Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-486/15

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

30. November 2016 ( *1 )

„Rechtsmittel — Staatliche Beihilfen — Finanzmaßnahmen zugunsten von France Télécom — Angebot eines Aktionärsvorschusses — Öffentliche Erklärungen von Vertretern des französischen Staates — Entscheidung, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird — Begriff ‚Beihilfe‘ — Begriff ‚wirtschaftlicher Vorteil‘ — Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers — Begründungspflicht des Gerichts — Grenzen der gerichtlichen Kontrolle — Verfälschung der streitigen Entscheidung“

In der Rechtssache C‑486/15 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 14. September 2015,

Europäische Kommission, vertreten durch C. Giolito, B. Stromsky, D. Grespan und T. Rusche als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und J. Bousin als Bevollmächtigte,

Klägerin in der Rechtssache T‑425/04 RENV,

Orange, ehemals France Télécom, mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Hautbourg und S. Cochard-Quesson,

Klägerin in der Rechtssache T‑444/04 RENV,

Bundesrepublik Deutschland,

Streithelferin in der Rechtssache T‑425/04 RENV,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 2. Juli 2015, Frankreich und Orange/Kommission (T‑425/04 RENV und T‑444/04 RENV, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:450), mit dem das Gericht Art. 1 der Entscheidung 2006/621/EG der Kommission vom 2. August 2004 über die staatliche Beihilfe, die Frankreich zugunsten von France Télécom gewährt hat (ABl. 2006, L 257, S. 11, im Folgenden: streitige Entscheidung), für nichtig erklärt hat.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 98 des angefochtenen Urteils zusammengefasst. Folgende Gesichtspunkte sind für die Prüfung des vorliegenden Rechtsmittels erheblich:

Allgemeiner Kontext der Rechtssache

3

France Télécom, jetzt Orange (im Folgenden: FT), Betreiber und Anbieter von Telekommunikationsnetzen und ‑diensten, wurde 1991 als öffentliches Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit gegründet und ist seit dem 31. Dezember 1996 eine Aktiengesellschaft. Seit Oktober 1997 ist FT an der Börse notiert. Im Jahr 2002 war der französische Staat mit 56,45 % am Kapital von FT beteiligt, der Rest der Anteile verteilte sich auf Privatanleger (32,25 %), eigene Aktien (8,26 %) und Belegschaftsaktien (3,04 %).

4

Im ersten Quartal des Jahres 2002 veröffentlichte FT ihren Abschluss für das Jahr 2001. Dieser wies 63,5 Mrd. Euro Nettoschulden und 8,3 Mrd. Euro Verlust aus.

5

In der Zeit von März bis Juni 2002 stuften die Ratingagenturen Moody’s und Standard & Poor’s (im Folgenden: S & P) das Rating von FT herab und setzten den Kreditausblick auf negativ. Insbesondere setzte Moody’s am 24. Juni 2002 das kurz- und langfristige Kreditrating von FT auf den untersten Rang einer sicheren Investition herab. Gleichzeitig fiel der Kurs der Aktien von FT erheblich.

6

Zur Finanzlage von FT erklärte der französische Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie (im Folgenden: Wirtschaftsminister) in einem in der Tageszeitung Les Echos vom 12. Juli 2002 veröffentlichten Interview (im Folgenden: Erklärung vom 12. Juli 2002):

„Wir halten mit 55 % die Mehrheit der Anteile … Der Staat in seiner Eigenschaft als Aktionär wird sich als marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhalten, und wenn [FT] in Schwierigkeiten geraten sollte, werden wir angemessene Maßnahmen ergreifen … Ich wiederhole: Sollte [FT] Finanzprobleme haben, was gegenwärtig nicht der Fall ist, wird der Staat die für ihre Überwindung erforderlichen Entscheidungen treffen. Sie leisten hier wieder dem Gerücht einer Kapitalerhöhung Vorschub … Nein, bestimmt nicht! Ich bekräftige nur noch einmal, dass wir zu gegebener Zeit die geeigneten Maßnahmen treffen werden. Falls es notwendig ist …“

7

Am selben Tag veröffentliche S & P eine Pressemitteilung mit folgendem Wortlaut:

„FT könnte gewisse Schwierigkeiten bei der Refinanzierung seiner 2003 fälligen Finanzschulden haben. Die Hinweise des [französischen] Staates stützen jedoch die Bewertung der Kreditqualität von FT mit [sicherer Investition]. … Der französische Staat, der 55 % von [FT] hält, hat gegenüber [S & P] deutlich erklärt, er werde sich als marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhalten und angemessene Maßnahmen ergreifen, falls FT in Schwierigkeiten geraten sollte. Langfristiges Rating von [FT] auf BBB- gesenkt …“

8

Am 12. September 2002 teilten die französischen Stellen mit, dass sie den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden von FT angenommen hätten.

9

Am 13. September 2002 veröffentlichte FT ihren Halbjahresabschluss, der bestätigte, dass ihr konsolidiertes Eigenkapital am 30. Juni 2002 mit 440 Mio. Euro ins Minus geraten war und dass ihre Nettoschulden 69,69 Mrd. Euro erreichten, davon 48,9 Mrd. Euro aus Obligationen, die in den Jahren 2003 bis 2005 zur Rückzahlung fällig wurden. Dem Halbjahresabschluss zufolge war der Umsatz von FT gegenüber dem entsprechenden Zeitraum des Geschäftsjahrs 2001 um 10 % gestiegen. Ferner war darin ein Betriebsergebnis vor Abschreibung von 6,87 Mrd. Euro ausgewiesen, was gegenüber den historischen Daten einen Anstieg um 13,3 % und gemessen an Pro-forma-Daten um 9,8 % darstellt, sowie ein Betriebsergebnis von 3,18 Mrd. Euro, was gemessen an Pro-forma-Daten einen Anstieg um 15 % darstellt. Das Ergebnis nach Abzug des Zinsaufwands (1,75 Mrd. Euro), aber vor Steuern, Eigenkapital- und Minderheitsanteilen belief sich, abgesehen von Sonderposten, auf 718 Mio. Euro gegenüber 271 Mio. Euro zum 30. Juni 2001. Der verfügbare Cashflow aus betrieblicher Tätigkeit war mit 3,6 Mrd. Euro um 15 % höher als im ersten Halbjahr 2001.

10

In einer Pressemitteilung vom 13. September 2002 zur Finanzlage von FT erklärten die französischen Stellen:

„Nach den außerordentlichen Verlusten im ersten Halbjahr sieht sich [FT] mit einem schwerwiegenden Eigenkapitalmangel konfrontiert. Eine derartige Finanzlage schwächt das Potenzial [von FT]. Daher ist die [französische] Regierung entschlossen, ihrer Verantwortung in vollem Umfang gerecht zu werden … Angesichts der durch die beträchtliche Verschlechterung der Zahlen veränderten Situation hat [der Vorstandsvorsitzende von FT] der [französischen] Regierung seinen Rücktritt angeboten, der von der [französischen] Regierung akzeptiert wurde. Der Rücktritt wird bei einer Verwaltungsratssitzung wirksam, die in den [nächsten] Wochen stattfinden wird und in deren Verlauf ein neuer Vorsitzender vorgestellt werden wird … Der neue Vorsitzende wird dem Verwaltungsrat in kürzester Zeit einen Sanierungsplan vorlegen, der eine Entschuldung [von FT] und die Wiederherstellung [ihrer] Finanzstruktur unter Beibehaltung [ihrer] strategischen Stärken ermöglicht. Der [französische] Staat wird [FT] bei der Umsetzung dieses Plans unterstützen und seinen Teil zu einer sehr substanziellen Kapitalerhöhung [von FT] beitragen, deren Zeitplan und Modalitäten entsprechend den Marktbedingungen zu bestimmen sein werden. Bis dahin wird der [französische] Staat, sofern erforderlich, Maßnahmen ergreifen, um [FT] vor Finanzproblemen zu bewahren.“

11

Am selben Tag setzte Moody’s in einer Pressemitteilung den Ausblick für die Schuldverschreibungen von FT von negativ auf stabil herauf:

„Das Vertrauen von Moody’s wurde durch die Erklärung der [französischen] Regierung gestärkt, die ihre starke Unterstützung für [FT] erneut bekräftigt hat. Auch wenn die Bedenken von Moody’s hinsichtlich des Ausmaßes des Finanzrisikos im Allgemeinen und der schwachen Liquiditätslage von FT im Besonderen nicht ausgeräumt sind, ist ihre Zuversicht angesichts der Erwartung, dass die französische Regierung [FT] unter die Arme greifen wird, falls [diese] mit der Rückzahlung [ihrer] Schulden in Schwierigkeiten geraten sollte, doch gewachsen.“

12

Am 2. Oktober 2002 wurde ein neuer Vorstandsvorsitzender von FT ernannt. Die Pressemitteilung dazu lautete:

„Auf Vorschlag des Verwaltungsrats [von FT] hat der Ministerrat beschlossen, [einen neuen Vorstandsvorsitzenden von FT] zu berufen … Zu diesem Zweck wird der neue Vorsitzende unverzüglich eine Bestandsaufnahme der Situation [von FT] in die Wege leiten, deren Ergebnisse er dem Verwaltungsrat in den kommenden Wochen mitteilen wird und auf deren Grundlage ein Plan zur Sanierung der Finanzen und zur strategischen Entwicklung erarbeitet werden wird, der eine Reduzierung der Schulden [von FT] bei gleichzeitigem Ausbau [ihrer] Stärken ermöglicht. Dabei genießt [der neue Vorstandsvorsitzende von FT] die Unterstützung des Staates in seiner Eigenschaft als Aktionär, der entschlossen ist, seiner Verantwortung in vollem Umfang gerecht zu werden. Der [französische] Staat wird sich an der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen beteiligen und seinerseits zur Kapitalerhöhung [von FT] beitragen, deren Modalitäten in engem Einvernehmen mit dem Vorstandsvorsitzenden und dem Verwaltungsrat festgelegt werden. Wie bereits angedeutet, wird der [französische] Staat in der Zwischenzeit, sofern erforderlich, Maßnahmen ergreifen, um [FT] vor Finanzproblemen zu bewahren.“

