Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-604/13

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

26. Januar 2017 ( *1 )

„Rechtsmittel — Kartelle — Belgischer, deutscher, französischer, italienischer, niederländischer und österreichischer Markt für Badezimmerausstattungen — Koordinierung der Verkaufspreise und Austausch sensibler Geschäftsinformationen — Verordnung (EG) Nr. 1/2003 — Art. 23 Abs. 2 — Obergrenze von 10 % des Umsatzes — Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 — Rückwirkungsverbot — Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung — Überlange Verfahrensdauer“

In der Rechtssache C‑604/13 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. November 2013,

Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG mit Sitz in Iserlohn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Janssen und T. Kapp,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und L. Malferrari als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Rat der Europäischen Union,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richterin M. Berger sowie der Richter E. Levits, S. Rodin (Berichterstatter) und F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2015,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. September 2013, Dornbracht/Kommission (T‑386/10, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2013:450), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2010) 4185 endg. der Kommission vom 23. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39092 – Badezimmerausstattungen) (im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit er sie betrifft, oder, hilfsweise, auf Herabsetzung der in diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 1/2003

2

Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sieht vor:

„(2)   Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a)

gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] verstoßen …

Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

(3)   Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.“

Leitlinien von 2006

3

In den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) heißt es in Ziff. 2 zur Bemessung der Geldbußen, dass „die Kommission die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigen [muss]“ und dass „die in Artikel 23 Absatz 2 Unterabsätze 2 und 3 der [Verordnung Nr. 1/2003] genannten Obergrenzen nicht überschritten werden [dürfen]“.

4

Die Ziff. 19, 21, 23 und 37 der Leitlinien von 2006 sehen vor:

„19.

Zur Bestimmung des Grundbetrags [der Geldbuße] wird ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert.

21.

Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.

23.

Horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen … zur Festsetzung von Preisen … gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen und müssen unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden. Für solche Zuwiderhandlungen ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen.

37.

In diesen Leitlinien wird die allgemeine Methode für die Berechnung der Geldbußen dargelegt; jedoch können die besonderen Umstände eines Falles oder die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung ein Abweichen von dieser Methode oder der in Ziffer 21 festgelegten Obergrenze rechtfertigen.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

5

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 29 des angefochtenen Urteils dargestellt worden und lässt sich wie folgt zusammenfassen.

6

Die Rechtsmittelführerin ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die u. a. Armaturen herstellt.

7

Am 15. Juli 2004 informierten die Masco Corp. und ihre Tochtergesellschaften, zu denen die Hansgrohe AG, die Armaturen herstellt, und die Hüppe GmbH, die Duschabtrennungen herstellt, gehören, die Kommission über das Bestehen eines Kartells im Badezimmerausstattungssektor und beantragten einen Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) oder, hilfsweise, eine Herabsetzung der ihnen gegebenenfalls drohenden Geldbußen.

8

Am 9. und 10. November 2004 führte die Kommission unangekündigte Nachprüfungen in den Räumlichkeiten verschiedener Unternehmen und nationaler Verbände des Badezimmerausstattungssektors durch. Nachdem sie zwischen dem 15. November 2005 und dem 16. Mai 2006 Auskunftsverlangen an diese Unternehmen und Verbände, darunter die Rechtsmittelführerin, gerichtet hatte, erließ sie am 26. März 2007 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Diese wurde u. a. der Rechtsmittelführerin zugestellt.

9

Nach einer Anhörung, die vom 12. bis 14. November 2007 stattfand, dem Versand eines Sachverhaltsschreibens am 9. Juli 2009 und anschließenden weiteren Auskunftsverlangen, die an verschiedene Unternehmen, darunter auch die Rechtsmittelführerin, gerichtet wurden, erließ die Kommission am 23. Juni 2010 den streitigen Beschluss. Darin stellte sie eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) im Badezimmerausstattungssektor fest. Diese Zuwiderhandlung, an der 17 Unternehmen beteiligt gewesen seien, habe in verschiedenen Zeiträumen zwischen dem 16. Oktober 1992 und dem 9. November 2004 in Form eines Bündels wettbewerbswidriger Vereinbarungen oder abgestimmter Verhaltensweisen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Österreich stattgefunden. Die vom Kartell betroffenen Produkte seien Badezimmerausstattungen, die zu einer der drei folgenden Produktuntergruppen gehört hätten: Armaturen, Duschabtrennungen und ‑zubehör sowie Sanitärkeramik.

10

Speziell in Bezug auf die Rechtsmittelführerin, die Artikel der ersten dieser drei Produktuntergruppen herstellt, stellte die Kommission in Art. 1 Abs. 2 des streitigen Beschlusses fest, dass die Zuwiderhandlung in der Teilnahme an einer fortdauernden Vereinbarung oder an abgestimmten Verhaltensweisen im Badezimmerausstattungssektor in Deutschland und Österreich vom 6. März 1998 bis 9. November 2004 bestanden habe.

11

Die Kommission verhängte daher gegen die Rechtsmittelführerin in Art. 2 Abs. 6 des streitigen Beschlusses eine Geldbuße in Höhe von 12517671 Euro.

12

Bei der Berechnung dieser Geldbuße stützte sich die Kommission auf die Leitlinien von 2006, insbesondere auf deren Ziff. 20 bis 24.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

13

Mit Klageschrift, die am 8. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses und trug acht Klagegründe vor.

