Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-107/16

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

16. Mai 2017 ( *1 )

„Unionsmarke — Nichtigkeitsverfahren — Unionsbildmarke AIR HOLE FACE MASKS YOU IDIOT — Bösgläubigkeit — Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Abänderungsbefugnis“

In der Rechtssache T‑107/16

Airhole Facemasks, Inc. mit Sitz in Vancouver (Kanada), Prozessbevollmächtigte: S. Barker, Solicitor, und A. Michaels, Barrister,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Hanf als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

sindustrysurf, SL mit Sitz in Trapagaran (Spanien),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 18. Januar 2016 (Sache R 2547/2014‑4) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Airhole Facemasks und sindustrysurf,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek, des Richters F. Schalin und der Richterin M. J. Costeira (Berichterstatterin),

Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 18. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 8. Juni 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2017

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1

Am 1. Juli 2010 meldete die sindustrysurf, SL beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) an.

2

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen in Schwarz‑Weiß:

Image

3

Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 25 und 28 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

Klasse 25: „Thermobekleidung“;

Klasse 28: „Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, sofern sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck“.

4

Am 28. Oktober 2010 wurde die streitige Marke unter der Nr. 9215427 für sämtliche oben genannte Waren als Unionsmarke eingetragen.

5

Am 26. Juli 2013 reichte die Klägerin, die Airhole Facemasks, Inc., beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung dieser Marke für sämtliche Waren ein, für die sie eingetragen worden war. Dieser Antrag war auf die in Art. 53 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 und in Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Nichtigkeitsgründe gestützt.

6

Die Klägerin machte erstens im Wesentlichen geltend, dass die streitige Marke von sindustrysurf ohne ihre Zustimmung unter deren eigenem Namen angemeldet worden sei, denn die Zustimmung habe sich nur auf die Anmeldung unter dem Namen der Klägerin bezogen. Ferner habe sindustrysurf in ihrer Eigenschaft als Agentin oder Vertreterin der Klägerin ihr und ihren gewerblichen Interessen gegenüber eine allgemeine Treuepflicht gehabt. Daher habe sie die Eintragung der streitigen Marke unter ihrem eigenen Namen keinesfalls rechtfertigen können. Zweitens sei sindustrysurf bei der Anmeldung der streitigen Marke unter ihrem eigenen Namen bösgläubig gewesen.

7

Mit Entscheidung vom 30. Juli 2014 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die streitige Marke insgesamt für nichtig und verurteilte sindustrysurf zur Tragung der Kosten. Die Nichtigkeitsabteilung gelangte u. a. zu dem Schluss, dass sindustrysurf bei der Anmeldung der streitigen Marke bösgläubig gewesen sei.

8

Am 29. September 2014 legte sindustrysurf beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

9

Mit Entscheidung vom 18. Januar 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) gab die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO der Beschwerde statt und hob die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf. Die Beschwerdekammer stellte als Erstes fest, der Antrag auf Nichtigerklärung nach Art. 53 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 könne keinen Erfolg haben, da die in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Zum einen gebe es keinen Beweis für das Bestehen einer „Agent‑Auftraggeber“‑Beziehung zwischen den Parteien, weil die Klägerin nicht erklärt habe, inwiefern die Vertriebsvereinbarung, die im Jahr 2009, vor ihrer Gründung, zwischen der Endeavor Snowboards Inc. und sindustrysurf geschlossen worden sei (im Folgenden: Vertriebsvereinbarung), das Bestehen eines solchen Verhältnisses beweisen könne. Im Übrigen enthalte diese Vereinbarung keinerlei Bezugnahme auf die streitige Marke. Zum anderen sei nicht bewiesen, dass die Klägerin der Anmeldung der streitigen Marke nicht zugestimmt habe. Als Zweites stellte die Beschwerdekammer fest, der Antrag auf Nichtigerklärung nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 könne ebenfalls keinen Erfolg haben, da das Verhalten von sindustrysurf bei der Anmeldung der streitigen Marke nicht nahelege, dass sie bösgläubig gewesen sei. Die Beschwerdekammer nahm nämlich erstens an, dass die streitige Marke mit Zustimmung der Klägerin angemeldet worden sei. Zweitens reiche die Tatsache, dass sindustrysurf bei der Anmeldung der streitigen Marke gewusst habe, dass die Klägerin und andere Händler diese bereits benutzten, allein nicht aus, um ihr Bösgläubigkeit nachzuweisen. Drittens sei nicht bewiesen, dass sindustrysurf die streitige Marke in der Absicht auf ihren eigenen Namen angemeldet habe, sie gegen die Klägerin zu verwenden.

