung, so doch zumindest eine Verbindung zwischen dem Zeichen Tiger Energy Drink, dem ein hoher Bekanntheitsgrad zukam, und der streitigen Marke hervorzurufen, als einen der zur Beurteilung der Bösgläubigkeit der Klägerin maßgeblichen Faktoren berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 40, und vom 1. Februar 2012, Pollo Tropical CHICKEN ON THE GRILL, T‑291/09, EU:T:2012:39, Rn. 90). |
42 |
Viertens ergibt sich aus den Regelungen der Vereinbarungen zwischen dem Streithelfer und der Klägerin, dass diese verpflichtet war, dem Streithelfer für die Nutzung seines Bildes, seines Namens, seines Beinamens sowie seiner Wort‑ und Bildmarken ein Entgelt zu zahlen. Jedoch steht fest, dass die Klägerin, indem sie zur Vermarktung ihrer Produkte nicht mehr das Zeichen Tiger, sondern gegebenenfalls das streitige Zeichen verwendet, faktisch von jeglichen Zahlungen an den Streithelfer befreit ist. |
43 |
Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bei der Anmeldung der streitigen Marke beabsichtigte, weiterhin vom Bekanntheitsgrad des Zeichens Tiger Energy Drink zu profitieren und gleichzeitig die vertraglichen Verpflichtungen aus den Vereinbarungen mit dem Streithelfer zu unterlaufen. |
44 |
Die Beschwerdekammer hat somit fehlerfrei anhand der objektiven Umstände des Einzelfalls die Absicht der Klägerin, nämlich deren Willen, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu unterlaufen, als einen der zur Beurteilung der Bösgläubigkeit der Klägerin maßgeblichen Faktoren berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 41 und 42). |
45 |
Nach alledem hat die Beschwerdekammer keinen Fehler begangen, indem sie nach einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke im Sinne von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bösgläubig handelte. |
46 |
Diese Schlussfolgerung wird durch die verschiedenen Ausführungen der Klägerin nicht in Frage gestellt. |
47 |
Erstens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, mit dem der Beschwerdekammer vorgeworfen wird, nicht den Umstand berücksichtigt zu haben, dass der Streithelfer bei Aufnahme des Vertragsverhältnisses im Jahr 2003 nicht Inhaber älterer Rechte an Marken mit dem Wortbestandteil „tiger“ zur Bezeichnung von Energiegetränken in Polen gewesen sei und solche Getränke nie unter Benutzung dieses Wortbestandteils vermarktet habe. |
48 |
Zum einen ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Bösgläubigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke am 14. Februar 2007 zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 35). Daher ist die Frage, welche Marken dem Streithelfer am Tag der Unterzeichnung der ersten Vereinbarung zur Absatzförderung mit der Klägerin am 31. Juli 2003 gehörten, vorliegend unerheblich. |
49 |
Zum anderen steht wie oben in Rn. 9 angegeben fest, dass der Streithelfer u. a. Inhaber der am 3. April 2001 eingetragenen älteren Unionswortmarke Dariusz Tiger Michalczewski ist, die u. a. Waren der Klasse 32 bezeichnet. Daraus folgt, dass der Schutz der Unionsmarke des Streithelfers mit dem Wortbestandteil „tiger“, die Energiegetränke bezeichnet, infolge des Beitritts Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 auf diesen Mitgliedsstaat erstreckt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2015, Rezon/HABM – mobile.international [mobile.de proMotor], T‑337/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:220, Rn. 32). |
50 |
Die Beschwerdekammer hat somit fehlerfrei den Umstand, dass der Streithelfer zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke Inhaber von Marken war, und insbesondere Inhaber der älteren Unionswortmarke Dariusz Tiger Michalczewski mit dem Wortbestandteil „tiger“, die Waren der Klasse 32 bezeichnet, als einen der zur Beurteilung der Bösgläubigkeit der Klägerin maßgeblichen Faktoren berücksichtigt. |
51 |
Selbst wenn im Übrigen angenommen würde, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen geltend machen wollte, dass der Streithelfer die Unionswortmarke Dariusz Tiger Michalczewski in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt habe, so dass sie dem Verfall gemäß Art. 51 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 unterliegen würde, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 188 der Verfahrensordnung des Gerichts die im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht eingereichten Schriftsätze der Parteien den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern können. |
52 |
Der Rechtsstreit vor der Beschwerdekammer betraf vorliegend jedoch einen Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Marke, so dass die Beschwerdekammer mit der Frage der ernsthaften Benutzung der Marke des Streithelfers nicht befasst war. Somit kann die Klägerin nicht mit Erfolg beim Gericht beantragen, dass es eine Frage prüft, die von der Beschwerdekammer in dieser Entscheidung nicht geprüft wurde. |
53 |
Zweitens ist festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen zur Art des Vertragsverhältnisses zwischen ihr und dem Streithelfer nicht die angefochtene Entscheidung rügt, sondern lediglich die verschiedenen vertraglichen Verpflichtungen betreffend die Nutzung des Bildes, des Namens, des Beinamens sowie der Wort- und Bildmarken des Streithelfers zur Vermarktung von Energiegetränken nennt. Die Klägerin möchte mit diesem Vorbringen im Wesentlichen jedoch geltend machen, dass die fraglichen Vereinbarungen nicht als die Einräumung einer oder mehrerer Lizenzen für die Marken, deren Inhaber der Streithelfer ist, zu sehen sind. |
54 |
Ohne dass darüber entschieden zu werden braucht, ob dieses Vorbringen zutrifft und welcher Art genau die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Streithelfer sind, reicht zur Zurückweisung dieses Vorbringens die Feststellung aus, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung die Art dieser Vereinbarungen im Rahmen der von ihr vorgenommenen Gesamtbetrachtung nicht als maßgeblichen Faktor zur Beschreibung der Bösgläubigkeit der Klägerin berücksichtigt hat. |
55 |
Auf jeden Fall genügt das Bestehen von Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Streithelfer, unabhängig davon, welcher Art sie genau sind, zur Beschreibung des Umstands, dass die Parteien vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke durch ein unmittelbares Vertragsverhältnis verbunden waren. Dieses unmittelbare Vertragsverhältnis ist vorliegend und wie bereits ausgeführt einer der maßgeblichen Faktoren zur Beurteilung der Bösgläubigkeit der Klägerin (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Februar 2012, Pollo Tropical CHICKEN ON THE GRILL, T‑291/09, EU:T:2012:39, Rn. 85 bis 87). |
56 |
Drittens ist auch das Vorbringen der Klägerin zur Benutzung oder Nichtbenutzung der streitigen Marke in einer Werbekampagne aus dem Jahr 2011 zurückzuweisen. |
57 |
Es wurde nämlich bereits darauf hingewiesen, dass die Bösgläubigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke am 14. Februar 2007 zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 35). Daher ist die Frage, ob die streitige Marke im Rahmen einer Werbekampagne aus dem Jahr 2011 benutzt wurde, vorliegend unerheblich. |
58 |
Nach alledem ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen. |
Kosten
59 |
Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. |
60 |
Da im vorliegenden Fall die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und des Streithelfers die Kosten aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Sechste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Frimodt Nielsen Collins Valančius Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Oktober 2016. Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.
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Referenzen
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