Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-614/13
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
26. Januar 2017 ( *1 )
„Rechtsmittel — Wettbewerb — Kartelle — Belgischer, deutscher, französischer, italienischer, niederländischer und österreichischer Markt für Badezimmerausstattungen — Koordinierung der Verkaufspreise und Austausch sensibler Geschäftsinformationen — Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung — Begründungspflicht“
In der Rechtssache C‑614/13 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. November 2013,
Masco Corp. mit Sitz in Taylor (Vereinigte Staaten),
Hansgrohe AG mit Sitz in Schiltach (Deutschland),
Hansgrohe Deutschland Vertriebs GmbH mit Sitz in Schiltach,
Hansgrohe Handelsgesellschaft mbH mit Sitz in Wiener Neudorf (Österreich),
Hansgrohe SA/NV mit Sitz in Brüssel (Belgien),
Hansgrohe BV mit Sitz in Westknollendam (Niederlande),
Hansgrohe SARL mit Sitz in Antony (Frankreich),
Hansgrohe Srl mit Sitz in Villanova d’Asti (Italien),
Hüppe GmbH mit Sitz in Bad Zwischenahn (Deutschland),
Hüppe GesmbH mit Sitz in Laxenburg (Österreich),
Hüppe Belgium SA/NV mit Sitz in Woluwé Saint-Étienne (Belgien),
Hüppe BV mit Sitz in Alblasserdam (Niederlande),
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. Schroeder und S. Heinz sowie B. Fischer, advocate, beauftragt durch J. Temple Lang, Solicitor,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch L. Malferrari und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte im Beistand von B. Kennelly, Barrister,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richterin M. Berger sowie der Richter E. Levits, S. Rodin (Berichterstatter) und F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2015,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel begehren die Masco Corp., die Hansgrohe AG, die Hansgrohe Deutschland Vertriebs GmbH, die Hansgrohe Handelsgesellschaft mbH, die Hansgrohe SA/NV, die Hansgrohe BV, die Hansgrohe SARL, die Hansgrohe Srl, die Hüppe GmbH, die Hüppe GesmbH, die Hüppe Belgium SA/NV und die Hüppe BV die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. September 2013, Masco u. a./Kommission (T‑378/10, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2013:469), mit dem das Gericht ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses K(2010) 4185 endg. der Kommission vom 23. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39092 – Badezimmerausstattungen) (im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat. |
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss
2 |
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 9 des angefochtenen Urteils dargestellt worden und lässt sich wie folgt zusammenfassen. |
3 |
Die Rechtsmittelführerinnen, nämlich das amerikanische Unternehmen Masco Corp. und einige seiner europäischen Tochterunternehmen, zu denen die Hansgrohe AG und die Hüppe GmbH gehören, stellen Armaturen, Duschabtrennungen und ‑zubehör her. |
4 |
Am 15. Juli 2004 informierten die Rechtsmittelführerinnen die Europäische Kommission über das Bestehen eines Kartells im Badezimmerausstattungssektor und beantragten einen Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) oder, hilfsweise, eine Herabsetzung der ihnen gegebenenfalls drohenden Geldbußen. Am 2. März 2005 gewährte die Kommission den Rechtsmittelführerinnen gemäß Rn. 8 Buchst. a und Rn. 15 dieser Mitteilung einen bedingten Erlass der Geldbuße. |
5 |
Am 23. Juni 2010 erließ die Kommission den streitigen Beschluss, in dem sie eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) im Badezimmerausstattungssektor feststellte. Diese Zuwiderhandlung, an der 17 Unternehmen beteiligt gewesen seien, habe in verschiedenen Zeiträumen zwischen dem 16. Oktober 1992 und dem 9. November 2004 in Form eines Bündels wettbewerbswidriger Vereinbarungen oder abgestimmter Verhaltensweisen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Österreich stattgefunden. |
6 |
Nach Auffassung der Kommission waren die fraglichen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen Teil eines Gesamtplans zur Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den betreffenden Unternehmen und wiesen Merkmale einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung auf, die Badezimmerausstattungen erfasst habe, die unter eine der folgenden drei Produktuntergruppen fielen: Armaturen, Duschabtrennungen und ‑zubehör sowie Sanitärkeramik (im Folgenden: drei Produktuntergruppen). |
7 |
