Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-373/15

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

26. Januar 2017 ( 1 )

„Rechtsmittel — Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) — Von der Finanzierung durch die Europäische Union ausgeschlossene Ausgaben — Verordnungen (EG) Nr. 1698/2005, (EG) Nr. 1975/2006 und (EG) Nr. 796/2004 — Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums — Gebiete mit naturbedingten Nachteilen — Vor-Ort-Kontrollen — Viehdichtekoeffizent — Viehzählung“

In der Rechtssache C‑373/15 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 15. Juli 2015,

Französische Republik, vertreten durch F. Alabrune, G. de Bergues, D. Colas und C. Candat, dann durch G. de Bergues, D. Colas, F. Fize und A. Daly als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch A. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,

Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch D. Bianchi und G. von Rintelen als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter J. Malenovský und M. Safjan,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Französische Republik die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 30. April 2015, Frankreich/Kommission (T‑259/13, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:250), mit dem ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses 2013/123/EU der Kommission vom 26. Februar 2013 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2013, L 67, S. 20, im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 1698/2005

2

Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2005, L 277, S. 1) lautet:

„Die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums trägt zur Verwirklichung folgender Ziele bei:

b)

Verbesserung der Umwelt und der Landschaft durch Förderung der Landbewirtschaftung“.

3

In Titel IV („Unterstützung der Entwicklung des ländlichen Raums“) der Verordnung Nr. 1698/2005 werden in den vier Abschnitten von Kapitel I („Schwerpunkte“) die verschiedenen Interventionsbereiche und die möglichen Maßnahmen genannt. Abschnitt 2 („Schwerpunkt 2“, „Verbesserung der Umwelt und der Landschaft“) enthält u. a. Art. 36, dessen Buchst. a Ziff. i und ii bestimmt:

„Die Beihilfen dieses Abschnitts betreffen folgende Maßnahmen:

a)

Maßnahmen zur Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen:

i)

Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile zugunsten von Landwirten in Berggebieten,

ii)

Zahlungen zugunsten von Landwirten in benachteiligten Gebieten, die nicht Berggebiete sind“.

4

Art. 37 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1698/2005 lautet:

„(1)   Die Zahlungen gemäß Artikel 36 Buchstabe a Ziffern i und ii werden jährlich je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche im Sinne der Entscheidung 2000/115/EG der Kommission vom 24. November 1999 über die Definitionen der Erhebungsmerkmale, die Liste der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die Ausnahmen von den Definitionen sowie die Regionen und Bezirke im Hinblick auf die Erhebungen über die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe [ABl. 2000, L 38, S. 1] gewährt.

Die Zahlungen dienen zum Ausgleich der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste der Landwirte im Zusammenhang mit den Nachteilen für die landwirtschaftliche Erzeugung in dem betreffenden Gebiet.

(2)   Die Zahlungen werden Landwirten gewährt, die sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit in den gemäß Artikel 50 Absätze 2 und 3 ausgewiesenen Gebieten vom Zeitpunkt der ersten Zahlung an noch mindestens fünf Jahre auszuüben.“

5

Art. 71 („Zuschussfähigkeit der Ausgaben“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 1698/2005 lautet:

„Die Ausgaben kommen nur dann für eine Beteiligung des ELER in Betracht, wenn sie für Vorhaben getätigt werden, die nach den von dem zuständigen Gremium festgelegten Auswahlkriterien von der Verwaltungsbehörde des betreffenden Programms oder unter deren Verantwortung beschlossen wurden.“

Verordnung (EG) Nr. 1975/2006

6

Art. 5 („Allgemeine Kontrollgrundsätze“) Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 der Kommission vom 7. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1698/2005 hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ABl. 2006, L 368, S. 74) lautet:

„(1)   Unbeschadet der spezifischen Bestimmungen der vorliegenden Verordnung tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass alle durch [Rechtsvorschriften der Union] oder einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder in den Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums aufgestellten Förderkriterien anhand von überprüfbaren Indikatoren, die von den Mitgliedstaaten festzulegen sind, kontrolliert werden können.

(2)   Die in den Artikeln 12, 20 und 27 vorgesehenen Vor-Ort-Kontrollen und andere in [Rechtsvorschriften der Union] für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen werden, soweit möglich, gleichzeitig durchgeführt.“

7

Aus den Art. 6 bis 8 der Verordnung Nr. 1975/2006 ergibt sich, dass deren Titel I für Fördermittel gilt, die gemäß Art. 36 der Verordnung Nr. 1698/2005 gewährt werden, wobei diejenigen, die von der Größe der angegebenen Fläche abhängen, als „flächenbezogene Maßnahmen“ bezeichnet werden. Ferner sehen diese Artikel vor, dass mehrere Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. 2004, L 141, S. 18) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 972/2007 der Kommission vom 20. August 2007 (ABl. 2007, L 216, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 796/2004) sinngemäß für die Zwecke von Titel I der Verordnung Nr. 1975/2006 gelten.

8

Art. 10 Abs. 1 bis 4 der Verordnung Nr. 1975/2006 bestimmt:

„(1)   Die Anträge auf Fördermittel und die darauf folgenden Zahlungsanträge werden so geprüft, dass zuverlässig festgestellt werden kann, ob die Fördervoraussetzungen erfüllt sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten legen für jede Stützungsmaßnahme geeignete Methoden und Instrumente zur Überprüfung der Fördervoraussetzungen fest.

(3)   Die Mitgliedstaaten wenden das ... integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem ... an.

(4)   Die Erfüllung der Förderkriterien wird durch Verwaltungs- und Vor-Ort-Kontrollen überprüft.“

9

Art. 12 („Vor-Ort-Kontrollen“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 lautet:

„Für die im vorliegenden Artikel vorgesehenen Vor-Ort-Kontrollen gelten Artikel 26 Absätze 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004.“

10

Art. 14 („Allgemeine Grundsätze für Vor-Ort-Kontrollen“) der Verordnung Nr. 1975/2006 lautet:

„(1)   Die Vor-Ort-Kontrollen sind auf der Grundlage einer Analyse des mit den verschiedenen Verpflichtungen im Rahmen jeder Maßnahme für die Entwicklung des ländlichen Raums verbundenen Risikos über das Jahr zu verteilen.