13

Am 19. November 2002 übermittelten die französischen Stellen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen Briefing-Vermerk („note d’information“). Darin wurden zum einen die damalige Finanzlage von FT beschrieben unter Hinweis darauf, dass „deren operative Performance ausgezeichnet ist“, und zum anderen die Absicht der französischen Stellen mitgeteilt, sich an einer Kapitalerhöhung von FT zu Marktbedingungen zu beteiligen, sowie die Modalitäten ihres Beitrags zu dem Sanierungsplan von FT dargelegt. In diesem Vermerk führten die französischen Stellen insbesondere aus:

„Um [FT] den Spielraum zu verschaffen, der für einen Marktzutritt zu optimalen Bedingungen und zum günstigsten Zeitpunkt erforderlich ist, ist der [französische] Staat bereit, seine Beteiligung an der Kapitalerhöhung in Form eines Aktionärsvorschusses vorwegzunehmen, der dann bei Ausgabe der neuen Titel in Kapital umgewandelt wird. Die Höhe dieses Vorschusses wird ganz oder teilweise dem Betrag entsprechen, den der [französische] Staat an der künftigen Kapitalerhöhung zeichnet, und kann bis zu 9 [Mrd. Euro] gehen. Der Vorschuss ist vorläufig, seine Umwandlung in Titel zwingend. Er wird nur in Anspruch genommen, wenn und soweit [FT] ihn benötigt. Er ist im Übrigen entsprechend den derzeit geltenden Marktbedingungen zu verzinsen; die Zinsen werden kapitalisiert.

Zur Realisierung seiner Beteiligung an dem Sanierungsplan von [FT] möchte der [französische] Staat sein Industrie- und Handelsunternehmen ERAP heranziehen, das [FT] einen Aktionärsvorschuss gewähren und nach dessen Umwandlung in Kapital ein bedeutender Aktionär von [FT] sein wird. Da die staatliche Beteiligung an FT in [ihren] Aktiva stehen wird, wird das staatliche Unternehmen in seinen Passiva Schuldverschreibungen haben. Diese Entscheidung von ERAP entspricht dem Willen des [französischen] Staates, den bewilligten Vermögenseinsatz durch eine besondere Struktur klar zu identifizieren.“

14

Am 4. Dezember 2002 legte die neue Konzernleitung bei der FT‑Verwaltungsratssitzung einen Aktionsplan „Ambition France Télécom 2005“ (im Folgenden: Plan Ambition 2005) vor, der im Wesentlichen darauf gerichtet war, die Bilanz des Unternehmens durch eine Kapitalerhöhung um 15 Mrd. Euro wieder auszugleichen.

15

Die Vorlage des Plan Ambition 2005 war von einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministers vom 4. Dezember 2002 (im Folgenden: Ankündigung vom 4. Dezember 2002) begleitet, in der es heißt:

„[Der Wirtschaftsminister] bekräftigt die Unterstützung des [französischen] Staates für den Aktionsplan, den der Verwaltungsrat von [FT] am 4. Dezember [2002] gebilligt hat. 1. Die Unternehmensgruppe [FT] stellt eine zusammenhängende wirtschaftliche Einheit mit bemerkenswerten Leistungen dar. Dennoch muss [FT] heute eine unausgeglichene Finanzstruktur sowie einen mittelfristigen Eigenkapital- und Refinanzierungsbedarf bewältigen. Diese Situation ist das Ergebnis vergangener Fehlinvestitionen, die auf dem Höhepunkt der Spekulationsblase und im weiteren Sinne der Marktwende durchgeführt wurden. Sie wurde zusätzlich verschärft durch die Unfähigkeit von [FT], ihre Entwicklung auf andere Weise als durch Aufnahme von Schulden zu finanzieren. 2. Der [französische] Staat in seiner Eigenschaft als Mehrheitsaktionär hat die neue Konzernleitung aufgefordert, das finanzielle Gleichgewicht [von FT] unter Bewahrung der Einheit des Konzerns wiederherzustellen … 3. Unter Berücksichtigung des von der Konzernleitung erarbeiteten Aktionsplans und der zu erwartenden Rentabilität des investierten Kapitals wird sich der [französische] Staat an der Kapitalerhöhung um 15 Mrd. Euro entsprechend seinem Unternehmensanteil, d. h. mit 9 Mrd. Euro, beteiligen. Der [französische] Staat in seiner Eigenschaft als Aktionär wird sich in seinem Handeln vom Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers leiten lassen. [FT] wird die Aufgabe zufallen, die Modalitäten und den genauen Zeitplan der Kapitalerhöhung festzulegen. Die [französische] Regierung wünscht, dass bei der Durchführung dieser Operation der Situation der einzelnen Aktionäre und der Beschäftigten, die im Besitz von Aktien von [FT] sind, in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen wird. Um [FT] die Möglichkeit einzuräumen, zum günstigsten Zeitpunkt Kapital am Markt aufzunehmen, ist der [französische] Staat bereit, seine Beteiligung an der Kapitalerhöhung in Form eines befristeten Aktionärsvorschusses vorwegzunehmen, den er [FT] zu marktüblichen Konditionen zur Verfügung stellt. 4. Die gesamte … Beteiligung [des französischen Staates] an [FT] wird … ERAP übertragen, das zur Finanzierung des … Anteils [des französischen Staates] an der Kapitalerhöhung von [FT] Schulden auf den Finanzmärkten aufnehmen wird.“

16

Am 11. und 12. Dezember 2002 legte FT nacheinander zwei Anleiheemissionen mit einem Gesamtvolumen von 2,9 Mrd. Euro auf.

17

Am 20. Dezember 2002 übermittelte ERAP FT einen paraphierten und unterschriebenen Entwurf einer Vereinbarung über einen Aktionärsvorschuss (im Folgenden: Angebot eines Aktionärsvorschusses). Dieser Vereinbarungsentwurf wurde von FT nicht unterschrieben, und der Aktionärsvorschuss wurde niemals gewährt.

18

Am 15. Januar 2003 nahm FT Anleihen in Form von Obligationen in Höhe von insgesamt 5,5 Mrd. Euro auf. Diese Obligationenanleihen waren nicht durch staatliche Sicherheiten oder Garantien gedeckt.

19

Am 10. Februar 2003 verlängerte FT einen Teil eines fälligen Konsortialkredits von 15 Mrd. Euro.

20

Am 4. März 2003 begann die im Plan Ambition 2005 vorgesehene Kapitalerhöhung. Am 24. März 2003 erhöhte FT ihr Kapital um 15 Mrd. Euro. Der französische Staat beteiligte sich an dieser Maßnahme mit 9 Mrd. Euro entsprechend seinem Anteil am Kapital von FT. Ein Betrag von 6 Mrd. Euro wurde von einem Konsortium aus 21 Banken garantiert. Am 11. April 2003 wurde die Maßnahme abgeschlossen.

21

FT schloss das Geschäftsjahr 2002 mit einem Verlust von rund 21 Mrd. Euro und Nettofinanzschulden von nahezu 68 Mrd. Euro ab. In dem am 5. März 2003 veröffentlichten Abschluss für das Geschäftsjahr 2002 wies FT einen um 8,4 % höheren Umsatz, ein um 21,1 % höheres Betriebsergebnis vor Abschreibung und ein um 30,9 % höheres Betriebsergebnis aus. Am 14. April 2003 hielt der französische Staat 58,9 % des Kapitals von FT, davon 28,6 % über ERAP.

Verwaltungsverfahren und streitige Entscheidung

22

Am 4. Dezember 2002 meldete die Französische Republik die nach dem Plan Ambition 2005 vorgesehenen Finanzmaßnahmen einschließlich des geplanten Aktionärsvorschusses gemäß Art. 88 Abs. 3 EG in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. 1999, L 83, S. 1) bei der Kommission an.

23

Am 22. Januar 2003 erhoben die Bouygues SA und die Bouygues Télécom SA (im Folgenden zusammen: Unternehmen Bouygues), zwei Gesellschaften französischen Rechts, von denen die zweite auf dem französischen Mobilfunkmarkt tätig ist, bei der Kommission Beschwerde wegen bestimmter angeblicher Beihilfen des französischen Staates an FT im Rahmen ihrer Refinanzierung. Diese Beschwerde war insbesondere zum einen gegen die Ankündigung einer Investition des französischen Staates in Höhe von 9 Mrd. Euro und zum anderen gegen die Erklärungen vom 12. Juli, 13. September und 2. Oktober 2002 (im Folgenden: ab Juli 2002 abgegebene Erklärungen) gerichtet.

24

Mit Schreiben vom 31. Januar 2003 gab die Kommission der Französischen Republik ihre Entscheidung bekannt, das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 88 Abs. 2 EG in Bezug auf insbesondere staatliche Finanzmaßnahmen zugunsten von FT zu eröffnen (im Folgenden: Verfahrenseröffnungsbeschluss) (ABl. 2003, C 57, S. 5). Darin forderte die Kommission die Beteiligten auf, sich zu den betreffenden Maßnahmen zu äußern.