14

Sie rügte mit dem ersten Klagegrund einen Beurteilungsfehler der Kommission im Hinblick auf Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 bei der Feststellung der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung und der Höhe der ihr auferlegten Geldbuße, mit dem zweiten Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 3 dieser Verordnung, der sich aus der Anwendung der 10%‑Grenze in Art. 23 Abs. 2 ergeben soll, mit dem dritten Klagegrund die mangelnde Berücksichtigung ihres individuellen Beitrags zur festgestellten Zuwiderhandlung unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, mit dem vierten Klagegrund die Außerachtlassung der früheren Entscheidungspraxis der Kommission unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, mit dem fünften Klagegrund die mangelnde Berücksichtigung ihrer begrenzten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit dem sechsten Klagegrund einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot durch die Anwendung der Leitlinien von 2006, mit dem siebten Klagegrund einen Verstoß von Art. 23 Abs. 3 der Verordnung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen und mit dem achten Klagegrund die Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 2006, weil sie der Kommission ein zu großes Ermessen einräumten.

15

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage insgesamt abgewiesen.

Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

16

Die Rechtsmittelführerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

hilfsweise, die Höhe der ihr im streitigen Beschluss auferlegten Geldbuße angemessen herabzusetzen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17

Die Kommission beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

18

Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Rechtsmittelführerin sechs Rechtsmittelgründe an. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht sie einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit geltend, der sich aus der fehlerhaften Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Obergrenze ergebe. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund erhebt sie den Vorwurf, das Gericht habe im angefochtenen Urteil die Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 2006 zu Unrecht zurückgewiesen. Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund beanstandet sie, dass das Gericht den Verstoß der Kommission gegen Ziff. 37 der Leitlinien von 2006 nicht geahndet habe. Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund rügt sie einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot durch die Anwendung der Leitlinien von 2006 auf den vorliegenden Fall. Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht sie Rechtsfehler bei der Berechnung ihrer Geldbuße geltend. Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund rügt sie schließlich einen Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen 10%-Grenze

Vorbringen der Parteien

19

Mit ihrem ersten, gegen die Rn. 213 bis 227 des angefochtenen Urteils gerichteten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen zu haben, indem es die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene 10%-Grenze als eine nur auf den Endbetrag der Geldbuße anzuwendende Kappungsgrenze angesehen und damit die Rechtswidrigkeit der Festsetzung der von der Kommission im vorliegenden Fall verhängten Geldbuße verneint sowie sich selbst außerstande gesetzt habe, die Geldbuße herabzusetzen. Eine solche Auslegung führe nämlich dazu, dass in nahezu allen Fällen eine Geldbuße in Höhe von 10 % des Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens verhängt werde, ungeachtet der Schwere und der Dauer der jeweiligen Zuwiderhandlung.

20

Wie u. a. aus einer Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs (Deutschland) hervorgehe, handele es sich bei der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen 10%-Grenze nicht um eine Kappungsgrenze, sondern um die Obergrenze des Bußgeldrahmens, die nur bei den schwersten Zuwiderhandlungen anzuwenden sei. Ein solcher Ansatz ermögliche eine angemessene Berücksichtigung von Schwere und Dauer einer Zuwiderhandlung, wie Art. 23 Abs. 3 der Verordnung es vorsehe.

21

Nach Ansicht der Kommission ist der erste Rechtsmittelgrund als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

22

Soweit die Rechtsmittelführerin dem Gericht mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund im Wesentlichen zum einen vorwirft, Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 falsch ausgelegt zu haben, indem es angenommen habe, dass er eine Kappungsgrenze vorsehe, ist festzustellen, dass das Gericht, ohne diesem Standpunkt zu folgen, in Rn. 216 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die in dieser Bestimmung vorgesehene Obergrenze von 10 % des Umsatzes nur für den Endbetrag der verhängten Geldbuße gilt, während die Bestimmung es der Kommission nicht verbietet, bei den verschiedenen Berechnungsschritten der Geldbuße zu einem Zwischenbetrag zu gelangen, der über der genannten Grenze liegt, sofern der Endbetrag der Geldbuße sie nicht überschreitet (vgl. u. a. Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 277 und 278, vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, C‑308/04 P, EU:C:2006:433, Rn. 82, und vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 80).

23

Zum anderen ist zu den Rügen, das Gericht habe gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und damit gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen, weil es die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlungen nicht angemessen berücksichtigt habe, darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Tatsache, dass sich wegen der Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Grenze von 10 % des Umsatzes einige Faktoren wie die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung nicht effektiv auf die Höhe der verhängten Geldbuße auswirken, eine bloße Folge der Anwendung dieser Obergrenze auf den Endbetrag ist (vgl. u. a. Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 279, und vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 81).

24

Durch die genannte Obergrenze soll nämlich die Verhängung von Geldbußen verhindert werden, die die Unternehmen aufgrund ihrer anhand ihres Gesamtumsatzes – wenn auch nur annähernd und unvollkommen – ermittelten Größe voraussichtlich nicht werden zahlen können (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 280, und vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 82).

25

Es handelt sich somit um eine einheitlich für alle Unternehmen geltende und von deren Größe abhängige Obergrenze, die überhöhte und unverhältnismäßige Geldbußen verhindern soll. Sie dient folglich einem gegenüber dem Zweck der Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung gesonderten und eigenständigen Zweck (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 281 und 282, sowie vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 83).