Anträge der Parteien

10

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die streitige Marke für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

sindustrysurf die im vorliegenden Rechtszug entstandenen Kosten, die Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer und die Kosten des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung aufzuerlegen.

11

Das EUIPO beantragt,

die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten aufzuerlegen;

hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ihm seine eigenen Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

12

Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin fünf Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine fehlerhafte Auslegung durch die Beschwerdekammer, was das Fehlen einer Bezugnahme auf das „Zeichen Airhole“ in der Vertriebsvereinbarung angeht. Mit dem zweiten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 3 und Art. 53 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Mit dem dritten Klagegrund rügt sie einen Fehler der Beschwerdekammer in Bezug auf die Art der zwischen den Parteien bestehenden Beziehung. Mit dem vierten Klagegrund rügt sie einen Fehler der Beschwerdekammer hinsichtlich der Reichweite der Zustimmung der Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke. Mit dem fünften Klagegrund macht die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

13

Das Gericht hält es für zweckmäßig, die fünf von der Klägerin vorgebrachten Klagegründe zu zwei Klagegründen zusammenzufassen, da sich die ersten vier vorgebrachten Klagegründe alle auf einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 beziehen. Damit betrifft der erste Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 3 und Art. 53 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009. Der zweite Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.

14

Im Übrigen genügt jeder der von der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung genannten und von der Klägerin in ihrer Klage geltend gemachten Nichtigkeitsgründe, um die streitige Marke für nichtig zu erklären. Vor diesem Hintergrund wird zunächst der zweite Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 und wenn nötig der erste Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 3 und Art. 53 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geprüft.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

15

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beschwerdekammer habe in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht angenommen, dass die bloße Tatsache, dass sindustrysurf gewusst habe, dass die Klägerin und andere Händler die streitige Marke bereits in der Europäischen Union benutzt hätten, für die Bejahung ihrer Bösgläubigkeit nicht ausreiche. Nach Ansicht der Beschwerdekammer sei außerdem nicht bewiesen, dass sindustrysurf die Absicht gehabt habe, die streitige Marke gegen die Klägerin zu verwenden. Sindustrysurf habe jedoch gegen ihre Vertragspflichten verstoßen, indem sie die Eintragung der streitigen Marke beantragt habe. Daraus lasse sich folglich schließen, dass sie beabsichtigt habe, zu versuchen, sich den Vermögenswert der Klägerin widerrechtlich anzueignen. Sie habe damit die im Geschäftsverhalten allgemein anerkannten Regeln nicht eingehalten und die anerkannten Grundsätze in Bezug auf ethisches Verhalten bzw. lautere Geschäftspraktiken missachtet. Sie sei bei der Anmeldung der Unionsmarke somit bösgläubig gewesen.

16

Das EUIPO macht im Wesentlichen geltend, wenn das Gericht wie die Beschwerdekammer zu der Auffassung gelangen sollte, dass sindustrysurf die streitige Marke mit Zustimmung der Klägerin auf ihren Namen angemeldet habe, sei jegliche Gefahr von Bösgläubigkeit ausgeschlossen. Die auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützte Aufhebungsklage müsste demnach abgewiesen werden. Sollte das Gericht jedoch zu der Auffassung gelangen, dass sindustrysurf die streitige Marke ohne Zustimmung der Klägerin auf ihren Namen angemeldet habe, so sei die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

