Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-629/15,C-630/15

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

28. Juni 2017 ( *1 )

„Rechtsmittel — Humanarzneimittel — Genehmigung für das Inverkehrbringen — Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 — Zentralisiertes Verfahren auf Unionsebene — Entwicklung eines Arzneimittels, das Gegenstand einer Genehmigung für das Inverkehrbringen für andere therapeutische Indikationen war — Gesonderte Genehmigung für das Inverkehrbringen und neuer Handelsname — Richtlinie 2001/83/EG — Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 10 Abs. 1 — Begriff ‚umfassende Genehmigung‘ — Regelung des Schutzzeitraums der Daten“

In den verbundenen Rechtssachen C‑629/15 P und C‑630/15 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. November 2015,

Novartis Europharm Ltd mit Sitz in Camberley (Vereinigtes Königreich), vertreten durch C. Schoonderbeek, advocaat,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch K. Mifsud-Bonnici, A. Sipos und M. Šimerdová als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Teva Pharma BV mit Sitz in Utrecht (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: K. Bacon, QC, beauftragt durch C. Firth, Solicitor,

Streithelferin im ersten Rechtszug (C‑629/15 P),

Hospira UK Ltd mit Sitz in Maidenhead (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: J. Stratford, QC, beauftragt durch E. Vickers und N. Stoate, Solicitors,

Streithelferin im ersten Rechtszug (C‑630/15 P),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský sowie der Richter M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Dezember 2016

folgendes

Urteil

1

Mit ihren Rechtsmitteln beantragt die Novartis Europharm Ltd (im Folgenden: Novartis) in den Rechtssachen C‑629/15 P bzw. C‑630/15 P die Aufhebung der Urteile des Gerichts der Europäischen Union vom 15. September 2015, Novartis Europharm/Kommission (T‑472/12, EU:T:2015:637) und Novartis Europharm/Kommission (T‑67/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:636) (im Folgenden zusammen: angefochtene Urteile), mit denen das Gericht ihre Klagen gegen den Durchführungsbeschluss C (2012) 5894 final der Kommission vom 16. August 2012 über die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels Zoledronic acid Teva Pharma – Zoledronsäure nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und gegen den Durchführungsbeschluss C (2012) 8605 final der Kommission vom 19. November 2012 über die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels Zoledronic acid Hospira – Zoledronsäure nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden zusammen: streitige Beschlüsse) abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 65/65

2

Die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, 22, S. 369) in der durch die Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. 1993, L 214, S. 22) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 65/65) wurde durch die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) aufgehoben. Art. 4 der Richtlinie 65/65 bestimmte:

„Die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 ist von der für das Inverkehrbringen verantwortlichen Person bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats zu beantragen.

Dem Antrag sind folgende Angaben und Unterlagen beizufügen:

8.   Ergebnisse von Versuchen

physikalisch-chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Art;

pharmakologischer und toxikologischer Art;

klinischen Versuchen;

Unbeschadet des Rechtsschutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gilt jedoch Folgendes:

a)

Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche oder die Ergebnisse der ärztlichen oder klinischen Versuche vorzulegen, wenn er entweder nachweisen kann,

iii)

oder dass das Arzneimittel im Wesentlichen einem Arzneimittel gleicht, das seit mindestens sechs Jahren in der Gemeinschaft nach den Gemeinschaftsvorschriften zugelassen und in dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wird, in Verkehr gebracht ist; … ein Mitgliedstaat [kann] diese Frist durch eine einheitliche, alle in seinem Gebiet auf dem Markt befindlichen Erzeugnisse erfassende Entscheidung auf zehn Jahre verlängern, wenn dies seiner Ansicht nach im Interesse der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist …

…“

Richtlinie 2001/83

3

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 (ABl. 2006, L 378, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83) sieht vor:

„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der [Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, S. 1)] … erteilt wurde.