26

Daher ist das Vorbringen, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlungen seien wegen der Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze nicht hinreichend berücksichtigt worden, zurückzuweisen.

27

Der erste Rechtsmittelgrund ist folglich als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 2006

Vorbringen der Parteien

28

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen, indem es die Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 2006 zurückgewiesen habe, die darauf gestützt worden sei, dass die Leitlinien den Kriterien der Schwere und der Dauer bei Zuwiderhandlungen von Ein-Produkt-Unternehmen nicht Rechnung trügen.

29

Die Rechtsmittelführerin trägt insoweit unter Verweis auf das Vorbringen in der Klageschrift vor, die Leitlinien von 2006 seien rechtswidrig, weil sie gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Rechtssicherheit verstießen und jedenfalls keine besonderen Regelungen für Ein-Produkt-Unternehmen träfen.

30

Anders als die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 [§] 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), führten die Leitlinien von 2006 in der Regel dazu, dass die 10%-Grenze insbesondere bei nichtdiversifizierten Ein-Produkt-Unternehmen überschritten werde. Die Anwendung der in den Leitlinien von 2006 beschriebenen Methode zur Berechnung von Geldbußen habe deshalb zur Folge, dass die Kriterien der Dauer und der Schwere, auf die Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 verweise, bei Zuwiderhandlungen solcher Unternehmen nicht angemessen berücksichtigt würden. Die beinahe systematische Verhängung von Sanktionen in Höhe von 10 % der Umsätze verstoße außerdem gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

31

Nach Ansicht der Kommission ist der zweite Rechtsmittelgrund als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

32

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils oder Beschlusses, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe und Argumente einschließlich derjenigen wörtlich wiedergibt, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt waren, aber keinerlei Ausführungen speziell zur Bezeichnung des Rechtsfehlers enthält, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein soll, genügt nicht dem Begründungserfordernis, das sich aus diesen Vorschriften ergibt. Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (vgl. u. a. Urteile vom 30. Juni 2005, Eurocermex/HABM, C‑286/04 P, EU:C:2005:422, Rn. 49 und 50, sowie vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, EU:C:2006:541, Rn. 49 und 50).

33

Es ist jedoch festzustellen, dass im zweiten Rechtsmittelgrund, mit dem sich die Rechtsmittelführerin gegen die Zurückweisung der Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 2006 durch das Gericht wendet, nur die bereits im ersten Rechtszug angeführten Argumente wiederholt werden.

34

Dieser Rechtsmittelgrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aufgrund der mangelnden Berücksichtigung des individuellen Tatbeitrags der Rechtsmittelführerin durch die Kommission bei der Ermittlung der Pauschalbeträge

35

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht im Wesentlichen vor, bei seiner Prüfung der Ermessensausübung durch die Kommission im Rahmen der Festsetzung der Geldbußen gemäß Ziff. 37 der Leitlinien von 2006 einen Rechtsfehler begangen zu haben.

36

Es ist jedoch festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin in diesem Rechtsmittelgrund nicht die Randnummern des angefochtenen Urteils bezeichnet, die mit einem solchen Fehler behaftet sein sollen.

37

Nach der in Rn. 32 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist folglich auch dieser Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot

Vorbringen der Parteien

38

Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, u. a. in den Rn. 87 und 90 des angefochtenen Urteils gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen zu haben, indem es die Berechnung der Geldbuße durch die Kommission anhand der Leitlinien von 2006 für rechtmäßig erachtet habe, obwohl die ihr vorgeworfene Zuwiderhandlung unter der Geltung der Leitlinien von 1998 begangen worden sei.

39

Die Rechtsmittelführerin führt insoweit aus, der Gerichtshof habe zwar im Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 231), entschieden, dass die Kommission ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot die Höhe der Geldbuße anhand der Leitlinien von 1998 habe festsetzen können, obwohl diese nach der Begehung der in jener Rechtssache in Rede stehenden Zuwiderhandlung erlassen worden seien, da sie und die darin vorgesehene neue Berechnungsmethode zum Zeitpunkt der Begehung hinreichend vorhersehbar gewesen seien. In der Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen sei, habe es jedoch zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung gar keine Leitlinien gegeben, so dass es um die Frage gegangen sei, ob die Geldbuße anhand der neuen, von der Kommission 1998 erstmals erlassenen Leitlinien zu berechnen gewesen sei oder nicht. Entgegen der Auffassung des Gerichts im angefochtenen Urteil sei diese Situation aber von derjenigen zu unterscheiden, in der zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung Leitlinien gegolten hätten, die danach durch neue Leitlinien ersetzt oder geändert worden seien. Dann stelle sich die Frage, welche Leitlinien – die alten oder die neuen – bei der Berechnung der Geldbuße anzuwenden seien. Dass das Gericht die im Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408), gewählte Lösung in dieser zweiten Situation angewandt habe, verstoße gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes.

40

Jedenfalls könnten die Leitlinien, wenn sie – wie das Gericht meine – jederzeit rückwirkend abänderbar wären, die ihnen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs beigemessene Funktion, Rechtssicherheit für die Unternehmen zu schaffen, nicht erfüllen.

41

Die Kommission beantragt, den vierten Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Sie macht insbesondere geltend, die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlange, dass sie das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen der Wettbewerbspolitik anpassen könne.

