Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-577/15
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
14. Dezember 2016 ( *1 )
„Rechtsmittel — Antrag auf Einleitung einer Untersuchung gegen die estnische und die finnische Finanzaufsichtsbehörde — Beschluss der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) — Beschluss des Beschwerdeausschusses der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden — Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 — Art. 17 und 60 — Beschwerdeausschuss — Klagefrist — Entschuldbarer Irrtum“
In der Rechtssache C‑577/15 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 9. November 2015,
SV Capital OÜ mit Sitz in Tallinn (Estland), Prozessbevollmächtigter: M. Greinoman, vandeadvokaat,
Klägerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Bankenaufsicht (EBA), Prozessbevollmächtigte: J. Overett Somnier und Z. Giotaki als Bevollmächtigte im Beistand von F. Tuytschaever, advocaat,
Beklagte im ersten Rechtszug,
unterstützt durch:
Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls und K.‑P. Wojcik als Bevollmächtigte,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev, C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
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Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die SV Capital OÜ die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 9. September 2015, SV Capital/EBA (T‑660/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:608), soweit das Gericht
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Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2006/48/EG
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Art. 11 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2006, L 177, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 (ABl. 2010, L 329, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2006/48) sieht vor: „(1) Die zuständigen Behörden erteilen dem Kreditinstitut die Zulassung nur unter der Bedingung, dass die Zahl der Personen, welche die Geschäftstätigkeit des Kreditinstituts tatsächlich bestimmen, mindestens zwei beträgt. Sie erteilen die Zulassung nicht, wenn diese Personen nicht die notwendige Zuverlässigkeit oder angemessene Erfahrung besitzen, um diese Aufgaben wahrzunehmen. … (2) Die Mitgliedstaaten verlangen, dass
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Art. 22 der Richtlinie 2006/48 bestimmt: „(1) Die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats verlangen, dass jedes Kreditinstitut über eine solide Unternehmenssteuerung verfügt, wozu eine klare Organisationsstruktur mit genau abgegrenzten, transparenten und kohärenten Verantwortungsbereichen, wirksame Verfahren zur Ermittlung, Steuerung, Überwachung und Meldung der Risiken, denen es ausgesetzt ist oder ausgesetzt sein könnte, angemessene interne Kontrollmechanismen, einschließlich solider Verwaltungs- und Rechnungslegungsverfahren, sowie eine Vergütungspolitik und ‑praxis, die mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar und diesem förderlich ist, zählen. (2) Die in Absatz 1 genannten Regeln, Verfahren und Mechanismen müssen umfassend und der Art, dem Umfang und der Komplexität der Geschäfte des Kreditinstituts angemessen sein. Sie tragen den in Anhang V festgelegten technischen Kriterien Rechnung.“ |
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In Art. 40 dieser Richtlinie heißt es: „(1) Die Bankenaufsicht über ein Kreditinstitut einschließlich der Tätigkeiten, die es gemäß den Artikeln 23 und 24 ausübt, obliegt den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats; die Bestimmungen dieser Richtlinie, die eine Zuständigkeit der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats vorsehen, bleiben hiervon unberührt. (2) Absatz 1 steht einer Aufsicht auf konsolidierter Basis nach dieser Richtlinie nicht entgegen.“ |
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Art. 42 der Richtlinie 2006/48 sieht vor: „Bei der Überwachung der Tätigkeit der Kreditinstitute, die über eine Zweigniederlassung in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten als ihrem Sitzland Geschäfte betreiben, arbeiten die zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten eng zusammen. Sie teilen einander alle Informationen über die Leitung, die Verwaltung und die Eigentumsverhältnisse mit, welche die Aufsicht über die Kreditinstitute und die Prüfung der Voraussetzungen für ihre Zulassung betreffen, sowie alle Informationen, die geeignet sind, die Aufsicht über diese Institute, insbesondere in Bezug auf Liquidität, Solvenz, Einlagensicherheit und Begrenzung von Großkrediten, Organisation von Verwaltung und Rechnungslegung und interne Kontrolle zu erleichtern.“ |
Verordnung Nr. 1093/2010
