Beschluss vom Europäischer Gerichtshof - T-242/15

BESCHLUSS DES GERICHTS (Erste Kammer)

12. Januar 2017 ( *1 )

„Nichtigkeitsklage — Staatliche Beihilfen — Verlängerung der Laufzeit der Konzessionen — Plan zur Weiterentwicklung des französischen Autobahnnetzes — Entscheidung, keine Einwände zu erheben — Verband — Keine individuelle Betroffenheit — Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht — Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑242/15

Automobile club des avocats (ACDA) mit Sitz in Paris (Frankreich),

Organisation des transporteurs routiers européens (OTRE) mit Sitz in Bordeaux (Frankreich),

Fédération française des motards en colère (FFMC) mit Sitz in Paris,

Fédération française de motocyclisme mit Sitz in Paris,

Union nationale des automobile clubs mit Sitz in Paris,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Lesage,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn und R. Sauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung C(2014) 7850 final der Kommission vom 28. Oktober 2014 über die staatliche Beihilfe SA.2014/N 38271 – France – Plan de relance autoroutier [SA.2014/Nr. 38271 – Frankreich – Plan zur Weiterentwicklung des Autobahnnetzes]

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin I. Pelikánová sowie der Richter P. Nihoul (Berichterstatter) und J. Svenningsen,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Die Kläger, der Automobile club des avocats (ACDA), die Organisation des transporteurs routiers européens (OTRE), die Fédération française des motards en colère (FFMC), die Fédération française de motocyclisme und die Union nationale des automobile clubs sind Verbände, deren Aufgabe in der Wahrnehmung der Interessen von Verkehrsteilnehmern besteht.

2

Am 16. Mai 2014 teilten die französischen Behörden der Europäischen Kommission einen Plan zur Weiterentwicklung des Autobahnnetzes mit, dem zufolge die Laufzeit verschiedener Autobahnkonzessionen als Gegenleistung für die von den betroffenen Unternehmen zu übernehmende Finanzierung der im Rahmen ihrer Konzession zu erbringenden Arbeiten verlängert werden sollte.

3

Am 28. Oktober 2014 erließ die Kommission die Entscheidung C(2014) 7850 final über die staatliche Beihilfe SA.2014/N 38271 – France – Plan de relance autoroutier [SA.2014/Nr. 38271 – Frankreich – Plan zur Weiterentwicklung des Autobahnnetzes] (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

4

In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die in Rede stehende Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, dass diese Beihilfe aber gemäß Art. [106] Abs. 2 AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden könne. Aufgrund dessen entschied die Kommission, keine Einwände gegen diese Maßnahme zu erheben. Bei dieser Entscheidung wurden insbesondere die von den französischen Behörden eingegangenen Verpflichtungen berücksichtigt.

Verfahren und Anträge der Parteien

5

Mit Klageschrift, die am 18. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

6

Mit gesondertem Schriftsatz, der am 3. August 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

7

Am 7. September 2015 hat die Französische Republik einen Antrag auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission eingereicht.

8

Die Kläger haben zur Einrede der Unzulässigkeit keine Stellungnahme abgegeben.

9

Die Kläger beantragen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.

10

Die Kommission beantragt,

die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen;

den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

11

Zur Stützung ihrer Einrede der Unzulässigkeit macht die Kommission in erster Linie geltend, der die Kläger vertretende Rechtsanwalt könne im vorliegenden Verfahren nicht als unabhängiger Dritter gegenüber einem der Kläger angesehen werden, da er Vizepräsident des Verwaltungsrats von ACDA sei. Daher sei die Klage nicht in Einklang mit Art. 19 Abs. 3 und 4 und Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 73 Abs. 1 der Verfahrensordnung erhoben worden.

12

Hilfsweise bringt die Kommission vor, die Kläger und ihre Mitglieder hätten keine Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV, weil sie zum einen von der angefochtenen Entscheidung nicht individuell betroffen seien und zum anderen diese kein Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, sei.

13

Nach Art. 130 Abs. 1 und 7 der Verfahrensordnung kann das Gericht vorab über die Unzulässigkeit oder die Unzuständigkeit entscheiden, wenn der Beklagte dies beantragt.

14

Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage der Akten für ausreichend unterrichtet und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

15

Da das von der Kommission in erster Linie geltend gemachte Argument, wenn ihm stattgegeben würde, nur zur Unzulässigkeit der Klage in Bezug auf einen der Kläger führen könnte, hält es das Gericht für zweckmäßig, zunächst die von der Kommission hilfsweise erhobene Unzulässigkeitseinrede zu prüfen.