(2)   Gegenstand der Vor-Ort-Kontrolle sind alle Verpflichtungen und Auflagen eines Begünstigten, die zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs überprüft werden können.“

11

Art. 15 („Gegenstand der Vor-Ort-Kontrollen und Bestimmung der Flächen“) Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1975/2006 bestimmt:

„(2)   Bei den flächenbezogenen Maßnahmen werden die Vor-Ort-Kontrollen gemäß den Artikeln 29, 30 und 32 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 durchgeführt.

(3)   Bei den tierbezogenen Maßnahmen werden die Vor-Ort-Kontrollen gemäß Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 durchgeführt.“

Verordnung Nr. 796/2004

12

Teil II der Verordnung Nr. 796/2004, der das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem betrifft, enthält einen Titel III mit Vorschriften über die Kontrollen. Dessen Kapitel II („Kontrollen in Bezug auf die Beihilfevoraussetzungen“) enthält einen Abschnitt II mit Vorschriften über die Vor-Ort-Kontrollen. Dieser gliedert sich in mehrere Unterabschnitte, darunter Unterabschnitt I („Gemeinsame Bestimmungen“) mit den Art. 25 bis 28 der Verordnung, Unterabschnitt II („Vor-Ort-Kontrollen der Sammelanträge in Bezug auf die flächenbezogenen Beihilferegelungen“) mit den Art. 29 bis 33 der Verordnung und Unterabschnitt III („Vor-Ort-Kontrollen der Beihilfeanträge für Tiere“) mit den Art. 34 bis 39 der Verordnung.

13

In den Art. 29, 30 und 32 der Verordnung Nr. 796/2004, die nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 auf Beihilfen zur Verbesserung der Umwelt und der Landschaft Anwendung finden, sind für die flächenbezogenen Maßnahmen die Modalitäten der Vor-Ort-Kontrollen und der Bestimmung der Flächen geregelt.

14

Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004 bestimmt:

„(1)   Die Vor-Ort-Kontrollen erstrecken sich auf sämtliche Tiere, für die im Rahmen der zu kontrollierenden Beihilferegelungen Beihilfeanträge gestellt wurden, und im Fall von Beihilferegelungen für Rinder auch auf die nicht beantragten Rinder.

(2)   Die Vor-Ort-Kontrollen umfassen insbesondere:

a)

Überprüfungen, ob die Zahl der im Betrieb vorhandenen Tiere, für die Beihilfeanträge eingereicht wurden, sowie die Zahl der nicht beantragten Rinder der Zahl der Tiere in den Registern und – im Fall von Rindern – der Zahl der an die elektronische Datenbank für Rinder gemeldeten Tiere entspricht;

…“

Verordnung (EG) Nr. 885/2006

15

Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates hinsichtlich der Zulassung der Zahlstellen und anderen Einrichtungen sowie des Rechnungsabschlusses für den EGFL und den ELER (ABl. 2006, L 171, S. 90) lautet:

„Der Mitgliedstaat teilt der Kommission die Abhilfemaßnahmen mit, die er zur Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften getroffen hat, und nennt den Termin, ab dem diese Maßnahmen tatsächlich angewendet werden.

Die Kommission erlässt nach der Prüfung eines etwaigen Berichts der Schlichtungsstelle gemäß Kapitel 3 der vorliegenden Verordnung gegebenenfalls eine oder mehrere Entscheidungen gemäß Artikel 31 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 [des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2005, L 209, S. 1)], um Ausgaben, die nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt wurden, so lange von der Gemeinschaftsfinanzierung auszuschließen, bis der Mitgliedstaat die Abhilfemaßnahmen tatsächlich umgesetzt hat.

Für die Beurteilung der Ausgaben, die von der Gemeinschaftsfinanzierung auszuschließen sind, kann die Kommission auch Informationen berücksichtigen, die der Mitgliedstaat nach Ablauf der Frist gemäß Absatz 2 übermittelt hat, wenn dies für eine bessere Abschätzung des dem Gemeinschaftshaushalt entstandenen finanziellen Schadens notwendig und die verspätete Übermittlung der betreffenden Informationen durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt ist.“

Französisches Recht

16

In dem Rundschreiben DGPAAT/SDEA/C2008‑3016 vom 5. September 2008 (im Folgenden: Rundschreiben) werden die gesetzlichen Voraussetzungen der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile für das Jahr 2008 genannt.

17

Abschnitt 7.2 des Rundschreibens mit der Überschrift „Vor-Ort-Kontrollen“ sieht drei Arten solcher Kontrollen vor: erstens die Kontrolle, ob die Fläche, auf die sich der Antrag auf Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile bezieht, tatsächlich existiert, zweitens die Kontrolle der übrigen Verpflichtungen des Empfängers der Zahlungen und drittens eine Kontrolle der Online-Meldungen. Zur Vor-Ort-Kontrolle der Verpflichtungen, die sich nicht auf die Fläche beziehen, heißt es in Abschnitt 7.2 des Rundschreibens, dass u. a. eine Viehzählung vorzunehmen ist. Mit dem integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für Beihilfen werden die Rinder unter dem Gesichtspunkt der Beihilfen für Tiere kontrolliert, nicht aber speziell unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile. Bei der Berechnung der Viehdichte werden die Schafe berücksichtigt, für die in dem Jahr, in dem der Antrag auf Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile eingereicht wird, die Prämie für weibliche Schafe beantragt ist. Bei neuen Antragstellern werden die berücksichtigten Schafe durch Zählung der am Tag der Kontrolle vorhandenen Tiere kontrolliert.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

18

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits und der Inhalt des streitigen Beschlusses sind in den Rn. 24 bis 39 des angefochtenen Urteils dargestellt. Sie lassen sich für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens wie folgt zusammenfassen.