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Der 58. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1093/2010 in der durch die Richtlinie 2014/17/EU des Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 (ABl. 2014, L 60, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1093/2010) lautet: „Es muss gewährleistet sein, dass Beteiligte, die von Beschlüssen der [EBA] betroffen sind, über angemessene Rechtsbehelfe verfügen. Um die Rechte von Beteiligten wirksam zu schützen und im Interesse eines reibungslosen Verfahrensablaufs in Fällen, in denen die [EBA] Beschlussfassungsbefugnisse hat, sollten die Beteiligten das Recht erhalten, einen Beschwerdeausschuss anzurufen. Aus Gründen der Effizienz und der Kohärenz sollte es sich bei dem Beschwerdeausschuss um ein gemeinsames Organ der [Europäischen Aufsichtsbehörden] handeln, das von ihren Verwaltungs- und Regulierungsstrukturen unabhängig ist. Die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses sollten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anfechtbar sein.“ |
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Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung bestimmt: „Die [EBA] handelt im Rahmen der ihr durch diese Verordnung übertragenen Befugnisse und innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 94/19/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 1994, L 135, S. 5)], der Richtlinie 2002/87/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2003, L 35, S. 1)], der Verordnung (EG) Nr. 1781/2006 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers (ABl. 2006, L 345, S. 1)], der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen [und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1)], der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen[, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338)] und, soweit diese Rechtsvorschriften sich auf Kredit- und Finanzinstitute sowie die zuständigen Behörden, die diese beaufsichtigen, beziehen, der einschlägigen Teile der Richtlinie 2002/65/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. 2002, L 271, S. 16)], der Richtlinie 2005/60/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. 2005, L 309, S. 15)], der Richtlinie 2007/64/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. 2007, L 319, S. 1)] und der Richtlinie 2009/110/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG (ABl. 2009, L 267, S. 7)], einschließlich sämtlicher Richtlinien, Verordnungen und Beschlüsse, die auf der Grundlage dieser Rechtsakte angenommen wurden, sowie aller weiteren verbindlichen Rechtsakte der Union, die der [EBA] Aufgaben übertragen. Die [EBA] handelt ferner in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates [vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63)].“ |
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Art. 17 der Verordnung Nr. 1093/2010 bestimmt: „(1) Hat eine zuständige Behörde die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Rechtsakte nicht angewandt oder diese so angewandt, dass eine Verletzung des Unionsrechts, einschließlich der technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards, die nach den Artikeln 10 bis 15 festgelegt werden, vorzuliegen scheint, insbesondere weil sie es versäumt hat sicherzustellen, dass ein Finanzinstitut den in den genannten Rechtsakten festgelegten Anforderungen genügt, so nimmt die [EBA] die in den Absätzen 2, 3 und 6 des vorliegenden Artikels genannten Befugnisse wahr. (2) Auf Ersuchen einer oder mehrerer zuständiger Behörden, des Europäischen Parlaments, des Rates, der Kommission oder der Interessengruppe Bankensektor oder von Amts wegen und nach Unterrichtung der betroffenen zuständigen Behörde kann die [EBA] eine Untersuchung der angeblichen Verletzung oder der Nichtanwendung des Unionsrechts durchführen. Unbeschadet der in Artikel 35 festgelegten Befugnisse übermittelt die zuständige Behörde der [EBA] unverzüglich alle Informationen, die Letztere für ihre Untersuchung für erforderlich hält, einschließlich inwiefern die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Rechtsakte im Einklang mit dem Unionsrecht angewandt werden. (3) Spätestens zwei Monate nach Beginn ihrer Untersuchung kann die [EBA] eine Empfehlung an die betroffene zuständige Behörde richten, in der die Maßnahmen erläutert werden, die zur Einhaltung des Unionsrechts ergriffen werden müssen. Die zuständige Behörde unterrichtet die [EBA] innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Eingang der Empfehlung über die Schritte, die sie unternommen hat oder zu unternehmen beabsichtigt, um die Einhaltung des Unionsrechts zu gewährleisten. (4) Sollte die zuständige Behörde das Unionsrecht innerhalb eines Monats nach Eingang der Empfehlung der [EBA] nicht einhalten, so kann die Kommission nach Unterrichtung durch die [EBA] oder von Amts wegen eine förmliche Stellungnahme abgeben, in der die zuständige Behörde aufgefordert wird, die zur Einhaltung des Unionsrechts erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Die förmliche Stellungnahme der Kommission trägt der Empfehlung der [EBA] Rechnung. Die Kommission gibt diese förmliche