16

Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann „[j]ede natürliche oder juristische Person … unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben“.

17

Art. 263 Abs. 4 AEUV unterscheidet somit drei Fälle, in denen eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person für zulässig erklärt werden kann. Um zur Einrede der Kommission Stellung zu nehmen, ist zu prüfen, ob einer der drei Fälle in der vorliegenden Rechtssache gegeben ist.

18

Da feststeht, dass die angefochtene Entscheidung an die französischen Behörden und nicht an die Kläger gerichtet war, kann die vorliegende Klage nicht unter Bezugnahme auf den ersten in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannten Fall als zulässig angesehen werden. Somit ist die Zulässigkeit dieser Klage weiter im Hinblick auf die beiden anderen in Abs. 4 dieses Artikels genannten Fälle zu prüfen.

19

Unter diesen Umständen ist die vorliegende Klage gemäß dem zweiten bzw. dem dritten Fall von Art. 263 Abs. 4 AEUV nur dann zulässig, wenn die Kläger von der angefochtenen Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen sind oder wenn sie von der angefochtenen Entscheidung unmittelbar betroffen sind und diese ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter ist, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

Zur unmittelbaren und individuellen Betroffenheit der Kläger

20

Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV können natürliche oder juristische Personen gegen einen Rechtsakt der Europäischen Union, der nicht an sie gerichtet ist, namentlich dann eine Nichtigkeitsklage erheben, wenn sie von diesem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffen sind.

21

Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer Entscheidung (Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 238).

22

Was die individuelle Betroffenheit anbelangt, so ist entschieden worden, dass ein Verband, der mit der Wahrnehmung der Kollektivinteressen seiner Mitglieder betraut ist, nur in zwei Fällen als von einer abschließenden Entscheidung der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen individuell betroffen angesehen werden kann: erstens, wenn er ein eigenes Interesse dartun kann, insbesondere weil seine Position als Verhandlungspartner durch die Handlung, deren Nichtigerklärung begehrt wird, beeinträchtigt worden ist, oder zweitens, wenn seine Mitglieder oder einige von ihnen auch einzeln klagebefugt sind (vgl. Beschluss vom 29. März 2012, Asociación Española de Banca/Kommission, T‑236/10, EU:T:2012:176, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Klägern um Verbände, deren Mitglieder am Straßenverkehr teilnehmen und die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen:

Der ACDA vereinigt Rechtsanwälte, die als solche tätig oder in der Ausbildung sind, sowie spezialisierte Juristen. Seine Aufgabe ist, die Grundrechte von Teilnehmern am Straßenverkehr zu verteidigen;

die OTRE vertritt und verteidigt die ideellen und beruflichen Belange der ihr angeschlossenen Transportunternehmer;

die FFMC, ein Zusammenschluss von Fahrern motorisierter Zwei- oder Dreiräder (vom Moped bis zum schweren Motorrad), tritt für die Sicherheit und gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr ein und verteidigt die Belange ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer und als Verbraucher;

die Fédération française de motocyclisme setzt sich aus Verbänden zusammen, die Motorsportveranstaltungen oder andere Aktivitäten von Motorradfahrern und Touristikclubs organisieren, und hat es sich insbesondere zur Aufgabe gemacht, Aktionen durchzuführen, die sich auf die Verkehrssicherheit und den öffentlichen Straßenverkehr beziehen;

die Union nationale des automobile clubs schließlich hat sich die Förderung der Beziehungen zwischen den Automobilclubs in Frankreich und zwischen ihren Mitgliedern und den europäischen Automobilclubs zum Ziel gesetzt.

24

Die Kläger haben im Übrigen erklärt, dass sie in eigenem Namen und im Interesse ihrer Mitglieder handelten.

25

Die Kläger haben jedoch nichts vorgetragen, was darauf hindeutet, dass ihre eigenen Belange betroffen sind. Insbesondere ist den Akten nicht zu entnehmen, dass sie sich an dem Verfahren, das zu dem Erlass der angefochtenen Entscheidung geführt hat, beteiligt hätten. Ganz allgemein liegen dem Gericht keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Position der Kläger bei irgendeiner Verhandlung durch diese Entscheidung beeinträchtigt worden wäre.

26

Ob eine individuelle Betroffenheit vorliegt, hängt somit von der Frage ab, ob die Mitglieder der Kläger befugt sind, die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zu verlangen.

27

Dazu ist festzustellen, dass die Kläger im vorliegenden Fall nichts zum Nachweis vorgetragen haben, dass die angefochtene Entscheidung ihre Mitglieder in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten.

