Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-460/15
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
19. Januar 2017 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung — Umwelt — System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Europäischen Union — Richtlinie 2003/87/EG — Monitoringkonzept — Verordnung (EU) Nr. 601/2012 — Art. 49 Abs. 1 und Anhang IV Abschnitt 10 — Berechnung der Emissionen der Anlage — Abzug des weitergeleiteten Kohlendioxids (CO2) — Ausschluss des in der Herstellung von gefälltem Kalziumkarbonat verwendeten CO2 — Gültigkeit des Ausschlusses“
In der Rechtssache C‑460/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. Juni 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 28. August 2015, in dem Verfahren
Schaefer Kalk GmbH & Co. KG
gegen
Bundesrepublik Deutschland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev und S. Rodin,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
— |
der Schaefer Kalk GmbH & Co. KG, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Altenschmidt und A. Sitzer, |
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der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Fleckner als Bevollmächtigten, |
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der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte, |
— |
der Europäischen Kommission, vertreten durch E. White und K. Herrmann als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. November 2016
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 49 Abs. 1 und Anhang IV Abschnitt 10 der Verordnung (EU) Nr. 601/2012 der Kommission vom 21. Juni 2012 über die Überwachung von und die Berichterstattung über Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2012, L 181, S. 30). |
2 |
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Schaefer Kalk GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schaefer Kalk) und der Bundesrepublik Deutschland über den dieser Gesellschaft verweigerten Abzug des in einer Anlage zum Brennen von Kalk angefallenen und an eine Anlage zur Herstellung von gefälltem Kalziumkarbonat (im Folgenden: PCC) weitergeleiteten Kohlendioxids (CO2) von den der Berichtspflicht unterliegenden Emissionen. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2003/87/EG
3 |
Die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. 2003, L 275, S. 32) in der durch die Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl. 2009, L 140, S. 63) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2003/87) soll nach ihrem fünften Erwägungsgrund dazu beitragen, die Verpflichtungen der Union zur Verringerung der anthropogenen Treibhausgasemissionen „durch einen effizienten europäischen Markt für Treibhausgasemissionszertifikate effektiver und unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage“ zu erfüllen. |
4 |
Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 gilt diese für Emissionen aus den in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten und die Emissionen der in Anhang II der Richtlinie aufgeführten Treibhausgase, zu denen auch CO2 zählt. |
5 |
Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie sieht vor: „Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet der Ausdruck …
…
…“ |
6 |
Art. 10a („Gemeinschaftsweite Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung“) der Richtlinie bestimmt: „(1) Die Kommission erlässt bis zum 31. Dezember 2010 gemeinschaftsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsmaßnahmen für die Zuteilung der in den Absätzen 4, 5, 7 und 12 genannten Zertifikate … … Die Maßnahmen gemäß Unterabsatz 1 legen so weit wie möglich die gemeinschaftsweiten Ex-ante-Benchmarks fest, um sicherzustellen, dass durch die Art der Zuteilung Anreize für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen und für energieeffiziente Techniken geschaffen werden, indem sie den effizientesten Techniken, Ersatzstoffen, alternativen Herstellungsprozessen, der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung, der effizienten energetischen Verwertung von Restgasen, der