Stellungnahme spätestens drei Monate nach Abgabe der Empfehlung ab. Die Kommission kann diese Frist um einen Monat verlängern. Die [EBA] und die zuständigen Behörden übermitteln der Kommission alle erforderlichen Informationen. (5) Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission und die [EBA] innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Eingang der in Absatz 4 genannten förmlichen Stellungnahme über die Schritte, die sie unternommen hat oder zu unternehmen beabsichtigt, um dieser förmlichen Stellungnahme nachzukommen. (6) Unbeschadet der Befugnisse der Kommission nach Artikel 258 AEUV kann die [EBA] für den Fall, dass eine zuständige Behörde der in Absatz 4 genannten förmlichen Stellungnahme nicht innerhalb der dort gesetzten Frist nachkommt, und dass es erforderlich ist, der Nichteinhaltung rechtzeitig ein Ende zu bereiten, um neutrale Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen beziehungsweise um das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität des Finanzsystems zu gewährleisten, und sofern die einschlägigen Anforderungen der in Artikel 1 Absatz 2 genannten Rechtsakte auf Finanzinstitute unmittelbar anwendbar sind, einen an ein Finanzinstitut gerichteten Beschluss im Einzelfall erlassen, der dieses zum Ergreifen der Maßnahmen verpflichtet, die zur Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen des Unionsrechts erforderlich sind, einschließlich der Einstellung jeder Tätigkeit. Der Beschluss der [EBA] muss mit der förmlichen Stellungnahme der Kommission gemäß Absatz 4 im Einklang stehen. (7) Nach Absatz 6 erlassene Beschlüsse haben Vorrang vor allen von den zuständigen Behörden in gleicher Sache erlassenen früheren Beschlüssen. Ergreifen die zuständigen Behörden Maßnahmen in Bezug auf Sachverhalte, die Gegenstand einer förmlichen Stellungnahme nach Absatz 4 oder eines Beschlusses nach Absatz 6 sind, müssen die zuständigen Behörden der förmlichen Stellungnahme beziehungsweise dem Beschluss nachkommen. (8) In dem in Artikel 43 Absatz 5 genannten Bericht legt die [EBA] dar, welche nationalen Behörden und Finanzinstitute den in den Absätzen 4 und 6 des vorliegenden Artikels genannten förmlichen Stellungnahmen oder Beschlüssen nicht nachgekommen sind.“ |
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Art. 18 der Verordnung Nr. 1093/2010 betrifft Maßnahmen, die von der EBA im Krisenfall getroffen werden. |
10 |
Art. 19 dieser Verordnung enthält Bestimmungen über die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen zuständigen Behörden in grenzübergreifenden Fällen. |
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Art. 39 der Verordnung Nr. 1093/2010 sieht vor: „(1) Bevor die [EBA] die in dieser Verordnung vorgesehenen Beschlüsse erlässt, teilt sie dem Adressaten ihre diesbezügliche Absicht mit und setzt eine Frist, innerhalb derer der Adressat zu der Angelegenheit Stellung nehmen kann und die der Dringlichkeit, der Komplexität und den möglichen Folgen der Angelegenheit in vollem Umfang Rechnung trägt. Dies gilt für Empfehlungen gemäß Artikel 17 Absatz 3 entsprechend. (2) Die Beschlüsse der [EBA] sind zu begründen. (3) Die Adressaten von Beschlüssen der [EBA] werden über die im Rahmen dieser Verordnung zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe belehrt. (4) Hat die [EBA] einen Beschluss nach Artikel 18 Absatz 3 oder Absatz 4 erlassen, so überprüft sie diesen Beschluss in angemessenen Abständen. (5) Die von der [EBA] nach den Artikeln 17, 18 oder 19 erlassenen Beschlüsse werden unter Nennung der betreffenden zuständigen Behörde beziehungsweise des betroffenen Finanzinstituts und unter Angabe ihres wesentlichen Inhalts veröffentlicht, es sei denn, dass die Veröffentlichung im Widerspruch zu dem legitimen Interesse der Finanzinstitute am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse steht oder das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität von Finanzmärkten oder die Stabilität des Finanzsystems in der Union als Ganzes oder in Teilen ernsthaft gefährden könnte.“ |
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Nach Art. 58 Abs. 1 dieser Verordnung ist der Beschwerdeausschuss ein gemeinsames Gremium der Europäischen Aufsichtsbehörden. |