Ist für ein Arzneimittel eine Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Unterabsatz 1 erteilt worden, so müssen auch alle weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen gemäß Unterabsatz 1 genehmigt oder in die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen einbezogen werden. Alle diese Genehmigungen für das Inverkehrbringen werden insbesondere für den Zweck der Anwendung des Artikels 10 Absatz 1 als Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen angesehen.“

4

Art. 8 Abs. 3 dieser Richtlinie bestimmt:

„Dem Antrag [auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen] sind folgende Angaben und Unterlagen … beizufügen:

i)

Ergebnisse von:

pharmazeutischen (physikalisch-chemischen, biologischen oder mikrobiologischen) Versuchen,

vorklinischen (toxikologischen und pharmakologischen) Versuchen,

klinischen Versuchen;

…“

5

In Art. 10 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie heißt es:

„(1)   Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe i) und unbeschadet des Rechts über den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, das gemäß Artikel 6 seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der Gemeinschaft genehmigt ist oder wurde.

Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung genehmigt wurde, wird erst nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der Erstgenehmigung für das Referenzarzneimittel in Verkehr gebracht.

Der in Unterabsatz 2 vorgesehene Zeitraum von zehn Jahren wird auf höchstens elf Jahre verlängert, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden.

(2)   Im Sinne dieses Artikels bedeutet

a)

‚Referenzarzneimittel‘: ein gemäß Artikel 6 in Übereinstimmung mit Artikel 8 genehmigtes Arzneimittel;

b)

‚Generikum‘: ein Arzneimittel, das die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und dessen Bioäquivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. …“

Verordnung (EWG) Nr. 2309/93

6

Die Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. 1993, L 214, S. 1) wurde durch die Verordnung Nr. 726/2004 aufgehoben und ersetzt. Art. 13 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2309/93 sah vor:

„Arzneimittel, die von der Gemeinschaft in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieser Verordnung genehmigt worden sind, unterliegen dem Schutzzeitraum von zehn Jahren nach Artikel 4 Absatz 2 Nummer 8 der Richtlinie [65/65].“

Verordnung Nr. 726/2004

7

Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 bestimmt:

„Humanarzneimittel, die gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung genehmigt worden sind, unterliegen unbeschadet des Rechts über den Schutz gewerblichen und kommerziellen Eigentums einem Datenschutz von acht Jahren und einem Vermarktungsschutz von zehn Jahren, wobei letzterer auf höchstens elf Jahre verlängert wird, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden.“

8

Art. 89 dieser Verordnung lautet:

„Die [insbesondere] in Artikel 14 Absatz 11 … genannten Schutzzeiträume gelten nicht für Referenzarzneimittel, deren Genehmigung vor dem [20. November 2005] beantragt wurde.“

Verordnung (EG) Nr. 1085/2003

9

Die Verordnung (EG) Nr. 1085/2003 der Kommission vom 3. Juni 2003 über die Prüfung von Änderungen einer Zulassung für Human- und Tierarzneimittel gemäß der Verordnung Nr. 2309/93 (ABl. 2003, L 159, S. 24) wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 der Kommission vom 24. November 2008 über die Prüfung von Änderungen der Zulassungen von Human- und Tierarzneimitteln (ABl. 2008, L 334, S. 7) aufgehoben. Zeitlich ist jedoch die Verordnung Nr. 1085/2003 auf die vorliegenden Rechtssachen anzuwenden.

10

Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Verordnung Nr. 1085/2003 hatte folgenden Wortlaut:

„Diese Verordnung gilt nicht für

a)

Erweiterungen von Zulassungen, bei denen die Bedingungen nach Anhang II dieser Verordnung erfüllt sind,

Die unter Absatz 1 Buchstabe a) genannten Erweiterungen sind … gemäß … der [Verordnung Nr. 2309/93] zu prüfen …“

11

Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung sah vor:

„Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

3.

Eine ‚größere Änderung‘ des Typs II bezeichnet eine Änderung, die nicht als geringfügige Änderung oder Erweiterung der Zulassung eingestuft werden kann.

…“

12

Art. 6 („Genehmigungsverfahren für größere Änderungen des Typs II“) hatte folgenden Wortlaut:

„…

(2)   Ein Antrag darf sich auf lediglich eine Änderung des Typs II beziehen. Sollen mehrere Änderungen des Typs II an einer einzigen Zulassung vorgenommen werden, ist für jede einzelne beantragte Änderung ein eigener Antrag zu stellen; in jedem dieser Anträge ist auf die anderen Anträge Bezug zu nehmen.

