Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-6/16

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

8. Juni 2017(*)

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke Southern Territory 23°48’25’’S – Ältere Unionswortmarke SOUTHERN – Relatives Eintragungshindernis – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑6/16

AWG Allgemeine Warenvertriebs GmbH mit Sitz in Köngen (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Sambuc,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Schifko als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

Takko Holding GmbH mit Sitz in Telgte (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 10. November 2015 (Sache R 735/2015-4) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Takko Holding und AWG

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)


unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie des Richters S. Papasavvas und der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),

Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 7. Januar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 8. April 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts,

aufgrund der Zuweisung der Rechtssache an die Sechste Kammer und an eine neue Berichterstatterin,

auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2017

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 5. Juli 2011 meldete die Klägerin, die AWG Allgemeine Warenvertriebs GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Dabei handelt es sich um das Wortzeichen Southern Territory 23°48’25’’S.

3        Die Marke wurde u. a. für folgende Waren der Klasse 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“.

4        Am 8. Dezember 2011 wurde die in Rede stehende Marke unter der Nr. 10099554 eingetragen.

5        Am 12. November 2013 stellte die Takko Holding GmbH beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung der in Rede stehenden Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

6        Zur Stützung ihres Nichtigkeitsantrags berief sich Takko Holding auf die ältere Unionswortmarke SOUTHERN, die am 13. April 2006 unter der Nr. 4301552 u. a. für folgende Waren der Klasse 25 eingetragen wurde: „Bekleidungsstücke, Schuhe, Kopfbedeckungen“.

7        Dieser Antrag wurde auf den in Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Nichtigkeitsgrund gestützt.

8        Auf Ersuchen der Klägerin legte Takko Holding Unterlagen zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke vor.

9        Am 27. Februar 2015 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Nichtigkeitsantrag teilweise statt. Sie ging davon aus, dass Takko Holding die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht für sämtliche Waren, für die sie eingetragen sei, nachgewiesen habe, sondern lediglich für Bekleidungsstücke, die in die Unterkategorie „Oberbekleidungsstücke für Herren“ eingeordnet werden könnten. Im Hinblick auf die von der angegriffenen Marke erfassten Waren prüfte sie ferner sämtliche Waren der alphabetischen Warenliste in Klasse 25. Da sie davon ausging, dass die betreffenden Waren identisch oder ähnlich und die einander gegenüberstehenden Zeichen ähnlich seien, kam sie zu dem Ergebnis, dass eine Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die oben in Rn. 3 genannten Waren bestehe. Für die Waren aus anderen Klassen, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, wies sie den Nichtigkeitsantrag hingegen zurück.

10      Am 14. April 2015 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO Beschwerde ein.

11      Mit Entscheidung vom 10. November 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie wies erstens darauf hin, dass die Nichtigkeitsabteilung den Nichtigkeitsantrag für die Waren der Klassen 20 und 28, für die die angegriffene Marke eingetragen worden sei, zurückgewiesen habe, obgleich diese Waren vom Nichtigkeitsantrag nicht erfasst gewesen seien. Sie ging davon aus, dass der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens „auf ebenso wundersame Weise … nun doch wieder“ auf die Frage beschränkt sei, ob die angegriffene Marke für die Waren der Klasse 25, für die sie eingetragen sei, für nichtig zu erklären sei. Zweitens definierte sie die maßgeblichen Verkehrskreise als die allgemeinen Endverbraucher, deren Aufmerksamkeitsgrad normal sei. Sie gab an, ihre umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf das deutschsprachige Publikum zu stützen, das die Wortbestandteile „Southern“ und „Territory“ ohne Schwierigkeiten verstehe. Ihre Erwägungen blieben in jedem Fall aber auch auf das englischsprachige Publikum anwendbar. Sie ging davon aus, dass die betreffenden Waren identisch oder ähnlich seien, während die einander gegenüberstehenden Zeichen bildlich und klanglich in mittlerem Maße ähnlich, begrifflich allerdings in erhöhtem Maße ähnlich seien. Die Beschwerdekammer kam unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke, der Identität und der Ähnlichkeit der betreffenden Waren sowie des Grades der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen zu dem Ergebnis, dass eine Verwechslungsgefahr für die maßgeblichen Verkehrskreise bestehe, die die eine Marke für eine Untermarke der anderen halten könnten – was gerade im Bekleidungsbereich relevant sei – oder in der angefochtenen Marke lediglich eine Variante der älteren Marke sehen könnten. Nach Auffassung der Beschwerdekammer könnte das Publikum daher glauben, dass die Waren der beiden Parteien von demselben oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammten.