Würdigung durch den Gerichtshof

42

Nach gefestigter Rechtsprechung verstößt es nicht gegen das Rückwirkungsverbot, wenn bei der Berechnung von Geldbußen, die wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht verhängt werden, neue Leitlinien wie die von 2006 und insbesondere eine darin enthaltene neue Methode zur Berechnung der Geldbuße selbst auf Zuwiderhandlungen angewandt werden, die vor dem Erlass oder der Änderung dieser Leitlinien begangen wurden, sofern die neuen Leitlinien und die neue Methode zum Zeitpunkt der Begehung der in Rede stehenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar waren (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./KommissionC‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 217, 218 und 227 bis 232, vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C‑397/03 P, EU:C:2006:328, Rn. 25, vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 75, und vom 14. September 2016, Ori Martin und SLM/Kommission, C‑490/15 P und C‑505/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:678, Rn. 82 bis 94).

43

Das Gericht hat daher keinen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 90 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die Kommission mit der Anwendung der Leitlinien von 2006 bei der Berechnung der zur Ahndung der von der Rechtsmittelführerin vor dem Erlass dieser Leitlinien begangenen Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen habe.

44

Demnach ist der vierte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler bei der Berechnung der Geldbuße

Vorbringen der Parteien

45

Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund, der aus drei Teilen besteht, macht die Rechtsmittelführerin Rechtsfehler des Gerichts bei der Berechnung ihrer Geldbuße geltend.

46

Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin erstens vor, das Gericht habe, nachdem es in den Rn. 165 bis 168 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Kommission bei der Berechnung der gegen sie verhängten Geldbuße hätte berücksichtigen müssen, dass sich die Zuwiderhandlung in räumlicher Hinsicht auf zwei und nicht auf sechs Mitgliedstaaten erstreckt habe, in den Rn. 249 und 250 des angefochtenen Urteils nicht die gleichen Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag heranziehen dürfen wie die von der Kommission im streitigen Beschluss angesetzten und wie die auf andere, an der Zuwiderhandlung in drei bis sechs Mitgliedstaaten beteiligt gewesene Kartellteilnehmer angewandten. Damit habe das Gericht die gegen die betreffenden Unternehmen verhängten Sanktionen nämlich nicht individualisiert.

47

Zweitens habe das Gericht in Rn. 249 des angefochtenen Urteils einen Beurteilungsfehler begangen, indem es die Dauer der Zuwiderhandlung bei der Beurteilung ihrer Schwere herangezogen habe, obwohl Einigkeit darüber bestehe, dass Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung getrennt zu berücksichtigen seien. Mit diesem Vorgehen habe das Gericht dem Kriterium der Dauer der Zuwiderhandlung eine unverhältnismäßig große Bedeutung zugemessen.

48

Drittens würden im angefochtenen Urteil nicht die Faktoren dargelegt, die das Gericht für die Festsetzung der Höhe der verhängten Geldbuße berücksichtigt habe, so dass deren Höhe nicht überprüft werden könne und das angefochtene Urteil einen Begründungsmangel aufweise.

49

Mit dem zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, mehrere Beurteilungsfehler der Kommission nicht festgestellt und bestimmte Faktoren bei der Ermittlung der Höhe der Geldbuße nicht berücksichtigt zu haben, darunter den Umstand, dass ihre Produkte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung gewesen seien, nur einer der drei Produktgruppen angehörten, die von den in Rede stehenden Absprachen betroffen gewesen seien. Das Gericht hätte somit in den Rn. 168 bis 179 des angefochtenen Urteils dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass eine Zuwiderhandlung leichter wiege, wenn das Unternehmen an ihr nur mit einer von drei Produktgruppen beteiligt sei. Zudem treffe die Feststellung in Rn. 114 des angefochtenen Urteils, die Rechtsmittelführerin habe ihre Kenntnis davon, dass sich die Zuwiderhandlung auf drei Produktgruppen bezogen habe, verspätet in Abrede gestellt, nicht zu.

50

Mit dem dritten Teil dieses Rechtsmittelgrundes, der sich auf die Rn. 192 bis 200 des angefochtenen Urteils bezieht, wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, unter Verstoß gegen die Leitlinien von 1998 nicht dem Umstand Rechnung getragen zu haben, dass ihr bei der Verwirklichung der Zuwiderhandlung nur eine Mitläuferrolle zugekommen sei.

51

Die Kommission hält den fünften Rechtsmittelgrund für nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

52

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das System der gerichtlichen Kontrolle von Beschlüssen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV in einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe auf der Grundlage von Art. 263 AEUV besteht, die gemäß Art. 261 AEUV und auf Antrag der Kläger um die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht hinsichtlich der in diesem Bereich von der Kommission verhängten Zwangsmaßnahmen ergänzt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 42, und vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 71).

53

Diese Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung beschränkt sich – im Gegensatz zu der in Art. 263 AEUV vorgesehenen Rechtmäßigkeitskontrolle – strikt auf die Festsetzung der Höhe der Geldbuße. Sie betrifft allein die Beurteilung der von der Kommission verhängten Geldbuße durch das Gericht, unter Ausschluss jeder Änderung der Tatbestandsmerkmale der von der Kommission in dem Beschluss, über den das Gericht zu befinden hat, rechtmäßig festgestellten Zuwiderhandlung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 76 und 77).