25

Am 3. August 2004 stellte die Kommission den französischen Stellen die streitige Entscheidung zu.

26

Im 185. Erwägungsgrund dieser Entscheidung, der in deren Abschnitt 6 („Gegenstand dieser Entscheidung“) enthalten ist, erklärte die Kommission insbesondere, dass die notifizierten Maßnahmen nicht analysiert werden könnten, „ohne die Erklärungen der [französischen] Regierung von Juli bis Dezember 2002 einzubeziehen“. Mit diesen Erklärungen hätten die französischen Stellen nämlich ihren Willen zum Ausdruck gebracht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Finanzprobleme von FT zu lösen. Das Angebot eines Aktionärsvorschusses stelle die Konkretisierung der vom Staat zuvor zum Ausdruck gebrachten Absichten dar.

27

Im 186. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung führte die Kommission aus:

„Im vorliegenden Fall stellt die Kommission fest, dass den Maßnahmen vom Dezember 2002, die Gegenstand der Notifizierung sind, ab Juli [2002] mehrere Erklärungen und Maßnahmen der französischen Behörden vorausgingen. Einerseits ermöglichen diese Erklärungen und Maßnahmen ein besseres Verständnis der Gründe und der Tragweite der Maßnahmen vom Dezember [2002], andererseits hatten sie mit Sicherheit Auswirkungen auf die Vorstellung, die sich die Märkte und die Wirtschaftsbeteiligten von der Lage von FT im Dezember [2002] machten. Da das Verhalten der Wirtschaftsbeteiligten seinerseits durch das Verhalten des Staates beeinflusst war, eignet es sich nicht als objektives Mittel zur Beurteilung des Verhaltens des Staates. Daher muss die Prüfung der Frage, ob die Maßnahmen vom Dezember [2002] Elemente einer staatlichen Beihilfe enthalten, den dem eigentlichen Geschehen vorausgehenden Handlungen Rechnung tragen.“

28

Im 187. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass man die aufeinanderfolgenden Erklärungen und Maßnahmen der französischen Regierung ab Juli 2002 sogar als „einen Gesamtkomplex“ betrachten könne, „der in den notifizierten Maßnahmen vom Dezember [2002] … konkrete Gestalt annahm“.

29

In den Erwägungsgründen 188 bis 191 der streitigen Entscheidung führte die Kommission aus:

„(188)

Auf den ersten Blick deutet die Analyse des vorliegenden Falles auf einen zeitlichen Abstand zwischen den dem Unternehmen verschafften Vorteilen (besonders ausgeprägt im Juli [2002]) und der potenziellen Bindung staatlicher Mittel (deutlicher im Dezember [2002] festzustellen) hin. Tatsächlich könnten die Erklärungen des [Wirtschaftsministers] insoweit als Beihilfe qualifiziert werden, als diese Verlautbarungen eindeutig eine Wirkung auf die Märkte hatten und [FT] einen Vorteil verschafft haben. Gleichwohl wäre es nicht leicht, über jeden Zweifel erhaben festzustellen, ob die [Erklärung] vom [12.] Juli 2002 so beschaffen [war], dass sie zumindest potenziell eine Bindung staatlicher Mittel [beinhaltete] …

(189)

Die Kommission verfügt jedoch im vorliegenden Fall nicht über genügend Material, um das Vorliegen einer Beihilfe gestützt auf diese innovative These unwiderlegbar nachweisen zu können. Allerdings glaubt sie, einem herkömmlicheren Ansatz folgend und ausgehend von den Maßnahmen im Dezember [2002], die Gegenstand der Notifizierung waren, das Vorhandensein von Elementen einer Beihilfe belegen zu können.

(190)

Zum einen ist im Dezember [2002] eindeutig eine Bindung staatlicher Mittel festzustellen, zum anderen ist im Dezember [2002] ebenso eindeutig ein Vorteil für [FT] vorhanden, wenn man die Wirkung der vorausgehenden Erklärungen und Maßnahmen auf die Märkte in Betracht zieht.

(191)

In dieser Hinsicht kann der ‚Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers‘ nicht, wie von der französischen Regierung versucht wird, zur Rechtfertigung der Intervention vom Dezember [2002] angeführt werden, da das Verhalten der Wirtschaftsbeteiligten im Dezember eindeutig von den vorausgehenden Handlungen und Verlautbarungen der Regierung ab Juli [2002] beeinflusst war. Auch wenn bezweifelt werden kann, dass die [Erklärung] vom [12.] Juli [2002] konkret genug [war], um für sich genommen eine Beihilfe darzustellen, dürfte es kaum einen Zweifel daran geben, dass [eine derartige] [Erklärung] mehr als ausreichend [war], um die Wahrnehmung der Märkte zu ‚kontaminieren‘ und das spätere Verhalten der Wirtschaftsakteure zu beeinflussen. Wenn dem so ist, kann dieses Verhalten der Wirtschaftsakteure nicht als neutraler Vergleichsmaßstab für die Beurteilung des Verhaltens des [französischen] Staates herangezogen werden. Die auf den ‚Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers‘ gestützte Annahme kann also nicht die Marktlage im Dezember [2002] zum Ausgangspunkt nehmen, sondern müsste logischerweise auf eine Marktlage Bezug nehmen, die nicht durch die Auswirkungen der vorausgehenden Erklärungen ‚kontaminiert‘ ist.“

30

Nach der Feststellung, dass der FT eingeräumte Vorteil den Wettbewerb verfälsche oder zu verfälschen drohe und geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Erwägungsgründe 198 bis 201 der streitigen Entscheidung), untersuchte die Kommission in Abschnitt 8 („Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers“) der streitigen Entscheidung, ob dieser Grundsatz im Hinblick auf den Gesamtkomplex der von den französischen Stellen in den Monaten vor dem Angebot eines Aktionärsvorschusses abgegebenen Erklärungen eingehalten wurde (Erwägungsgründe 203 bis 230 der streitigen Entscheidung). Der Tenor dieser Erklärungen und ihre Wirkung auf den Markt zeigten, dass der französische Staat bereits im Juli 2002 beschlossen gehabt habe, FT zu unterstützen (203. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung).

31

Gestützt u. a. auf das Gutachten vom 28. April 2004, in dem ausgeführt wird, dass es im Anschluss an die Erklärung vom 12. Juli 2002 einen anormalen und nicht unbedeutenden Wertzuwachs der Aktien und Obligationen von FT gegeben habe, auf die Pressemitteilung von S & P vom selben Tag sowie auf einen Bericht der Deutschen Bank vom 22. Juli 2002 folgerte die Kommission, „dass der Markt [die] Erklärungen [der französischen Stellen] als Strategie einer glaubwürdigen Verpflichtung des [französischen] Staates zur Unterstützung von FT betrachtet hat“ (Erwägungsgründe 220 und 221 der streitigen Entscheidung).

32

Im 222. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung fügte die Kommission hinzu, dass diese Erklärungen überaus wichtige Auswirkungen auf den Markt gehabt hätten. Sie hätten nämlich dazu beigetragen, das Vertrauen der Finanzmärkte wiederherzustellen, und seien für die Beibehaltung des Ratings von FT als „Investment Grade“ bestimmend gewesen. Ein schlechteres Rating hätte das Angebot eines Aktionärsvorschusses unwahrscheinlich und sicherlich viel kostspieliger werden lassen.

33

Die Kommission erklärte, dass der Umstand, „[d]ass die im Dezember [2002] notifizierten Maßnahmen … für sich betrachtet den Eindruck völlig rationaler Aktionen erwecken könnten, … nichts daran [ändert], dass das Verhalten der Wirtschaftsakteure im Dezember eindeutig beeinflusst war von den Handlungen und den ihnen – insbesondere ab Juli 2002 – vorausgehenden Erklärungen des [französischen] Staates, mit denen dieser seine Absicht zu erkennen gegeben hatte, die Finanzprobleme [von FT] zu mildern“ (225. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung). In diesem Sinne stelle die Entscheidung der französischen Stellen zur Vorwegnahme der Kapitalerhöhung von FT durch Gewährung einer Kreditlinie letzten Endes die Materialisation ihrer Ankündigungen dar (226. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung).

34

Der Kommission zufolge ist es unerheblich, dass die im April 2003 durchgeführte Kapitalerhöhung von FT erfolgreich war und der Aktionärsvorschuss niemals tatsächlich zur Verfügung gestellt wurde. Bei der Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers seien nämlich die Elemente zugrunde zu legen, die dem Investor zum Zeitpunkt seiner Investitionsentscheidung vorgelegen hätten. Ferner betont die Kommission, „dass sie die Beurteilung des Verhaltens des Staates bei Anwendung des Kriteriums der Gleichzeitigkeit insoweit nicht auf das Verhalten der anderen Wirtschaftsakteure stützen kann“, als deren Verhalten ebenso wie der Markt durch die Erklärungen des Staates beeinflusst worden seien. Die Kommission erklärte: „Durch die Absichtserklärungen des [französischen] Staates, er werde das Nötige unternehmen, um [FT] die Überwindung [ihrer] Finanzprobleme zu ermöglichen, die er erstmals im Juli abgegeben und in der Folgezeit mehrfach wiederholt hat, wird die Prüfung des Gleichzeitigkeitskriteriums insoweit verfälscht, als nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Privatinvestoren ihre Entscheidungen allein auf Grundlage der Finanzsituation [von FT] trafen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob diese Erklärungen Elemente einer staatlichen Beihilfe enthielten oder nicht.“ Die Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers könne nicht auf die Marktlage im Dezember 2002 gestützt werden, sondern müsse logischerweise „von der Lage eines noch nicht durch die früheren Erklärungen und Interventionen beeinflussten Marktes ausgehen“ (227. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung).

