Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-516/15

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

27. April 2017 ( *1 )

„Rechtsmittel — Kartelle — Europäische Märkte für Zinnstabilisatoren und für ESBO/Ester-Wärmestabilisatoren — Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte und Austausch sensibler Geschäftsinformationen — Zurechnung des rechtswidrigen Verhaltens von Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft — Verordnung (EG) Nr. 1/2003 — Art. 25 Abs. 1 — Verfolgungsverjährung gegenüber den Tochtergesellschaften — Auswirkungen auf die rechtliche Situation der Muttergesellschaft“

In der Rechtssache C‑516/15 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. September 2015,

Akzo Nobel NV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

Akzo Nobel Chemicals GmbH mit Sitz in Düren (Deutschland),

Akzo Nobel Chemicals BV mit Sitz in Amersfoort (Niederlande),

vertreten durch C. Swaak und R. Wesseling, advocaten,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Parteien des Verfahrens:

Akcros Chemicals Ltd mit Sitz in Warwickshire (Vereinigtes Königreich),

Klägerin im ersten Rechtszug,

Europäische Kommission, vertreten durch V. Bottka und P. Rossi als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Dezember 2016,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Akzo Nobel NV, die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Juli 2015, Akzo Nobel u. a./Kommission (T‑47/10, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:506), mit dem das Gericht ihrer auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 8682 endg. der Kommission vom 11. November 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38589 – Wärmestabilisatoren) (im Folgenden: streitige Entscheidung), hilfsweise auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen gerichteten Klage nur teilweise stattgegeben hat.

Rechtlicher Rahmen

2

Art. 7 („Feststellung und Abstellung von Zuwiderhandlungen“) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt in Abs. 1:

„Stellt die Kommission auf eine Beschwerde hin oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. … Soweit die Kommission ein berechtigtes Interesse hat, kann sie auch eine Zuwiderhandlung feststellen, nachdem diese beendet ist.“

3

Art. 23 („Geldbußen“) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 2:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a)

gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] verstoßen …

…“

4

Art. 25 („Verfolgungsverjährung“) dieser Verordnung sieht in den Abs. 1 bis 3 vor:

„(1)   Die Befugnis der Kommission nach [Artikel 23] verjährt

a)

in drei Jahren bei Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften über die Einholung von Auskünften oder die Vornahme von Nachprüfungen,

b)

in fünf Jahren bei den übrigen Zuwiderhandlungen.

(2)   Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist. Bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen beginnt die Verjährung jedoch erst mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist.

(3)   Die Verjährung der Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen oder Zwangsgeldern wird durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats unterbrochen. …“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

5

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 50 des angefochtenen Urteils dargestellt. Zum besseren Verständnis der vorliegenden Rechtssache ist auf Folgendes hinzuweisen:

6

Mit der streitigen Entscheidung legt die Kommission einer Reihe von Unternehmen zur Last, gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) verstoßen zu haben, indem sie sich an zwei Komplexen wettbewerbswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen im Europäischen Wirtschaftsraum, zum einen im Bereich Zinnstabilisatoren und zum anderen im Bereich Epoxid-Sojaöle und Ester (im Folgenden: ESBO/Ester), beteiligt hätten.

7

Nach Art. 1 der streitigen Entscheidung bestanden die beiden von der Kommission festgestellten Zuwiderhandlungen, die diese beiden Kategorien von Wärmestabilisatoren betrafen, in der Festsetzung von Preisen, in der Marktaufteilung durch Zuweisung von Lieferquoten, in der Auf- und Zuteilung von Kunden und im Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen, insbesondere über Kunden, Produktions- und Liefermengen.

8

Der streitigen Entscheidung zufolge waren die betroffenen Unternehmen an diesen Zuwiderhandlungen über verschiedene Zeiträume zwischen dem 24. Februar 1987 und dem 21. März 2000 im Bereich Zinnstabilisatoren sowie zwischen dem 11. September 1991 und dem 22. März 2000 im Bereich ESBO/Ester beteiligt.

9

Die streitige Entscheidung war bezüglich jeder Zuwiderhandlung an 20 Gesellschaften gerichtet, die sich entweder unmittelbar an den betreffenden Zuwiderhandlungen beteiligt hatten oder deren Haftung als Muttergesellschaften festgestellt wurde.