54

Somit betrifft der fünfte Rechtsmittelgrund, soweit er sich auf Rechtsfehler bezieht, die dem Gericht bei der Berechnung der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße unterlaufen sein sollen, die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Festsetzung dieser Geldbuße durch das Gericht, insbesondere in den Rn. 244 bis 251 des angefochtenen Urteils.

– Zum zweiten und zum dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes

55

Zum zweiten und zum dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes, die als Erstes zu prüfen sind und mit denen die Rechtsmittelführerin dem Gericht vorwirft, bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße nicht berücksichtigt zu haben, dass sie mit nur einer der drei in Rede stehenden Produktgruppen an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei und bei deren Verwirklichung nur eine Mitläuferrolle gespielt habe, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses, insbesondere in den Rn. 114, 169 bis 173 und 192 bis 200 des angefochtenen Urteils, das auf diese Umstände gestützte Vorbringen der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen hat.

56

Daher kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, diese Umstände nicht gewürdigt zu haben, als es in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Höhe der zu verhängenden Geldbuße festgesetzt hat.

57

Der zweite und der dritte Teil des fünften Rechtsmittelgrundes können jedenfalls nicht durchgreifen, da sie sich gegen die vom Gericht im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses getroffenen Feststellungen wenden, die zur Zurückweisung des auf die gleichen Umstände bezogenen Vorbringens der Rechtsmittelführerin geführt haben.

58

Erstens ist nämlich zu dem im zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argument, dem Gericht sei hinsichtlich der Produktgruppen, auf die sich die der Rechtsmittelführerin vorgeworfene Zuwiderhandlung erstreckt habe, ein Beurteilungsfehler unterlaufen, den Ausführungen des Gerichts in Rn. 51 des angefochtenen Urteils beizupflichten, dass nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts in ihrer zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils geltenden Fassung der Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe zwei wesentliche Angaben darstellen, die in der Klageschrift enthalten sein müssen, und dass nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. November 2009, SGL Carbon/Kommission, C‑564/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:703, Rn. 21, und vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission, C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 38). Nach den Feststellungen des Gerichts hat die Rechtsmittelführerin jedoch erst in der Erwiderung vor dem Gericht bestritten, davon gewusst zu haben, dass sich die Zuwiderhandlung auf die drei Produktuntergruppen bezog, wobei dieses Argument keine Erweiterung einer in der Klageschrift erhobenen Rüge war. Das Gericht hat es daher in den Rn. 53, 54, 114 und 171 des angefochtenen Urteils zu Recht als verspätet zurückgewiesen.

59

Deshalb kann die Rechtsmittelführerin mit einem solchen Argument im Stadium des Rechtsmittels vor dem Gerichtshof nicht gehört werden.

60

Soweit die Rechtsmittelführerin mit dem zweiten Teil ihres fünften Rechtsmittelgrundes vorträgt, das Gericht hätte berücksichtigen müssen, dass sich ihre Handlungen auf nur eine der drei Produktuntergruppen beschränkt hätten, genügt die Feststellung, dass das Gericht dem tatsächlich Rechnung getragen hat. So hat es in Rn. 154 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass dieser Umstand von der Kommission bei der Festsetzung der als Grundlage für die Berechnung der Geldbuße herangezogenen Umsätze berücksichtigt worden sei.

61

Somit ist der zweite Teil des fünften Rechtsmittelgrundes teils unzulässig und teils unbegründet.

62

Zweitens ist zu der im Rahmen des dritten Teils des fünften Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Rüge, das Gericht habe bei der Festsetzung der verhängten Geldbuße der reinen Mitläuferrolle der Rechtsmittelführerin nicht Rechnung getragen, festzustellen, dass diese Rüge auf der Prämisse beruht, dass im vorliegenden Fall die Leitlinien von 1998 und nicht die Leitlinien von 2006 zur Anwendung kamen. Da die Kommission im vorliegenden Fall jedoch die Leitlinien von 2006 angewandt hat, von denen auch das Gericht in Rn. 246 des angefochtenen Urteils ausgegangen ist, und da diese keine Berücksichtigung einer ausschließlich passiven Mitwirkung oder reinen Mitläufertums bei der Verwirklichung der geahndeten Zuwiderhandlung vorsehen, ist die Rüge zurückzuweisen.

63

Daher hat das Gericht zu Recht in Rn. 194 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum eines Unternehmens nach den Leitlinien von 2006 keinen mildernden Umstand mehr darstelle, und in Rn. 197 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin in Anbetracht von Ziff. 29 dritter Gedankenstrich dieser Leitlinien, um sich auf mildernde Umstände berufen zu können, hätte beweisen müssen, dass sie sich der Durchführung der gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen entzogen habe, was jedoch nicht geschehen sei.

64

Folglich ist der dritte Teil des fünften Rechtsmittelgrundes unbegründet.

– Zum ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes

65

Erstens ist zum Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dem Gericht seien u. a. hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung der Zuwiderhandlung Rechtsfehler unterlaufen, als es in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Höhe der Geldbuße festgesetzt habe, zunächst darauf hinzuweisen, dass allein das Gericht für die Überprüfung der Art und Weise zuständig ist, in der die Kommission im konkreten Fall die Schwere der rechtswidrigen Verhaltensweisen beurteilt hat. Im Rechtsmittelverfahren erstreckt sich die Kontrolle durch den Gerichtshof zum einen darauf, inwieweit das Gericht rechtlich korrekt alle Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens anhand von Art. 101 AEUV und Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 von Bedeutung sind, und zum anderen darauf, ob das Gericht auf alle zur Stützung des Antrags auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße vorgebrachten Argumente rechtlich hinreichend eingegangen ist (vgl. u. a. Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 128, vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 244, und vom 5. Dezember 2013, Solvay Solexis/Kommission, C‑449/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:802, Rn. 74).