Verwendung von Biomasse sowie der Abscheidung und Speicherung von CO2, sofern entsprechende Anlagen zur Verfügung stehen, Rechnung tragen, und sie keine Anreize für eine Erhöhung der Emissionen bieten. Für die Stromerzeugung erfolgt keine kostenlose Zuteilung, mit Ausnahme der unter Artikel 10c fallenden Fälle und des aus Restgasen erzeugten Stroms. In jedem Sektor bzw. Teilsektor wird der Benchmark grundsätzlich für die Produkte und nicht für die Einsatzstoffe berechnet, um die Treibhausgasemissionsreduktionen und Energieeinsparungen während sämtlicher Produktionsprozesse des betreffenden Sektors bzw. Teilsektors zu maximieren. … (2) Der Ausgangspunkt bei der Festlegung der Grundsätze für die Ex-ante-Benchmarks für die einzelnen Sektoren bzw. Teilsektoren ist die Durchschnittsleistung der 10 % effizientesten Anlagen eines Sektors bzw. Teilsektors in der Gemeinschaft in den Jahren 2007 und 2008. … Die gemäß Artikel 14 und 15 erlassenen Verordnungen harmonisieren die Überwachung, die Berichterstattung und die Überprüfung der produktionsbedingten Treibhausgasemissionen im Hinblick auf die Festlegung der Ex-ante-Benchmarks. …“ |
7 |
In Art. 12 Abs. 3 und 3a der Richtlinie 2003/87 heißt es: „(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Betreiber für jede Anlage bis spätestens 30. April jeden Jahres eine Anzahl von … Zertifikaten abgibt, die den nach Artikel 15 geprüften Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr entspricht, und dass diese Zertifikate anschließend gelöscht werden. (3a) Verpflichtungen zur Abgabe von Zertifikaten gelten nicht für Emissionen, die aufgrund einer Prüfung als abgeschieden und zur ständigen Speicherung in eine Anlage verbracht anzusehen sind, für die eine Genehmigung in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die geologische Speicherung von Kohlendioxid [und zur Änderung der Richtlinie 85/377/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 (ABl. 2009, L 140, S.114)] gilt.“ |
8 |
Art. 14 („Überwachung und Berichterstattung betreffend Emissionen“) sieht vor: „(1) Die Kommission erlässt bis 31. Dezember 2011 eine Verordnung über die Überwachung von und Berichterstattung über Emissionen – und gegebenenfalls Tätigkeitsdaten – aus den in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten sowie über die Überwachung von und Berichterstattung über Tonnenkilometer-Angaben zum Zweck eines Antrags gemäß Artikel 3e oder 3f, die auf den in Anhang IV dargestellten Grundsätzen für die Überwachung und Berichterstattung basiert und in den Überwachungs- und Berichterstattungsanforderungen für die einzelnen Treibhausgase das Erderwärmungspotenzial der betreffenden Gase angibt. Diese Maßnahme zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Richtlinie durch Ergänzung wird nach dem in Artikel 23 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen. (2) Die Verordnung gemäß Absatz 1 trägt den genauesten und aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere aus dem [Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC)], Rechnung und kann auch vorschreiben, dass Betreiber über Emissionen im Zusammenhang mit der Herstellung von Gütern berichten müssen, die von energieintensiven, potenziell im internationalen Wettbewerb stehenden Industrien produziert werden. Jene Verordnung kann auch Anforderungen an die Prüfung der Informationen durch unabhängige Stellen festlegen. Diese Vorschriften können auch die Berichterstattung über die Höhe der unter das Gemeinschaftssystem fallenden und mit der Herstellung solcher Güter verbundenen Emissionen aus der Stromerzeugung umfassen. (3) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass jeder Betreiber einer Anlage oder eines Luftfahrzeugs die Emissionen dieser Anlage in dem betreffenden Kalenderjahr bzw. die Emissionen dieses Luftfahrzeugs ab dem 1. Januar 2010 nach Maßgabe der Verordnung gemäß Absatz 1 überwacht und der zuständigen Behörde nach Ende jedes Kalenderjahres darüber Bericht erstattet. (4) In der Verordnung gemäß Absatz 1 können auch Anforderungen für die Verwendung von automatisierten Systemen und Datenaustauschformaten vorgesehen werden, damit im Zusammenhang mit dem Überwachungsplan, dem jährlichen Emissionsbericht und den Prüfungstätigkeiten die Kommunikation zwischen dem Betreiber, der Prüfstelle und den zuständigen Behörden harmonisiert wird.“ |