 Anträge der Parteien

12      Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin gehend abzuändern, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke zurückgewiesen wird. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts bestätigt, dass sie mit ihrem einzigen Antrag die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung beantrage, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

13      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

14      Die Klägerin macht zur Stützung ihrer Klage als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

15      Sie greift die Feststellungen der Beschwerdekammer zur Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die daraus von jener gezogene Schlussfolgerung über die Verwechslungsgefahr an.

16      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

17      Nach Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 wird eine Unionsmarke auf Antrag des Inhabers einer älteren Marke für nichtig erklärt, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Unter den Begriff der älteren Marken fallen nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i dieser Verordnung Unionsmarken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke.

18      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Gefahr der Verwechslung umfassend, gemäß der Wahrnehmung der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren, zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

19      Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren oder Dienstleistungen abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Die Beschwerdekammer definierte die maßgeblichen Verkehrskreise als die allgemeinen Endverbraucher, deren Aufmerksamkeitsgrad normal sei (Rn. 13 und 38 der angefochtenen Entscheidung). Sie gab an, ihre umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf das deutschsprachige Publikum zu stützen, das die Wortbestandteile „Southern“ und „Territory“ ohne Schwierigkeiten verstünde. Ihre Erwägungen blieben in jedem Fall aber auch auf das englischsprachige Publikum anwendbar (Rn. 14 der angefochtenen Entscheidung).

21      Hierzu ist festzustellen, dass das maßgebliche Gebiet die Europäische Union ist, da es sich bei der älteren Marke um eine Unionsmarke handelt. Da die einander gegenüberstehenden Zeichen bei der älteren Marke aus dem englischen Wort „Southern“ und bei der angegriffenen Marke u. a. aus den englischen Wörtern „Southern“ und „Territory“ bestehen, sind allerdings für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr insbesondere die englischsprachigen Verkehrskreise der Union zu berücksichtigen. Zwar ist nach der Rechtsprechung, wenn sich der Schutz der älteren Marke auf die gesamte Union erstreckt, die Wahrnehmung der einander gegenüberstehenden Marken durch den Verbraucher der in Rede stehenden Waren in diesem Gebiet zu berücksichtigen; um einem auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützten Nichtigkeitsantrag stattzugeben, reicht es allerdings aus, dass ein relatives Eintragungshindernis im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung in einem Teil der Union besteht (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 18. September 2008, Armacell/HABM, C‑514/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:511, Rn. 56, und vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdekammer durch die Beschränkung der Prüfung auf einen Teil der Verbraucher der Union keinen Fehler begangen hat, sofern tatsächlich eine Gefahr besteht, dass dieser Teil der maßgeblichen Verkehrskreise – wenn die einander gegenüberstehenden Marken für die von ihnen bezeichneten Waren verwendet werden – diese Marken verwechselt oder, wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, davon ausgeht, dass sie von demselben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

23      Ferner ist der von der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Definition der maßgeblichen Verkehrskreise als die breite Öffentlichkeit und der Definition ihres Aufmerksamkeitsgrads beizupflichten, die im Übrigen von der Klägerin nicht in Frage gestellt werden.

 Zum Vergleich der Waren

24      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass zum einen die von der älteren Marke erfassten „Oberbekleidungsstücke für Herren“ der Klasse 25, für die eine ernsthafte Benutzung nachgewiesen worden sei, und zum anderen die „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ dieser Klasse zu vergleichen seien (Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung). Die durch die ältere Marke bezeichneten „Oberbekleidungsstücke für Herren“ seien mit den durch die angegriffene Marke bezeichneten „Bekleidungsstücken“ identisch, während die von der angegriffenen Marke geschützten „Schuhwaren“ und „Kopfbedeckungen“ ähnlich seien (Rn. 15 der angefochtenen Entscheidung).

25      Diesen Erwägungen, die außerdem von der Klägerin – die im Übrigen meint, die Waren seien identisch – nicht in Frage gestellt werden, ist beizupflichten.

 Zum Vergleich der Zeichen

26      Die Klägerin macht geltend, die einander gegenüberstehenden Zeichen seien nicht ähnlich, wobei zu berücksichtigen sei, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen als Ganzes miteinander zu vergleichen seien. Der Umstand, dass die ältere Marke in der angegriffenen Marke vorkomme, könne zwar bei den maßgeblichen Verkehrskreisen die Erinnerung an die ältere Marke wachrufen. Dies reiche allerdings in Anbetracht des von ihnen vermittelten Gesamteindrucks nicht aus, um auf eine Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen zu schließen.

27      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

28      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirken. Der Durchschnittsverbraucher nimmt dabei eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf ihre verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken kann nicht nur ein Bestandteil einer komplexen Marke berücksichtigt und mit einer anderen Marke verglichen werden. Vielmehr sind die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein könnten (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es kann bei der Beurteilung der Ähnlichkeit nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteile vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 42, und vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:539, Rn. 42). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn dieser Bestandteil allein schon geeignet ist, das Bild dieser Marke, das die maßgeblichen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, in der Weise zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (Urteil vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:539, Rn. 43).