19

Die französischen Behörden genehmigten gemäß Art. 36 Buchst. a Ziff. i und ii der Verordnung Nr. 1698/2005 ein Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum (französisches Mutterland) 2007–2013, das u. a. vorsah, dass Landwirten in Gebieten mit naturbedingten Nachteilen entsprechende Ausgleichszahlungen gewährt wurden. Das Programm wurde mit dem Beschluss K(2007) 3446 endg. der Kommission vom 19. Juli 2007 gebilligt. Darin hieß es, die Zahlung von Ausgleichszahlungen für Futterflächen an Landwirte in Gebieten mit naturbedingten Nachteilen setze voraus, dass sie eine bestimmte Beweidungsintensität einhielten. Mit einem solchen Kriterium, ausgedrückt in Großvieheinheit je Hektar, lässt sich die Viehdichte auf den Futterflächen regeln, um Phänomene der zu schwachen Beweidung oder der Überweidung zu vermeiden. Die Beweidungsintensität wird auf der Ebene des Departements bestimmt, und zwar als Bandbreite pro Zone oder Unterzone.

20

Nach einer Kontrolle der in Frankreich für Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum ausgegebenen Beträge schloss die Kommission mit dem streitigen Beschluss bestimmte von Frankreich gemeldete Ausgaben von der Finanzierung durch die Union aus, so insbesondere Beträge von 21056869,75 Euro und 7898813,60 Euro wegen Mängeln der Vor-Ort-Kontrollen. Es handele sich um Mängel bei einer Schlüsselkontrolle, für die eine pauschale Berichtigung in Höhe von 5 % vorgesehen sei.

21

Es ergibt sich aus dem Verwaltungsverfahren insgesamt, dass die Kommission die finanzielle Berichtigung der Ausgaben für Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum auf ein Audit ihrer Stellen gestützt hat, das Mängel bei der Kontrolle der Viehdichte, auch „Beweidungsintensität“ genannt, in den „Sektoren“ Rinder und Schafe aufgedeckt habe, die vor Ort hätte überprüft werden müssen. Wie ihre Stellen festgestellt hätten, sei die Beweidungsintensität bei den Vor-Ort-Kontrollen aber nicht überprüft worden. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 dar.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

22

Mit Klageschrift, die am 7. Mai 2013 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Französische Republik Klage auf teilweise Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

23

Mit Schriftsatz, der am 30. Oktober 2013 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte das Königreich Spanien als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Französischen Republik zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 2. Dezember 2013 gab der Präsident der Neunten Kammer des Gerichts diesem Antrag statt.

24

Die Französische Republik machte drei Klagegründe geltend. Sie rügte einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 2 und 4 und Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 (erster Klagegrund), einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1082/2003 der Kommission vom 23. Juni 2003 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates für die Mindestkontrollen im Rahmen des Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern (ABl. 2003, L 156, S. 9) und Art. 26 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 796/2004 (zweiter Klagegrund) sowie schließlich hilfsweise, die Kommission habe die Anwendung der pauschalen Berichtigung zu Unrecht auf Schafbetriebe, die keinen Anspruch auf die Prämie für weibliche Schafe gehabt hätten, und auf Rinderbetriebe, die im Rahmen der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien überprüft worden seien, ausgedehnt (dritter Klagegrund).

25

In den Rn. 59 bis 63 des angefochtenen Urteils führte das Gericht aus, die beiden Teile des ersten Klagegrundes seien zusammen zu prüfen, weil mit beiden die Feststellung begehrt werde, dass die Kommission gegen Art. 10 Abs. 2 und 4 und Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 verstoßen habe. Das Gericht prüfte insoweit, ob die Französische Republik nach diesen Bestimmungen verpflichtet war, bei Vor-Ort-Kontrollen eine Viehzählung vorzunehmen, oder ob Verwaltungskontrollen unter Rückgriff auf eine Datenbank, zu deren Einrichtung Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt worden waren, geeignete Methoden und Instrumente zur Überprüfung der Fördervoraussetzungen waren.

26

In den Rn. 64 bis 69 des angefochtenen Urteils befand das Gericht, es sei in den Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 nicht ausdrücklich festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten bei Vor-Ort-Kontrollen eine Viehzählung vornehmen müssten. Nach diesen Artikeln und Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004, die Vor-Ort-Kontrollen vorsähen, sei der Spielraum der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beurteilung, welche Methoden und Instrumente zur Überprüfung der Fördervoraussetzungen geeignet seien, jedoch begrenzt.

27

In Rn. 70 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht insoweit weiter fest, es könne keine Bestimmung der Verordnung Nr. 1975/2006 dahin ausgelegt werden, dass die nationalen Behörden bei Vor-Ort-Kontrollen auf eine Viehzählung verzichten dürften, wenn Verwaltungskontrollen unter Rückgriff auf Informationen aus einer zuverlässigen Datenbank durchgeführt würden. Eine solche Auslegung liefe dem Ziel der Vor-Ort-Kontrollen zuwider, nämlich gemäß Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1975/2006 und Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004 zu überprüfen, ob die Informationen, die in den von den Mitgliedstaaten erstellten Datenbanken enthalten sind, richtig sind.

28

Das Gericht gab daher in Rn. 71 des angefochtenen Urteils der Kommission darin recht, dass die Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 bei Vor-Ort-Kontrollen gemäß Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1975/2006 und Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004 eine Viehzählung vorschrieben.

29

In den Rn. 73 bis 82 des angefochtenen Urteils wies das Gericht dann das Vorbringen der Französischen Republik zurück, die von den nationalen Behörden durchgeführten Kontrollen stünden mit den Vorschriften der Verordnung Nr. 1975/2006 in Einklang.

30

So wies das Gericht in den Rn. 73 bis 76 des angefochtenen Urteils das Vorbringen zurück, die französischen Behörden seien, weil zur Einrichtung der Datenbanken bereits Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt worden seien, von der Verpflichtung befreit, in der Folge weitere Vor-Ort-Kontrollen gemäß den Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 1975/2006 durchzuführen. Das Vorbringen der Französischen Republik zur Zuverlässigkeit der nationalen Datenbank sei insoweit nicht relevant. Die in der Verordnung Nr. 1975/2006 enthaltenen Verwaltungs- und Kontrollvorschriften seien bereichsspezifische Maßnahmen. Außerdem könnten die zur Einrichtung der Datenbank durchgeführten Überprüfungen nicht als Vor-Ort-Kontrollen im Sinne der Verordnung Nr. 1975/2006 angesehen werden. Sie seien nämlich nicht dazu bestimmt gewesen, die besonderen Voraussetzungen der Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum zu bewerten, sondern sämtliche Tiere eines Betriebs zu kontrollieren, für die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates (ABl. 2000, L 204, S. 1) die Kennzeichnung von Rindern vorgesehen sei.