28

Aus den Akten ergibt sich dagegen, dass die Mitglieder der Kläger in ihrer allgemeinen Eigenschaft als Teilnehmer am Straßenverkehr und Benutzer der Autobahnen von der angefochtenen Entscheidung angeblich betroffen sind.

29

In der Klageschrift bringen die Kläger nämlich im Wesentlichen vor, dass in Frankreich die von den Autobahnkonzessionsunternehmen erhobenen Tarife überhöht seien und ihre Mitglieder davon in ihrer Eigenschaft als Benutzer dieser Verkehrswege betroffen seien.

30

Die Kläger machen insbesondere geltend, dass in Frankreich die Autobahnkonzessionsunternehmen jede Erhöhung der von ihnen zu leistenden Abgaben, Konzessionsgebühren oder Steuern durch eine Erhöhung der Mautgebühren ausglichen und dass sie ganz allgemein Tariferhöhungen vornähmen, die die Benutzer übermäßig belasteten und außer Verhältnis zu der erbrachten Leistung stünden.

31

Außerdem führten in Frankreich die übermäßigen Gewinne, die die Autobahnkonzessionsunternehmen aufgrund der Mautgebühren erzielten, die sie zum Ausgleich ihrer Verpflichtung zum Bau, zur Finanzierung und zum Betrieb des ihnen zugeteilten Autobahnnetzes erhöben, zu Mechanismen der Überkompensation.

32

Die Kläger weisen darauf hin, dass diese Situation aufgrund der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung genehmigten Verlängerung der Laufzeit der Konzessionsverträge fortbestehen werde.

33

Dazu ist festzustellen, dass die Betroffenheit ihrer Mitglieder, auf die sich die Kläger berufen, sich nicht von jener Betroffenheit unterscheidet, die von allen betroffenen Autobahnbenutzern u. a. unter Berufung darauf geltend gemacht werden kann, dass die in Frankreich von den Autobahnkonzessionsunternehmen erhobenen Mautgebühren übermäßig seien und sich während der verlängerten Laufzeit der Konzessionsverträge noch erhöhen könnten.

34

Somit berührt die angefochtene Entscheidung die Mitglieder der Kläger nicht wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder Umstände, die sie in ähnlicher Weise individualisieren wie den Adressaten dieser Entscheidung.

35

Daraus folgt, dass die Kläger von der angefochtenen Entscheidung nicht individuell betroffen sind und dass sie deshalb nicht dem Erfordernis genügen, von dem die Zulässigkeit im zweiten Fall von Art. 263 Abs. 4 AEUV abhängt.

36

Infolgedessen braucht nicht darüber entschieden zu werden, ob die Kläger im Übrigen von der angefochtenen Entscheidung unmittelbar betroffen sind.

Zur Einstufung der angefochtenen Entscheidung als Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht

37

Nach Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV können natürliche und juristische Personen gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht und der sie unmittelbar betrifft, eine Nichtigkeitsklage erheben.

38

Der Begriff „Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die … keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist vor dem Hintergrund des Ziels dieser Vorschrift zu sehen, das darin besteht, zu verhindern, dass ein Einzelner gezwungen ist, gegen das Recht zu verstoßen, um Zugang zu den Gerichten zu erlangen. Wenn sich daher ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder einer juristischen Person unmittelbar auswirkt, ohne dass Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, bestünde die Gefahr, dass diese Person, wenn sie keinen unmittelbaren Rechtsbehelf zum Unionsrichter einlegen könnte, um die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts mit Verordnungscharakter in Frage stellen zu können, keinen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz hätte. Eine natürliche oder juristische Person in einer solchen Situation könnte nämlich – obwohl sie von dem fraglichen Rechtsakt unmittelbar betroffen ist – eine gerichtliche Überprüfung desselben erst nachdem sie gegen die Bestimmungen dieses Rechtsakts verstoßen hat erwirken, indem sie im Rahmen der gegen sie vor den nationalen Gerichten eingeleiteten Verfahren die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen geltend macht (Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 27).

39

Dagegen ist eine richterliche Kontrolle gewährleistet, wenn ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament, C‑294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23, vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 93, und vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 28).

40

Obliegt die Durchführung eines Rechtsakts mit Verordnungscharakter den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, können natürliche oder juristische Personen unter den in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Voraussetzungen vor den Unionsgerichten unmittelbar gegen die Durchführungsmaßnahmen klagen und sich zur Begründung dieser Klage nach Art. 277 AEUV auf die Rechtswidrigkeit des fraglichen Basisrechtsakts berufen (Urteile vom 23 April 1986, Les Verts/Parlament, C‑294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23, vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 93, und vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 29).