9 |
Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die von den Betreibern … gemäß Artikel 14 Absatz 3 vorgelegten Berichte anhand der Kriterien des Anhangs V und etwaiger Durchführungsvorschriften, die die Kommission gemäß diesem Artikel erlassen hat, geprüft werden und die zuständige Behörde hiervon unterrichtet wird.“ |
10 |
Nach Art. 16 der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten gehalten, Vorschriften über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festzulegen, um Verstöße gegen die gemäß der Richtlinie 2003/87 erlassenen nationalen Bestimmungen zu ahnden. |
Verordnung Nr. 601/2012
11 |
In den Erwägungsgründen 1, 5 und 13 der Verordnung Nr. 601/2012 heißt es:
…
…
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12 |
Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt: „Die Überwachung und Berichterstattung ist vollständig und berücksichtigt alle Prozessemissionen und Emissionen aus der Verbrennung aus sämtlichen Emissionsquellen und Stoffströmen im Zusammenhang mit Tätigkeiten gemäß Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG und anderen gemäß Artikel 24 der Richtlinie einbezogenen relevanten Tätigkeiten sowie alle Treibhausgasemissionen, die für diese Tätigkeiten aufgelistet sind, wobei Doppelerfassungen zu vermeiden sind.“ |
13 |
In Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung heißt es: „Jeder Anlagenbetreiber und Luftfahrzeugbetreiber überwacht die Treibhausgasemissionen auf der Grundlage des von der zuständigen Behörde gemäß Artikel 12 genehmigten Monitoringkonzepts im Einklang mit der Art und der Funktionsweise der Anlage bzw. Luftverkehrstätigkeit, für die es angewendet wird.“ |
14 |
Nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 601/2012 berücksichtigt der Anlagenbetreiber „[b]ei der Festlegung des Überwachungs- und Berichterstattungsprozesses … die sektorspezifischen Anforderungen von Anhang IV“. |
15 |
Art. 49 Abs. 1 der Verordnung bestimmt: „Der Anlagenbetreiber zieht von den Emissionen der Anlage alle aus fossilem Kohlenstoff im Rahmen von Tätigkeiten gemäß Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG stammenden Mengen CO2 ab, die nicht aus der Anlage emittiert, sondern aus der Anlage weitergeleitet werden in
Bei anderen Weiterleitungen von CO2 aus der Anlage darf das CO2 nicht von den Emissionen der Anlage abgezogen werden.“ |
16 |
Anhang IV („Aktivitätsspezifische Überwachungsmethodiken für Anlagen [Artikel 20 Absatz 2]“) der Verordnung Nr. 601/2012 enthält einen Abschnitt 10 über die „Herstellung von Kalk oder Brennen von Dolomit oder Magnesit gemäß Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG“. In Unterabschnitt B („Spezifische Überwachungsvorschriften“) sieht dieser Abschnitt u. a. vor: „Wird in der Anlage CO2 verwendet oder zur Herstellung von gefälltem Kalziumkarbonat (PCC) an eine andere Anlage weitergeleitet, so gilt diese CO2-Menge als Emission der das CO2 produzierenden Anlage.“ |
Deutsches Recht
17 |
§ 3 des Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz) vom 21. Juli 2011 (BGBl. I S. 1475, im Folgenden: TEHG) sieht vor: „Für dieses Gesetz gelten die folgenden Begriffsbestimmungen: …
…“ |
18 |
In § 5 Abs. 1 TEHG heißt es: „Der Betreiber hat die durch seine Tätigkeit in einem Kalenderjahr verursachten Emissionen nach Maßgabe des Anhangs 2 Teil 2 zu ermitteln und der zuständigen Behörde bis zum 31. März des Folgejahres über die Emissionen zu berichten.“ |
19 |
§ 6 TEHG bestimmt: „(1) Der Betreiber ist verpflichtet, bei der zuständigen Behörde für jede Handelsperiode einen Überwachungsplan für die Emissionsermittlung und Berichterstattung nach § 5 Absatz 1 einzureichen. … (2) Der Überwachungsplan bedarf der Genehmigung. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Überwachungsplan den Vorgaben der Monitoring-Verordnung [(Verordnung Nr. 601/2012)], der Rechtsverordnung nach § 28 Absatz 2 Nummer 1 und, soweit diese keine Regelungen treffen, des Anhangs 2 Teil 2 Satz 3 entspricht. …“ |