30      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die höhere oder geringere Kennzeichnungskraft gemeinsamer Bestandteile einer angemeldeten Marke und einer älteren Marke einen der im Rahmen der Zeichenähnlichkeit relevanten Faktoren darstellt (vgl. Urteil vom 26. März 2015, Royal County of Berkshire Polo Club/HABM – Lifestyle Equities [Royal County of Berkshire POLO CLUB], T‑581/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:192, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Im vorliegenden Fall sind die zu vergleichenden Zeichen die ältere Marke SOUTHERN und die angefochtene Marke Southern Territory 23°48’25’’S.

32      Zunächst ist festzustellen, dass die ältere Marke in der angegriffenen Marke enthalten ist und dass die einander gegenüberstehenden Zeichen daher mit dem Wort „Southern“ über einen gemeinsamen Bestandteil verfügen.

 Zur Kennzeichnungskraft und zur Dominanz der Wortbestandteile „Southern“ und „Territory“

33      Die Beschwerdekammer hat erstens in Rn. 29 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Wortbestandteile „Southern“ und „Territory“ für die betreffenden Waren gleichgewichtig kennzeichnungskräftig seien.

34      Zwar bestreitet die Klägerin die Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils „Southern“ nicht, doch ist sie der Auffassung, dass diesem in der angefochtenen Marke keine stärkere Kennzeichnungskraft zukomme als den anderen Bestandteilen, aus denen sich diese Marke zusammensetze.

35      Hierzu ist in Bezug auf die angegriffene Marke festzustellen, dass die Wörter „Southern“ und „Territory“ im Hinblick auf die betreffenden Waren über eine durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft verfügen und nicht angenommen werden kann, dass dem Wortbestandteil „Territory“ eine höhere Kennzeichnungskraft als dem Wortbestandteil „Southern“ zukommt.

36      Zur älteren Marke ist festzustellen, dass dem Wort „Southern“ eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt. Nach der Rechtsprechung ist nämlich einer Unionsmarke, auf die ein Nichtigkeitsantrag gegen eine Unionsmarke gestützt wird, ein gewisser Grad an Kennzeichnungskraft zuzuerkennen, um nicht gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 zu verstoßen (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 47). Folglich widerspräche die Annahme, dass es der älteren Marke an Kennzeichnungskraft fehle, dieser Rechtsprechung. Da es sich bei dem Wort „Southern“ um den einzigen Bestandteil der älteren Marke handelt, ist somit im Einklang mit der Beschwerdekammer davon auszugehen, dass es – wie die Klägerin einräumt – über eine originäre Kennzeichnungskraft verfügt. Für die betreffenden Waren ist diese originäre Kennzeichnungskraft als durchschnittlich einzustufen.

37      Zweitens ist zum Vorbringen der Klägerin, mit dem diese die Verwendung des Ausdrucks „gleichgewichtig mitdominierend“ angreift, festzustellen, dass dieser Begriff von der Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung verwendet und im Wesentlichen auf den Bestandteil „Southern“ angewandt wurde, der in Rn. 34 der angefochtenen Entscheidung als „mitdominierend“ eingestuft wurde.

38      Hierzu macht die Klägerin geltend, dass, auch wenn der Begriff „gleichgewichtig mitdominierend“ auf die Bestandteile der angegriffenen Marke, d. h. zum einen „Southern“ und zum anderen „Territory 23°48’25’’S“ angewandt würde, es keinen Anhaltspunkt dafür gäbe, weshalb der Bestandteil „Southern“ innerhalb dieser Marke als „gleichwertig mitdominierend“ im Vergleich zu der Einheit „Territory 23°48’25’’S“ anzusehen sei. Die Klägerin erläutert jedoch nicht, weshalb die angegriffene Marke auf diese Weise zu zerlegen wäre, ohne beispielsweise drei Bestandteile, nämlich „Southern“, „Territory“ und „23°48’25’’S“ zu berücksichtigen.

39      Jedenfalls kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass das Wort „Southern“ sowohl unter bildlichen als auch unter klanglichen Gesichtspunkten weniger gewichtig als die beiden anderen Bestandteile der angegriffenen Marke ist. Dieser Bestandteil besitzt Kennzeichnungskraft – was von der Klägerin nicht bestritten wird – und steht am Anfang der angegriffenen Marke. Da die in der angegriffenen Marke enthaltenen Bestandteile „Southern“ und „Territory“ jeweils für sich genommen nicht als dominante Bestandteile eingestuft wurden, ist folglich davon auszugehen, dass dem Wortbestandteil „Southern“ zumindest die gleiche Bedeutung zukommt wie dem Wortbestandteil „Territory“ und dass der Begriff „mitdominierend“ auf diese Weise zu verstehen ist.