35

Analysiert auf der Grundlage der Situation vor Juli 2002 ergebe sich, dass die betreffenden Investitionsentscheidungen nicht mit diesem Grundsatz vereinbar „erscheinen“ (228. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung). Damals habe sich FT in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befunden und das Vertrauen der Märkte verloren, und die französischen Stellen hätten weder Maßnahmen zur Verbesserung des Managements von FT und seiner Ergebnisse ergriffen, noch eine gründliche Unternehmensprüfung angeordnet, noch eine neue Konzernleitung eingesetzt, noch auch nur einen Plan zur Sanierung des Unternehmens vorbereitet. Es sei daher „unwahrscheinlich, dass ein privater Investor ab Juli 2002 ähnliche Erklärungen wie die französische Regierung abgegeben hätte – Erklärungen, die aus rein ökonomischer Sicht geeignet waren, die eigene Kreditwürdigkeit und Reputation ernsthaft aufs Spiel zu setzen, und aus juristischer Sicht einer ab diesem Zeitpunkt geltenden unbedingten Verpflichtung zur finanziellen Unterstützung [von FT] gleichkamen“. Damit wäre ein solcher Investor ein ganz erhebliches Risiko gegenüber FT eingegangen, und zwar allein und ohne jegliche Entschädigung. Selbst ein Referenzaktionär im Besitz derselben Informationen über die Finanzlage des Unternehmens, wie sie die französischen Behörden damals besessen hätten, hätte im Juli 2002 keine Unterstützungserklärung zugunsten von FT abgegeben, ohne deren Finanzlage und die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zuvor einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, um beurteilen zu können, wie hoch das mit einem solchen Vorgehen verbundene Risiko sei. Ein solcher Referenzaktionär hätte in jedem Fall die Beteiligung der Finanzmärkte benötigt, um FT zu sanieren. Doch diese Märkte „schienen damals nicht geneigt, zu investieren oder FT viel Kredit einzuräumen“ (229. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung).

36

Der Kommission zufolge erschien es daher „wenig wahrscheinlich, dass ein privater Investor in der Situation, in der sich der französische Staat im Juli 2002 befand, angesichts der wirtschaftlichen Lage von FT und mangels klarer und vollständiger Informationen hierüber Unterstützungsbekundungen zugunsten des Unternehmens abgegeben hätte“. Noch weniger wahrscheinlich sei, dass ein umsichtiger privater Kapitalgeber „einen Aktionärsvorschuss gewährt hätte und im Alleingang ein sehr beträchtliches finanzielles Risiko eingegangen wäre“ (229. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung).

37

Nach Ansicht der Kommission führten die vorstehenden Erwägungen zu dem Schluss, dass „[das Kriterium] des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers nicht beachtet wurde“ und „[d]emzufolge … der Vorteil, der FT durch [das Angebot eines] Aktionärsvorschuss[es] verschafft wurde, wenn man [es] im Licht der ihm vorausgehenden Erklärungen und Maßnahmen der französischen Behörden prüft, eine staatliche Beihilfe dar[stellt], auch wenn das Ausmaß dieses Vorteils schwer zu berechnen ist“ (230. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung).

38

Art. 1 dieser Entscheidung bestimmt: „Der Aktionärsvorschuss, den [die Französische Republik] [FT] im Dezember 2002 in Form einer Kreditlinie von 9 Mrd. Euro gewährt hat, stellt vor dem Hintergrund der ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen eine staatliche Beihilfe dar, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.“

Vorangegangene Gerichtsverfahren

39

Mit Klageschriften, die am 13. Oktober 2004 (Rechtssache T‑425/04), am 5. November 2004 (Rechtssache T‑444/04) und am 9. November 2004 (Rechtssache T‑450/04) bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhoben die Französische Republik, FT und die Unternehmen Bouygues jeweils Klage auf vollständige Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Mit Klageschrift, die am 12. November 2004 bei der Kanzlei des Gerichts einging (Rechtssache T‑456/04), erhob die Association française des opérateurs de réseaux et services de télécommunications (französischer Verband der Anbieter und Betreiber von Telekommunikationsnetzen und -diensten) (AFORS Télécom) Klage auf Nichtigerklärung von Art. 2 der streitigen Entscheidung.

40

Mit Urteil vom 21. Mai 2010, Frankreich u. a./Kommission (T‑425/04, T‑444/04, T‑450/04 und T‑456/04, EU:T:2010:216), erklärte das Gericht zum einen Art. 1 der streitigen Entscheidung für nichtig und stellte zum anderen fest, dass die Anträge auf Nichtigerklärung von Art. 2 dieser Entscheidung erledigt seien.

41

Insbesondere stellte das Gericht in Rn. 298 dieses Urteils fest, dass die Kommission nicht dargetan habe, dass die Ankündigung vom 4. Dezember 2002 eine Übertragung staatlicher Mittel bedeutet habe.

42

Zum Angebot eines Aktionärsvorschusses führte das Gericht in Rn. 299 dieses Urteils aus, dass die Kommission nicht hinlänglich nachgewiesen habe, dass sich daraus ein Vorteil ergebe, so dass eine mit diesem Vorteil etwa verbundene Übertragung staatlicher Mittel erst recht nicht festgestellt werden könne.

43

Mit Rechtsmittelschriften, die am 4. bzw. am 3. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingingen, legten die Unternehmen Bouygues (Rechtssache C‑399/10 P) und die Kommission (Rechtssache C‑401/10 P) Rechtsmittel gegen das Urteil vom 21. Mai 2010, Frankreich u. a./Kommission (T‑425/04, T‑444/04, T‑450/04 und T‑456/04, EU:T:2010:216), ein.

44

Mit Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a. (C‑399/10 P und C‑401/10 P, im Folgenden: Urteil Bouygues, EU:C:2013:175), hob der Gerichtshof das Urteil vom 21. Mai 2010, Frankreich u. a./Kommission (T‑425/04, T‑444/04, T‑450/04 und T‑456/04, EU:T:2010:216), auf, verwies die Rechtssachen T‑425/04, T‑444/04 und T‑450/04 zur Entscheidung über die beim Gericht geltend gemachten Klagegründe und die bei ihm gestellten Klageanträge, über die der Gerichtshof nicht entschieden hatte, an das Gericht zurück und behielt die Kostenentscheidung vor.

45

Hierzu stellte der Gerichtshof in Rn. 76 des Urteils Bouygues zunächst fest, dass die Kommission in der streitigen Entscheidung nicht zu dem von den Unternehmen Bouygues in ihrer Beschwerde vom 22. Januar 2003 geltend gemachten Argument Stellung genommen hat, dass die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen als solche staatliche Beihilfen darstellten. Er führte in den Rn. 73 bis 75 dieses Urteils insbesondere aus, dass diese Erklärungen nur insoweit berücksichtigt wurden, als sie objektiv für die Bewertung des Angebots eines Aktionärsvorschusses erheblich waren, und die Kommission sie daher nur insoweit geprüft hat, als sie den Hintergrund der festgestellten Beihilfe bildeten.

46

Daher stellte der Gerichtshof in Rn. 77 des Urteils Bouygues fest, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es in den Rn. 128 und 131 des Urteils vom 21. Mai 2010, Frankreich u. a./Kommission (T‑425/04, T‑444/04, T‑450/04 und T‑456/04, EU:T:2010:216), feststellte, dass Art. 1 der streitigen Entscheidung die Weigerung der Kommission enthalte, die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen als staatliche Beihilfen einzustufen. Dass die Kommission zur Einstufung dieser Erklärungen als solcher als staatliche Beihilfen nicht auf die Beschwerde der Unternehmen Bouygues Stellung bezogen hat, kann nämlich für sich genommen nicht einer Entscheidung gleichgestellt werden, mit der die Anträge dieser Beschwerdeführer zurückgewiesen werden.

47

Des Weiteren entschied der Gerichtshof in den Rn. 103 und 104 des Urteils Bouygues, dass, da die staatlichen Maßnahmen unterschiedliche Formen annehmen und nach ihren Wirkungen zu untersuchen sind, nicht ausgeschlossen werden kann, dass mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates für die Zwecke der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV als eine einzige Maßnahme zu betrachten sind. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn aufeinanderfolgende Maßnahmen insbesondere in Anbetracht ihrer zeitlichen Abfolge, ihres Zwecks und der Lage des Unternehmens zum Zeitpunkt dieser Maßnahmen derart eng miteinander verknüpft sind, dass sie sich unmöglich voneinander trennen lassen.

48

Daraus zog der Gerichtshof in Rn. 105 des Urteils Bouygues den Schluss, dass dem Gericht mit seiner Ansicht, dass die Feststellung einer Verringerung eines Postens des Staatshaushalts oder eines hinreichend konkreten, diesen Haushalt belastenden wirtschaftlichen Risikos, das eng mit einem spezifischen Vorteil verknüpft sei, der sich entweder aus der Ankündigung vom 4. Dezember 2002 oder dem Angebot eines Aktionärsvorschusses ergebe, und ihm entspreche oder diesem gegenüberstehe, ein Rechtsfehler unterlaufen ist, indem es ein Kriterium angewandt hat, das von vornherein ausschließt, dass diese staatlichen Maßnahmen nach Maßgabe ihrer Verknüpfung und ihrer Wirkungen als eine einzige Maßnahme betrachtet werden können.