10

Was die Zurechnung der Zuwiderhandlungen betrifft, werden Akzo Nobel, die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akcros Chemicals Ltd in Art. 1 der streitigen Entscheidung für ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung im Bereich Zinnstabilisatoren zur Verantwortung gezogen, und zwar Akzo Nobel für den Zeitraum vom 24. Februar 1987 bis 21. März 2000, die Akzo Nobel Chemicals GmbH für den Zeitraum vom 24. Februar 1987 bis 28. Juni 1993 und Akcros Chemicals für den Zeitraum vom 28. Juni 1993 bis 21. März 2000.

11

Ebenso werden Akzo Nobel, die Akzo Nobel Chemicals BV und Akcros Chemicals in Art. 1 der streitigen Entscheidung für ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung im Bereich ESBO/Ester zur Verantwortung gezogen, und zwar Akzo Nobel für den Zeitraum vom 11. September 1991 bis 22. März 2000, die Akzo Nobel Chemicals BV für den Zeitraum vom 11. September 1991 bis 28. Juni 1993 und Akcros Chemicals für den Zeitraum vom 28. Juni 1993 bis 22. März 2000.

12

Zudem unterteilte die Kommission die Beteiligung von Akzo Nobel, der Akzo Nobel Chemicals GmbH, der Akzo Nobel Chemicals BV und von Akcros Chemicals an den Zuwiderhandlungen in drei unterschiedliche Zuwiderhandlungszeiträume.

13

Im Zuwiderhandlungszeitraum vor dem 28. Juni 1993 (im Folgenden: erster Zuwiderhandlungszeitraum) beteiligten sich nach Ansicht der Kommission Gesellschaften, die mittelbar zu 100 % von der Akzo NV (jetzt Akzo Nobel) gehalten wurden, unmittelbar an den Zuwiderhandlungen, nämlich die Akzo Nobel Chemicals GmbH an der Zuwiderhandlung im Bereich Zinnstabilisatoren und die Akzo Nobel Chemicals BV an der Zuwiderhandlung im Bereich ESBO/Ester.

14

Im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum, der sich vom 28. Juni 1993 bis 2. Oktober 1998 erstreckte, war nach Ansicht der Kommission die Partnerschaft Akcros Chemicals unmittelbar an den Zuwiderhandlungen beteiligt. Akcros Chemicals habe die Produktion und den Verkauf von Wärmestabilisatoren der Akzo-Gruppe, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besaß, zentralisiert.

15

Im dritten Zuwiderhandlungszeitraum, der sich für den Bereich Zinnstabilisatoren vom 2. Oktober 1998 bis 21. März 2000 und für den Bereich ESBO/Ester vom 2. Oktober 1998 bis 22. März 2000 erstreckte, war nach Auffassung der Kommission Akcros Chemicals, in der die Tätigkeit der Partnerschaft Akcros Chemicals aufgegangen war, unmittelbar an den Zuwiderhandlungen beteiligt.

16

Somit wurde in der streitigen Entscheidung die Haftung von Akzo Nobel als Muttergesellschaft einer Gruppe von Gesellschaften, von denen sich einige unmittelbar an den Kartellen beteiligt hatten, für den gesamten Zuwiderhandlungszeitraum, d. h. vom 24. Februar 1987 bis 22. März 2000, festgestellt.

17

Zur Verhängung der Geldbußen bestimmt Art. 2 der streitigen Entscheidung:

„Für die … [Zuwiderhandlung] im Bereich Zinnstabilisatoren, werden folgende Geldbußen verhängt:

4)

[Akzo Nobel], [die Akzo Nobel Chemicals GmbH] und [Akcros Chemicals] haften gesamtschuldnerisch für: 1580000 [Euro],

6)

[Akzo Nobel] und [die Akzo Nobel Chemicals GmbH] haften gesamtschuldnerisch für: 9820000 [Euro],

7)

[Akzo Nobel] haftet für: 1432700 [Euro],

Für die … [Zuwiderhandlung] im Bereich ESBO/Ester werden folgende Geldbußen verhängt:

21)

[Akzo Nobel], [die Akzo Nobel Chemicals BV] und [Akcros Chemicals] haften gesamtschuldnerisch für: 2033000 [Euro],

23)

[Akzo Nobel] und [die Akzo Nobel Chemicals BV] haften gesamtschuldnerisch für: 3467000 [Euro],

24)

[Akzo Nobel] haftet für: 2215303 [Euro],

…“

18

Mit Beschluss der Kommission vom 30. Juni 2011 wurde die streitige Entscheidung abgeändert, soweit sie an Akzo Nobel und Akcros Chemicals gerichtet war (im Folgenden: Abänderungsbeschluss).

19

Im ersten Erwägungsgrund des Abänderungsbeschlusses wies die Kommission darauf hin, dass sie in der streitigen Entscheidung gegen Akzo Nobel und Akcros Chemicals gesamtschuldnerisch mit der Elementis plc, der Elementis Holdings Limited und der Elementis Services Limited Geldbußen verhängt hatte.

20

Im zweiten Erwägungsgrund des Abänderungsbeschlusses erklärte die Kommission, dass sie auf das Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a. (C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190), hin beschlossen habe, die streitige Entscheidung zurückzunehmen, soweit sie an Elementis und die Elementis Holding Limited gerichtet gewesen sei.

21

Mithin änderte die Kommission die streitige Entscheidung ab, soweit sie an Akzo Nobel und Akcros Chemicals gerichtet war und diese für die verhängten Geldbußen gesamtschuldnerisch mit Elementis zur Haftung herangezogen worden waren.

22

Mit Klageschrift, die am 12. September 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben Akzo Nobel und Akcros Chemicals Klage gegen den Abänderungsbeschluss. Dieser wurde vom Gericht mit Urteil vom 15. Juli 2015, Akzo Nobel und Akcros Chemicals/Kommission (T‑485/11, EU:T:2015:517), für nichtig erklärt.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

23

Mit Klageschrift, die am 27. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragten Akzo Nobel, die Akzo Nobel Chemicals GmbH, die Akzo Nobel Chemicals BV und Akcros Chemicals die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, hilfsweise die Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen.

24

Sie stützten ihre Klage auf fünf Gründe. Mit dem ersten Klagegrund rügten sie Verstöße gegen die Verjährungsvorschriften. Im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes, der sich auf einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 bezog, machten sie geltend, die Kommission habe ab dem 28. Juni 1998 nicht mehr gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV vorgehen können, da diese ihre Beteiligung an den Zuwiderhandlungen am 28. Juni 1993 beendet hätten. Folglich könnten diese Gesellschaften ebenso wenig wie Akzo Nobel als ihre Muttergesellschaft für den ersten Zuwiderhandlungszeitraum haftbar gemacht werden.

25

Mit dem angefochtenen Urteil erklärte das Gericht Art. 2 Nrn. 4, 6, 21 und 23 der streitigen Entscheidung für nichtig, soweit für den ersten Zuwiderhandlungszeitraum Geldbußen gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV verhängt worden waren, und wies die Klage im Übrigen ab.

Anträge der Parteien

26

Die Rechtsmittelführerinnen beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit angenommen wurde, dass Akzo Nobel weiterhin zur Haftung für die ursprünglich gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV wegen ihrer Beteiligung an den Zuwiderhandlungen verhängten Geldbußen herangezogen werden könne, nachdem das Gericht diese Geldbußen für nichtig erklärt habe;

die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit die Beteiligung der Akzo Nobel Chemicals GmbH und der Akzo Nobel Chemicals BV an den Zuwiderhandlungen festgestellt wurde, insbesondere Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Entscheidung;

die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit Akzo Nobel die Verantwortlichkeit für das rechtswidrige Verhalten der Akzo Nobel Chemicals GmbH und der Akzo Nobel Chemicals BV zugerechnet und/oder eine Geldbuße gegen sie festgesetzt wurde, insbesondere Art. 1 Abs. 1 Buchst. a für den Zeitraum vom 24. Februar 1987 bis 28. Juni 1993 und Art. 1 Abs. 2 Buchst. a für den Zeitraum vom 11. September 1991 bis 28. Juni 1993 und/oder Art. 2 Nrn. 6 und 23;

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27

Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

28

Mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht im Wesentlichen vor, die Regeln über die Verantwortlichkeit von Muttergesellschaften für das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaften missachtet zu haben.