40      Im Einklang mit der Beschwerdekammer (Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung) ist hingegen festzustellen, dass die am Ende der angegriffenen Marke genannten Ziffern untereinander keine Beziehung aufweisen und dass die maßgeblichen Verkehrskreise, die nicht zwangsläufig über hinreichend detaillierte Geografiekenntnisse verfügen, die Bedeutung der Bestandteile „°“, „’“ und „’’“ möglicherweise nicht erkennen können. Es könnte ihnen ebenfalls schwerfallen, den abschließenden Buchstaben „S“ als eine Bezugnahme auf die südliche Erdhalbkugel zu verstehen. Daher spielen diese Bestandteile bei der Wahrnehmung der einander gegenüberstehenden Zeichen eine eher untergeordnete Rolle, da die maßgeblichen Verkehrskreise – wie die Beschwerdekammer zu Recht in Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat – beim Kauf der betreffenden Waren keine komplexen Überlegungen geografischer Art anstellen.

 Zum bildlichen Vergleich

41      Die Beschwerdekammer ist in Rn. 29 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen davon ausgegangen, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise den Bestandteil „23°48’25’’S“ der angefochtenen Marke – der lediglich als präzisierender Zusatz der Wortbestandteile „Southern“ und „Territory“ wahrgenommen werde und diesen Bestandteilen gegenüber zurücktrete – nicht merken könnten. Da der Umstand, dass es sich bei einem dieser Bestandteile um ein Adjektiv und bei dem anderen um ein Substantiv handele, belanglos sei, seien diese Bestandteile gleichgewichtig kennzeichnungskräftig. Die Beschwerdekammer kam zu dem Ergebnis, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen einen mittleren Grad an Ähnlichkeit aufwiesen.

42      Die Klägerin macht geltend, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen keine bildliche Ähnlichkeit aufwiesen. Die angegriffene Marke sei dreimal so lang wie die ältere Marke, bestehe aus drei separaten Bestandteilen, deren letzter sich aus einer auffälligen Ziffernfolge zusammensetze. Es handele sich hierbei um einen Breitengrad auf der südlichen Erdhalbkugel. Es wisse nur ein kleiner Teil der Verbraucher, wo dieser Breitengrad verlaufe; manche würden nicht einmal bemerken, dass es sich um einen Breitengrad handele und würden der Abfolge der Zahlen und Symbole keine Bedeutung beimessen. Dennoch sei dieser dritte Bestandteil visuell sehr auffällig und in jedem Fall für die Bezeichnung von Bekleidungsstücken ungewöhnlich. Er könne beim bildlichen Vergleich nicht ignoriert werden.

43      Das EUIPO weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

44      Die in Rede stehenden Marken sind, wie die Klägerin geltend macht, unter Berücksichtigung aller Bestandteile, aus denen sie bestehen, zu vergleichen. Allerdings hat die Beschwerdekammer entgegen dem, was die Klägerin zu unterstellen scheint, einen bildlichen Vergleich all dieser Bestandteile vorgenommen, da sie mit der Feststellung, dass der Bestandteil „23°48’25’’S“ zurücktrete, keine Aussage dahin getroffen hat, dass er beim Vergleich unberücksichtigt bleiben müsse.

45      Auch wenn die angegriffene Marke aus zwei Wortbestandteilen mit acht bzw. neun Buchstaben sowie aus drei durch Symbole getrennten Zahlen zu zwei Ziffern, gefolgt vom Buchstaben „S“, besteht, während die ältere Marke lediglich aus einem einzigen Wort mit acht Buchstaben besteht, ist festzustellen, dass die beiden Marken ein Wort gemeinsam haben, das am Anfang der angegriffenen Marke steht und der einzige Bestandteil der älteren Marke ist.

46      Des Weiteren kann der Anfangsbestandteil einer Wortmarke nach der Rechtsprechung die Aufmerksamkeit des Verbrauchers stärker anziehen als die folgenden Teile (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. März 2004, El Corte Inglés/HABM – González Cabello und Iberia Líneas Aéreas de España [MUNDICOR], T‑183/02 und T‑184/02, EU:T:2004:79, Rn. 81, und vom 16. März 2005, L’Oréal/HABM – Revlon [FLEXI AIR], T‑112/03, EU:T:2005:102, Rn. 64 und 65), es sei denn, dieser Anfangsbestandteil verfügt über schwache Kennzeichnungskraft. Da der Wortbestandteil „Southern“ in der angegriffenen Marke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitzt, kann er jedoch die Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise stärker anziehen als der Wortbestandteil „Territory“ oder der diesem folgende Bestandteil „23°48’25’’S“.