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Art. 60 der Verordnung Nr. 1093/2010 sieht vor: „(1) Eine natürliche oder juristische Person, einschließlich der zuständigen Behörden, kann gegen einen gemäß den Artikeln 17, 18 und 19 getroffenen Beschluss der [EBA], gegen jeden anderen von der [EBA] gemäß den in Artikel 1 Absatz 2 genannten Rechtsakten der Union getroffenen, an sie gerichteten Beschluss sowie gegen Beschlüsse, die an eine andere Person gerichtet sind, sie aber unmittelbar und individuell betreffen, Beschwerde einlegen. (2) Die Beschwerde ist samt Begründung innerhalb von zwei Monaten nach dem Tag der Bekanntgabe des Beschlusses an die betreffende Person oder, sofern eine Bekanntgabe nicht erfolgt ist, innerhalb von zwei Monaten ab dem Tag, an dem die [EBA] ihren Beschluss veröffentlicht hat, schriftlich bei der [EBA] einzulegen. Der Beschwerdeausschuss beschließt über Beschwerden innerhalb von zwei Monaten nach deren Einreichung. (3) Eine Beschwerde nach Absatz 1 hat keine aufschiebende Wirkung. Der Beschwerdeausschuss kann jedoch den Vollzug des angefochtenen Beschlusses aussetzen, wenn die Umstände dies nach seiner Auffassung erfordern. (4) Ist die Beschwerde zulässig, so prüft der Beschwerdeausschuss, ob sie begründet ist. Er fordert die am Beschwerdeverfahren Beteiligten auf, innerhalb bestimmter Fristen eine Stellungnahme zu den von ihm selbst abgegebenen Mitteilungen oder zu den Schriftsätzen der anderen am Beschwerdeverfahren Beteiligten einzureichen. Die am Beschwerdeverfahren Beteiligten haben das Recht, mündliche Erklärungen abzugeben. (5) Der Beschwerdeausschuss kann entweder den Beschluss der zuständigen Stelle der [EBA] bestätigen oder die Angelegenheit an die zuständige Stelle der [EBA] zurückverweisen. Diese Stelle ist an den Beschluss des Beschwerdeausschusses gebunden und trifft einen geänderten Beschluss zu der betreffenden Angelegenheit. (6) Der Beschwerdeausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung und veröffentlicht diese. (7) Die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses werden begründet und von der [EBA] veröffentlicht.“ |
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Art. 61 der Verordnung Nr. 1093/2010 lautet: „(1) Im Einklang mit Artikel 263 AEUV kann vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen einen Beschluss des Beschwerdeausschusses oder, in Fällen, in denen kein Rechtsbehelf beim Beschwerdeausschuss möglich ist, der [EBA] erhoben werden. (2) Im Einklang mit Artikel 263 AEUV können die Mitgliedstaaten und die Organe der Union sowie jede natürliche oder juristische Person Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gegen Beschlüsse der [EBA] erheben. (3) Nimmt die [EBA] trotz der Verpflichtung, tätig zu werden, keinen Beschluss an, so kann vor dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Untätigkeitsklage nach Artikel 265 AEUV erhoben werden. (4) Die [EBA] muss die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union nachzukommen.“ |
Vorgeschichte des Rechtsstreits
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In dem angefochtenen Urteil hat das Gericht den Sachverhalt des bei ihm anhängigen Rechtsstreits wie folgt zusammengefasst:
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Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
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Mit ihrer Klage beantragte SV Capital die Nichtigerklärung des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 und des Beschlusses des Beschwerdeausschusses vom 14. Juli 2014. Zudem beantragte sie, die Sache zur Entscheidung über die Begründetheit ihrer Beschwerde an die zuständige Stelle der EBA zurückzuverweisen. |
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Die Rechtsmittelführerin stützte ihre Klage auf fünf Gründe. Die EBA wandte, unterstützt von der Kommission, ein, die Klage sei in ihrer Gesamtheit unzulässig, da ihre Weigerung, von Amts wegen eine Untersuchung gemäß Art. 17 der Verordnung Nr. 1093/2010 einzuleiten, im Hinblick auf die Rechtsmittelführerin keine Rechtswirkungen habe. |
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Zur Zulässigkeit der Klage, soweit sie auf Nichtigerklärung des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 gerichtet war, entschied das Gericht, dass es der Rechtsmittelführerin zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage nicht mehr möglich gewesen sei, den Beschluss der EBA anzufechten, und dieser Teil ihrer Klage somit unzulässig sei. |
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Des Weiteren entschied das Gericht zur Zulässigkeit der Klage, soweit sie auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Beschwerdeausschusses vom 14. Juli 2014 gerichtet war, dass dieser Beschluss eine anfechtbare Handlung darstelle und dieser Teil der Klage daher zulässig sei. |
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Schließlich wies das Gericht hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage von SV Capital, soweit diese die Zurückverweisung an die zuständige Stelle der EBA zur Entscheidung über die Begründetheit ihrer Beschwerde beantragte, darauf hin, dass der Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nicht befugt sei, der EBA Anordnungen zu erteilen. Daher erklärte es diesen Antrag für unzulässig. |
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Zur Begründetheit prüfte das Gericht von Amts wegen die Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses für eine Entscheidung über die bei ihm gegen den Beschluss des EBA vom 21. Februar 2014 erhobene Beschwerde im Hinblick auf Art. 60 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 und stellte fest, dass eine solche Zuständigkeit nicht gegeben sei. |