Aus diesen Gründen hat die Kommission in Art. 2 des streitigen Beschlusses festgestellt, dass sich diese 17 Unternehmen an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt und damit gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen hätten. |
8 |
Allerdings hat die Kommission in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 dieses Beschlusses angegeben, dass sie gegen die Rechtsmittelführerinnen keine Geldbuße verhänge. |
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
9 |
Mit Klageschrift, die am 7. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Rechtsmittelführerinnen beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses und trugen einen einzigen Klagegrund vor, mit dem sie geltend machten, die Kommission habe zu Unrecht festgestellt, dass sie an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung im Badezimmerausstattungssektor beteiligt gewesen seien. |
10 |
Mit diesem Klagegrund rügten die Klägerinnen Fehler der Kommission zum einen bei der Feststellung der Tatbestandsmerkmale einer einheitlichen Zuwiderhandlung und der Beteiligung von Unternehmen an einer solchen Zuwiderhandlung sowie zum anderen bei der Würdigung der tatsächlichen Umstände, die für die Feststellung einer einheitlichen Zuwiderhandlung und der Beteiligung der Rechtsmittelführerinnen an dieser Zuwiderhandlung herangezogen worden seien. |
11 |
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage in vollem Umfang ab. |
Anträge der Parteien
12 |
Die Rechtsmittelführerinnen beantragen,
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13 |
Die Kommission beantragt,
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Zum Rechtsmittel
14 |
Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe. Mit dem ersten wird geltend gemacht, die Feststellung, dass sich die Rechtsmittelführerinnen an einer einheitlichen Zuwiderhandlung beteiligt hätten, sei unzutreffend. Mit dem zweiten wird ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt. |
Zum ersten Rechtsmittelgrund: unzutreffende Feststellung der Beteiligung der Rechtsmittelführerinnen an einer einheitlichen Zuwiderhandlung
Vorbringen der Parteien
15 |
Mit dem ersten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass sie erstens durch ihr eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten des Kartells verfolgten gemeinsamen Ziele hätten beitragen wollen, zweitens von dem von den anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten gewusst hätten und drittens bereit gewesen seien, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. Dieser Rechtsmittelgrund gliedert sich in fünf Teile. |
16 |
Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, mit der Feststellung in Rn. 59 des angefochtenen Urteils, dass die fraglichen rechtswidrigen Verhaltensweisen zum Ziel gehabt hätten, gegenüber den Großhändlern für die drei Produktuntergruppen, darunter Sanitärkeramik, eine geschlossene Front zu bilden, Beweise für ihre Absicht, durch ihr eigenes Verhalten zur Erreichung des von allen Beteiligten im Rahmen der einheitlichen Zuwiderhandlung verfolgten gemeinsamen Ziels beizutragen, offenkundig verfälscht habe. Der 931. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses, auf den das Gericht zur Stützung seiner Begründung verweise, lasse einen solchen Schluss nämlich nicht zu. Außerdem hätten die Rechtsmittelführerinnen entgegen Rn. 59 des angefochtenen Urteils in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht in Beantwortung der Fragen des Gerichts nicht eingeräumt, dass mit den rechtswidrigen Verhaltensweisen bezweckt gewesen sei, eine geschlossene Front gegenüber den Großhändlern zu bilden. |
17 |
Für den Fall, dass angenommen werde, dass in Rn. 59 des angefochtenen Urteils nicht festgestellt werden sollte, dass sie die Absicht gehabt hätten, durch ihr eigenes Verhalten zur Erreichung des von allen Beteiligten der einheitlichen Zuwiderhandlung verfolgten gemeinsamen Ziels beizutragen, machen die Rechtsmittelführerinnen mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes hilfsweise geltend, dass das Gericht diese Frage nicht geprüft und folglich, da es nicht die maßgeblichen rechtlichen Kriterien angewandt habe, einen Rechtsfehler begangen habe. |
18 |
Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, die Beweise für ihre Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten, das die anderen Unternehmen zur Verfolgung dieses Ziels beabsichtigt oder an den Tag gelegt hätten, verfälscht zu haben. In Rn. 61 des angefochtenen Urteils habe das Gericht aus der Mitgliedschaft der Rechtsmittelführerinnen in Dachverbänden und produktübergreifenden Verbänden den unzutreffenden Schluss gezogen, dass sie von den rechtswidrigen Verhaltensweisen gewusst hätten. Die Mitgliedschaft der Rechtsmittelführerinnen in solchen Dachverbänden und Verbänden in Belgien, Frankreich oder Italien habe ihnen aber keine Kenntnis von koordinierten Erhöhungen der Preise für Sanitärkeramik in diesen Mitgliedstaaten verschafft. |
19 |
Mit dem vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes beanstanden die Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe die rechtlichen Kriterien für die Feststellung der einheitlichen Zuwiderhandlung nicht richtig angewandt, da es nicht geprüft habe, ob sie sämtliche wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen in Bezug auf Sanitärkeramik vernünftigerweise vorhersehen konnten. |
20 |
Mit dem fünften Teil des ersten Rechtsmittelgrundes werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, rechtsfehlerhaft nicht geprüft zu haben, ob sie bereit gewesen seien, die Gefahr auf sich zu nehmen, die aus dem Verhalten erwachse, das andere Unternehmen, die Sanitärkeramik vertrieben, zur Erreichung des von allen Beteiligten des Kartells verfolgten gemeinsamen Ziels beabsichtigt oder an den Tag gelegt hätten. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich aber, dass diese Voraussetzung auch für den Fall gelte, dass ein Unternehmen von dem Verhalten, das andere Unternehmen in Verfolgung dieses Ziels beabsichtigt oder an den Tag gelegt hätten, gewusst habe, und dass sie das für den Nachweis einer Beteiligung dieses Unternehmens an den fraglichen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen erforderliche subjektive Tatbestandsmerkmal darstelle. |
21 |
Nach Ansicht der Kommission ist der erste Rechtsmittelgrund als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
22 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nach ständiger Rechtsprechung nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann, selbst wenn ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten. Somit ist, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt in einen „Gesamtplan“ einfügen, die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteile vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 41, sowie vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 156). |
23 |
Ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff der Vereinbarung oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise mit wettbewerbswidrigem Ziel im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllten und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, an einer solchen einheitlichen und komplexen Zuwiderhandlung beteiligt hat, kann somit für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen nachweislich durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteile vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 42, sowie vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 157). |
24 |
Im vorliegenden Fall werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes vor, mit der Feststellung in Rn. 59 des angefochtenen Urteils, die rechtswidrigen Verhaltensweisen bestünden in der Bildung einer geschlossenen Front der Rechtsmittelführerinnen gegenüber den Großhändlern für die drei Produktuntergruppen, Beweise verfälscht zu haben. |
25 |
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich das Gericht, wie dieser Randnummer zu entnehmen ist, allenfalls ergänzend auf diese Feststellung gestützt hat, um das Vorliegen und das Wesen eines Gesamtplans, der eine einheitliche Zuwiderhandlung kennzeichnen kann, festzustellen, und sich diese Beurteilung dem Gericht zufolge tatsächlich aus zahlreichen anderen Umständen ergibt, auf die die Kommission im streitigen Beschluss hingewiesen hat. |
26 |
Somit geht dieser Teil des Rechtsmittelgrundes ins Leere und ist zurückzuweisen, da das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen im Rahmen des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes nicht geeignet ist, die Schlussfolgerung des Gerichts in den Rn. 58 und 62 des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen, wonach die Kommission zu Recht angenommen hat, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliege (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 28. Oktober 2004, Kommission/CMA CGM u. a., C‑236/03 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:679, Rn. 30 bis 32, und vom 21. Oktober 2014, Mundipharma/HABM, C‑669/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2308, Rn. 36). |