17

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Markenrechtssystem der Europäischen Union auf dem in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 niedergelegten Grundsatz beruht, dass dem ersten Anmelder ein ausschließliches Recht gewährt wird. Gemäß diesem Grundsatz kann eine Marke nur dann als Unionsmarke eingetragen werden, wenn dem keine ältere Marke entgegensteht, gleichviel, ob es sich um eine Unionsmarke, eine in einem Mitgliedstaat oder beim Benelux-Amt für geistiges Eigentum eingetragene Marke, eine mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registrierte Marke oder eine mit Wirkung für die Union international registrierte Marke handelt. Dagegen steht unbeschadet einer etwaigen Anwendung von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 die bloße Benutzung einer nicht eingetragenen Marke durch einen Dritten der Eintragung einer identischen oder ähnlichen Marke als Unionsmarke für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen nicht entgegen (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, Gugler France/HABM – Gugler [GUGLER], T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18

Die Anwendung dieses Grundsatzes wird u. a. durch Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nuanciert, wonach die Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt wird, wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war. Es ist Sache desjenigen, der den Antrag auf Nichtigerklärung stellt und sich auf diesen Grund stützen will, die Umstände darzulegen, die den Schluss zulassen, dass der Inhaber einer Unionsmarke bei deren Anmeldung bösgläubig war (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, GUGLER, T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19

Der in Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltene Begriff „Bösgläubigkeit“ ist in den Rechtsvorschriften in keiner Weise definiert, abgegrenzt oder auch nur beschrieben (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, GUGLER, T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20

Im Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 53) hat der Gerichtshof einige Hinweise für die Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit im Sinne von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gegeben. Danach sind bei der Beurteilung der Frage, ob der Anmelder im Sinne dieser Vorschrift bösgläubig ist, alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines Zeichens als Unionsmarke vorliegen, insbesondere erstens die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter in mindestens einem Mitgliedstaat ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnliche Ware oder Dienstleistung verwendet, zweitens die Absicht des Anmelders, den Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie drittens der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen (Urteil vom 28. Januar 2016, GUGLER, T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 73 und 74).

21

Aus dem Wortlaut des Urteils vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 53) geht jedoch hervor, dass es sich bei den dort aufgezählten Faktoren nur um Beispiele aus einer Gesamtheit von Gesichtspunkten handelt, die zur Feststellung einer möglichen Bösgläubigkeit eines Anmelders bei der Anmeldung der Marke berücksichtigt werden können (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, GUGLER, T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22

Im Rahmen der umfassenden Beurteilung nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 können daher auch die Herkunft des streitigen Zeichens und seine Verwendung seit seiner Schaffung, die unternehmerische Logik, in die sich die Anmeldung des Zeichens als Unionsmarke einfügte und die Geschehensabfolge bei der Anmeldung berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, GUGLER, T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23

Anhand dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht angenommen hat, dass der Antrag auf Nichtigerklärung nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 keinen Erfolg haben könne, da das Verhalten von sindustrysurf bei der Anmeldung der streitigen Marke nicht nahelege, dass sie bösgläubig gewesen sei. Konkret hat die Beschwerdekammer erstens angenommen, dass sindustrysurf die streitige Marke mit Zustimmung der Klägerin unter ihrem eigenen Namen angemeldet habe. Die Schriftwechsel zwischen den Parteien vor und nach der Anmeldung der Marke bestätigten nämlich, dass die Klägerin sindustrysurf zum Zeitpunkt der Anmeldung als Verantwortliche für den Schutz der streitigen Marke angesehen habe. Zweitens reiche die Tatsache, dass sindustrysurf bei der Anmeldung der streitigen Marke gewusst habe, dass die Klägerin und andere Händler diese bereits benutzten, allein nicht aus, um ihr Bösgläubigkeit nachzuweisen. Drittens gebe es keinen Beweis dafür, dass sindustrysurf die streitige Marke in der Absicht auf ihren eigenen Namen angemeldet habe, sie gegen die Klägerin zu verwenden.