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Daher gab das Gericht der Klage, soweit sie auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Beschwerdeausschusses vom 14. Juli 2014 gerichtet war, wegen Unzuständigkeit des Beschwerdeausschusses statt, ohne die Begründetheit der von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Klagegründe zu prüfen. Folglich erklärte das Gericht den Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 14. Juli 2014 für nichtig und wies die bei ihm anhängige Klage im Übrigen ab. |
Verfahren vor dem Gerichtshof
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SV Capital beantragt,
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Die EBA beantragt,
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Die Kommission beantragt,
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Zum Rechtsmittel
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Da das angefochtene Urteil zum einen einen Antrag auf Nichtigerklärung des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 und zum anderen einen Antrag auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Beschwerdeausschusses vom 14. Juli 2014 betrifft, ist die Prüfung der verschiedenen Rechtsmittelgründe danach aufzuteilen, ob sie sich auf den einen oder den anderen dieser beiden Beschlüsse beziehen. |
Zu den Rechtsmittelgründen 1 bis 3: Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Beschwerdeausschusses vom 14. Juli 2014 als unbegründet durch das Gericht
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
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Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht SV Capital geltend, sie habe im Rahmen der von ihr beim Gericht erhobenen Klage präzisiert, dass diese sich nur insoweit gegen den Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 14. Juli 2014 richte, als ihre Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen worden sei. Sie habe diesen Beschluss jedoch nicht hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Beschwerde und der Kosten angefochten. Dennoch habe sich das Gericht von Amts wegen zur Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses geäußert und damit ultra petita entschieden. |
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Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund trägt SV Capital zudem vor, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010, wie er im Licht des 58. Erwägungsgrundes dieser Verordnung auszulegen sei, verkannt habe. Gemäß Art. 17 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 dieser Verordnung sei der Beschwerdeausschuss nämlich befugt gewesen, über die gegen den Beschluss der EBA vom 21. Februar 2014 gerichtete Beschwerde zu entscheiden. |
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Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht SV Capital geltend, das Gericht habe gegen Art. 48 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung verstoßen, als es entschieden habe, dass das Vorbringen im Verfahren vor dem Gericht, wonach der Beschwerdeausschuss für die Entscheidung über ihre Beschwerde zuständig sei, unzulässig sei. Das Gericht selbst habe die Parteien nämlich aufgefordert, sich zur Frage der Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses zu äußern, und die Rechtsmittelführerin habe sich darauf beschränkt, diese Frage zu beantworten. |
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Die EBA und die Kommission beantragen, diese Rechtsmittelgründe zurückzuweisen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
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Zum ersten Rechtsmittelgrund, mit dem die Rechtsmittelführerin vorträgt, das Gericht habe ultra petita entschieden, ist lediglich darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter die Frage der Zuständigkeit der Stelle, deren Maßnahme bei ihm angefochten wird, von Amts wegen zu berücksichtigen hat, selbst wenn keine der Parteien einen Antrag in diesem Sinne gestellt hat, da die Unzuständigkeit des Urhebers einer beschwerenden Maßnahme ein Gesichtspunkt zwingenden Rechts ist, der nicht nur von Amts wegen berücksichtigt werden kann, sondern muss. |
32 |
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist nämlich die Zuständigkeit des Urhebers der Maßnahme von Amts wegen zu prüfen, auch wenn keine der Parteien dies beantragt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. September 1982, Amylum/Rat, 108/81, EU:C:1982:322, Rn. 28, und vom 13. Juli 2000, Salzgitter/Kommission, C‑210/98 P, EU:C:2000:397, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. |
34 |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 60 der Verordnung Nr. 1093/2010 gegen einen Beschluss der EBA natürliche oder juristische Personen, einschließlich der zuständigen Behörden, an die dieser Beschluss gerichtet ist oder die der Beschluss, selbst wenn er nicht an sie gerichtet ist, unmittelbar und individuell betrifft, Beschwerde einlegen können. |