27 |
Mit dem zweiten, dem vierten und dem fünften Teil des ersten Rechtsmittelgrundes werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht im Wesentlichen vor, nicht geprüft zu haben, ob die in Rn. 22 des vorliegenden Urteils angeführten Voraussetzungen erfüllt waren, insbesondere ob die Rechtsmittelführerinnen erstens durch ihr eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten der einheitlichen Zuwiderhandlung verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollten, zweitens sämtliche wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen in Bezug auf Sanitärkeramik vernünftigerweise vorhersehen konnten und drittens bereit waren, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. |
28 |
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, auf Klagegründe und Argumente einzugehen, die im Lauf des Verfahrens, insbesondere im verfahrenseinleitenden Schriftsatz nicht oder nicht hinreichend klar und bestimmt geltend gemacht wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 121, und vom 20. März 2014, Rousse Industry/Kommission, C‑271/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:175, Rn. 17 bis 19). |
29 |
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Durchsicht der Klageschrift und der Erwiderung, die bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, insbesondere aus den von den Rechtsmittelführerinnen zur Stützung des vorliegenden Rechtsmittels angeführten Randnummern dieser Klageschrift und dieser Erwiderung, dass die Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht zwar bestritten haben, von den kollusiven Verhaltensweisen, die die drei Produktuntergruppen betrafen, gewusst zu haben, jedoch nicht vorgetragen haben, dass sie durch ihr Verhalten nicht zu den von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Zielen beigetragen hätten, weil sie nicht sämtliche beanstandeten rechtswidrigen Verhaltensweisen vernünftigerweise hätten vorhersehen können und nicht bereit gewesen seien, die aus diesen Verhaltensweisen erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. |
30 |
Unter diesen Umständen kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, diese Fragen im angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich geprüft zu haben. Zu dem Vorbringen, das Gericht habe nicht geprüft, ob die Rechtsmittelführerinnen sämtliche beanstandeten rechtswidrigen Verhaltensweisen vernünftigerweise vorhersehen konnten und bereit waren, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, ist festzustellen, dass das Gericht, da es in den Rn. 61 und 82 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die Rechtsmittelführerinnen von diesen Verhaltensweisen wussten, nicht zu prüfen brauchte, ob sie diese Verhaltensweisen vernünftigerweise vorhersehen konnten und bereit waren, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, da diese beiden Voraussetzungen alternativ sind, wie sich aus Rn. 23 des vorliegenden Urteils ergibt. |
31 |
Da mit dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen dargetan werden soll, dass die in Rn. 23 des vorliegenden Urteils dargelegten Voraussetzungen nicht erfüllt seien, kann es im Stadium des Rechtsmittels nicht geprüft werden. |
32 |
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren nämlich grundsätzlich nur dafür zuständig, die rechtliche Entscheidung im ersten Rechtszug über das Parteivorbringen zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. April 2014, FLSmidth/Kommission, C‑238/12 P, EU:C:2014:284, Rn. 42, und vom 22. Mai 2014, ASPLA/Kommission, C‑35/12 P, EU:C:2014:348, Rn. 39). |
33 |
Daraus folgt, dass der zweite, der vierte und der fünfte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet zurückzuweisen sind. |
34 |
Im Rahmen des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes berufen sich die Rechtsmittelführerinnen auf eine Verfälschung von Beweisen durch das Gericht, soweit dieses in den Rn. 61 und 82 des angefochtenen Urteils unzutreffend angenommen habe, dass sie von sämtlichen rechtswidrigen Verhaltensweisen einschließlich derjenigen in Belgien, Frankreich und Italien bezüglich Sanitärkeramik gewusst hätten. |
35 |