24

Zwischen den Parteien des Verfahrens vor dem EUIPO ist insoweit unstreitig, dass sindustrysurf die streitige Marke auf Ersuchen der Klägerin angemeldet hat. Die Parteien sind jedoch uneins über die Frage, ob dieses Ersuchen, das sich einem Schriftwechsel vom 22. Juni 2010 zwischen Herrn Max Jenke, Präsident von Endeavor Design Inc., Chief Executive Officer der Klägerin und Direktor von Endeavor Snowboards, und Herrn Iker Gomez, Geschäftsführer von sindustrysurf, entnehmen lässt, die Anmeldung dieser Marke unter dem Namen von sindustrysurf und nicht unter dem der Klägerin umfasste.

25

Entgegen der Feststellung der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung legt der Schriftwechsel im Vorfeld der Anmeldung der streitigen Marke nicht nahe, dass die Klägerin dieser Anmeldung unter dem Namen von sindustrysurf eindeutig, präzise und unbedingt zugestimmt hat (vgl. entsprechend Urteil vom 29. November 2012, Adamowski/HABM – Fagumit [FAGUMIT], T‑537/10 und T‑538/10, EU:T:2012:634, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Erstens bestätigt der Schriftwechsel im Vorfeld der Anmeldung nämlich nur, dass die streitige Marke auf Ersuchen der Klägerin angemeldet wurde. Er enthält keinerlei Hinweis auf eine Zustimmung der Klägerin zu einer Anmeldung der streitigen Marke unter dem Namen von sindustrysurf. Auch aus der Formulierung „lasst uns erst einmal mit Airhole weitermachen“ kann keine eindeutige, präzise und unbedingte Zustimmung der Klägerin zu einer Anmeldung der Marke unter dem Namen von sindustrysurf abgeleitet werden.

27

Außerdem kommt in diesem Schriftwechsel eher die Absicht der Klägerin zum Ausdruck, die streitige Marke unter ihrem Namen anzumelden. Aus dem Schriftwechsel ergibt sich nämlich zum einen, dass die Initiative und die Entscheidung für die Anmeldung allein von der Klägerin ausgegangen sind, und zum anderen, dass die Klägerin vorhatte, die Kosten der Anmeldung zu tragen.

28

Zweitens bestätigt der Schriftwechsel nach der Anmeldung entgegen der Ansicht der Beschwerdekammer nur die Einschätzung, dass sich die Zustimmung der Klägerin lediglich auf die Anmeldung der streitigen Marke bezogen hat. Als sie von der Anmeldung der Marke erfahren hat, hat die Klägerin sindustrysurf nämlich sofort um deren Übertragung ersucht, und sindustrysurf hat, ohne zu widersprechen, zugesagt, sich unverzüglich darum zu kümmern. Unter diesen Umständen ist es unerheblich, dass die Klägerin erst nach einem knappen Jahr entdeckt hat, dass die streitige Marke unter dem Namen von sindustrysurf angemeldet worden war, denn sie hatte hierzu jedenfalls keine Zustimmung gegeben.

29

Darüber hinaus hätte die Zustimmung der Klägerin auch, wie diese zu Recht geltend macht, von der Beschwerdekammer anhand der objektiven Umstände des Falles beurteilt werden müssen.

30

Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass zum einen die streitige Marke mit der Marke übereinstimmte, die die Muttergesellschaft und die Tochtergesellschaft der Klägerin, Endeavor Design und Endeavor Snowboards, seit 2006 insbesondere in den USA und in Kanada benutzen, und zum anderen die in ihrer Anmeldung genannten Waren mit den von dieser Marke erfassten Waren identisch waren oder in engem Zusammenhang standen.

31

Zweitens ist die oben in Rn. 30 genannte Marke vor der Anmeldung der streitigen Marke in den USA und in Kanada im Namen der Klägerin eingetragen worden.

32

Drittens war sindustrysurf nach der Vertriebsvereinbarung Alleinvertriebshändlerin der von Endeavor Snowboards unter den eingetragenen Marken Airhole Ninja Masks und Endeavor Snowboards entworfenen und hergestellten Waren in Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden.