47      Daher führt der von diesen Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck, auch wenn die Länge der einander gegenüberstehenden Zeichen sicherlich unterschiedlich ist und sie sich – wie die Klägerin betont – aus einer unterschiedlichen Zahl von Wörtern zusammensetzen, zu der Feststellung, dass sie aufgrund ihres gemeinsamen Bestandteils bildlich ähnlich sind. Die Beschwerdekammer hat demnach fehlerfrei angenommen, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine mittlere bildliche Ähnlichkeit besteht.

 Zum klanglichen Vergleich

48      In Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen ausgeführt, eine Aussprache der Angabe „23°48’25’’S“ scheitere u. a. daran, dass der Durchschnittsverbraucher nicht sicher erkennen könne, was sich hinter den Symbolen „°“, „’“ und „’’“ verberge, so dass er diese Bestandteile auch nicht aussprechen werde, mit der weiteren Folge, dass auch eine Aussprache nur der Zahlen nicht mehr naheliege. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen eine mittlere klangliche Ähnlichkeit aufwiesen.

49      Die Klägerin trägt vor, dass die Zeichen keine klangliche Ähnlichkeit aufwiesen. Sie macht geltend, dass die Wörter „Southern“ und „Territory“ zusammengenommen aus sechs Silben bestünden und daher in der Aussprache dreimal so lang seien wie die ältere Marke. Außerdem hebe sich das Wort „Territory“ durch seine überwiegend hellen Vokale deutlich vom Wort „Southern“ ab, bei dem die zweite Silbe wenig prägnant sei und sowohl hinsichtlich der Aussprache des Vokals „e“ als auch ihrer Konsonanten unauffällig sei. Die Ähnlichkeit zwischen den Marken reduziere sich noch weiter, wenn die Zahlen oder sogar die Symbole des dritten Bestandteils ausgesprochen würden.

50      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

51      Zu vergleichen sind zum einen der Wortbestandteil „Southern“, aus dem die ältere Marke besteht, und zum anderen die Wortbestandteile „Southern“ und „Territory“ sowie der Bestandteil „23°48’25’’S“, aus denen die angegriffene Marke besteht. Da die maßgeblichen Verkehrskreise aus der breiten Öffentlichkeit bestehen, ist insoweit jedoch darauf hinzuweisen, dass eine Aussprache der Symbole wenig wahrscheinlich ist und dass diese Bestandteile beim klanglichen Vergleich möglicherweise als vernachlässigbar angesehen werden können.

52      Doch selbst unter der Annahme, dass sämtliche Bestandteile, aus denen die einander gegenüberstehenden Zeichen bestehen – d. h. einschließlich der in der angegriffenen Marke vorhandenen Symbole –, ausgesprochen werden, ist festzustellen, dass diese Zeichen klanglich ähnlich sind. Es besteht zwar aufgrund der Aussprache des zweiten Worts der angegriffenen Marke, „Territory“, und des Bestandteils „23°48’25’’S“ ein klanglicher Unterschied zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen. Im Hinblick auf den von diesen Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck reicht der Unterschied, der sich aus der Aussprache der vier Silben des zweiten Worts der angegriffenen Marke und des Bestandteils „23°48’25’’S“ ergibt, jedoch nicht aus, um die klangliche Ähnlichkeit zu neutralisieren, die sich aus der identischen Aussprache der gemeinsamen Silben, d. h. des gemeinsamen Bestandteils „Southern“ ergibt, aus dem die ältere Marke besteht und das den ersten Bestandteil der angegriffenen Marke bildet.

53      Des Weiteren wurde bereits entschieden, dass Zeichen eine klangliche Ähnlichkeit aufweisen, wenn die ältere Marke vollständig in der angemeldeten Marke enthalten ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. März 2005, FLEXI AIR, T‑112/03, EU:T:2005:102, Rn. 72, vom 4. Mai 2005, Reemark/HABM – Bluenet [Westlife], T‑22/04, EU:T:2005:160, Rn. 33, und vom 26. Januar 2006, Volkswagen/HABM – Nacional Motor [Variant], T‑317/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:27, Rn. 47).

54      Daher führt der von diesen Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck, auch wenn die Länge der einander gegenüberstehenden Zeichen sicherlich unterschiedlich ist und sie sich – wie die Klägerin betont – aus einer unterschiedlichen Zahl von Bestandteilen zusammensetzen, zu der Feststellung, dass sie aufgrund ihres gemeinsamen Bestandteils klanglich ähnlich sind. Die Beschwerdekammer hat demnach fehlerfrei angenommen, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine mittlere klangliche Ähnlichkeit besteht.