Vorbringen der Parteien

29

Die Rechtsmittelführerinnen weisen darauf hin, dass der Gerichtshof kürzlich im Urteil vom 17. September 2015, Total/Kommission (C‑597/13 P, EU:C:2015:613) bestätigt habe, dass die Haftung der Muttergesellschaft, wenn sie sich vollständig von der ihrer Tochtergesellschaft ableite, nicht über die Haftung ihrer Tochtergesellschaft hinausgehen könne. In einem solchen Fall müsse der Muttergesellschaft, wenn sie eine Klage eingereicht habe, die denselben Streitgegenstand habe wie die von der Tochtergesellschaft eingereichte Klage, eine teilweise oder vollständige Aufhebung der gegen die Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße zugutekommen.

30

Somit hätte die Aufhebung der gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV für den ersten Zuwiderhandlungszeitraum verhängten Geldbußen zur Aufhebung der gegen Akzo Nobel als Muttergesellschaft verhängten Geldbuße führen müssen, da diese Geldbuße ausschließlich wegen der unmittelbaren Beteiligung ihrer Tochtergesellschaften an den Zuwiderhandlungen festgesetzt worden war. Demnach leitete sich die Haftung von Akzo Nobel im Sinne des Urteils vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29) ausschließlich von der ihrer Tochtergesellschaften ab.

31

In diesem Zusammenhang heben die Rechtsmittelführerinnen hervor, dass der Grundsatz, dass die Haftung einer Muttergesellschaft nicht über die ihrer Tochtergesellschaft hinausgehen könne, in den Urteilen vom 26. November 2013, Kendrion/Kommission (C‑50/12 P, EU:C:2013:771), und vom 30. April 2014, FLSmidth/Kommission (C‑238/12 P, EU:C:2014:284), offenbar außer Acht gelassen worden sei. Im Allgemeinen beruhten die Erwägungen des Gerichtshofs jedoch auf der Prämisse, dass, wenn sich die Haftung der Muttergesellschaft bloß von Handlungen ihrer Tochtergesellschaft ableite, die Beibehaltung einer höheren Geldbuße für die Muttergesellschaft als die letztlich von der Tochtergesellschaft geschuldete darauf hinauslaufe, einen Geldbußenteil zu verhängen, der auf keiner Rechtsgrundlage beruhe.

32

Die Anwendung des Grundsatzes, dass die Haftung einer Muttergesellschaft nicht über die ihrer Tochtergesellschaft hinausgehen dürfe, sei im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung, da die Aufhebung der gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV verhängten Geldbußen hinsichtlich dieser beiden Gesellschaften zur Nichtigerklärung der gesamten streitigen Entscheidung hätte führen müssen.

33

Hierzu tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, dass die Kommission nach der Verkündung des Urteils vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a. (C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190), habe feststellen müssen, dass sie wegen Verjährung gegen Elementis und Ciba/BASF keine Geldbuße mehr habe verhängen können. Wie sich aus dem Abänderungsbeschluss ergibt, habe die Kommission daher nicht nur die Geldbußen zurückgenommen, sondern auch die Feststellung einer Beteiligung dieser Unternehmen an den Zuwiderhandlungen.

34

Gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung und um im Sinne von Art. 266 Abs. 1 AEUV alle sich aus dem angefochtenen Urteil ergebenden Konsequenzen zu ziehen, hätte die Kommission auch gegenüber der Akzo Nobel Chemicals GmbH und der Akzo Nobel Chemicals BV in dieser Weise vorgehen müssen. Die streitige Entscheidung enthalte aber noch immer die Feststellung einer Zuwiderhandlung, die sich auf diese Gesellschaften beziehe. Außerdem verlange Art. 7 der Verordnung Nr. 1/2003, dass die Kommission ein berechtigtes Interesse an einer derartigen Feststellung habe, im vorliegenden Fall weise die Kommission ein solches Interesse jedoch nicht nach.