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
20 |
Schaefer Kalk betreibt eine Anlage zum Brennen von Kalk in Hahnstätten (Deutschland). Diese Tätigkeit unterliegt dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten. |
21 |
Im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung des Überwachungsplans für ihre Anlage bei der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (im Folgenden: DEHSt) beantragte Schaefer Kalk, von der im Emissionsbericht aufgeführten Menge an Treibhausgasen das an eine nicht dem EU-EHS unterliegende Anlage für die Herstellung von PCC weitergeleitete CO2 abziehen zu dürfen. Sie ist nämlich der Auffassung, dass dieses weitergeleitete CO2 in dem PCC chemisch gebunden werde und mangels Freisetzung in die Atmosphäre nicht den in Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2003/87 genannten „Emissionen“ entspreche. |
22 |
Da die DEHSt den Überwachungsplan genehmigte, ohne eine Entscheidung zum Abzug des weitergeleiteten CO2 zu treffen, erhob Schaefer Kalk insoweit Widerspruch, der am 29. August 2013 zurückgewiesen wurde. Die DEHSt ging davon aus, dass dieser Abzug in Anbetracht der Bestimmungen von Art. 49 und Anhang IV der Verordnung Nr. 601/2012 nicht in Betracht komme, da sich daraus ergebe, dass von den Emissionen einer der Überwachungs- und Berichtspflicht unterliegenden Anlage nur das CO2 abgezogen werden dürfe, das an eine der in Art. 49 aufgeführten Anlagen zur langfristigen geologischen Speicherung weitergeleitet werde. |
23 |
Mit ihrer am 10. September 2013 beim Verwaltungsgericht Berlin erhobenen Klage verfolgt Schaefer Kalk ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, dass Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung Nr. 601/2012 rechtswidrig seien. Diese Bestimmungen, die das in PCC gebundene und für die Herstellung dieses Stoffes weitergeleitete CO2 der Verpflichtung zur Teilnahme am EU-EHS unterstellten, seien von der Verordnungsermächtigung in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 nicht gedeckt. |
24 |
Da das Verwaltungsgericht Berlin Zweifel an der Gültigkeit dieser Bestimmungen der Verordnung Nr. 601/2012 hat, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Zu den Vorlagefragen
25 |
Vorab ist festzustellen, dass das von einer Anlage zum Brennen von Kalk produzierte und, wie im Ausgangsverfahren, an eine andere Anlage zur Herstellung von PCC weitergeleitete CO2 nach Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung Nr. 601/2012 als von der ersten Anlage emittiert gilt. |
26 |
Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof, über die Gültigkeit dieser Bestimmungen insoweit zu entscheiden, als diese durch die systematische Einbeziehung des für die Herstellung von PCC weitergeleiteten CO2 in die Emissionen der Anlage zum Brennen von Kalk – unabhängig davon, ob dieses CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird oder nicht – über die Definition der Emissionen in Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2003/87 hinausgehen könnten. |
27 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 601/2012 gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 erlassen wurde, wonach die Kommission eine Verordnung u. a. über die Überwachung von und die Berichterstattung über Emissionen – eine Maßnahme zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Richtlinie durch Ergänzung – erlässt. Bei der Würdigung der in Rede stehenden Bestimmungen dieser Verordnung ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Kommission mit ihrem Erlass nicht die von der Richtlinie 2003/87 gesetzten Grenzen überschritten hat. |
28 |