35 |
Ein Beschluss der EBA muss jedoch, um mit einer Beschwerde vor dem Beschwerdeausschuss angefochten werden zu können, wie das Gericht in Rn. 66 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, entweder zu den in den Art. 17, 18 oder 19 der Verordnung Nr. 1093/2010 genannten Beschlüssen gehören oder gemäß den in Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung genannten Rechtsakten der Union erlassen worden sein. |
36 |
Wie das Gericht in den Rn. 67 bis 71 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt hat, ist hier keine dieser Voraussetzungen erfüllt. |
37 |
Erstens ist der Beschluss der EBA vom 21. Februar 2014 nicht auf Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 gestützt. Wie das Gericht in Rn. 67 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt hat, hat sich die EBA in diesem Beschluss nämlich dessen ungeachtet, dass zur Stützung der Beschwerde der Rechtsmittelführerin ein Verstoß gegen verschiedene Bestimmungen der Richtlinie 2006/48 geltend gemacht worden war, nicht zum Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen diese Richtlinie durch die zuständigen Behörden oder durch das genannte Finanzinstitut geäußert. |
38 |
Zweitens gehört dieser Beschluss unstreitig nicht zu den in Art. 18 und 19 dieser Verordnung genannten Beschlüssen, mit denen die EBA die nationalen Aufsichtsbehörden verpflichten kann, besondere Maßnahmen zu erlassen, um in einem Krisenfall Abhilfe zu schaffen oder Meinungsverschiedenheiten, die in grenzübergreifenden Fällen auftreten können, beizulegen. |
39 |
Drittens wurde zur Stützung der Beschwerde der Rechtsmittelführerin entgegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 kein Verstoß gegen die nach Art. 10 bis 15 dieser Verordnung festgelegten technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards geltend gemacht. |
40 |
Viertens gehört die Rechtsmittelführerin nicht zu den in Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 ausdrücklich genannten Stellen, die die EBA um Einleitung einer Untersuchung wegen Verletzung oder Nichtanwendung des Unionsrechts ersuchen können. Insbesondere macht die Rechtsmittelführerin nicht geltend, dass sie zu der gemäß Art. 37 dieser Verordnung eingerichteten Interessengruppe Bankensektor gehöre. |
41 |
Dass die EBA Untersuchungen von Amts wegen einleiten kann, ändert im Übrigen – anders als die Rechtsmittelführerin offenbar meint – keineswegs etwas an der Feststellung, dass die Rechtsmittelführerin nicht zu den in Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 ausdrücklich genannten Stellen gehört. |
42 |
Da die Erwägungen im angefochtenen Urteil frei von Rechtsfehlern sind, ist somit auch der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. |
43 |
Zum dritten Rechtsmittelgrund ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen, mit dem die Rechtsmittelführerin auf eine Frage des Gerichts geantwortet hat, über den Gegenstand der vom Gericht gestellten Frage hinausging. |
44 |
Die Rechtsmittelführerin machte nämlich geltend, dass die beim Gericht erhobene Nichtigkeitsklage in Anbetracht der Tatsache, dass das Verwaltungsverfahren bis zum 14. Juli 2014 fortgesetzt worden sei, fristgerecht eingereicht worden sei und dass die Einreichung dieser Nichtigkeitsklage unter den „Zufall“ im Sinne von Art. 45 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union falle. |
45 |
Insoweit ist festzustellen, dass die Behauptung der Rechtsmittelführerin, sie habe sich darauf beschränkt, zu der vom Gericht gestellten Frage Stellung zu nehmen, nicht zutrifft. Wie das Gericht in Rn. 42 des angefochtenen Urteils zutreffend feststellt, enthielt die Antwort der Rechtsmittelführerin in Wirklichkeit zwei neue Klagegründe. |
46 |
Daraus folgt, dass das Gericht zutreffend entschieden hat, dass dieses Vorbringen unzulässig ist. |
47 |
Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen. |
Zu den Rechtsmittelgründen 4 bis 6: Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 als unzulässig durch das Gericht
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
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Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund trägt SV Capital vor, dass ihre Klage, soweit sie auf die Nichtigerklärung des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 gerichtet gewesen sei, innerhalb der in Art. 263 AEUV genannten Frist erhoben worden sei, da das Verwaltungsverfahren vor dem Beschwerdeausschuss bis zum 14. Juli 2014 im Namen der EBA und der Europäischen Aufsichtsbehörden fortgesetzt worden sei. Die Unzuständigkeit des Beschwerdeausschusses könne zur Nichtigerklärung des von diesem erlassenen Beschlusses führen, aber keine Auswirkung auf die in Art. 263 AEUV vorgesehene Frist haben. Folglich entbehre der Hinweis in Rn. 44 des angefochtenen Urteils auf die Möglichkeit, gegen den Beschluss der EBA vom 21. Februar 2014 parallel und gleichzeitig zur Einlegung einer Beschwerde beim Beschwerdeausschuss eine Klage beim Gericht zu erheben, jeder Grundlage. Eine solche Klage beim Gericht wäre nämlich nach Art. 263 AEUV in Ermangelung eines endgültigen Verwaltungsakts unzulässig gewesen. |