33

Viertens war es gemäß der Vertriebsvereinbarung Hauptaufgabe der Vertriebshändlerin, verschiedene Snowboarding‑Waren zu lagern, zu vertreiben und zu warten. Art. 11 dieser Vereinbarung betraf die Verwendung der Namen und der Marken und sah insbesondere vor, dass die Vertriebshändlerin ohne die ausdrückliche und schriftliche Zustimmung von Endeavor kein Logo, keine Werbung und keine Marke, die Endeavor gehörten, für die Zwecke des Vertriebs oder der Absatzförderung verwenden durfte.

34

Fünftens war die Vertriebsvereinbarung zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke und des Ersuchens um Übertragung dieser Marke auf die Muttergesellschaft noch immer in Kraft.

35

Die Anmeldung der streitigen Marke konnte folglich ohne Weiteres als Teil einer unternehmerischen Logik der Klägerin angesehen werden, mit dem Ziel, den Schutz ihrer Marke auf das Gebiet der Union auszuweiten.

36

Mithin hat die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen, dass sindustrysurf die streitige Marke mit Zustimmung der Klägerin unter ihrem eigenen Namen angemeldet habe.

37

Indem sie die streitige Marke unter ihrem eigenen Namen angemeldet hat, hat sindustrysurf im Übrigen versucht, sich die Rechte der Klägerin widerrechtlich anzueignen.

38

Zunächst einmal konnte sindustrysurf nämlich keinen zeitlichen Vorrang hinsichtlich der streitigen Marke beanspruchen. Es ist erwiesen, dass diese seit 2006 von der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft der Klägerin in den USA und in Kanada benutzt wurde und dass sie für diese Länder vor der streitigen Marke im Namen der Klägerin eingetragen worden war.

39

Ferner war sindustrysurf aufgrund der Vertriebsvereinbarung bestens bekannt, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke eine identische Marke existierte und von der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft der Klägerin benutzt wurde.

40

Schließlich waren die Vertriebsrechte von sindustrysurf nach der Vertriebsvereinbarung sachlich und räumlich streng eingegrenzt. Zum einen war es Hauptaufgabe der Vertriebshändlerin, verschiedene Snowboarding‑Waren zu lagern, zu vertreiben und zu warten. Auch durfte sindustrysurf ohne die ausdrückliche Zustimmung von Endeavor kein Logo, keine Werbung und keine Marke, die Endeavor gehörten, für die Zwecke des Vertriebs oder der Absatzförderung verwenden. Zum anderen waren ihre Vertriebsrechte auf nur sechs Länder der Union begrenzt. Wie die Beschwerdekammer in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, wurde die streitige Marke zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vertriebsvereinbarung bereits vom Vertriebshändler von Endeavor im Vereinigten Königreich benutzt.

41

Darüber hinaus spricht das Verhalten von sindustrysurf im Anschluss an die Anmeldung der streitigen Marke für die Einschätzung, dass sie versucht hat, sich die Rechte der Klägerin widerrechtlich anzueignen. Erstens ergibt sich nämlich aus der Akte, dass sindustrysurf die Klägerin weder über die Anmeldung der streitigen Marke noch über deren Eintragung unter ihrem eigenen Namen informiert hat. Hiervon wurde die Klägerin erst in Kenntnis gesetzt, als sie sich nach dem Schutz der betreffenden Marke erkundigt hat. Zweitens hatte sindustrysurf sich in dem Schriftwechsel nach der Anmeldung der streitigen Marke ausdrücklich verpflichtet, für deren Übertragung zu sorgen, dies aber nie getan. Drittens hat sindustrysurf einige Wochen nachdem sich das Verhältnis zu der Klägerin verschlechtert hatte, diese sowie die anderen Vertriebshändler ihrer Waren in der Union unter Androhung eines Verletzungsverfahrens dazu aufgefordert, die Benutzung der streitigen Marke einzustellen.

42

Nach alledem ist nach einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände festzustellen, dass sindustrysurf keinerlei berechtigten Grund hatte, die streitige Marke unter ihrem Namen anzumelden, und dass die Beschwerdekammer mithin zu Unrecht festgestellt hat, sie sei nicht bösgläubig gewesen.