 Zum begrifflichen Vergleich

55      In Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass das Wort „Territory“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen verstanden werde. In den Rn. 20 und 31 der angefochtenen Entscheidung hat sie im Wesentlichen festgestellt, dass der Bestandteil „Southern“ nur eine „südlich des Betrachters gelegene“ Stelle oder Region bezeichnen könne. Laut den Rn. 25 und 31 der angefochtenen Entscheidung fügten sich der Bestandteil „Territory“ und die geografischen Koordinaten in diese begriffliche Bedeutung ein, da die maßgeblichen Verkehrskreise in der angegriffenen Marke lediglich einen allgemeinen Bezug auf ein südliches Territorium sähen. Die Marken seien nur deshalb nicht begrifflich identisch, weil es „südlich“ auch andere Bereiche der Erde als „Territorien“ geben könne, z. B. Ozeane. Die Beschwerdekammer kam zu dem Ergebnis, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen begrifflich in erhöhtem Maße ähnlich seien.

56      Die Klägerin beruft sich darauf, dass die Zeichen begrifflich nicht ähnlich seien. Auch wenn die Marken hinsichtlich des Wortes „Southern“ und seiner Bedeutung übereinstimmten, habe das Substantiv „Territory“ in der angegriffenen Marke eine bestimmte und leicht verständliche Bedeutung, die sich deutlich von dem beziehungslosen Adjektiv unterscheide, aus dem die ältere Marke bestehe.

57      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

58      Das Wort „Southern“ verweist, wie die Beschwerdekammer im Wesentlichen festgestellt hat, auf eine südlich gelegene Stelle oder Region der Erde, und der Ausdruck „Southern Territory“ bezeichnet unstreitig einen im Süden gelegenen Ort.

59      Ferner kann der Bestandteil „23°48’25’’S“ – wie die Klägerin betont – an einen Breitengrad denken lassen und somit an geografische Koordinaten, die allerdings unvollständig sind, da – wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat – die Angabe des Längengrads und auch der Höhe fehlt. Es steht jedoch fest, dass solche unvollständigen geografischen Koordinaten auf einen auf der südlichen Erdhalbkugel gelegenen Ort verweisen, sich aber – wie die Beschwerdekammer angemerkt hat – auf kein konkretes Territorium beziehen. Ferner verfügen die maßgeblichen Verkehrskreise – wie die Beschwerdekammer in den Rn. 22 und 25 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat – nicht über genügende Kenntnisse, um diesen Koordinaten eine bestimmte Position auf der Erdoberfläche zu entnehmen.

60      Folglich ist festzustellen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen insofern eine begriffliche Ähnlichkeit aufweisen, als sie sich insgesamt auf den gleichen, mit einem südlich gelegenen Ort verknüpften Begriff beziehen, mit dem einzigen Unterschied, dass in der angegriffenen Marke auf ein Territorium Bezug genommen wird. Der Grad dieser Ähnlichkeit ist daher – wie die Beschwerdekammer angenommen hat – als erhöht einzuordnen.

 Zum behaupteten Vorliegen eines aus den Wörtern „Southern“ und „Territory“ zusammengesetzten Gesamtbegriffs in der angegriffenen Marke

61      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe verkannt, dass die in der angegriffenen Marke enthaltenen Wörter „Southern“ und „Territory“ nach der Rechtsprechung einen „Gesamtbegriff“ darstellten. Wenn die Beschwerdekammer das Vorliegen eines solchen Begriffs angenommen hätte, wäre sie nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen nicht ähnlich seien.

62      Hierzu trägt die Klägerin vor, sie habe darauf hingewiesen, dass die in der angegriffenen Marke enthaltenen Wörter „Southern“ und „Territory“ und nicht die angegriffene Marke selbst – wie die Beschwerdekammer ausgeführt habe (Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung) – einen „Gesamtbegriff“ formten, d. h. eine aus einem Substantiv und einem Adjektiv gebildete, sinnhafte Wortkombination. Sie macht unter Berufung auf das Urteil vom 6. Oktober 2005, Medion (C‑120/04, EU:C:2005:594), den Beschluss vom 15. Februar 2011, Perfetti Van Melle/HABM (C‑353/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:73), und die Urteile vom 8. Mai 2014, Bimbo/HABM (C‑591/12 P, EU:C:2014:305), und vom 25. November 2003, Oriental Kitchen/HABM – Mou Dybfrost [KIAP MOU] (T‑286/02, EU:T:2003:311), geltend, dass der Ausdruck „Southern Territory“ ein „einheitliches Ganzes“, eine „logische Einheit“ oder auch eine „Einheit, die einen anderen Sinn hat“ darstelle, nämlich den Begriff „südliches Territorium“. Es handele sich nicht um zwei Wörter, die unvermittelt nebeneinander stünden, sondern um Begriffe, die sich offensichtlich dadurch aufeinander bezögen, dass das eine ein Substantiv sei, das durch das andere adjektivisch eine Eigenschaft zugesprochen bekomme. Ferner werde die geografische Lage des „südlichen Territoriums“ durch den Zusatz des südlichen Breitengrads definiert. In der älteren Marke sei hingegen nichts „südlich“, da ihr ein Substantiv fehle.