66

Dagegen ist es nicht Sache des Gerichtshofs, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 245, und vom 11. Juli 2013, Gosselin Group/Kommission, C‑429/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:463, Rn. 87).

67

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlung sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die für die Beurteilung ihrer Schwere eine Rolle spielen (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 240, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 98).

68

Zu den Faktoren, die bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen berücksichtigt werden können, gehören das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Errichtung des Kartells gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus ihm ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Europäischen Union bedeuten (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 242, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 100).

69

Im vorliegenden Fall hat das Gericht als Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag, wie die Kommission im streitigen Beschluss, jeweils 15 % angesetzt, obwohl es zu dem Ergebnis kam, dass sich die Zuwiderhandlung in räumlicher Hinsicht auf zwei und nicht auf sechs Mitgliedstaaten erstreckt habe. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich das Gericht, nachdem es in den Rn. 156 bis 168 des angefochtenen Urteils Fehler der Kommission bei der Beurteilung der räumlichen Ausdehnung festgestellt hatte, im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, wie insbesondere den Rn. 242 und 244 bis 251 des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, mit den aus den Fehlern der Kommission zu ziehenden Konsequenzen für die Festsetzung der Höhe der verhängten Geldbuße befasst hat.

70

Zunächst hat es das Gericht in Rn. 246 des angefochtenen Urteils für angebracht gehalten, im vorliegenden Fall bei der Neuberechnung der Geldbuße von den Leitlinien von 2006 auszugehen.

71

Anschließend hat das Gericht in Rn. 247 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Beurteilungsfehler der Kommission, die darin lägen, dass sie die Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag auf der Grundlage einer räumlichen Ausdehnung der Zuwiderhandlung auf sechs Mitgliedstaaten mit 15 % angesetzt habe, nur verlangten, dass es in Bezug auf die Festsetzung dieser Koeffizienten, insbesondere im Hinblick darauf, dass sich die Zuwiderhandlung in räumlicher Hinsicht auf zwei Mitgliedstaaten beschränkt habe, die von der Kommission vorgenommene Beurteilung durch seine eigene ersetze. Dagegen hat es dabei – in Anbetracht der Rn. 57 bis 64 des vorliegenden Urteils zu Recht – weder das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, die Zuwiderhandlung habe sich nur auf eine der drei Produktuntergruppen erstreckt, noch ihre Mitläuferrolle berücksichtigt.

72

Bei der Berechnung der verhängten Geldbuße ist das Gericht in Rn. 248 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, dass die Kommission in Art. 1 Abs. 2 sowie den Rn. 872 und 873 des streitigen Beschlusses der Rechtsmittelführerin zutreffend zur Last gelegt habe, vom 6. März 1998 bis 9. November 2004 an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in Form einer geheimen Absprache zur Koordinierung der künftigen Preiserhöhungen bei den drei in Rede stehenden Produktuntergruppen in Deutschland und in Österreich beteiligt gewesen zu sein.

73

Schließlich hat das Gericht in Rn. 249 des angefochtenen Urteils in Anbetracht nicht nur der Art der Zuwiderhandlung selbst, sondern auch ihrer räumlichen Ausdehnung auf zwei Mitgliedstaaten und ihrer langen Dauer festgestellt, dass sie zu den schwerwiegendsten Verstößen gehört habe, und ausgeführt, dass nach Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 für eine solche Zuwiderhandlung ein Umsatzanteil von 15 % dem Mindestmaß entspreche.

74

Das Gericht hat es daher in Rn. 250 des angefochtenen Urteils für angemessen gehalten, im Rahmen der Berechnung des Grundbetrags der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße die Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag beide mit 15 % anzusetzen.

75

Nach alledem hat das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin berücksichtigt, dass sich die Zuwiderhandlung in räumlicher Hinsicht nur auf zwei und nicht auf sechs Mitgliedstaaten erstreckte. Das Gericht ist jedoch davon ausgegangen, dass trotz dieser geringeren räumlichen Ausdehnung ein Satz von 15 % insbesondere wegen der Art der Zuwiderhandlung angemessen sei. Insoweit ist hervorzuheben, dass nach Ziff. 23 der Leitlinien von 2006, von denen das Gericht im vorliegenden Fall ausgegangen ist, Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag in Höhe von 15 % allein aufgrund der Art der in Rede stehenden Zuwiderhandlung gerechtfertigt sein konnten, die, wie das Gericht ausgeführt hat, zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Ziff. 23 gehört, und dass es sich dabei um den niedrigsten Satz der in den Leitlinien von 2006 für solche Zuwiderhandlungen vorgesehenen Bandbreite von Sanktionen handelt (vgl. hierzu, in diesem Sinne, Urteile vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 124 und 125, sowie vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 125). Daher wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht zu Unrecht vor, dass es die räumliche Ausdehnung der Zuwiderhandlung bei der Bestimmung der Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag nicht berücksichtigt und die Koeffizienten mit 15 % angesetzt habe.