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Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht SV Capital geltend, das Gericht habe gegen Art. 45 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union verstoßen, da die Erhebung einer Klage innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Zugang des Beschlusses vom 21. Februar 2014 durch einen entschuldbaren Irrtum verhindert worden sei. Dass der Beschwerdeausschuss ihre Beschwerde für zulässig erklärt und deren Begründetheit geprüft habe, habe zu einer „verständlichen Verwirrung“ führen können. Auch wenn der Beschwerdeausschuss unzuständig gewesen sei, um über die auf Nichtigerklärung des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 gerichtete Beschwerde zu entscheiden, habe er nie darauf verwiesen, dass es Aufgabe des Gerichts und nicht seine Aufgabe sei, über diesen Rechtsbehelf zu entscheiden. Er habe über die bei ihm eingelegte Beschwerde entschieden und damit zu verstehen gegeben, dass er die zuständige Beschwerdestelle sei. Daher sei es auf einen entschuldbaren Irrtum zurückzuführen, dass die Klage nach Ablauf der Frist von zwei Monaten nach Zugang des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 beim Gericht erhoben worden sei. |
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Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund trägt SV Capital vor, das Gericht habe, als es in Rn. 45 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 jedenfalls wegen Fehlens einer anfechtbaren Handlung unzulässig sei, Art. 263 AEUV sowie Art. 60 Abs. 1 und Art. 61 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 fehlerhaft angewandt. Die Klage gegen diesen Beschluss sei nämlich zulässig gewesen, da der Beschluss an die Rechtsmittelführerin gerichtet gewesen sei und die Rechtsmittelführerin unmittelbar und individuell von ihm betroffen gewesen sei. |
51 |
Die EBA und die Kommission beantragen, diese Rechtsmittelgründe zurückzuweisen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
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Zum vierten Rechtsmittelgrund, der sich auf die Erwägungen in Rn. 36 ff. des angefochtenen Urteils bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass die Klagefrist nach ständiger Rechtsprechung zwingendes Recht ist und ihre Einhaltung vom Unionsrichter von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. September 2013, ClientEarth/Rat, C‑573/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:564, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
53 |
Nach Art. 263 Abs. 6 AEUV sind Nichtigkeitsklagen innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu erheben, die je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an läuft, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat. Im vorliegenden Fall wurde der Beschluss der EBA der Rechtsmittelführerin am 21. Februar 2014 mitgeteilt. Wie das Gericht in Rn. 41 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, war es SV Capital gemäß den Vorschriften zur Berechnung der Fristen in den Art. 58 und 60 der Verfahrensordnung des Gerichts, die den Art. 49 und 51 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entsprechen, folglich zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer Klage beim Gericht, d. h. am 12. September 2014, nicht mehr möglich, den Beschluss der EBA anzufechten. |
54 |
Das Gericht hat ferner in Rn. 43 des angefochtenen Urteils entschieden, dass sich die Rechtsmittelführerin weder auf einen Fall höherer Gewalt auf der Grundlage von Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch auf einen entschuldbaren Irrtum berufen könne. |
55 |
Diese Erwägungen sind frei von Rechtsfehlern. |
56 |
Der Gerichtshof hat nämlich wiederholt entschieden, dass von den Unionsvorschriften über die Verfahrensfristen nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen – bei Vorliegen eines Zufalls oder eines Falles höherer Gewalt im Sinne von Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs – abgewichen werden kann, da die strikte Anwendung dieser Vorschriften dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit entspricht, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu verhindern (Beschluss vom 16. November 2010, Internationale Fruchtimport Gesellschaft Weichert/Kommission, C‑73/10 P, EU:C:2010:684, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
57 |
Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin wurde das Verfahren nach dem Erlass des Beschlusses der EBA vom 21. Februar 2014 nicht „fortgesetzt“. Die Einlegung einer Beschwerde beim Beschwerdeausschuss hat angesichts dessen Unzuständigkeit keine Auswirkungen auf die Berechnung der Klagefrist in Bezug auf einen zuvor von der EBA erlassenen Beschluss. |