Nach ihrem fünften Erwägungsgrund soll die Richtlinie 2003/87 mit der Einführung eines Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zur Erfüllung der Verpflichtungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten aus dem Protokoll von Kyoto zum Rahmenabkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen beitragen, das mit der Entscheidung 2002/358/EG des Rates vom 25. April 2002 (ABl. 2002, L 130, S. 1) im Namen der Europäischen Union genehmigt wurde und die Verringerung dieser Emissionen in die Atmosphäre auf einem Niveau vorsieht, das eine gefährliche anthropogene Beeinträchtigung des Klimasystems verhindert und dessen Endziel der Schutz der Umwelt ist. |
29 |
Die wirtschaftliche Logik der Treibhausgasemissionszertifikate besteht, wie sich aus Art. 1 der Richtlinie 2003/87 ergibt, darin, dass die Verringerung der Treibhausgasemissionen, die für das Erzielen eines im Voraus bestimmten Ergebnisses für die Umwelt notwendig ist, zu möglichst geringen Kosten erfolgt. Dieses System soll insbesondere dadurch, dass der Verkauf der zugeteilten Zertifikate erlaubt wird, jeden Teilnehmer dazu veranlassen, eine Treibhausgasmenge zu emittieren, die unter der Menge der ihm ursprünglich zugeteilten Zertifikate liegt, um die überschüssigen Zertifikate an einen anderen Teilnehmer abzugeben, der eine Emissionsmenge erzeugt hat, die die ihm zugeteilten Zertifikate übersteigt (vgl. insbesondere Urteile vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 32, und vom 7. April 2016, Holcim [Romania]/Kommission, C‑556/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:207, Rn. 64 und 65). |
30 |
Eine der Säulen des durch die Richtlinie 2003/87 geschaffenen Systems ist somit die Verpflichtung der Betreiber, bis zum 30. April des laufenden Jahres eine ihren Emissionen im vorhergehenden Kalenderjahr entsprechende Anzahl von Treibhausgasemissionszertifikaten zwecks Löschung abzugeben (Urteil vom 29. April 2015, Nordzucker, C‑148/14, EU:C:2015:287, Rn. 29). |
31 |
Für das reibungslose Funktionieren des durch die Richtlinie 2003/87 geschaffenen Systems ist es also von entscheidender Bedeutung, die Emissionen zu bestimmen, die insoweit von den Betreibern zu berücksichtigen sind. |
32 |
Nach Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2003/87 ist unter „Emissionen“ im Sinne dieser Richtlinie die Freisetzung von Treibhausgasen in die Atmosphäre aus Quellen in einer Anlage zu verstehen. Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass eine Emission in ihrem Sinne die Freisetzung von Treibhausgasen in die Atmosphäre voraussetzt. |
33 |
Zwar sieht Art. 12 Abs. 3a der Richtlinie 2003/87 vor, dass Emissionen, die abgeschieden und zur ständigen Speicherung in eine Anlage verbracht worden sind, für die eine Genehmigung in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2009/31 gilt, unter bestimmten Bedingungen nicht der Verpflichtung zur Abgabe von Zertifikaten unterliegen. |
34 |
Jedoch bedeutet dies entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht, dass der Unionsgesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass die Betreiber nur im Fall der ständigen geologischen Speicherung nicht zur Abgabe verpflichtet sind. |
35 |
Denn im Unterschied zu Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 601/2012, der vorsieht, dass das CO2 bei anderen Weiterleitungen von CO2 aus der Anlage nicht von den Emissionen der Anlage abgezogen werden darf, enthält Art. 12 Abs. 3a der Richtlinie 2003/87 keine entsprechende Regelung. |
36 |
Durch diese letztgenannte Bestimmung, die nur einen speziellen Fall betrifft und die Speicherung von Treibhausgasen fördern soll, wurde keine Änderung der Definition von „Emissionen“ im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2003/87 und damit auch keine Änderung des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie, wie er in Art. 2 Abs. 1 festgelegt ist, bezweckt oder bewirkt. |
37 |
Um bestimmen zu können, ob das aus der Kalkherstellung durch eine Anlage wie die des Ausgangsverfahrens stammende CO2 nach Art. 2 Abs. 1 und den Anhängen I und II der Richtlinie 2003/87 in deren Geltungsbereich fällt, ist daher zu prüfen, ob diese Herstellung zur Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre führt. |
38 |
Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen ergibt sich unstreitig, dass das für die Herstellung von PCC verwendete CO2 in dieser stabilen Verbindung chemisch gebunden ist. Die Tätigkeit der PCC‑Herstellung zählt im Übrigen nicht zu denen, die nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2003/87 in deren Geltungsbereich fallen. |
39 |
In einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in dem das von einer Anlage zur Herstellung von Kalk produzierte CO2 an eine Anlage zur Herstellung von PCC weitergeleitet wird, gilt jedoch nach Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung Nr. 601/2012 das gesamte weitergeleitete CO2 – unabhängig davon, ob ein Teil davon während des Transports oder aufgrund von Entweichungen oder sogar beim Herstellungsprozess selbst in die Atmosphäre freigesetzt wird oder nicht – als von der Anlage zur Herstellung von Kalk, die das CO2 produziert hat, emittiert, obwohl diese Weiterleitung keinerlei Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre herbeiführen kann. Wie die Generalanwältin in Nr. 41 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, begründen diese Bestimmungen eine nicht widerlegliche Vermutung, dass das gesamte weitergeleitete CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird. |
40 |
Diese Bestimmungen führen somit dazu, dass das unter solchen Bedingungen weitergeleitete CO2 unter den Begriff der „Emissionen“ im Sinne von Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2003/87 fällt, obwohl es nicht in allen Fällen in die Atmosphäre freigesetzt wird. Die Kommission hat daher mit Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung Nr. 601/2012 den Anwendungsbereich dieses Begriffs erweitert. |
41 |
Ferner können die betreffenden Betreiber als Folge dieser Vermutung in keinem Fall die Menge an CO2, die zur Herstellung von PCC weitergeleitet wurde, von den Gesamtemissionen ihrer Anlage zur Herstellung von Kalk in Abzug bringen, obwohl dieses CO2 nicht in allen Fällen in die Atmosphäre freigesetzt wird. Dies bedeutet, dass für das gesamte zur Herstellung von PCC weitergeleitete CO2 Zertifikate abgegeben werden müssen und nicht mehr als Überschuss verkauft werden können, so dass das System für den Handel mit Zertifikaten in einem Fall in Frage gestellt wird, der eigentlich dem Endziel der Richtlinie 2003/87 dient, die den Schutz der Umwelt durch eine Begrenzung der Treibhausgasemissionen bezweckt (zum Ziel der Richtlinie 2003/87 vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 31). |
42 |
Daraus folgt, dass die Kommission mit dem Erlass dieser Bestimmungen eine wesentliche Bestimmung der Richtlinie 2003/87 geändert hat. |
43 |
Darüber hinaus ist erstens nicht ersichtlich, dass die Gesamtheit der Garantien, die sich zum einen aus dem durch die Richtlinie 2003/87 geschaffenen System der Überwachung von und Berichterstattung über Emissionen sowie den übrigen, im Ausgangsrechtsstreit nicht in Rede stehenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 601/2012 und zum anderen aus den Kontroll- und Prüfungsbefugnissen der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2015, Nordzucker, C‑148/14, EU:C:2015:287, Rn. 37), nicht ausreichen würde, um der Gefahr vorzubeugen, dass das Emissionshandelssystem bei der Weiterleitung von Treibhausgasen an eine diesem System nicht unterliegende Anlage wie die, in der PCC hergestellt wird, umgangen wird. |
44 |
In diesem Zusammenhang stellen Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung Nr. 601/2012 zwar sicher, dass das an eine Anlage wie die, in der PCC hergestellt wird, weitergeleitete CO2 unabhängig davon, ob es in die Atmosphäre freigesetzt wird oder nicht, in allen Fällen als Emission in die Atmosphäre gilt, doch geht eine solche Vermutung – abgesehen davon, dass sie die Kohärenz des im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie 2003/87 geschaffenen Systems beeinträchtigt – über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinaus. |
45 |