49

Schließlich verfügte der Gerichtshof nach seiner Auffassung über die notwendigen Angaben für eine endgültige Entscheidung über zum einen den Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 1 der streitigen Entscheidung insofern, als sich die Kommission geweigert hat, die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen als staatliche Beihilfen einzustufen, in der Rechtssache T‑450/04 und zum anderen den zweiten Teil des zweiten Grundes und den dritten Grund, auf die die Französische Republik und FT ihre Klagen in den Rechtssachen T‑425/04 und T‑444/04 stützten, soweit dieser Teil und dieser Grund gegen die Feststellung in der streitigen Entscheidung gerichtet sind, FT sei durch den französischen Staat ein Vorteil gewährt worden.

50

Zum ersten Teil stellte der Gerichtshof in Rn. 118 des Urteils Bouygues fest, dass die Gründe, auf die der Klageantrag in der Rechtssache T‑450/04 gestützt ist, Art. 1 der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären, weil sich die Kommission geweigert habe, die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen als staatliche Beihilfen einzustufen, ins Leere gehen.

51

Zum zweiten Teil folgerte der Gerichtshof in den Rn. 129 bis 131 des Urteils Bouygues aus bestimmten Passagen der Erwägungsgründe 194 und 196 der streitigen Entscheidung, dass die Kommission der Ansicht war, die Ankündigung vom 4. Dezember 2002 und das Angebot eines Aktionärsvorschusses hätten zusammen betrachtet einen mit der Bindung staatlicher Mittel verbundenen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschafft, und dass die Kommission diese beiden Maßnahmen zu Recht gemeinsam geprüft hat, da offensichtlich ist, dass die erste nicht von der zweiten getrennt werden kann.

52

In den Rn. 140 und 141 des Urteils Bouygues stellte der Gerichtshof hingegen fest, dass der Rechtsstreit in Bezug auf den zweiten und den dritten Klagegrund, die von der Französischen Republik und von FT geltend gemacht wurden, nicht entscheidungsreif ist, soweit sich diese Klagegründe gegen die Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers durch die Kommission richten.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

53

Nach der Verkündung des Urteils Bouygues wurden die Rechtssachen T‑425/04 RENV, T‑444/04 RENV und T‑450/04 RENV der Sechsten erweiterten Kammer des Gerichts zugewiesen.

54

Mit Schreiben vom 22. Juli 2013 teilte France Télécom dem Gericht mit, dass sie ihre Firma am 1. Juli 2013 in Orange geändert habe.

55

Mit Beschlüssen des Präsidenten der Sechsten erweiterten Kammer des Gerichts vom 27. Juni 2014 wurden die Unternehmen Bouygues in der Rechtssache T‑444/04 RENV als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission gestrichen, zudem wurde die Rechtssache T‑450/04 RENV im Register des Gerichts gestrichen, da die genannten Unternehmen ihren Streithilfeantrag und ihr Rechtsmittel zurückgenommen hatten.

56

Durch Beschluss des Präsidenten der Sechsten erweiterten Kammer des Gerichts vom 15. Juli 2014 wurden die Rechtssachen T‑425/04 RENV und T‑444/04 RENV zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

57

Die Französische Republik, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland (Rechtssache T‑425/04 RENV), und Orange (Rechtssache T‑444/04 RENV) beantragten, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

58

In diesen Rechtssachen beantragte die Kommission, die Klagen als unbegründet abzuweisen und der Französischen Republik und Orange die Kosten aufzuerlegen. In der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2014 beantragte die Kommission ferner, die Klage in der Rechtssache T‑444/04 RENV als unzulässig abzuweisen.

59

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht zunächst die von der Kommission in der Rechtssache T‑444/04 RENV erhobene Einrede der Unzulässigkeit mit der Begründung zurück, Orange habe weiterhin ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung von Art. 1 der streitigen Entscheidung.

60

Anschließend prüfte es den Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 1 der streitigen Entscheidung. Im Rahmen dieser Prüfung wies das Gericht zum einen jeweils den ersten Klagegrund zurück, mit dem in beiden Fällen eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften und der Verteidigungsrechte geltend gemacht worden war. Zum anderen prüfte es jeweils den zweiten und den dritten Klagegrund, mit denen Rechtsfehler und offensichtliche Ermessensfehler bei der Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers geltend gemacht worden waren, und gab diesen Klagegründen statt. Daher erklärte es Art. 1 der streitigen Entscheidung für nichtig.

61

Schließlich stellte das Gericht fest, dass unter diesen Umständen über die Anträge der Französischen Republik und von Orange auf Nichtigerklärung von Art. 2 der streitigen Entscheidung nicht mehr zu entscheiden sei.

62

In Anbetracht dieser Erwägungen verurteilte das Gericht die Kommission, ihre eigenen Kosten sowie acht Zehntel der Kosten der Französischen Republik und von Orange zu tragen.

Anträge der Parteien

63

Die Kommission beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit in den Rechtssachen T‑425/04 und T‑444/04 Art. 1 der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt und sie zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie von acht Zehnteln der Kosten der Französischen Republik und von Orange verurteilt wurde,

die Klagen der Französischen Republik und von Orange in den Rechtssachen T‑425/04 und T‑444/04 abzuweisen und

der Französischen Republik und Orange die Kosten aufzuerlegen.

64

Hilfsweise beantragt die Kommission, die Rechtssachen T‑425/04 und T‑444/04 an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

65

Orange und die Französische Republik beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

66

Hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof das angefochtene Urteil aufhebt, beantragt die Französische Republik, die Rechtssache T‑425/04 RENV an das Gericht zur Entscheidung über den ersten Teil des zweiten Klagegrundes sowie über den dritten und den vierten Klagegrund zurückzuverweisen.

67

Weiter hilfsweise beantragt die Französische Republik, dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes sowie dem dritten und dem vierten Klagegrund stattzugeben und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

68

Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe, nämlich erstens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, zweitens sieben gesonderte Verstöße gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, drittens eine Überschreitung der Grenzen der gerichtlichen Kontrolle und viertens eine fehlerhafte Auslegung oder sogar Verfälschung der streitigen Entscheidung.

69

Orange hält den ersten und den zweiten Rechtsmittelgrund für unzulässig.

Zur Zulässigkeit des ersten und des zweiten Rechtsmittelgrundes

Vorbringen von Orange

70

Orange trägt vor, dass Art. 1 der streitigen Entscheidung zufolge von den Maßnahmen des französischen Staats nur die Ankündigung vom 4. Dezember 2002 und das Angebot eines Aktionärsvorschusses als eine einzige Maßnahme, die als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sei, angesehen werden könnten und dass die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen darin nur als zum Kontext gehörend berücksichtigt worden seien. Dies sei in den verschiedenen Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof auch die Argumentation der Kommission gewesen.

71

Insbesondere sei die Kommission, wie sich aus Rn. 259 des angefochtenen Urteils ergebe, selbst auf ausdrückliche und konkrete Befragung durch das Gericht hierzu, nicht so weit gegangen, zu behaupten, dass die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen wie die Ankündigung vom 4. Dezember 2002 und das Angebot eines Aktionärsvorschusses Bestandteile einer als staatliche Beihilfe qualifizierten, einzigen Maßnahme seien.

72

Daher ist Orange der Auffassung, dass der erste und der zweite Rechtsmittelgrund für unzulässig zu erklären seien, da die Kommission darin neue Argumente geltend mache, mit denen sie dem Gericht vorwerfe, sich nicht zu der Frage geäußert zu haben, ob die genannten Erklärungen als Bestandteil der einzigen Maßnahme anzusehen seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

73

Es genügt der Hinweis, dass die Kommission, wie sowohl aus den Erklärungen der französischen Regierung als auch aus Rn. 255 des angefochtenen Urteils hervorgeht, vor dem Gericht vorgetragen hat, dass die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen als Bestandteil der einzigen Maßnahme zugunsten von FT anzusehen seien, und das Gericht auf dieses Vorbringen in den Rn. 256 bis 261 des angefochtenen Urteils ausdrücklich eingegangen ist.

74

Daher ist die von Orange erhobene Einrede der Unzulässigkeit, mit der geltend gemacht wird, dass es sich um ein neues Vorbringen im Rahmen des Rechtsmittels handele, zurückzuweisen.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

Vorbringen der Kommission

75

Die Kommission macht geltend, das Gericht habe die im Urteil Bouygues aufgestellten Grundsätze außer Acht gelassen und sei ferner nicht hinreichend auf die Argumente eingegangen, die sie im Rahmen des Verfahrens nach der Zurückverweisung geltend gemacht habe. Schließlich enthielten seine Erwägungen Widersprüche.

76

Das Gericht habe nämlich bei der Darstellung der von ihm im Hinblick auf das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers als relevant angesehenen Rechtsprechung in den Rn. 185 bis 196 des angefochtenen Urteils das Urteil Bouygues nicht erwähnt und es somit versäumt, sich die Frage zu stellen, ob der Inhalt dieses Kriteriums in diesem Urteil näher bestimmt worden sei.

77

Des Weiteren habe die Kommission in ihrer Stellungnahme nach der Zurückverweisung erläutert, inwiefern die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen objektiv in den Kontext der Prüfung des Angebots eines Aktionärsvorschusses gehörten und zeitlich, wirtschaftlich und funktional damit verknüpft seien, so dass sie zusammen mit diesem Angebot eine einzige Maßnahme darstellten. Zwar habe das Gericht in den Rn. 255 bis 258 des angefochtenen Urteils einige Aspekte des Begriffs „einzige Maßnahme“ untersucht, habe sich jedoch auf die Prüfung semantischer Fragen beschränkt, um eine wirkliche Prüfung des Vorbringens der Kommission nicht vornehmen zu müssen.