31

In Rn. 81 des angefochtenen Urteils wies das Gericht das Vorbringen zurück, die Auslegung der Kommission sei nicht damit zu vereinbaren, dass das Kriterium der Beweidungsintensität dauernd erfüllt sein müsse. Die erforderlichen Großvieheinheiten je Hektar müssten zwar während des gesamten Bezugsjahrs im Betrieb vorhanden sein. Das heiße aber nicht, dass deshalb die durch die Verordnung Nr. 1975/2006 vorgeschriebenen Vor-Ort-Kontrollen nicht durchgeführt werden müssten. Diese dienten dazu, zu überprüfen, ob die in den Datenbanken enthaltenen Informationen, auf deren Grundlage die Verwaltungskontrollen durchgeführt würden, zuträfen und ob die Datenbanken zuverlässig seien. In Rn. 82 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht deshalb fest, dass es die Viehzählung bei den Vor-Ort-Kontrollen ermögliche, die durch die Verordnung Nr. 1975/2006 vorgeschriebenen Überprüfungen durchzuführen und sich zu vergewissern, dass die Datenbanken für die Berechnung der Beweidungsintensität der Realität entsprächen, auch wenn damit der Parameter der Dauer des Vorhandenseins der Tiere in einem Betrieb nicht und der des Alters der Rinder nicht exakt berücksichtigt werden könnten.

32

In den Rn. 84 bis 89 des angefochtenen Urteils wies das Gericht den zweiten Klagegrund zurück.

33

In den Rn. 92 bis 110 des angefochtenen Urteils gab das Gericht dem ersten Teil des dritten Klagegrundes statt, mit dem gerügt worden war, dass die Anwendung der pauschalen Berichtigung auf Schafe, für die kein Anspruch auf eine Schafprämie bestehe, insoweit ohne Grundlage erfolgt sei, als die behaupteten Mängel des Systems der Vor-Ort-Kontrolle lediglich die Schafe betroffen hätten, für die ein Antrag auf Gewährung der Schafprämie gestellt worden sei.

34

In den Rn. 111 bis 114 des angefochtenen Urteils wies das Gericht den zweiten Teil des dritten Klagegrundes zurück.

35

Das Gericht erklärte den streitigen Beschluss deshalb teilweise für nichtig, nämlich insoweit, als mit ihm auf Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum für Schafe, für die für die Haushaltsjahre 2008 und 2009 keine Anträge auf Gewährung von Schafprämien gestellt wurden, eine finanzielle Berichtigung angewandt wurde. Im Übrigen wies das Gericht die Klage ab.

Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

36

Die Französische Republik beantragt,

das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als mit ihm der erste auf die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses abzielende Klagegrund zurückgewiesen worden ist;

den Rechtsstreit endgültig zu entscheiden und den streitigen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als mit ihm bestimmte von ihr für den Schwerpunkt 2 des Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums im französischen Mutterland in den Haushaltsjahren 2008 und 2009 getätigte Ausgaben ausgeschlossen worden sind, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;

die Entscheidung über die Kosten vorzubehalten.

37

Die Kommission beantragt,

das Rechtsmittel als teilweise unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen;

der Französischen Republik die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

38

Das Königreich Spanien beantragt, dem Rechtsmittel stattzugeben.

Zum Rechtsmittel

39

Die Französische Republik macht drei Rechtsmittelgründe geltend.

40

Sie rügt erstens, das Gericht habe rechtsfehlerhaft nicht von Amts wegen berücksichtigt, dass die Kommission dadurch, dass sie den streitigen Beschluss nicht in angemessener Frist erlassen habe, wesentliche Formvorschriften verletzt habe. Zweitens macht sie hilfsweise geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft befunden, dass die Kommission dadurch, dass sie bei Vor-Ort-Kontrollen auf einer Viehzählung bestanden habe, nicht gegen die Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 verstoßen habe. Drittens habe das Gericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass die im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Schafprämien vor Ort durchgeführten Überprüfungen keine Vor-Ort-Kontrollen im Sinne der Verordnung Nr. 1975/2006 darstellten.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

41

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Französische Republik, unterstützt durch das Königreich Spanien, geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft nicht von Amts wegen berücksichtigt, dass die Kommission wesentliche Formvorschriften verletzt habe, indem sie den streitigen Beschluss nicht in angemessener Frist erlassen habe. Der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156), bereits entschieden, das Gericht sei rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission beim Erlass eines Beschlusses über eine finanzielle Berichtigung keine gesetzliche Frist einzuhalten habe. Es der Kommission zu gestatten, solche Beschlüsse ohne jegliche Fristbindung zu erlassen, verstoße nicht nur gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, sondern auch gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Parteien, da die Mitgliedstaaten ihrerseits strenge Fristen einzuhalten hätten.

42

Nach Art. 11 Abs. 3 der Verordnung Nr. 885/2006 sei die Kommission verpflichtet, sich nach der Erstellung des Berichts der Schlichtungsstelle in angemessener Frist zu äußern.

43

Um eine angemessene Frist einzuhalten, müsse die Kommission innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens einen Rechnungsabschluss erstellen.

44

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Französischen Republik entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

45

Die Französische Republik stützt ihr Vorbringen, das Gericht hätte von Amts wegen berücksichtigen müssen, dass die Kommission wesentliche Formvorschriften verletzt habe, weil sie den angefochtenen Beschluss nicht in angemessener Frist erlassen habe, insbesondere auf das Urteil vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156).

46

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften über den Erlass einer beschwerenden Maßnahme – wenn z. B. die Kommission eine Entscheidung nicht innerhalb der vom Unionsgesetzgeber festgelegten Frist erlassen hat – eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften dar, die vom Unionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 103, und vom 24. Juni 2015, Deutschland/Kommission, C‑549/12 P und C‑54/13 P, EU:C:2015:412, Rn. 92).

47

Im vorliegenden Fall legen die Rechtsvorschriften der Union über den Rechnungsabschluss für Mittel für die Landwirtschaft, insbesondere Art. 11 Abs. 3 der Verordnung Nr. 885/2006, aber keine Frist fest, innerhalb deren die Kommission einen Beschluss, mit dem das Rechnungsabschlussverfahren abgeschlossen wird, zu erlassen hätte, so dass die oben in Rn. 45 angeführte Rechtsprechung hier nicht einschlägig ist.