35

Die Kommission macht geltend, dass der einzige Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerinnen zurückzuweisen sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zur Zulässigkeit

36

Wie eine Prüfung der dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt, wurden die Rügen, mit denen die Rechtsmittelführerinnen geltend machen, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen und kein berechtigtes Interesse im Sinne von Art. 7 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung Nr. 1/2003 an der Feststellung gehabt, dass sich die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV an den fraglichen Zuwiderhandlungen beteiligt hätten, im ersten Rechtszug nicht vorgetragen.

37

Die Rechtsmittelführerinnen machten vor dem Gericht nämlich lediglich geltend, dass die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV, da die Verjährungsfrist ihnen gegenüber abgelaufen sei, nicht mehr haftbar gemacht werden könnten.

38

Nach ständiger Rechtsprechung könnte jedoch eine Partei, wenn ihr erlaubt wäre, vor dem Gerichtshof erstmals Angriffs- oder Verteidigungsmittel und Argumente geltend zu machen, die sie vor dem Gericht nicht geltend gemacht hat, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, im Ergebnis mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rechtsmittelverfahren ist die Zuständigkeit des Gerichtshofs daher auf die Prüfung beschränkt, wie das Gericht die vor ihm erörterten Klagegründe und Argumente gewürdigt hat (vgl. insbesondere Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 54).

39

Die so von den Rechtsmittelführerinnen formulierten Rügen sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

40

Mit dem angefochtenen Urteil ist das Gericht der Argumentation der Rechtsmittelführerinnen gefolgt, soweit diese vorgetragen haben, dass Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 einer Festsetzung von Geldbußen gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV durch die Kommission entgegengestanden habe. Das Gericht hat daher Art. 2 Nrn. 4, 6, 21 und 23 der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt, soweit gegen diese Gesellschaften hinsichtlich des ersten Zuwiderhandlungszeitraums Geldbußen festgesetzt worden waren.

41

Hierzu hat das Gericht in den Rn. 121, 123 und 124 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen ausgeführt, dass die ersten auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlungen gerichteten Handlungen der Kommission im Sinne von Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 Anfang 2003, also nachdem die in Art. 25 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung vorgesehene Frist von fünf Jahren in Bezug auf die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV abgelaufen sei, vorgenommen worden seien, da diese ihre Beteiligung an den Kartellen am 28. Juni 1993 beendet hätten.

42

Dagegen hat das Gericht in den Rn. 125 und 126 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen festgestellt, dass der Eintritt der Verjährung zwar von der Akzo Nobel Chemicals GmbH und der Akzo Nobel Chemicals BV habe geltend gemacht werden können und bewirkt habe, dass diese den Sanktionen entgangen seien, sich jedoch nicht auf die Haftung ihrer Muttergesellschaft in Bezug auf den ersten Zuwiderhandlungszeitraum ausgewirkt habe.

43

Insbesondere hat das Gericht in Rn. 126 des angefochtenen Urteils entschieden, dass „der bloße Umstand, dass der Ablauf der Verjährungsfrist der Tochtergesellschaft einer Gruppe von Gesellschaften im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit zugutekommt, nicht zur Folge hat, dass die Haftung der Muttergesellschaft in Frage gestellt wird, und nicht der Verfolgung dieser Muttergesellschaft entgegensteht“.

44

Im Wesentlichen wenden sich die Rechtsmittelführerinnen gegen diese Erwägungen des Gerichts.

45

Daher ist zu prüfen, ob die Verjährung der Befugnis der Kommission, Sanktionen gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV zu verhängen, entgegen der Schlussfolgerung des Gerichts in Rn. 126 des angefochtenen Urteils der Feststellung der Haftung von Akzo Nobel hinsichtlich des ersten Zuwiderhandlungszeitraums entgegenstand.

46

Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass sich die Verfasser der Verträge dafür entschieden haben, den Unternehmensbegriff zu verwenden, um den Urheber einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht zu bestimmen, dem gemäß den Art. 81 und 82 EG, nunmehr Art. 101 und 102 AEUV, eine Sanktion auferlegt werden kann (Urteil vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 102).