78

Schließlich habe sich das Gericht selbst widersprochen, als es einerseits in den Rn. 219 und 222 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass man sich für die Prüfung der Frage, ob sich der französische Staat wie ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhalten habe, in den Kontext der Zeit – nämlich Dezember 2002 – zurückversetzen müsse, in der die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen getroffen worden seien, und die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen somit aus diesem Kontext auszuschließen seien, und andererseits in den Rn. 227 und 228 dieses Urteils entschieden habe, dass die Kommission für die Beurteilung, ob das Verhalten des französischen Staates wirtschaftlich vernünftig gewesen sie, alle Punkte habe berücksichtigen können, die diesen Kontext ausgemacht hätten, einschließlich dieser Erklärungen.

Würdigung durch den Gerichtshof

79

Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der in Art. 296 AEUV vorgesehenen Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission,C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 146 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bedeutet die Pflicht zur Begründung der Urteile, die dem Gericht nach den Art. 36 und 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt, nicht, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandeln muss. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erfahren, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen eines Rechtsmittels wahrnehmen kann (Urteil vom 8. März 2016, Griechenland/Kommission,C‑431/14 P, EU:C:2016:145, Rn. 38).

81

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Begründung in den Rn. 185 bis 196, 219, 222, 227, 228 und 255 bis 258 des angefochtenen Urteils es den Betroffenen, insbesondere der Kommission, ermöglicht, die Gründe zu erfahren, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels wahrnehmen kann.

82

Wie die französische Regierung und Orange zutreffend geltend machen, kann nämlich weder der Umstand, dass das Gericht in der Bezugnahme auf die Rechtsprechung in den Rn. 185 bis 196 des angefochtenen Urteils das Urteil Bouygues nicht erwähnt hat, noch der Umstand, dass es das Vorbringen der Kommission, nach einer eingehenden Prüfung in den Rn. 255 bis 258 des angefochtenen Urteils, zurückgewiesen hat, für sich genommen einen Begründungsmangel darstellen.

83

Darüber hinaus beruht das Vorbringen der Kommission, die Rn. 219 bis 222 des angefochtenen Urteils stünden im Widerspruch zu den Rn. 227 und 228 dieses Urteils, auf einem falschen Verständnis dieser Randnummern. Das Gericht hat darin nämlich lediglich darauf hingewiesen, dass sich die Kommission nicht – unter Ausschluss anderer für die Prüfung relevanter Gesichtspunkte – darauf beschränken könne, die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen.

84

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der erste Rechtsmittelgrund als jeglicher Grundlage entbehrend zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: Überschreitung der Grenzen der gerichtlichen Kontrolle

Vorbringen der Kommission

85

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund, der an zweiter Stelle zu prüfen ist, macht die Kommission geltend, das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers verlange eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung, bei der ihr ein weites Ermessen eingeräumt sei. Folglich müsse sich die gerichtliche Kontrolle in diesem Bereich grundsätzlich auf die Prüfung beschränken, ob ein offensichtlicher Fehler bei der Würdigung der Tatsachen vorliege. Insbesondere dürfe der Unionsrichter im Rahmen dieser Kontrolle ihre wirtschaftliche Beurteilung nicht durch seine eigene ersetzen.

86

Als das Gericht in den Rn. 235 und 236 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass es im vorliegenden Fall auf die Wahrnehmung der ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen durch den Markt nicht ankomme, habe es jedoch die Einschätzung der Kommission durch seine eigene Einschätzung ersetzt, obwohl es sich darauf hätte beschränken müssen, zu prüfen, ob die Erwägungsgründe 210, 217 und 229 der streitigen Entscheidung mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

87

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff der staatlichen Beihilfe, wie er im AEU-Vertrag definiert ist, ein Rechtsbegriff und anhand objektiver Kriterien auszulegen. Deshalb hat der Unionsrichter die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, grundsätzlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits und des technischen oder komplexen Charakters der von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen umfassend zu prüfen (Urteil vom 21. Juni 2012, BNP Paribas und BNL/Kommission, C‑452/10 P, EU:C:2012:366, Rn. 100).

88

Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die gerichtliche Nachprüfung in Bezug auf die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, beschränkt ist, wenn die Beurteilungen der Kommission technischen oder komplexen Charakter haben (Urteil vom 21. Juni 2012, BNP Paribas und BNL/Kommission, C‑452/10 P, EU:C:2012:366, Rn. 103).

89

Hat die Kommission bei der Prüfung, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, das Kriterium des umsichtigen marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers anzuwenden, setzt die Verwendung dieses Kriteriums im Allgemeinen eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung durch die Kommission voraus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. September 2010, Kommission/Scott,C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 68).

90

Im vorliegenden Fall betreffen zum einen die von der Kommission beanstandeten Erwägungen des Gerichts, wie die französische Regierung und Orange zutreffend geltend machen, nicht die Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers als solche, sondern den Zeitpunkt, in den sich die Kommission versetzen musste, um diese Beurteilung vorzunehmen, und damit die Beweise, die sie hierbei zu berücksichtigen hatte.

91

Selbst wenn man mit der Kommission annimmt, dass die vom Gericht in dieser Hinsicht auszuübende Kontrolle beschränkt ist, bedeutet dies zum anderen nicht, dass sich das Gericht einer Kontrolle der rechtlichen Einordnung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission enthalten musste. Obwohl es nicht die wirtschaftliche Beurteilung der Kommission durch seine eigene zu ersetzen hat, geht nämlich aus nunmehr ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass der Unionsrichter nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen muss, sondern auch zu kontrollieren hat, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. u. a. Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 46).

92

In den Rn. 235 bis 248 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Würdigung der Beweise durch die Kommission, auf die diese ihre Auffassung stützte, dass bei der Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf Juli 2002 und nicht auf Dezember 2002 abzustellen sei, jedoch gerade geprüft. Hierbei hat es festgestellt, dass diese Würdigung auf einer selektiven Berücksichtigung der verfügbaren Beweise beruhe und dass diese Beweise nicht geeignet seien, die Schlussfolgerungen zu stützen, die die Kommission aus ihnen gezogen habe. Es hat daher entschieden, dass die Würdigung durch die Kommission mit einem offensichtlichen Fehler behaftet sei.

93

Somit hat das Gericht in Anbetracht der in Rn. 91 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung und entgegen dem Vorbringen der Kommission die Grenzen der von ihm auszuübenden Kontrolle bei dieser Prüfung nicht überschritten.

94

Der dritte Rechtsmittelgrund ist damit als unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Auslegung oder sogar Verfälschung der streitigen Entscheidung sowie Verfälschung der Tatsachen

Vorbringen der Kommission

95

Mit dem vierten Rechtsmittelgrund, der an dritter Stelle zu prüfen ist, macht die Kommission zum einen geltend, das Gericht habe die streitige Entscheidung verfälscht, als es in den Rn. 246 bis 248 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass eine bloße Erwartung des Marktes keine Handlungsverpflichtung begründen könne und dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass es den Ruf des Staates auf den Finanzmärkten gefährden könnte, wenn er seine Erklärungen in Bezug auf FT nicht einhielte. Der 217. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung enthalte nämlich einen solchen Nachweis, der durch konkrete Angaben gestützt sei.

96

Zum anderen habe das Gericht auch die Tatsachen verfälscht, als es angenommen habe, dass ein umsichtiger privater Kapitalgeber entsprechende Erklärungen wie die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen hätte abgeben können, obwohl bis Anfang Dezember 2002 weder die französische Regierung noch FT über einen Sanierungsplan und eine Schätzung des erforderlichen Kapitals verfügt hätten. In Ermangelung von Informationen zum finanziellen Ertrag seiner Maßnahme könne ein Staat nicht behaupten, wie ein umsichtiger privater Kapitalgeber zu handeln.

Würdigung durch den Gerichtshof

97

Nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist allein das Gericht zuständig für die Feststellung der Tatsachen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und für ihre Würdigung (Urteile vom 6. April 2006, General Motors/Kommission,C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 51, und vom 29. März 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission,C‑352/09 P, EU:C:2011:191, Rn. 179).

98

Folglich stellt die Tatsachenwürdigung, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteile vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C‑397/03 P, EU:C:2006:328, Rn. 85, sowie vom 29. März 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission,C‑352/09 P, EU:C:2011:191, Rn. 180).

99

Behauptet ein Rechtsmittelführer eine Verfälschung von Beweismitteln durch das Gericht, muss er nach Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben, welche Beweismittel das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben (Urteil vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission,C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner muss sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 27. Oktober 2011, Österreich/Scheucher-Fleisch u. a.,C‑47/10 P, EU:C:2011:698, Rn. 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

100

Zunächst ergibt sich im vorliegenden Fall aus Rn. 246 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht den 217. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung berücksichtigt hat, wie die französische Regierung zu Recht geltend macht.

101

Des Weiteren ist in Rn. 92 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass das Gericht in den Rn. 235 bis 248 des angefochtenen Urteils die von der Kommission vorgenommene Würdigung der Beweise, auf die die Kommission ihre Auffassung stützte, dass für die Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf Juli 2002 und nicht auf Dezember 2002 abzustellen sei, geprüft und festgestellt hat, dass diese Würdigung auf einer selektiven Berücksichtigung der verfügbaren Beweise beruhe und dass diese Beweise nicht geeignet seien, die Schlussfolgerungen zu stützen, die die Kommission aus ihnen gezogen habe.