Zweitens kann, da die Verordnung Nr. 601/2012 auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 erlassen wurde, um die Bedingungen der Überwachung von und der Berichterstattung über Treibhausgasemissionen zu präzisieren, die Tragweite der hier in Rede stehenden Bestimmungen dieser Verordnung, die nur solche Emissionen im Sinne von Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2003/87 betreffen, nicht durch andere Bestimmungen dieser Richtlinie, die sich auf die Erzeugung von CO2 beziehen und bei der Festlegung der in Art. 10a der Richtlinie genannten „Ex-ante-Benchmarks“ berücksichtigt werden, berührt werden. |
46 |
Aus dem gleichen Grund kann diese Tragweite auch nicht durch die der Kommission in Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2003/87 auferlegte Verpflichtung berührt werden, bei der Ausarbeitung der Verordnung Nr. 601/2012 den genauesten und aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Selbst unter der Annahme, dass die aktuellsten, vom IPCC übermittelten Daten die Kommission dazu angehalten hätten, bei CO2-Weiterleitungen berechtigterweise einen strengeren Ansatz zu verfolgen und deshalb Treibhausgasemissionen nach Möglichkeit ihrer Quelle zuzurechnen, kann eine solche Zurechnung jedoch allenfalls innerhalb der in der Richtlinie 2003/87 festgelegten und in Rn. 27 des vorliegenden Urteils angeführten Grenzen zugelassen werden. |
47 |
Drittens trifft es zwar zu, dass beim System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten das Hauptziel die erhebliche Verringerung der Emission solcher Gase ist, eines seiner Unterziele ist aber der Schutz der Integrität des Binnenmarkts und der Wettbewerbsbedingungen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. März 2012, Kommission/Estland, C‑505/09 P, EU:C:2012:179, Rn. 79, und vom 22. Juni 2016, DK Recycling und Roheisen/Kommission, C‑540/14 P, EU:C:2016:469, Rn. 49 und 50). Es besteht allerdings, wie die Generalanwältin in Nr. 49 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ein objektiver Unterschied zwischen einem Betreiber, der Treibhausgas in die Atmosphäre freisetzt, und einem Betreiber, der solche Emissionen dadurch vermeidet, dass er das erzeugte CO2 in einen anderen stabilen chemischen Stoff, in dem es gebunden wird, chemisch umwandelt. Daher kann dieser Unterschied, auch wenn er bewirkt, dass der zweite Betreiber mehr Zertifikate als der erste erhalten kann, im System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nicht allein deshalb als den Wettbewerb zwischen diesen beiden Betreibern verfälschend angesehen werden. |
48 |
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission mit dem Erlass von Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung Nr. 601/2012 eine wesentliche Bestimmung der Richtlinie 2003/87 geändert und damit die in Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Grenzen überschritten hat. |
49 |
Daher ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung Nr. 601/2012 insoweit ungültig sind, als sie das für die Herstellung von PCC an eine andere Anlage weitergeleitete CO2 unabhängig davon, ob es in die Atmosphäre freigesetzt wird oder nicht, systematisch in die Emissionen der Anlage zum Brennen von Kalk einbeziehen. |
Kosten
50 |
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt: |
Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung (EU) Nr. 601/2012 der Kommission vom 21. Juni 2012 über die Überwachung von und die Berichterstattung über Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind insoweit ungültig, als sie das für die Herstellung von PCC an eine andere Anlage weitergeleitete Kohlendioxid (CO2) unabhängig davon, ob es in die Atmosphäre freigesetzt wird oder nicht, systematisch in die Emissionen der Anlage zum Brennen von Kalk einbeziehen. |
Silva de Lapuerta Regan Bonichot Arabadjiev Rodin Verkündet in Luxemburg in öffentlicher Sitzung am 19. Januar 2017. Der Kanzler A. Calot Escobar Die Präsidentin der Ersten Kammer R. Silva de Lapuerta |
( *1 ) * Verfahrenssprache: Deutsch.
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Referenzen
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