58 |
Der vierte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen. |
59 |
Was den fünften Rechtsmittelgrund betrifft, mit dem ein entschuldbarer Irrtum von SV Capital geltend gemacht wird, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich im Rahmen der Rechtsvorschriften der Union über die Klagefristen der Begriff „entschuldbarer Irrtum“, der ein Abweichen von diesen Fristen erlaubt, nur auf Ausnahmefälle bezieht, insbesondere auf solche, in denen das betroffene Organ ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das für sich genommen oder aber in ausschlaggebendem Maß geeignet gewesen ist, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt aufwendet, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand verlangt werden kann, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen (vgl. Beschluss vom 16. November 2010, Internationale Fruchtimport Gesellschaft Weichert/Kommission, C‑73/10 P, EU:C:2010:684, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
60 |
Wie das Gericht in Rn. 44 des angefochtenen Urteils entschieden hat, wurde im vorliegenden Fall gegenüber der Rechtsmittelführerin keine spezifische Zusicherung in Bezug auf die Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses für die Entscheidung über eine Beschwerde gegen den Beschluss der EBA, der später erlassen werden sollte, abgegeben. |
61 |
Insbesondere können entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin weder der Umstand, dass die EBA keine Einwände gegen die Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses für die Entscheidung über einen Beschluss der EBA erhoben hat, noch die unzutreffende Schlussfolgerung des Beschwerdeausschusses, er verfüge über eine solche Zuständigkeit, als Verhalten gewertet werden, das geeignet ist, bei einem Rechtsbürger eine verständliche Verwirrung hervorzurufen. |
62 |
Folglich hat das Gericht zutreffend festgestellt, dass keinerlei entschuldbarer Irrtum vorliegt, der es erlaubte, von der Pflicht zur Einhaltung der eingeräumten Klagefrist abzuweichen. |
63 |
Somit ist der fünfte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. |
64 |
Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe gegen Art. 263 AEUV sowie Art. 60 Abs. 1 und Art. 61 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 verstoßen. Hierzu genügt die Feststellung, dass sich das Gericht, wie aus Rn. 45 des angefochtenen Urteils hervorgeht, lediglich vorsorglich zur Unzulässigkeit der Klage wegen Fehlens einer anfechtbaren Handlung geäußert hat. |
65 |
Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich Rügen, die gegen nicht tragende Gründe einer Entscheidung des Gerichts gerichtet sind, nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung führen und gehen daher ins Leere (vgl. Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Deutsche Post, C‑399/08 P, EU:C:2010:481, Rn. 75, und vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 211 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Folglich geht der sechste Rechtsmittelgrund ins Leere und ist zurückzuweisen. |
Zu den Rechtsmittelgründen 7 bis 11
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
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SV Capital macht folgende Gründe, die durch Argumente gestützt seien, die sie im Rahmen ihrer Klage beim Gericht vorgetragen habe, erneut geltend, da das Gericht nicht über die Begründetheit ihrer Klage entschieden habe:
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Die EBA und die Kommission machen geltend, dass diese Rechtsmittelgründe unzulässig seien. |
Würdigung durch den Gerichtshof
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Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss; andernfalls ist das Rechtsmittel oder der betreffende Rechtsmittelgrund unzulässig (vgl. insbesondere Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 29, und Beschluss vom 12. Februar 2015, Meister/Kommission, C‑327/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:99, Rn. 12). Die Rechtsmittelgründe 7 bis 11 nehmen aber in keiner Weise Bezug auf das angefochtene Urteil, sondern beziehen sich auf den Beschluss der EBA vom 21. Februar 2014. Daher sind sie bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen. |
70 |
Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. |
Kosten
71 |
Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. |
72 |
Da SV Capital mit ihren Rechtsmittelgründen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der EBA die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen. |
73 |
Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. |
74 |
Somit trägt die Kommission, die dem Rechtsstreit als Streithelferin beigetreten ist, ihre eigenen Kosten. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.
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Referenzen
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