43

Der vorliegende Klagegrund greift somit durch.

44

Da der Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ausreicht, um die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ist der erste Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 3 und Art. 53 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht zu prüfen.

Zum Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung

45

Die dem Gericht nach Art. 65 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 zustehende Abänderungsbefugnis ermächtigt es nicht, eine Frage zu beurteilen, zu der die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat. Die Ausübung der Abänderungsbefugnis ist folglich grundsätzlich auf Situationen zu beschränken, in denen das Gericht nach einer Überprüfung der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung auf der Grundlage der erwiesenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Entscheidung zu finden vermag, die die Beschwerdekammer hätte erlassen müssen (Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 72; vgl. auch Urteil vom 28. Januar 2016, GUGLER, T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46

Der Abänderungsantrag besteht nämlich nicht darin, dass das Gericht ersucht würde, das EUIPO zu irgendeiner Handlung oder Unterlassung zu verurteilen, womit diesem eine Anordnung erteilt würde. Der Antrag zielt vielmehr darauf ab, dass das Gericht in gleicher Weise wie die Beschwerdekammer darüber entscheidet, ob die streitige Marke nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 für nichtig zu erklären ist (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, GUGLER, T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

Eine solche Entscheidung gehört zu den Maßnahmen, die das Gericht aufgrund seiner Abänderungsbefugnis grundsätzlich treffen kann (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, GUGLER, T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zur Beurteilung der Bösgläubigkeit Stellung genommen (Rn. 22 bis 27 der angefochtenen Entscheidung), so dass das Gericht befugt ist, diese Entscheidung insoweit abzuändern.

49

Aus den Erwägungen oben in den Rn. 26 bis 44 ergibt sich, dass die Beschwerdekammer die Bösgläubigkeit von sindustrysurf bei der Anmeldung der streitigen Marke hätte feststellen müssen, so wie es auch die Nichtigkeitsabteilung getan hatte. Nach alledem sind die Voraussetzungen für die Ausübung der Abänderungsbefugnis des Gerichts somit erfüllt.

50

Folglich ist die Beschwerde von sindustrysurf gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung, mit der die streitige Marke für nichtig erklärt wurde, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

Kosten

51

Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

52

Im vorliegenden Fall ist das EUIPO unterlegen, aber die Klägerin hat nicht beantragt, ihm die Kosten aufzuerlegen. Daher ist jede Partei zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen. Da darüber hinaus sindustrysurf nicht Partei des vorliegenden Verfahrens ist, ist der Antrag der Klägerin, sindustrysurf die Kosten des vorliegenden Rechtszugs aufzuerlegen, abzuweisen.

53

Die Klägerin hat außerdem beantragt, sindustrysurf die Kosten aufzuerlegen, die im Zusammenhang mit den Verfahren vor der Beschwerdekammer und vor der Nichtigkeitsabteilung entstanden sind. Nach Art. 190 Abs. 2 der Verfahrensordnung gelten Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten. Dies gilt jedoch nicht für die Aufwendungen für das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung. Der Antrag der Klägerin betreffend die Kosten des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung, die keine erstattungsfähigen Kosten sind, ist daher unzulässig. Was den Antrag angeht, sindustrysurf die Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer aufzuerlegen, ist sindustrysurf zur Tragung der Kosten der Klägerin, die dieser im Verfahren vor der Beschwerdekammer entstanden sind, zu verurteilen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 18. Januar 2016 (Sache R 2547/2014‑4) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Airhole Facemasks, Inc. und der sindustrysurf, SL, wird aufgehoben und dahin abgeändert, dass die von sindustrysurf beim EUIPO eingelegte Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 30. Juli 2014 zurückgewiesen wird.

 

2.

Airhole Facemasks und das EUIPO tragen jeweils die ihnen vor dem Gericht entstandenen eigenen Kosten.

 

3.

Sindustrysurf trägt die Airhole Facemasks vor der Beschwerdekammer des EUIPO entstandenen Kosten.

 

4.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Prek

Schalin

Costeira

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Mai 2017.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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Referenzen

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