63      Nach Auffassung des EUIPO kann dahingestellt bleiben, ob der besondere Fall der vollständigen Übernahme der älteren Marke in die angegriffene Marke, wobei der übernommene Bestandteil eine selbständig kennzeichnende Rolle im Sinne des Urteils vom 6. Oktober 2005, Medion (C‑120/04, EU:C:2005:594), beibehalte, gegenständlich zutreffe.


64      Nach der Rechtsprechung dient die Prüfung, ob eine selbständig kennzeichnende Stellung eines der Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens vorliegt, der Bestimmung derjenigen Bestandteile, die von den angesprochenen Verkehrskreisen wahrgenommen werden (Urteil vom 8. Mai 2014, Bimbo/HABM, C‑591/12 P, EU:C:2014:305, Rn. 33).

65      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung in diesem Zeichen behält, selbst wenn sie darin nicht der dominierende Bestandteil ist. Deshalb genügt für die Feststellung von Verwechslungsgefahr, dass das Publikum aufgrund der von der älteren Marke behaltenen selbständig kennzeichnenden Stellung auch den Inhaber dieser Marke mit der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen in Verbindung bringt, die von dem zusammengesetzten Zeichen erfasst werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2005, Medion, C‑120/04, EU:C:2005:594, Rn. 30 und 36, Beschluss vom 15. Februar 2011, Perfetti Van Melle/HABM, C‑353/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:73, Rn. 36, und Urteil vom 8. Mai 2014, Bimbo/HABM, C‑591/12 P, EU:C:2014:305, Rn. 24).

66      Ein Bestandteil eines zusammengesetzten Zeichens nimmt dagegen keine solche selbständig kennzeichnende Stellung ein, wenn dieser Bestandteil mit dem oder den anderen Bestandteilen des Zeichens in der Gesamtbetrachtung eine Einheit bildet, die einen anderen Sinn als die einzeln betrachteten Bestandteile hat (vgl. Urteil vom 8. Mai 2014, Bimbo/HABM, C‑591/12 P, EU:C:2014:305, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 15. Februar 2011, Perfetti Van Melle/HABM, C‑353/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:73, Rn. 36 und 37).

67      Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass der Begriff „Southern Territory“, auch wenn er – wie die Klägerin vorträgt – sicherlich eine Bedeutung hat, entgegen ihrem Vorbringen keine Einheit darstellt, die einen anderen Sinn hätte als die einzeln betrachteten Bestandteile. Dem Begriff „Southern“ kommt nämlich eine eigene Kennzeichnungskraft zu, während das Wort „Territory“ keinen bedeutenden semantischen Wert hat, der zu dem des Begriffs „Southern“ hinzuträte, um einen von der Marke „Southern“ verschiedenen Gesamtbegriff zu formen, wie die Klägerin geltend macht. Insoweit ist der von der Beschwerdekammer hervorgehobene Umstand (Rn. 24 und 32 der angefochtenen Entscheidung), dass es keine Region oder Provinz mit dem Namen „Southern Territory“ gibt, entgegen dem Vorbringen der Klägerin maßgeblich, da es – wenn dem der Fall wäre – wahrscheinlicher wäre, dass die maßgeblichen Verkehrskreise eine Einheit mit einem anderen Sinn als dem ihrer einzeln betrachteten Bestandteile „Southern“ und „Territory“ erkennen könnten. Da der Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen ist, ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Bestandteil „23°48’25’’S“ ebenfalls auf einen Ort auf der südlichen Erdhalbkugel verweist und damit auf die Idee von etwas „Südlichem“, die sich – wie von der Klägerin selbst geltend gemacht – aus dem Wort „Southern“ ergibt (vgl. oben, Rn. 59). Daher durfte die Beschwerdekammer in Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgehen, dass die angegriffene Marke keinen „Gesamtbegriff“ oder eine Einheit darstellt, die einen anderen Sinn hat als die einzeln betrachteten Bestandteile.

68      Folglich hat die Beschwerdekammer mit der Feststellung einer Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht (Rn. 34 der angefochtenen Entscheidung) entgegen dem Vortrag der Klägerin den Grundsatz, dass die Ähnlichkeit zweier Marken nach dem von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck zu beurteilen ist, nicht verfälscht. Sie ist zwar in dieser Randnummer zu dem Ergebnis gekommen, dass sich aus der Übereinstimmung aufgrund eines „mitdominierenden“ Bestandteils eine Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen ergebe, allerdings hat sie darauf hingewiesen, dass dies „unbeschadet des Vorhandenseins weiterer Elemente“ der Fall sei.