76

Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass derselbe Satz auch bei anderen Unternehmen angesetzt wurde, die an der Zuwiderhandlung in größerem räumlichen Umfang beteiligt waren als die Rechtsmittelführerin, worin diese einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sieht.

77

Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz ein allgemeiner, in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerter Grundsatz des Unionsrechts ist. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt er, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. u. a. Urteil vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 51).

78

Das Gericht hat diesen Grundsatz insbesondere nicht nur im Rahmen der Ausübung seiner Rechtmäßigkeitskontrolle des Beschlusses der Kommission, mit dem Geldbußen verhängt werden, zu beachten, sondern auch bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Die Ausübung einer solchen Befugnis darf nämlich nicht dazu führen, dass Unternehmen, die an einer gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Festsetzung der Höhe ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, Kommission/Parker Hannifin Manufacturing und Parker-Hannifin, C‑434/13 P, EU:C:2014:2456, Rn. 77).

79

Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, muss nach diesem Grundsatz die Berücksichtigung von Unterschieden zwischen den an demselben Kartell beteiligten Unternehmen, u. a. was die räumliche Ausdehnung ihrer jeweiligen Beteiligung betrifft, aber nicht zwangsläufig bei der Ermittlung der Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag erfolgen, sondern kann auch in einem anderen Stadium der Berechnung der Geldbuße stattfinden, etwa bei der Anpassung des Grundbetrags anhand mildernder und erschwerender Umstände gemäß den Ziff. 28 und 29 der Leitlinien von 2006 (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 2013, Gosselin Group/Kommission, C‑429/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:463, Rn. 96 bis 100, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 104 und 105).

80

Wie die Kommission ausgeführt hat, können sich solche Unterschiede auch in den zur Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße herangezogenen Umsatzzahlen niederschlagen, da diese Zahlen nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 für jedes beteiligte Unternehmen den Umfang seiner Beteiligung an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung widerspiegeln; diese Bestimmung erlaubt es, als Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbußen einen Betrag heranzuziehen, der die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das Gewicht widerspiegelt, das dem Unternehmen dabei zukam (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 76).

81

Folglich konnte das Gericht in Rn. 250 des angefochtenen Urteils, ohne gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu verstoßen, die Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag mit 15 % der Umsätze der Rechtsmittelführerin ansetzen, denn der Grundbetrag der gegen sie verhängten Geldbuße wurde unstreitig anhand ihrer Umsätze ermittelt.

82

Zweitens ist das Vorbringen, das Gericht habe in Rn. 249 des angefochtenen Urteils zu Unrecht die Schwere der Zuwiderhandlung unter Heranziehung der Beteiligungsdauer der Rechtsmittelführerin beurteilt, in Anbetracht der Feststellungen in Rn. 75 des vorliegenden Urteils als ins Leere gehend zurückzuweisen.

83

Jedenfalls kann aus dem Umstand, dass das Gericht in dieser Randnummer des angefochtenen Urteils neben anderen Kriterien wie der Art der in Rede stehenden Zuwiderhandlung auch deren lange Dauer erwähnt hat, nicht geschlossen werden, dass es diesem Kriterium damit eine unverhältnismäßig große Bedeutung beigemessen hat.

84

Drittens ist zur Rüge eines Begründungsmangels darauf hinzuweisen, dass das Gericht aufgrund der ihm nach Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Gericht anwendbar ist, und nach Art. 81 seiner Verfahrensordnung in der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils geltenden Fassung obliegenden Pflicht zur Begründung von Urteilen seine Erwägungen klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, so dass die Betroffenen die Gründe für die getroffene Entscheidung erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. u. a. Urteile vom 26. September 2013, Alliance One International/Kommission, C‑679/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:606, Rn. 98, und vom 28. Januar 2016, Quimitécnica.com und de Mello/Kommission, C‑415/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:58, Rn. 56).

85

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung an diese Pflicht gebunden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, Kommission/Parker Hannifin Manufacturing und Parker-Hannifin, C‑434/13 P, EU:C:2014:2456, Rn. 77).

86

Nach gefestigter Rechtsprechung verlangt die Begründungspflicht vom Gericht jedoch nicht, dass es bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Die Begründung kann demnach implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erfahren, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben an die Hand gibt, damit er seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 2. April 2009, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission, C‑431/07 P, EU:C:2009:223, Rn. 42, und vom 22. Mai 2014, Armando Álvarez/Kommission, C‑36/12 P, EU:C:2014:349, Rn. 31).

87

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich das Gericht in den Rn. 245 bis 251 des angefochtenen Urteils in Entgegnung auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zur Stützung ihres Antrags auf Herabsetzung der verhängten Geldbuße zu den Konsequenzen geäußert hat, die aus den Fehlern der Kommission hinsichtlich der Höhe der Geldbuße zu ziehen waren, und in den Rn. 252 bis 259 des angefochtenen Urteils auf das ergänzende Vorbringen der Rechtsmittelführerin zur Stützung ihres Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße eingegangen ist, bevor es in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Rn. 260 des angefochtenen Urteils zu dem Schluss gelangt ist, dass die Geldbuße in der gleichen wie der von der Kommission im streitigen Beschluss ermittelten Höhe festzusetzen sei. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerin hat das Gericht in Rn. 249 des angefochtenen Urteils angegeben, welche Faktoren es bei der Ermittlung der Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag herangezogen hat, und ausgeführt, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung, die zu den schwerwiegendsten Verstößen gehöre, nach Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 in Anbetracht der darin vorgesehenen Bandbreite von 0 % bis 30 % die Anwendung eines Satzes von 15 % rechtfertige.