48

Folglich hatte das Gericht im vorliegenden Fall eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften nicht von Amts wegen zu prüfen.

49

Der erste Rechtsmittelgrund ist somit zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

50

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Französische Republik geltend, das Gericht habe es rechtsfehlerhaft nicht als einen Verstoß gegen die Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 bewertet, dass die Kommission bei Vor-Ort-Kontrollen auf einer Viehzählung bestanden habe.

51

Erstens habe das Gericht ihr Vorbringen dahin verfälscht, dass sie behauptet hätte, die Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 begründeten keine Verpflichtung zur Durchführung von Vor-Ort-Kontrollen. Sie habe vielmehr die Auffassung vertreten, dass diese Bestimmungen nicht die Verpflichtung begründeten, bei solchen Vor-Ort-Kontrollen eine Viehzählung vorzunehmen. Das Rundschreiben sehe vor, dass die französischen Behörden Vor-Ort-Kontrollen durchführten. Im Rechnungsabschlussverfahren habe die Kommission nicht bestritten, dass solche Kontrollen durchgeführt worden seien. Anders als in Rn. 62 des angefochtenen Urteils festgestellt, habe sie, die Französische Republik, auch nicht behauptet, dass die Verwaltungskontrollen so umfassend seien, dass eine Viehzählung vor Ort überflüssig sei.

52

Zweitens seien dem Gericht in den Rn. 65 bis 71 des angefochtenen Urteils mehrere Rechtsfehler unterlaufen. Es habe den Inhalt des streitigen Beschlusses verfälscht, indem es seine eigene Begründung an die Stelle der Begründung der Kommission gesetzt habe. Aus dem streitigen Beschluss gehe nämlich nicht hervor, dass nach Ansicht der Kommission die Modalitäten der Kontrolle, wie sie die französischen Behörden durchgeführt hätten, in Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1975/2006 und Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004 geregelt seien. Außerdem habe das Gericht diese beiden Bestimmungen nicht richtig ausgelegt und nicht richtig angewandt. Es habe nämlich fälschlich angenommen, dass das System der Kontrolle der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile die in diesen beiden Bestimmungen vorgesehenen Modalitäten der Kontrolle einhalten müsse, die auf tierbezogene, nicht aber auf flächenbezogene Maßnahmen Anwendung fänden. Nach Art. 37 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 und deren Anhang seien Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile aber flächenbezogene Maßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1975/2006.

53

Aus Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1975/2006 und Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004 könne eine Verpflichtung, bei Vor-Ort-Kontrollen zur Überprüfung des Kriteriums der Viehdichte eine Viehzählung vorzunehmen, mithin nicht abgeleitet werden.

54

Drittens sei das Gericht in den Rn. 66 und 69 bis 71 des angefochtenen Urteils nicht rechtlich hinreichend auf ihr Vorbringen eingegangen, indem es entschieden habe, dass die Durchführung von Verwaltungskontrollen auf der Grundlage zuverlässiger Datenbanken die Mitgliedstaaten nicht von ihrer Verpflichtung befreie, Vor-Ort-Kontrollen durchzuführen, insbesondere nicht von ihrer Verpflichtung, bei Vor-Ort-Kontrollen zur Überprüfung der Viehdichte eine Viehzählung vorzunehmen. Nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006, auf den der streitige Beschluss gestützt sei und den das Gericht nicht geprüft habe, seien Gegenstand der Vor-Ort-Kontrolle alle Verpflichtungen, die zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs überprüft werden könnten. Mit einer bei dem Kontrollbesuch vorgenommenen Viehzählung lasse sich aber nicht überprüfen, ob dieses Kriterium erfüllt sei, das in Großvieheinheit je Hektar ausgedrückt werde, vom Alter der Tiere abhänge und die Beachtung von Mittelwerten während eines Jahres vorschreibe.

55

Die Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses hänge auch davon ab, ob die französischen Behörden gegen Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 verstoßen hätten, nach dem die Mitgliedstaaten für jede Stützungsmaßnahme geeignete Methoden und Instrumente zur Überprüfung der Fördervoraussetzungen festlegten. Die Datenbank, auf die bei der Berechnung der Beweidungsintensität zurückgegriffen werde, biete hinreichende Garantien für die Zuverlässigkeit, um festzustellen, dass die Verwendung der Daten aus der Datenbank ein geeignetes Instrument zur Überprüfung der Voraussetzungen der Gewährung der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile darstelle. Das Gericht hätte deshalb zu dem Schluss gelangen müssen, dass diese Kontrollmodalitäten im Sinne von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 zur Überprüfung dieser Voraussetzungen geeignet seien, zumal das Kriterium der Beweidungsintensität keine Verpflichtung sei, die mit einer bei dem Kontrollbesuch vorgenommenen Viehzählung überprüft werden könnte.

56

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Französischen Republik entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

57

Im Kern bestreitet die Französische Republik, dass bei Vor-Ort-Kontrollen von Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile eine Verpflichtung zur Viehzählung besteht. Wie oben in den Rn. 27 und 28 ausgeführt, hat das Gericht angenommen, dass sich eine solche Verpflichtung insbesondere aus Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1975/2006 und Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004 ergebe. Ein Teil des Vorbringens der Französischen Republik richtet sich speziell gegen diese Erwägung des angefochtenen Urteils.

58

Als Erstes ist festzustellen, dass das Gericht in den Rn. 59 bis 82 des angefochtenen Urteils die beiden Teile des ersten Klagegrundes der Nichtigkeitsklage zusammen geprüft hat, um zu ermitteln, ob die Verordnung Nr. 1975/2006, insbesondere deren Art. 10 ff., bei Vor-Ort-Kontrollen eine Viehzählung vorschreibt.

59

In Rn. 64 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass „die Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 ... bei Vor-Ort-Kontrollen nicht ausdrücklich eine Viehzählung [vorschreiben]“. Hingegen hat es in den Rn. 65 bis 67 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass diese Artikel und Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004 den Spielraum der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beurteilung der Methoden und Instrumente zur Vor-Ort-Überprüfung der Bewilligungsvoraussetzungen und der Modalitäten der Anwendung dieser Methoden und Instrumente begrenzten.