102

Schließlich ist festzustellen, dass die Kommission in ihrem Vorbringen nicht genau angibt, welche Beweise das Gericht offensichtlich verfälscht haben soll, sondern die Tatsachenwürdigung durch das Gericht beanstandet, nach der die Schlussfolgerungen in der streitigen Entscheidung durch die zu ihrer Stützung geltend gemachten Beweise nicht rechtlich hinreichend belegt seien.

103

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen kann die Kommission dem Gericht daher nicht vorwerfen, die streitige Entscheidung und die Beweise verfälscht zu haben.

104

Der vierte Rechtsmittelgrund ist damit als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstöße gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV

Vorbringen der Kommission

105

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe dadurch, dass es die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen losgelöst von der Ankündigung vom 4. Dezember 2002 und dem Angebot eines Aktionärsvorschusses betrachtet habe, die Beruhigung der Märkte durch diese Erklärungen von der Erhöhung der Finanzierungsmittel getrennt und sei damit einer pointillistischen Herangehensweise gefolgt, die auf sieben verschiedenen Rechtsfehlern beruhe, die ebenso viele Verstöße gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV begründeten. Dieses Vorbringen gliedert sich in sieben Teile.

106

Mit dem ersten Teil macht die Kommission geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es in den Rn. 219 bis 248 des angefochtenen Urteils für die Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf einen konkreten Zeitpunkt abgestellt habe. Dieser Herangehensweise stehe Rn. 103 des Urteils Bouygues entgegen, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates für die Zwecke der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV als eine einzige Maßnahme zu betrachten seien.

107

Der Gerichtshof habe nämlich nicht nur entschieden, dass mehrere, nicht gleichzeitig eintretende Ereignisse zusammen geprüft werden könnten, sondern auch anerkannt, dass nicht jedes dieser Ereignisse sowohl die Gewährung eines Vorteils als auch eine Übertragung staatlicher Mittel zu beinhalten brauche. Es genüge, wenn diese Merkmale durch das eine oder das andere Ereignis oder durch ihre Verknüpfung erfüllt seien.

108

Somit sei weder davon auszugehen, dass das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden sei, noch davon, dass das Vorliegen eines sich aus staatlichen Mitteln ergebenden Vorteils Voraussetzung für die Anwendung dieses Kriteriums sei, wie das Gericht in den Rn. 202, 203 und 226 des angefochtenen Urteils unzutreffend entschieden habe.

109

Indessen habe die Kommission insbesondere in den Erwägungsgründen 222 und 225 der streitigen Entscheidung erläutert, dass die auf die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen zurückzuführende Beibehaltung des Ratings von FT als „Investment Grade“ einen bestimmenden Einfluss u. a. auf die Maßnahmen von Dezember 2002 gehabt habe. Es handele sich um einen fortlaufenden Prozess der Unterstützung von FT, der im Juli 2002 begonnen und sich im Dezember 2002 konkretisiert habe.

110

Mit dem zweiten Teil macht die Kommission geltend, das Gericht habe, als es in Rn. 205 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers nur auf die Ankündigung vom 4. Dezember 2002 und das Angebot eines Aktionärsvorschusses zusammen betrachtet anzuwenden gewesen sei, sowohl die enge Verbindung zwischen dem festgestellten Vorteil und der Anwendung dieses Kriteriums als auch die sich aus dem Urteil Bouygues ergebende Rechtsprechung verkannt.

111

Da das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers dazu diene, eine Maßnahme, die nach dem ersten Anschein einen Vorteil begründe, auszuschließen, müsse nämlich der sachliche und zeitliche Bereich der Prüfung der den Vorteil begründenden Maßnahmen mit demjenigen zusammenfallen, auf den dieses Kriterium Anwendung finde. Wenn der Vorteil seine Wirkungen in einem bestimmen Zeitraum entfalte, könne dieses Kriterium somit nicht bloß auf einen Teil dieses Zeitraums angewandt werden.

112

Im vorliegenden Fall habe der Gerichtshof in den Rn. 132 bis 139 des Urteils Bouygues festgestellt, dass sich der FT gewährte Vorteil in zwei Teile gliedere, nämlich die Aufstockung der Finanzmittel von FT und die sich aus den ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen ergebende Beruhigung des Marktes hinsichtlich der Fähigkeit von FT, ihre fälligen Verbindlichkeiten einzulösen.

113

Im dritten Teil vertritt die Kommission die Auffassung, das Gericht habe, indem es in den Rn. 227 bis 232 und 255 bis 261 des angefochtenen Urteils eine semantische Unterscheidung zwischen den geprüften staatlichen Maßnahmen und den zum Kontext gehörenden Umständen vorgenommen habe, gegen den Grundsatz verstoßen, dass die Prüfung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe anhand der Wirkungen und nicht anhand der Form oder der Semantik durchzuführen sei. Es bestehe nämlich ein bloßer semantischer Unterschied zwischen der Prüfung einer staatlichen Maßnahme im Kontext einer anderen staatlichen Maßnahme, mit der sie untrennbar verknüpft sei, und der gemeinsamen Prüfung dieser beiden Maßnahmen.

114

Im vorliegenden Fall seien aber die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen und das Angebot eines Aktionärsvorschusses untrennbar miteinander verknüpft, da die Marktlage im Dezember 2002 durch diese Erklärungen verfälscht gewesen sei und sich das Angebot eines Aktionärsvorschusses ohne diese Erklärungen nicht hätte realisieren können und es seine Wirkungen nicht hätte entfalten können.

115

Darüber hinaus beruhten die Ausführungen des Gerichts, wonach sich aus der streitigen Entscheidung, den Schriftsätzen der Kommission und dem Urteil Bouygues nicht ergebe, dass die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen und das Angebot eines Aktionärsvorschusses eine einzige Maßnahme bildeten, und der Gerichtshof entschieden habe, dass diese Erklärungen nicht Gegenstand der Entscheidungen der Kommission seien, auf einer unzutreffenden Auslegung dieser Dokumente.

116

Mit dem vierten Teil macht die Kommission geltend, das Gericht habe der Bestimmung der genauen Modalitäten der Unterstützung, die der französische Staat FT geleistet habe, entscheidende Bedeutung zugemessen und infolgedessen die Wirkungen der ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen vernachlässigt, obwohl diese von wesentlicher Bedeutung seien. Es sei nicht erforderlich, dass die geprüften Maßnahmen ihrer Natur nach gleich seien, um als untrennbar verknüpft angesehen zu werden. In den Rn. 132 bis 136 des Urteils Bouygues habe der Gerichtshof nämlich auf diese Erklärungen und ihre Wirkungen Bezug genommen, um einen mit dem Angebot eines Aktionärsvorschusses verbundenen Vorteil festzustellen. Dies zeige, dass sie in die Prüfung einzubeziehen gewesen seien.

117

Im Rahmen des fünften Teils weist die Kommission darauf hin, dass der Gerichtshof in den Rn. 103 und 104 des Urteils Bouygues entschieden habe, dass mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates für die Zwecke der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV als eine einzige Maßnahme zu betrachten seien, wenn sie in Anbetracht ihrer zeitlichen Abfolge, ihres Zwecks und der Lage des Unternehmens zum Zeitpunkt dieser Maßnahmen derart eng miteinander verknüpft seien, dass sie sich unmöglich voneinander trennen ließen.

118

Außerdem habe der Gerichtshof in den Rn. 132 bis 136 dieses Urteils nahegelegt, dass die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen objektiv zum Kontext der Prüfung des Angebots eines Aktionärsvorschusses gehörten.

119

Die vom Gerichtshof in den Rn. 103 und 104 des Urteils Bouygues aufgestellten Kriterien seien im vorliegenden Fall angesichts der engen und untrennbaren Verknüpfungen zwischen den genannten Erklärungen und dem genannten Angebot erfüllt. Wie sich aus diesen Randnummern schließen lasse, seien alle diese aufeinanderfolgenden Maßnahmen somit als eine einzige Maßnahme zu betrachten.

120

Im Übrigen habe die Kommission in den Erwägungsgründen 203 bis 230 der streitigen Entscheidung das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf den gesamten Vorgang der Rettung von FT angewandt, und zwar von Beginn an, d. h. ab der Erklärung vom 12. Juli 2002, die den gesamten Fortgang dieser Rettung bestimmt habe. Ferner habe sie in den Erwägungsgründen 215 bis 218 der streitigen Entscheidung dargetan, dass die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen ein wirtschaftliches und rechtliches Risiko begründet hätten, das die Mittel des französischen Staates hätte gefährden können.

121

Mit dem sechsten Teil macht die Kommission geltend, das Gericht habe in den Rn. 230 bis 232 und 249 bis 254 des angefochtenen Urteils fehlerhaft einen im Dezember 2002 aufgetretenen Bruch in der Folge der betreffenden staatlichen Maßnahmen festgestellt, da es fälschlicherweise im Sinne einer Begrenzung der Prüfung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf einen bestimmten Zeitpunkt, nämlich den 4. Dezember 2002, abgestellt und sich auf Umstände gestützt habe, die einen solchen Bruch nicht erkennen ließen und die durch die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen beeinflusst seien.

122

Wegen des bestimmenden Einflusses der ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen hätte jedoch auch eine autonome Entscheidung privater Wirtschaftsteilnehmer nicht genügt, um die Verknüpfung zwischen diesen Erklärungen und dem Angebot eines Aktionärsvorschusses zu beseitigen.