47

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs betrifft das Wettbewerbsrecht der Union die Tätigkeit von Unternehmen; der Begriff des Unternehmens umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (Urteil vom 11. Dezember 2007, ETI u. a., C‑280/06, EU:C:2007:775, Rn. 38).

48

Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen besteht (Urteil vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C‑90/09 P, EU:C:2011:21, Rn. 35).

49

Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 95).

50

Zweitens muss die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union eindeutig einer juristischen Person zugerechnet werden, gegen die Geldbußen festgesetzt werden können und an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, EU:C:2009:536, Rn. 57).

51

Weder Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 noch die Rechtsprechung legen fest, welche juristische oder natürliche Person die Kommission für die Zuwiderhandlung haftbar zu machen und durch die Verhängung einer Geldbuße zu sanktionieren hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 159).

52

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann jedoch einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Beziehungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, EU:C:1972:70, Rn. 131 bis 133, vom 25. Oktober 1983, AEG-Telefunken/Kommission, 107/82, EU:C:1983:293, Rn. 49 bis 53, vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 157, und vom 17. September 2015, Total/Kommission, C‑597/13 P, EU:C:2015:613, Rn. 35).

53

Der Grund dafür ist, dass in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft zur selben wirtschaftlichen Einheit gehören und damit ein einziges Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union bilden (Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 157).

54

Insoweit besteht in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft das gesamte oder nahezu gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, eine widerlegliche Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2013, Groupe Gascogne/Kommission, C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 38).

55

Eine solche Vermutung impliziert, sofern sie nicht widerlegt wird, dass die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft als erwiesen gilt, und berechtigt die Kommission, die Muttergesellschaft für das Verhalten der Tochtergesellschaft zur Verantwortung zu ziehen, ohne zusätzliche Beweise beibringen zu müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2016, Evonik Degussa und AlzChem/Kommission, C‑155/14 P, EU:C:2016:446, Rn. 30).

56

Drittens ist hervorzuheben, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs gegen die Muttergesellschaft, der das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zugerechnet wurde, persönlich wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union, der ihr wegen des bestimmenden Einflusses, den sie auf die Tochtergesellschaft ausübte und der es ihr erlaubte, das Marktverhalten der Tochtergesellschaft zu bestimmen, selbst zur Last gelegt wird, vorgegangen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, EU:C:1972:70, Rn. 140 und 141, vom 16. November 2000, Metsä-Serla u. a./Kommission, C‑294/98 P, EU:C:2000:632, Rn. 28 und 34, vom 26. November 2013, Kendrion/Kommission, C‑50/12 P, EU:C:2013:771, Rn. 55, vom 10. April 2014, Kommission u. a./Siemens Österreich u. a., C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 49, und vom 8. Mai 2014, Bolloré/Kommission, C‑414/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:301, Rn. 44).

57

Wie in Rn. 49 des vorliegenden Urteils ausgeführt, beruht das Wettbewerbsrecht der Union auf dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit der wirtschaftlichen Einheit, die die Zuwiderhandlung begangen hat. Ist die Muttergesellschaft Teil dieser wirtschaftlichen Einheit, wird sie daher persönlich gesamtschuldnerisch mit den anderen juristischen Personen, die diese Einheit bilden, für die begangene Zuwiderhandlung haftbar gemacht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, EU:C:2009:536, Rn. 77).

58

Deshalb lässt sich das Gesamtschuldverhältnis, das zwischen zwei eine wirtschaftliche Einheit bildenden Gesellschaften besteht, nicht auf eine Form von Bürgschaft reduzieren, die die Muttergesellschaft leistet, um die Zahlung der gegen die Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße zu garantieren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 2013, Kendrion/Kommission, C‑50/12 P, EU:C:2013:771, Rn. 55 und 56, und vom 19. Juni 2014, FLS Plast/Kommission, C‑243/12 P, EU:C:2014:2006, Rn. 107).

59

Viertens kann das Gericht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn sich die Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft ausschließlich aus der unmittelbaren Beteiligung ihrer Tochtergesellschaft an der Zuwiderhandlung ergibt und diese beiden Gesellschaften parallele Klagen mit gleichem Streitgegenstand eingereicht haben, ohne ultra petita zu entscheiden, die hinsichtlich der Tochtergesellschaft in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum erfolgte Nichtigerklärung der Feststellung einer Zuwiderhandlung berücksichtigen und die gegen die Muttergesellschaft gesamtschuldnerisch mit ihrer Tochtergesellschaft verhängte Geldbuße entsprechend herabsetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins, C‑286/11 P, EU:C:2013:29, Rn. 34, 38, 39 und 49).