60

In Rn. 70 des angefochtenen Urteils hat das Gericht betont, keine Bestimmung in der Verordnung Nr. 1975/2006 könne dahin ausgelegt werden, dass sie es den nationalen Behörden gestattete, bei Vor-Ort-Kontrollen unter bestimmten Umständen auf eine Viehzählung zu verzichten. Die Verpflichtung zur Viehzählung ergebe sich aus der – durch den Verweis in Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1975/2006 angeordneten – Anwendung von Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004 auf die Kontrolle der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile, mit der u. a. – so das Gericht – überprüft werden solle, „ob die in den Datenbanken enthaltenen Informationen richtig sind, nachdem diese durch den Mitgliedstaat eingerichtet worden sind“.

61

Folglich hat das Gericht in Rn. 71 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen sei, dass die Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 bei Vor-Ort-Kontrollen eine Viehzählung vorschrieben.

62

Als Zweites ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 für jede Stützungsmaßnahme geeignete Methoden und Instrumente zur Überprüfung der Fördervoraussetzungen festlegen. Abs. 4 dieses Artikels begrenzt den entsprechenden Spielraum der Mitgliedstaaten, indem er vorsieht, dass „[d]ie Erfüllung der Förderkriterien ... durch Verwaltungs- und Vor-Ort-Kontrollen überprüft [wird]“.

63

Demnach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Vor-Ort-Kontrollen durchzuführen, um zu überprüfen, ob die Empfänger der betreffenden Beihilfen die Bewilligungsvoraussetzungen gemäß den Rechtsvorschriften der Union und den nationalen Rechtsvorschriften, die für diese Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum gelten, erfüllen.

64

Einer der allgemeinen Grundsätze der Verordnung Nr. 1975/2006 für Vor-Ort-Kontrollen ist es, dass Gegenstand der Vor-Ort-Kontrolle alle Verpflichtungen und Auflagen eines Begünstigten sind, die zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs überprüft werden können (Art. 14 Abs. 2 der Verordnung).

65

Die Verordnung Nr. 1975/2006 regelt jedoch nicht die genauen Modalitäten der Kontrollen, die die Mitgliedstaaten durchführen müssen, um zu überprüfen, ob die für Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum geltenden Förderkriterien erfüllt sind.

66

Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 sieht indessen vor, dass die Vor-Ort-Kontrollen gemäß den Art. 29, 30 und 32 der Verordnung Nr. 796/2004 durchgeführt werden, die lediglich Vor-Ort-Kontrollen der Sammelanträge in Bezug auf die flächenbezogenen Beihilferegelungen betreffen.

67

Folglich kann Art. 35 der Verordnung Nr. 796/2004, der Vor-Ort-Kontrollen in Bezug auf tierbezogene Maßnahmen betrifft, als solcher auf Vor-Ort-Kontrollen flächenbezogener Maßnahmen wie der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile keine Anwendung finden. Die betreffende Beurteilung des Gerichts ist rechtsfehlerhaft.

68

Allerdings ist ein Rechtsmittel zurückzuweisen, wenn zwar die Gründe eines Urteils des Gerichts eine Verletzung des Unionsrechts erkennen lassen, die Urteilsformel sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig darstellt (Urteile vom 10. Dezember 2002, Kommission/Camar und Tico, C‑312/00 P, EU:C:2002:736, Rn. 57, und vom 26. März 2009, SELEX Sistemi Integrati/Kommission, C‑113/07 P, EU:C:2009:191, Rn. 81).

69

Im vorliegenden Fall hat das Gericht seine Feststellung, die Französische Republik sei bei Vor-Ort-Kontrollen zur Viehzählung verpflichtet gewesen, auch auf die Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 gestützt.

70

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich, selbst wenn die Rechtsvorschriften der Union über die Gewährung von Beihilfen und Prämien den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich die Einführung spezieller Überwachungsmaßnahmen und Kontrollmodalitäten vorschreiben, eine derartige Verpflichtung trotzdem – gegebenenfalls implizit – daraus ergeben kann, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der betreffenden Rechtsvorschriften verpflichtet sind, ein wirksames Kontroll- und Überwachungssystem einzurichten (vgl. Urteile vom 12. Juni 1990, Deutschland/Kommission, C‑8/88, EU:C:1990:241, Rn. 16, vom 14. April 2005, Spanien/Kommission, C‑468/02, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:221, Rn. 35, und vom 24. April 2008, Belgien/Kommission, C‑418/06 P, EU:C:2008:247, Rn. 70).

71

Wie oben in den Rn. 63 und 64 ausgeführt, ergibt sich aus den Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Vor-Ort-Kontrollen durchzuführen, um zu überprüfen, ob bei den Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum die Bewilligungsvoraussetzungen gemäß den Rechtsvorschriften der Union und den nationalen Rechtsvorschriften erfüllt sind. So sind die Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 insbesondere verpflichtet, Vor-Ort-Kontrollen durchzuführen, die sich auf alle Verpflichtungen und Auflagen eines Begünstigten – einschließlich der Auflagen nach nationalem Recht – erstrecken, die zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs überprüft werden können.

72

Im vorliegenden Fall sah das Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums im französischen Mutterland, wie es von der Kommission genehmigt wurde, als Kriterium für die Bewilligung von Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile die in Großvieheinheit je Hektar ausgedrückte Beweidungsintensität vor, mit dem die Dichte des auf den Futterflächen vorhandenen Viehs geregelt werden soll, um Phänomene der zu schwachen Beweidung oder der Überweidung zu verhindern. Die französischen Behörden waren bei Vor-Ort-Kontrollen also verpflichtet, das Kriterium der Beweidungsintensität durch eine Zählung der zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs im Betrieb vorhandenen Tiere – wie sie im Übrigen auch in Abschnitt 7.2 des Rundschreibens über die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile vorgesehen ist – zu klären, um zu überprüfen, ob dieses Kriterium punktuell erfüllt war, und somit die Daten der Verwaltungskontrollen zu untermauern.

73

Folglich waren die französischen Behörden verpflichtet, bei den Vor-Ort-Kontrollen eine Viehzählung vorzunehmen.