41

Obliegt die Durchführung eines Rechtsakts mit Verordnungscharakter den Mitgliedstaaten, können die natürlichen oder juristischen Personen die Gültigkeit der nationalen Durchführungsmaßnahme vor einem nationalen Gericht in Frage stellen und im Rahmen dieses Verfahrens die Ungültigkeit des Basisrechtsakts geltend machen und das Gericht veranlassen, sich gegebenenfalls gemäß Art. 267 AEUV mit Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof zu wenden (Urteile vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament, C‑294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23, vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 93, und vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 29).

42

Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Kommission im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung nicht die besonderen und konkreten Folgen der Erklärung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Binnenmarkt für die Begünstigten und jede andere Person, die in irgendeiner Weise von der vorliegenden Maßnahme betroffen sein könnte, bestimmt hat.

43

Jedoch ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass die Konzessionsverträge zwischen dem französischen Staat und den betroffenen Autobahnkonzessionsunternehmen Änderungen unterzogen werden sollen, die durch ein Dekret genehmigt werden, um dort die einzelnen Vorgaben des Plans zur Weiterentwicklung einzufügen, nämlich u. a. die durchzuführenden Arbeiten, die Verlängerung der Laufzeit der Konzessionen, die Maßnahmen zur Überwachung der Arbeiten und zur Verhinderung einer Überkompensation sowie die Verpflichtungen, die die französischen Behörden gegenüber der Kommission im Rahmen des Verfahrens, in dem die in Rede stehende Maßnahme geprüft wurde, eingegangen sind.

44

Die besonderen und konkreten Folgen der angefochtenen Entscheidung für die Kläger und deren Mitglieder sollen daher in nationalen Maßnahmen ihren konkreten Niederschlag finden, die somit Maßnahmen zur Durchführung dieser Entscheidung im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV letzter Satzteil sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 21. April 2016, Royal Scandinavian Casino Århus/Kommission, C‑541/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:302, Rn. 47).

45

Nach der Rechtsprechung müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die natürlichen oder juristischen Personen die nationalen Maßnahmen zur Durchführung eines Unionsrechtsakts vor den nationalen Gerichten anfechten können. Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, mit dem die Einhaltung des Grundrechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet werden kann (Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 100, und Beschluss vom 21. April 2016, Royal Scandinavian Casino Århus/Kommission, C‑541/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:302, Rn. 51).

46

Gemäß Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV schaffen die Mitgliedstaaten nämlich die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 101).

47

Im Übrigen ist es mangels einer einschlägigen Regelung der Union Sache jedes Mitgliedstaats, unter Beachtung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Erfordernisse die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen (Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 102).

48

Unabhängig von der Frage, ob die angefochtene Entscheidung ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist, ist deshalb festzustellen, dass im Fall der vorliegenden Klage die Voraussetzung des Fehlens von Durchführungsmaßnahmen, von der die Zulässigkeit dieser Klage nach dem in dieser Bestimmung vorgesehenen dritten Fall abhängt, nicht erfüllt ist.

49

Nach alledem ist die vorliegende Klage daher in vollem Umfang als unzulässig abzuweisen, ohne dass über das Vorbringen der Kommission entschieden zu werden braucht, dass die Vertretung nicht von einem Rechtsanwalt wahrgenommen wird, der ein von den Klägern unabhängiger Dritter ist.

Zum Antrag auf Zulassung als Streithelfer

50

Nach Art. 142 Abs. 2 der Verfahrensordnung hat sich der Streithilfeantrag der Französischen Republik erledigt.

Kosten

51

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

52

Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

53

Im Übrigen trägt nach Art. 144 Abs. 10 der Verfahrensordnung die Französische Republik ihre eigenen im Zusammenhang mit dem Streithilfeantrag entstandenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

beschlossen:

 

1.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

 

2.

Der Streithilfeantrag der Französischen Republik hat sich erledigt.

 

3.

Der Automobile club des avocats (ACDA), die Organisation des transporteurs routiers européens (OTRE), die Fédération française des motards en colère (FFMC), die Fédération française de motocyclisme und die Union nationale des automobile clubs tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

 

4.

Die Französische Republik trägt ihre eigenen im Zusammenhang mit dem Streithilfeantrag entstandenen Kosten.

 

Luxemburg, den 12. Januar 2017

Der Kanzler

E. Coulon

Die Präsidentin

I. Pelikánová


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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