88

Damit hat das Gericht die Gründe erläutert, die es dazu bewogen haben, einen solchen Satz heranzuziehen und infolgedessen eine Geldbuße in der in Rn. 251 des angefochtenen Urteils angegebenen Höhe festzusetzen.

89

Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, das angefochtene Urteil sei mit einem Begründungsmangel behaftet, zurückzuweisen.

90

Da keines der zur Stützung des ersten Teils des fünften Rechtsmittelgrundes vorgetragenen Argumente durchgreift, ist dieser Teil als unbegründet anzusehen.

91

Nach alledem ist der fünfte Rechtsmittelgrund als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund: überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht

Vorbringen der Parteien

92

Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe seine Pflicht verletzt, über die bei ihm anhängig gemachten Rechtssachen innerhalb einer angemessenen Frist zu entscheiden. Das Verfahren vor dem Gericht habe am 8. September 2010 begonnen und mehr als drei Jahre später, am 16. September 2013, mit dem Erlass des angefochtenen Urteils geendet. Dieser Zeitraum sei im Licht der einschlägigen Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Umstände der Rechtssache besonders lang und übermäßig.

93

Nach Ansicht der Kommission kann dieser Rechtsmittelgrund, selbst wenn die Verfahrensdauer nicht angemessen gewesen sein sollte, keinen Erfolg haben.

Würdigung durch den Gerichtshof

94

Soweit die Rechtsmittelführerin mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund erstens beantragt, das angefochtene Urteil wegen überlanger Dauer des Verfahrens vor dem Gericht aufzuheben, ist festzustellen, dass die Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte dafür, dass sich die überlange Verfahrensdauer auf den Ausgang des Rechtsstreits ausgewirkt hat, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen kann. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils kann nämlich, wenn die Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist keine Auswirkung auf den Ausgang des Rechtsstreits hat, dem Verstoß des Gerichts gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nicht abhelfen (Urteile vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission, C‑40/12 P, EU:C:2013:768, Rn. 81 und 82, vom 26. November 2013, Kendrion/Kommission, C‑50/12 P, EU:C:2013:771, Rn. 82 und 83, sowie vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 64).

95

Im vorliegenden Fall hat die Rechtsmittelführerin dem Gerichtshof keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass sich eine überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht auf den Ausgang des bei ihm anhängigen Rechtsstreits ausgewirkt haben könnte.

96

Daraus folgt, dass der sechste Rechtsmittelgrund nicht zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils führen kann.

97

Soweit die Rechtsmittelführerin mit dem sechsten Rechtsmittelgrund zweitens, hilfsweise, eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße beantragt, ist darauf hinzuweisen, dass ein Verstoß eines Unionsgerichts gegen seine Pflicht nach Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in den bei ihm anhängig gemachten Rechtssachen innerhalb einer angemessenen Frist zu entscheiden, mit einer Schadensersatzklage vor dem Gericht zu ahnden ist, die einen effektiven Rechtsbehelf darstellt. Somit kann der Ersatz des Schadens, der durch die Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer durch das Gericht verursacht wurde, nicht unmittelbar im Rahmen eines Rechtsmittels beim Gerichtshof beantragt werden, sondern muss beim Gericht selbst eingeklagt werden (Urteile vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 66, vom 9. Oktober 2014, ICF/Kommission, C‑467/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2274, Rn. 57, und vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 55).

98

Wird das nach Art. 256 Abs. 1 AEUV zuständige Gericht mit einer Schadensersatzklage befasst, hat es darüber in einer anderen Besetzung als derjenigen zu entscheiden, in der es mit dem als überlang gerügten Verfahren befasst war (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 67, vom 9. Oktober 2014, ICF/Kommission, C‑467/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2274, Rn. 58, und vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 56).

99

Ist indessen offensichtlich, dass das Gericht seine Pflicht, über die Rechtssache innerhalb angemessener Frist zu entscheiden, in hinreichend qualifizierter Weise verletzt hat, ohne dass es insoweit erforderlich wäre, dass die Parteien zusätzliche Nachweise beibringen, kann der Gerichtshof dies feststellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Oktober 2014, ICF/Kommission, C‑467/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2274, Rn. 59, und vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 57).

100

Im vorliegenden Fall ist jedoch insbesondere wegen der Art und des Komplexitätsgrads der Rechtssache sowie der Zahl der gegen den streitigen Beschluss erhobenen Klagen nicht ersichtlich, dass die rund drei Jahre betragende Dauer des Verfahrens vor dem Gericht offensichtlich unangemessen gewesen wäre.

101

Nach alledem ist der sechste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

102

Da keiner der Rechtsmittelgründe der Rechtsmittelführerin durchgreift, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

103

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet er über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

104

Nach Art. 138 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die durch das vorliegende Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG trägt die Kosten.

 

Tizzano

Berger

Levits

Rodin

Biltgen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Januar 2017.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident

K. Lenaerts


( *1 ) * Verfahrenssprache: Deutsch.

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Referenzen

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