 Ergebnis zum Vergleich der Zeichen

69      In Anbetracht aller vorstehenden Ausführungen zum Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen trifft es zu, dass sie jeweils insgesamt einen mittleren Ähnlichkeitsgrad in bildlicher und klanglicher Hinsicht sowie einen erhöhten Ähnlichkeitsgrad in begrifflicher Hinsicht aufweisen. Die einander gegenüberstehenden Marken sind daher insgesamt ähnlich.

 Zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr

70      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17, und vom 14. Dezember 2006, VENADO mit Rahmen u. a., T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 74).

71      Ferner ist die Verwechslungsgefahr umso größer, je größer sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt (Urteil vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 24).


72      In Rn. 39 der angefochtenen Entscheidung kam die Beschwerdekammer unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke, der Identität und der Ähnlichkeit der betreffenden Waren sowie des Grades der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen zu dem Ergebnis, dass eine Verwechslungsgefahr für die maßgeblichen Verkehrskreise bestehe, die die eine Marke für eine Untermarke der anderen halten könnten – was gerade im Bekleidungsbereich relevant sei – oder in der angefochtenen Marke lediglich eine Variante der älteren Marke sehen könnten. Das Publikum könnte daher glauben, dass die von den einander gegenüberstehenden Zeichen gekennzeichneten Waren von demselben oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammten.

73      Die Klägerin führt wenige Argumente zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr durch die Beschwerdekammer an, da sie im Wesentlichen davon ausgeht, der bloße Umstand, dass die Zeichen nicht ähnlich seien, reiche aus, um das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zu verneinen. Dass die ältere Marke in der angegriffenen Marke vorkomme, könne bei den maßgeblichen Verkehrskreisen die Erinnerung an die ältere Marke wachrufen, was im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr aber nicht ausreiche. Es werde nämlich ebenfalls verlangt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise aufgrund der Ähnlichkeit zwischen den Marken irrtümlich glauben könnten, der Verwender der angegriffenen Marke wäre derselbe wie der der älteren Marke.

74      Das EUIPO kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken eine Verwechslungsgefahr bestehe.

75      Die Beschwerdekammer führt, nachdem sie in Rn. 37 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass die originäre Kennzeichnungskraft der älteren Marke uneingeschränkt sei, in Rn. 39 dieser Entscheidung aus, dass die ältere Marke in den Augen der maßgeblichen Verkehrskreise für die mit ihr bezeichneten Waren eine durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft besitze.

76      Selbst bei Annahme einer durchschnittlichen originären Kennzeichnungskraft der älteren Marke – die die Klägerin nicht in Abrede stellt – ist im Ergebnis festzuhalten, dass für die maßgeblichen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr besteht und nicht nur die Gefahr einer gedanklichen Verbindung, wie die Klägerin anzunehmen scheint.

77      Das Vorbringen der Klägerin ist insoweit widersprüchlich, da sie zum einen einräumt, dass das Risiko einer gedanklichen Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden Marken bestehe, das nicht ausreiche, um auf eine Verwechslungsgefahr zu schließen, und zum anderen geltend macht, dass die Marken nicht ähnlich seien.

78      Es ist zwar zutreffend, dass die rein assoziative gedankliche Verbindung, die der Verkehr über die Übereinstimmung des Sinngehalts zweier Marken zwischen diesen herstellen könnte, für sich genommen keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 begründet (Urteil vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 26).

79      Die Verwechslungsgefahr schließt allerdings nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 die Gefahr einer gedanklichen Verbindung ein und kann entstehen, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen, nämlich eine Identität oder Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen sowie eine Identität oder Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken.

80      Im vorliegenden Fall ist es in Anbetracht der Identität und der Ähnlichkeit der betreffenden Waren unter Berücksichtigung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und der durchschnittlichen originären Kennzeichnungskraft der älteren Marke – wie die Beschwerdekammer unterstrichen hat – sehr wahrscheinlich, dass bei den maßgeblichen Verkehrskreisen in Anbetracht der Art der betreffenden Waren der Eindruck entstünde, dass es sich bei der einen Marke um eine Untermarke der anderen handele (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung) oder dass die angegriffene Marke lediglich eine Variante der älteren Marke sei, und sie denken könnten, dass die mit der einen Marke versehenen Waren von dem Unternehmen stammten, das Inhaber der anderen Marke ist, oder von einem wirtschaftlich mit diesem verbundenen Unternehmen.

81      Nach alledem hat die Beschwerdekammer zu Recht entschieden, dass eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegt.

82      Daher ist der einzige, auf einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen und demnach die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

83      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die AWG Allgemeine Warenvertriebs GmbH trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO).



Berardis

Papasavvas

Spineanu-Matei

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juni 2017.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon


*      Verfahrenssprache: Deutsch.

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