60

Hierzu hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass es zum einen für die Haftungszuweisung an einen Teil einer wirtschaftlichen Einheit erforderlich ist, den Beweis zu erbringen, dass zumindest ein Teil dieser Einheit den Wettbewerbsregeln der Union zuwidergehandelt hat, und dass dieser Umstand in einer Entscheidung festgestellt wird, die endgültig geworden ist, und dass es zum anderen unerheblich ist, aus welchem Grund festgestellt worden ist, dass ein rechtswidriges Verhalten der Tochtergesellschaft nicht vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins, C‑286/11 P, EU:C:2013:29, Rn. 37 und 38).

61

In einem solchen Zusammenhang hat der Gerichtshof darauf verwiesen, dass die Haftung der Muttergesellschaft, die diese ausschließlich aufgrund der unmittelbaren Beteiligung einer Tochtergesellschaft an der Zuwiderhandlung trifft, vollständig abgeleitet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins, C‑286/11 P, EU:C:2013:29, Rn. 34, 38, 43 und 49). In diesem Fall findet die Haftung der Muttergesellschaft ihren Ursprung nämlich in dem rechtswidrigen Verhalten ihrer Tochtergesellschaft, das der Muttergesellschaft in Anbetracht der wirtschaftlichen Einheit, die diese Gesellschaften bilden, zugerechnet wird. Folglich hängt die Haftung der Muttergesellschaft zwangsläufig von den die von ihrer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung begründenden Tatsachen ab, mit denen ihre Haftung untrennbar verbunden ist.

62

Aus den gleichen Gründen hat der Gerichtshof präzisiert, dass in einem Fall, in dem kein weiterer Faktor das der Muttergesellschaft vorgeworfene Verhalten individuell kennzeichnet, die Herabsetzung der gegen die Tochtergesellschaft gesamtschuldnerisch mit ihrer Muttergesellschaft verhängten Geldbuße grundsätzlich auf die Muttergesellschaft zu erstrecken ist, wenn die vorgeschriebenen Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2015, Total/Kommission, C‑597/13 P, EU:C:2015:613, Rn. 10, 37, 38, 41 und 44).

63

Fünftens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es möglich ist, dass die Verjährung der Verfolgungsbefugnis der Kommission ausschließlich in Bezug auf die Tochtergesellschaft, nicht aber in Bezug auf die Muttergesellschaft eintritt, selbst wenn deren Haftung vollständig auf dem rechtswidrigen Verhalten der Tochtergesellschaft beruht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 102, 103, 148 und 149).

64

Im vorliegenden Fall ist, wie sich aus Art. 1 der streitigen Entscheidung ergibt, unstreitig, dass sich die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV vom 24. Februar 1987 bis 28. Juni 1993 bzw. vom 11. September 1991 bis 28. Juni 1993 an den betreffenden Kartellen unmittelbar beteiligt haben.

65

Ebenfalls unstreitig ist, dass Akzo Nobel im ersten Zuwiderhandlungszeitraum mittelbar das gesamte Kapital der Akzo Nobel Chemicals GmbH und der Akzo Nobel Chemicals BV hielt und einen bestimmenden Einfluss auf diese ausübte, so dass diese drei Gesellschaften im genannten Zuwiderhandlungszeitraum ein einziges Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union bildeten.

66

Daher wurden Akzo Nobel die rechtswidrigen Verhaltensweisen der Akzo Nobel Chemicals GmbH und der Akzo Nobel Chemicals BV im ersten Zuwiderhandlungszeitraum gemäß der in den Rn. 52 bis 58 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zugerechnet. Gegen Akzo Nobel wurde somit persönlich wegen gegen das Wettbewerbsrecht der Union verstoßender Verhaltensweisen vorgegangen, die als von ihr in diesem Zeitraum selbst begangen angesehen wurden.