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsmittel nach Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf Rechtsfragen beschränkt ist. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und Beweise ist somit vorbehaltlich ihrer Verfälschung keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren unterliegt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. September 2009, Alcon/HABM, C‑481/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:579, Rn. 18, Urteil vom 13. Januar 2011, Media-Saturn-Holding/HABM, C‑92/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:15, Rn. 27, und Urteil vom 3. März 2016, AgriCapital/HABM, C‑440/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:144, Rn. 32). |
36 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt eine Verfälschung vor, wenn ohne Erhebung neuer Beweise die Würdigung der vorliegenden Beweise offensichtlich unzutreffend erscheint. Diese Verfälschung muss sich jedoch in offensichtlicher Weise aus den Prozessakten ergeben, ohne dass es einer erneuten Würdigung der Tatsachen und Beweise bedarf. Außerdem muss ein Rechtsmittelführer, der eine Verfälschung von Beweisen durch das Gericht behauptet, genau angeben, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2015, Italien/Kommission, C‑280/14 P, EU:C:2015:792, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
37 |
Hinsichtlich der Feststellungen in den Rn. 61 und 82 des angefochtenen Urteils zur Kenntnis der Rechtsmittelführerinnen von den fraglichen rechtswidrigen Verhaltensweisen haben die Rechtsmittelführerinnen jedoch in ihrem Rechtsmittel keinen Beweis angegeben, dessen Würdigung durch das Gericht offensichtlich unzutreffend im Sinne dieser Rechtsprechung erscheint. |
38 |
Somit versuchen die Rechtsmittelführerinnen unter dem Deckmantel ihres Vorbringens zu einer behaupteten Verfälschung der Beweise in Wirklichkeit, die tatsächliche Würdigung durch das Gericht anzufechten, wonach die Kommission insbesondere in Anbetracht der koordinierten Preiserhöhungen innerhalb der Dachverbände, denen die Rechtsmittelführerinnen angehörten, zu der Annahme berechtigt war, dass die Rechtsmittelführerinnen von sämtlichen rechtswidrigen Verhaltensweisen einschließlich derjenigen, die Sanitärkeramik betrafen, wussten. Eine solche Würdigung unterliegt nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren. |
39 |
Folglich ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unzulässig zurückzuweisen. |
40 |
Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen. |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht
Vorbringen der Parteien
41 |
Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund beanstanden die Rechtsmittelführerinnen Rn. 59 des angefochtenen Urteils. Insoweit leide das angefochtene Urteil an einem Begründungsmangel, da das Gericht einige relevante Argumente bezüglich der behaupteten Beteiligung der Rechtsmittelführerinnen an einer einheitlichen Zuwiderhandlung nicht geprüft habe. |
42 |
Das Gericht habe erstens nicht geprüft, ob die Rechtsmittelführerinnen beabsichtigt hätten, durch ihr eigenes Verhalten zu dem verfolgten gemeinsamen Ziel beizutragen, zweitens, ob sie sämtliche rechtswidrigen Verhaltensweisen, die andere Unternehmen in Verfolgung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele im Rahmen der Vermarktung von Sanitärkeramik beabsichtigt oder an den Tag gelegt hätten, vernünftigerweise hätten vorhersehen können, und drittens, ob sie bereit gewesen seien, die mit diesen Verhaltensweisen verbundene Gefahr auf sich zu nehmen. |
43 |
Damit habe das Gericht gegen seine Begründungspflicht verstoßen. |
44 |
Nach Ansicht der Kommission ist der zweite Rechtsmittelgrund als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
45 |
Da der zweite Rechtsmittelgrund im Wesentlichen dem zweiten, dem vierten und dem fünften Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ähnelt, ist er aus den gleichen wie den in den Rn. 28 bis 33 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen. |
46 |
Da keiner der von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachten Rechtsmittelgründe durchgreift, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. |
Kosten
47 |
Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. |
48 |
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind und die Kommission ihre Verurteilung beantragt hat, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.
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Referenzen
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