74

Das übrige Vorbringen der Französischen Republik, nämlich, dass das Gericht ihr Vorbringen verfälscht habe, indem es angenommen habe, dass sie behauptet habe, dass die Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 keine Vor-Ort-Kontrollen vorschrieben, während sie in Wirklichkeit geltend gemacht habe, dass diese Bestimmungen nicht vorschrieben, bei solchen Kontrollen eine Viehzählung vorzunehmen, und dass sie, anders als in Rn. 62 des angefochtenen Urteils festgestellt worden sei, nicht behauptet habe, dass die Verwaltungskontrollen so umfassend seien, dass eine Zählung der vorhandenen Tiere überflüssig sei, ist somit nicht geeignet, das angefochtene Urteil in Frage zu stellen. Es ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

75

Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

76

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Französische Republik geltend, das Gericht habe in den Rn. 73 bis 76 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Kontrollen, die im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinder- oder Schafprämien bereits durchgeführt worden seien, keine Vor-Ort-Kontrollen im Sinne der Verordnung Nr. 1975/2006 darstellten.

77

Erstens finde ihr Vorbringen vor dem Gericht, wegen der Vor-Ort-Kontrollen, die bereits im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinder- oder Schafprämien durchgeführt worden seien, müssten die französischen Behörden bei den Vor-Ort-Kontrollen keine Viehzählung vornehmen, eine Stütze in der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 (ABl. 2003, L 270, S. 1) und in der Verordnung Nr. 1975/2006. Nach Art. 26 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1782/2003 könnten die Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Stützungsregelungen der Union oder nationalen Stützungsregelungen einen oder mehrere Bestandteile des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems in ihre Verwaltungs- und Kontrollverfahren einbeziehen, um zu vermeiden, dass gleichartige Bereichskontrollen mehrfach durchgeführt würden. Und nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 würden die in deren Art. 12, 20 und 27 vorgesehenen Vor-Ort-Kontrollen und andere in Rechtsvorschriften für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen, soweit möglich, gleichzeitig durchgeführt.

78

Die Französische Republik schließt daraus, dass die französischen Behörden die Einhaltung des Kriteriums der Viehdichte bei den Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Rinderprämien oder die Einhaltung der Vorschriften über die Kennzeichnung der Rinder hätten gleichzeitig prüfen dürfen. Die Annahme des Gerichts, die Vor-Ort-Kontrollen gemäß den Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 1975/2006 und die Vor-Ort-Kontrollen zur Erstellung der Datenbank hätten nicht gleichzeitig durchgeführt werden dürfen, sei daher rechtsfehlerhaft.

79

Rechtsfehlerhaft sei zweitens auch die Annahme des Gerichts in den Rn. 73 und 74 des angefochtenen Urteils, wegen der in den Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 1975/2006 vorgesehenen Bedingungen sei das System der Vor-Ort-Kontrolle der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile autonom und unabhängig von dem System der Vor-Ort-Kontrolle, die im Rahmen der Kennzeichnung der Rinder und der Rinderprämien durchgeführt werde.

80

Die Französische Republik bestreitet nicht, dass diese Artikel, die die Vor-Ort-Kontrollen der Stützungsmaßnahmen der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile regeln, besondere Vorschriften darstellen. Sie meint jedoch, aus den Erwägungsgründen 2 und 5 der Verordnung Nr. 1975/2006 ergebe sich nicht, dass die beiden Arten von Systemen der Vor-Ort-Kontrolle voneinander unabhängig seien. Es heiße dort, dass besondere Verwaltungs- und Kontrollvorschriften erforderlich seien, um den besonderen Merkmalen der Stützungsregelungen im Rahmen von Schwerpunkt 2 Rechnung zu tragen. Der Inhalt und die Förderkriterien der Stützungsregelungen würden aber von den Mitgliedstaaten festgelegt. Die Kommission könne daher in der Verordnung Nr. 1975/2006 nicht im Einzelnen festlegen, welche Kontrollmaßnahmen die Mitgliedstaaten durchzuführen hätten, um zu überprüfen, ob die Fördervoraussetzungen jeder einzelnen in Schwerpunkt 2 definierten Stützungsmaßnahme erfüllt seien.

81

Ziel der Erwägungsgründe 2 und 5 der Verordnung Nr. 1975/2006 sei lediglich, darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften über die Verwaltung und Kontrolle, die im Rahmen der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgesehen seien, angepasst werden müssten. Eine solche Anpassung könne nicht dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet würden, Kontrollen, die bereits im Rahmen der Überprüfung der Fördervoraussetzungen einer anderen Stützungsmaßnahme durchgeführt worden sind, noch einmal durchzuführen. Ergänzende Kontrollen seien lediglich dann erforderlich, wenn die bereits wegen einer anderen Stützungsmaßnahme durchgeführten Kontrollen nicht genügten, um sämtliche Fördervoraussetzungen der unter Schwerpunkt 2 fallenden Maßnahme zu überprüfen.

82

Mit den im Rahmen der Kennzeichnung der Rinder und der Rinderprämien durchgeführten Kontrollen lasse sich durchaus die Beweidungsintensität im Zusammenhang mit den Stützungsmaßnahmen der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile überprüfen. Bei den Schafen seien zusätzliche Kontrollmaßnahmen durchgeführt worden, nämlich eine Viehzählung bei den Vor-Ort-Kontrollen.

83

Die Kommission meint, der erste Teil des Rechtsmittelgrundes sei unzulässig, weil Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 von der Französischen Republik erstmals im Stadium des Rechtsmittels angeführt worden seien.

84

Außerdem lege die Französische Republik diese Vorschriften nicht richtig aus. Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 sehe lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellten, dass die auf Stützungsregelungen nach Anhang V angewandten Verwaltungs- und Kontrollverfahren mit dem integrierten System kompatibel seien, und welche Konsequenzen sich daraus ergäben. Und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006, in dem von in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen die Rede sei, betreffe nicht die Vor-Ort-Kontrollen zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern. Er sehe vor, dass diese Kontrollen gleichzeitig durchzuführen seien, was hier nicht geschehen sei.