67

Ebenso unstreitig ist im vorliegenden Fall, dass Akzo Nobel aufgrund ihrer Beteiligung an den Zuwiderhandlungen über sämtliche drei Zuwiderhandlungszeiträume, nämlich vom 24. Februar 1987 bis 21. März 2000 hinsichtlich der Zuwiderhandlung im Bereich Zinnstabilisatoren und vom 11. September 1991 bis 22. März 2000 hinsichtlich der Zuwiderhandlung im Bereich ESBO/Ester als Muttergesellschaft des Unternehmens Akzo haftbar gemacht wurde, dessen verschiedene juristische Personen, zu denen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV gehörten, sich unmittelbar an den Kartellen beteiligt hatten.

68

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich die Klägerinnen des ersten Rechtszugs vor dem Gericht lediglich in Bezug auf die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV auf den Ablauf der in Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Verjährungsfrist berufen hatten, da diese Gesellschaften ihr rechtswidriges Verhalten am 28. Juni 1993 beendet hätten.

69

Wie in den Rn. 40 und 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt, folgte das Gericht der Argumentation der Klägerinnen des ersten Rechtszugs und entschied, dass die Befugnis der Kommission, Geldbußen gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV festzusetzen, verjährt sei.

70

Dass die Verfolgungsbefugnis der Kommission gemäß Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 verjährt ist, impliziert zwar, wie das Gericht in den Rn. 125 und 126 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen hervorgehoben hat, dass keine Sanktionen mehr gegen die Gesellschaften verhängt werden können, denen gegenüber die Verjährung eingetreten ist.

71

Dass gegen einige Gesellschaften wegen Verjährung keine Sanktionen mehr verhängt werden können, steht jedoch der Verfolgung einer anderen Gesellschaft, die für die betreffenden wettbewerbswidrigen Handlungen als persönlich und zusammen mit diesen Gesellschaften gesamtschuldnerisch verantwortlich angesehen wird und der gegenüber die Verjährung nicht eingetreten ist, nicht entgegen.

72

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen vermag der Umstand, dass sich die Haftung von Akzo Nobel für den ersten Zuwiderhandlungszeitraum ausschließlich aus der unmittelbaren Beteiligung ihrer Tochtergesellschaften an den Kartellen ergibt, dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

73

Zum einen werden nämlich die in den ersten Zuwiderhandlungszeitraum fallenden wettbewerbswidrigen Handlungen dennoch als von Akzo Nobel selbst begangen angesehen, da diese mit der Akzo Nobel Chemicals GmbH und der Akzo Nobel Chemicals BV eine wirtschaftliche Einheit im Sinne der Unionsrechtsprechung bildete.

74

Zum anderen ergibt sich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 58 und 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, aus der in Rn. 62 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass Faktoren, die die Muttergesellschaft besonders kennzeichnen, es rechtfertigen können, deren Haftung und die Haftung der Tochtergesellschaft unterschiedlich zu bewerten, auch wenn die Haftung der Muttergesellschaft ausschließlich auf dem rechtswidrigen Verhalten der Tochtergesellschaft beruht.

75

So verhält es sich im vorliegenden Fall, da, wie in Rn. 67 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Akzo Nobel anders als die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV, die ihre Beteiligung an den Kartellen am 28. Juni 1993 beendeten, über diesen Zeitpunkt hinaus, nämlich bis 21. März 2000 hinsichtlich der Zuwiderhandlung im Bereich Zinnstabilisatoren und bis 22. März 2000 hinsichtlich der Zuwiderhandlung im Bereich ESBO/Ester, an den fraglichen Zuwiderhandlungen beteiligt war.

76

Nach alledem ist festzustellen, dass das Gericht in Rn. 126 des angefochtenen Urteils zutreffend entschieden hat, dass die Verjährung der Befugnis der Kommission, Sanktionen gegen die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV zu verhängen, der Feststellung der Haftung von Akzo Nobel für den ersten Zuwiderhandlungszeitraum nicht entgegenstand.

77

Somit ist der einzige Rechtsmittelgrund als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.

78

Nach alledem ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

Kosten

79

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

80

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Akzo Nobel NV, die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV tragen die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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Referenzen

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