123

Die Feststellung des Gerichts in den Rn. 249 bis 254 des angefochtenen Urteils, dass im Dezember 2002 ein erheblicher Bruch aufgetreten sei, da die zunächst angekündigte Verpflichtung konkret geworden sei, stehe zudem im Widerspruch sowohl zu der vom Gericht selbst in den Rn. 212 bis 215 dieses Urteils getroffenen tatsächlichen Feststellung, dass die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen FT einen Vorteil gewährt hätten, der bis mindestens 17. Dezember 2002 fortbestanden habe, als auch zu den endgültigen tatsächlichen Feststellungen des Gerichtshofs in Rn. 133 des Urteils Bouygues.

124

Mit dem siebten Teil weist die Kommission auf die Ausführungen des Gerichts in den Rn. 246 und 247 des angefochtenen Urteils hin, wonach selbst unter Berücksichtigung der gesamten Folge von Interventionen des französischen Staates von Juli bis Dezember 2002 sämtliche Schritte dieses Verfahrens in gleicher Weise von einem umsichtigen marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgeber hätten vorgenommen werden können, der sicherstelle, dass alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllt seien, ehe er eine unwiderrufliche Unterstützungs- oder Investitionszusage abgebe. Dem Gericht zufolge habe der französische Staat mithin beabsichtigt, unter Einsatz seines Rufs die Märkte zu beeinflussen und ihr Vertrauen wiederzugewinnen, und insbesondere versucht, die Bewertung von FT beizubehalten, um eine solide und kostengünstigere Refinanzierung dieses Unternehmens zu einem späteren Zeitpunkt vorzubereiten.

125

Mit diesen Erwägungen habe das Gericht die Gefährdung des Ansehens, zu der eine nicht eingehaltene Zusage führe, und die besondere Situation des Staates, der eine solche Zusage abgebe, verkannt. Die Wirtschaftsteilnehmer schenkten den Unterstützungszusagen des betreffenden Staates an öffentliche Unternehmen umso weniger Glauben, als diesen Zusagen keine Wirkungen folgten. Zwar habe die Kommission im 219. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung tatsächlich davon Abstand genommen, das Vorliegen von Beihilfen allein auf der Grundlage der ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen festzustellen, dies bedeute jedoch nicht, dass sie Zweifel daran habe, dass das Ansehen des französischen Staates durch eine Nichteinhaltung seiner Zusagen gefährdet würde.

126

Vor diesem Hintergrund habe das Gericht dadurch Rechtsfehler begangen, dass es verlangt habe, dass die Übertragung staatlicher Mittel gleichzeitig mit der Gewährung des Vorteils erfolgen müsse, und angenommen habe, dass eine Gefährdung des Ansehens nur bestehen könne, wenn eine Bindung staatlicher Mittel vorliege.

127

Ferner wiesen Verpflichtungszusagen des Staates die Besonderheit auf, dass sie nicht nur die Kreditwürdigkeit des Staates als Aktionär, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Staates als öffentliche Gewalt aufs Spiel setzten, auch wenn der Staat erkläre, sich in seiner Eigenschaft als Aktionär zu äußern, da die Einhaltung der Zusagen auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit sei.

128

Schließlich habe das Gericht seine Erwägungen in Rn. 247 des angefochtenen Urteils, wonach der Staat als Aktionär mit einem globalen Wirtschaftsteilnehmer zu vergleichen sei, nicht rechtlich hinreichend begründet. Es sei nämlich nicht möglich, das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf den Staat als globalen Akteur anzuwenden, ohne dass besondere Umstände dies rechtfertigten.

Würdigung durch den Gerichtshof

129

Mit der Argumentation, die sie in den sieben Teilen des zweiten Rechtsmittelgrundes darlegt, beabsichtigt die Kommission im Wesentlichen, darzutun, dass das Gericht einen Rechtsfehler bei der Bestimmung des Zeitpunkts, auf den die Kommission bei der Würdigung anhand des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers abzustellen hatte, begangen habe. Dieser Zeitpunkt sei nämlich Juli 2002 und nicht wie das Gericht unzutreffend entschieden habe, Dezember 2002.

130

Erstens ist, soweit die Kommission im Rahmen der Teile 2 bis 5 des Rechtsmittelgrundes geltend macht, dass sich der im Urteil Bouygues festgestellte Vorteil auf die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen erstrecke, darauf hinzuweisen, dass diese Argumentation der Auslegung der streitigen Entscheidung zuwiderläuft, die der Gerichtshof selbst in den Rn. 70 bis 75 und 126 bis 129 des Urteils Bouygues vorgenommen hat.

131

In diesen Randnummern hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass der durch diese Entscheidung festgestellte Vorteil ausschließlich in der Ankündigung vom 4. Dezember 2002 in Verbindung mit dem Angebot eines Aktionärsvorschusses besteht. Umgekehrt ergibt sich aus den Rn. 132, 134, 136 und 139 dieses Urteils implizit, aber zwangsläufig, dass der Gerichtshof diesen Vorteil nicht auf die ab Juli 2002 abgegebenen Erklärungen erstrecken wollte, da diese lediglich zum Kontext der so festgestellten Beihilfemaßnahme gehören.

132

Somit ist die Argumentation der Kommission, da sie auf einem falschen Verständnis des Urteils Bouygues beruht und auch nicht dem Inhalt der streitigen Entscheidung selbst entspricht, als nicht stichhaltig zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil Bouygues, Rn. 79).

133

Zweitens beruht die im ersten Teil dargelegte Argumentation zudem auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Urteils, da das Gericht in den Rn. 219 bis 222 dieses Urteils festgestellt hat, dass bei der Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf die Zeit abzustellen sei, „in der die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen getroffen wurden“, also im vorliegenden Fall „auf die Ankündigung vom 4. Dezember 2002 verbunden mit dem Angebot eines Aktionärsvorschusses“.

134

Somit hat das Gericht auf die beiden Ereignisse abgestellt, die nach der sich aus dem Urteil Bouygues ergebenden Rechtsprechung den fraglichen Vorteil bilden, und entgegen dem Vorbringen der Kommission keineswegs ausgeschlossen, dass es notwendig sein könnte, bei der erforderlichen Prüfung nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt, sondern auf einen Zeitraum abzustellen.

135

Der erste Teil ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

136

Der sechste Teil ist ebenfalls zurückzuweisen, da er zum einen auf demselben falschen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht und zum anderen erkennen lässt, dass sich die Kommission darauf beschränkt, die Würdigung der Tatsachen durch das Gericht hinsichtlich der Frage, ob die tatsächlichen Umstände, die zwischen Juli 2002 und Dezember 2002 vorherrschten, einen Bruch in der Folge der staatlichen Maßnahmen erkennen ließen, zu beanstanden.

137

Drittens ist festzustellen, dass das Vorbringen der Kommission im siebten Teil unzulässig ist, da damit die tatsächliche Würdigung des Gerichts in Frage gestellt werden soll, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich ein privater Kapitalgeber zwischen Juli und Dezember 2002 ähnlich verhalten hätte wie der französische Staat.

138

Viertens ist, da das Vorbringen der Kommission insgesamt dahin zu verstehen ist, dass nach ihrer Ansicht zwischen der gewährten Beihilfe und Umständen, die in ihrem Kontext stehen, eine untrennbare Verknüpfung besteht, die zur Folge habe, dass bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme anhand des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers ungeachtet der Tatsache, dass die genannten Umstände von der Beihilfemaßnahme zu trennen seien, auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem diese Umstände eingetreten seien, und nicht auf den Zeitpunkt, zu dem die Maßnahme erlassen worden sei, auf Folgendes hinzuweisen.

139

Zunächst ergibt sich aus dem Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF (C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 85), dass Umstände, die nach dem Erlass der betreffenden Maßnahme eintreten, bei der Würdigung anhand des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers nicht berücksichtigt werden können.

140

Des Weiteren ergibt sich aus diesem Urteil, dass diese Würdigung anhand der im Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der Kapitalanlage verfügbaren Informationen durchzuführen ist (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF,C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 105).

141

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über die Vornahme der Kapitalanlage und der Erlass der Maßnahme zeitlich nicht unbedingt zusammenfallen und diese Entscheidung deutlich vor dem Erlass der Maßnahme getroffen worden sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF,C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 105).

142

Im vorliegenden Fall hat das Gericht nach einer freien Würdigung des Sachverhalts in den Rn. 222 bis 232 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das Angebot eines Aktionärsvorschusses erst im Dezember 2002 erfolgt sei. In den Rn. 234 bis 245 dieses Urteils hat es die Feststellung getroffen, dass die französische Regierung im Juli 2002 keine feste Zusage gegeben habe. In den Rn. 249 bis 254 des angefochtenen Urteils hat es festgestellt, dass die Entscheidung, FT durch das Angebot eines Aktionärsvorschusses finanziell zu unterstützen, nicht im Juli 2002, sondern Anfang Dezember 2002 getroffen worden sei.

143

Den Zeitpunkt, auf den für die Beurteilung anhand des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers abzustellen ist, auf Juli 2002 vorzuziehen, hätte zwangsläufig dazu geführt, bei dieser Beurteilung Umstände, die zwischen Juli 2002 und Dezember 2002 eingetreten sind, unberücksichtigt zu lassen, wie das Gericht in Rn. 230 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt hat.

144

Ein solches Ergebnis wäre jedoch mit der in Rn. 91 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu vereinbaren, nach der die Kommission bei ihrer Beurteilung alle relevanten Informationen heranzuziehen hat.

145

Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

146

Nach alledem ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Kosten

147

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

148

Nach Art. 138 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

149

Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen der französischen Regierung und von Orange die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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Referenzen

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