85

Die Kommission tritt auch dem zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes entgegen. Die Französische Republik vertrete die Auffassung, für Stützungsmaßnahmen, die im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums erlassen worden seien, gelte nicht die Verpflichtung, besondere Vorschriften des Unionsrechts zu beachten, weil die entsprechenden Fördervoraussetzungen in den Bereich fielen, der den Mitgliedstaaten vorbehalten sei. Die Modalitäten der Vor-Ort-Kontrolle, wie sie im vorliegenden Fall angewandt worden seien, genügten aber nicht den Anforderungen der Verordnung Nr. 1975/2006. Im Übrigen handele es sich bei dem Vorbringen der Französischen Republik teilweise um ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel.

Würdigung durch den Gerichtshof

86

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund wendet sich die Französische Republik gegen die Rn. 73 bis 76 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht entschieden hat, dass die französischen Behörden wegen der insbesondere im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien zur Errichtung von Datenbanken durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen nicht von der Verpflichtung befreit seien, nochmals Kontrollen durchzuführen. Die Verwaltungs- und Kontrollvorschriften der Verordnung Nr. 1975/2006 seien besondere Maßnahmen in diesen Bereichen, und die zur Einrichtung der Datenbanken durchgeführten Überprüfungen seien keine solchen Kontrollen. Sie seien nämlich nicht dazu bestimmt gewesen, „die besonderen Voraussetzungen der Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum zu bewerten“, sondern dazu, sämtliche Tiere eines Betriebs zu kontrollieren, für die durch die Verordnung Nr. 1760/2000 die Kennzeichnung der Rinder vorgeschrieben ist.

87

Zunächst ist festzustellen, dass im dritten Rechtsmittelgrund der Französischen Republik zwar von Schafprämien die Rede ist, in Rn. 74 des angefochtenen Urteils aber von im Rahmen der Verwaltung der Rinderprämien vorgenommenen Vor-Ort-Kontrollen, auf die sich auch das Vorbringen zu dem genannten Rechtsmittelgrund bezieht. Soweit sich dieser Rechtsmittelgrund auf Schafprämien bezieht, ist er daher mangels Substantiierung als unzulässig zurückzuweisen.

88

Wie die Kommission geltend macht, bezieht sich die Französische Republik mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes erstmals im Stadium des Rechtsmittels auf Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006, um geltend zu machen, dass die französischen Behörden wegen der im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien bereits durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen von der Verpflichtung befreit seien, bei Vor-Ort-Kontrollen gemäß der Verordnung Nr. 1975/2006 eine Viehzählung vorzunehmen.

89

Allerdings hatte die Französische Republik bereits in ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass die französischen Behörden wegen der zur Erstellung der Datenbanken für die Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen von der Verpflichtung, Vor-Ort-Kontrollen gemäß den Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 1975/2006 durchzuführen, befreit seien.

90

Indem sie im Stadium des Rechtsmittels geltend macht, dass im vorliegenden Fall Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 nicht anwendbar seien, weist die Französische Republik somit auf Rechtsgrundlagen hin, die geeignet sind, ihr erstinstanzliches Vorbringen zu stützen.

91

In einem Rechtsstreit über die Auslegung und Anwendung von Vorschriften des Unionsrechts wie dem vorliegenden haben die Unionsgerichte die einschlägigen Rechtsvorschriften im ersten Rechtszug auf den ihm von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt und im Stadium des Rechtsmittels auf die Erwägungen anzuwenden, mit denen das Gericht über das Vorbringen der Parteien befunden hat.

92

Da sich das Rechtsmittel gegen die Beurteilung richtet, zu der das Gericht in den Rn. 73 bis 76 des angefochtenen Urteils gelangt ist, ist das Vorbringen, die Kommission habe gegen Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 verstoßen, nicht als neu anzusehen. Es ist daher zu prüfen, ob es begründet ist.

93

Insoweit ist festzustellen, dass Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 wegen des überaus allgemeinen Charakters der den Mitgliedstaaten darin auferlegten Verpflichtungen für die Frage, ob die französischen Behörden wegen der bereits im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung von Rindern oder der Rinderprämien durchgeführten Kontrollen von der Verpflichtung befreit waren, bei Vor-Ort-Kontrollen gemäß den Art. 10 und 14 der Verordnung Nr. 1975/2006 eine Viehzählung vorzunehmen, überhaupt nichts hergibt.

94

Hingegen sieht Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 ausdrücklich vor, dass die in den Art. 12, 20 und 27 vorgesehenen Vor-Ort-Kontrollen und andere in Rechtsvorschriften für Agrarbeihilfen der Union vorgeschriebene Kontrollen, soweit möglich, gleichzeitig durchgeführt werden.

95

Es ist unstreitig, dass die Vor-Ort-Kontrollen, die im Zusammenhang mit Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile durchzuführen sind, unter Art. 12 der Verordnung Nr. 1975/2006 fallen.

96

Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 erlaubt es den Mitgliedstaaten damit grundsätzlich, im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen im Sinne von Art. 36 Buchst. a der Verordnung Nr. 1698/2005, zu denen die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile gehören, Vor-Ort-Kontrollen gleichzeitig mit anderen in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebenen Kontrollen durchzuführen.

97

Demnach hat das Gericht dadurch, dass es in Rn. 74 des angefochtenen Urteils angenommen hat, dass das System der gemäß den Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 1975/2006 durchzuführenden Vor-Ort-Kontrollen autonom und von den im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien durchgeführten Kontrollen unabhängig sei, ohne geprüft zu haben, ob es sich bei Letzteren um in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung handelt und ob sie gleichzeitig mit den in den Art. 12 ff. der Verordnung vorgeschriebenen Kontrollen durchgeführt werden konnten, einen Rechtsfehler begangen.

98

Folglich ist dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes, ohne dass dessen zweiter Teil geprüft zu werden braucht, stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben.

Zur Klage vor dem Gericht

99

Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

100

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

101

Denn je nachdem, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ob die im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien durchgeführten Kontrollen in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006 darstellen, hat das Gericht gegebenenfalls den zweiten Teil des dritten Klagegrundes erneut zu prüfen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil zu diesem zweiten Teil des dritten Klagegrundes sind mit dem vorliegenden Rechtsmittel aber nicht beanstandet worden.

102

Die Sache ist daher zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen. Die Kostenentscheidung ist vorzubehalten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 30. April 2015, Frankreich/Kommission (T‑259/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:250), wird aufgehoben.

 

2.

Die Sache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

 

3.

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

 

Unterschriften


( 1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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