(6)   Der zuständige Ausschuss der [Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, nunmehr Europäische Arzneimittelagentur (EMA)] gibt seine Stellungnahme innerhalb von 60 Tagen nach Einleitung des Verfahrens ab.

Diese Frist kann auch auf 90 Tage verlängert werden, und zwar bei Zulassungsänderungen, die sich auf Änderungen oder Ergänzungen der therapeutischen Indikationen beziehen.

…“

13

In Anhang II („Änderung einer Zulassung, die zu einem Erweiterungsantrag im Sinne von Art. 2 führt“) dieser Verordnung heißt es:

„Die nachstehend aufgeführten Änderungen sind als ‚Erweiterungsantrag‘ im Sinne von Artikel 2 zu betrachten.

Eine Erweiterung oder eine Veränderung der bestehenden Zulassung ist durch die Gemeinschaft zu genehmigen.

Der Name des Arzneimittels für die ‚Erweiterung‘ entspricht dem der bestehenden Zulassung für das Arzneimittel.

Änderungen, die einen Erweiterungsantrag erfordern

2.

Änderungen der Stärke, der Darreichungsform und des Verabreichungswegs

iii)

Änderung bzw. Hinzufügen einer neuen Stärke/Potenz;

…“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

14

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie in den angefochtenen Urteilen dargestellt wurde, kann wie folgt zusammengefasst werden.

15

Die beiden von Novartis eingelegten Rechtsmittel betreffen zwei im Jahr 2012 erlassene Beschlüsse der Europäischen Kommission über die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß dem seinerzeit durch die Verordnung Nr. 726/2004 geregelten zentralisierten Verfahren für zwei Generika, und zwar das von der Teva Pharma BV (im Folgenden: Teva) hergestellte Zoledronic acid Teva Pharma – Zoledronsäure (im Folgenden: Z.a. Teva) und das von der Hospira UK Ltd (im Folgenden: Hospira) hergestellte Zoledronic acid Hospira – Zoledronsäure (im Folgenden: Z.a. Hospira). Diese Generika haben beide als Referenzarzneimittel das von Novartis hergestellte Aclasta.

16

Am 20. März 2001 erhielt Novartis im Rahmen des zentralisierten Verfahrens eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Zometa, dessen Wirkstoff Zoledronsäure ist, für eine Reihe onkologischer Indikationen auf der Grundlage der Verordnung Nr. 2309/93. Aus Art. 13 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2309/93, der auf Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65 verweist, ergibt sich, dass Zometa einem Schutzzeitraum von zehn Jahren ab dem 20. März 2001 unterlag.

17

Novartis führte ihre Forschungen an dem Wirkstoff fort, aber für andere, nicht onkologische Indikationen, was zu einem gesonderten klinischen Entwicklungsprogramm führte, das eine andere Patientenpopulation mit anderen Stärken betraf. Am 15. April 2005 erhielt Novartis wieder auf der Grundlage der Verordnung Nr. 2309/93 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des aus diesen ergänzenden Forschungen stammenden Arzneimittels Aclasta. Dieses ist somit ein Arzneimittel, dessen Wirkstoff derselbe ist wie der von Zometa, nämlich Zoledronsäure, dessen therapeutische Indikationen sich aber von denen von Zometa unterscheiden und dessen Stärke an diese neuen Indikationen angepasst wurde.

18

Am 25. Mai bzw. 22. Juni 2011, d. h. nach dem Auslaufen des Schutzzeitraums der Daten, dem Zometa unterlag, stellten Teva und Hospira auf der Grundlage der Verordnung Nr. 726/2004 einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen ihrer jeweiligen Arzneimittel, nämlich Z.a. Teva und Z.a. Hospira, deren Wirkstoff auch Zoledronsäure ist. Der Antrag von Teva betraf eine generische Kopie von Aclasta. Der Antrag von Hospira betraf vier verschiedene Verabreichungsformen, wovon drei generische Kopien entweder von Zometa oder Aclasta darstellten.

19

In diesen Anträgen bezogen sich Teva und Hospira auf die von Novartis in ihren Anträgen auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Zometa und Aclasta vorgelegten Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche.

20

Mit den streitigen Beschlüssen gewährte die Kommission Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Z.a. Teva und Z.a. Hospira.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtene Urteile

21

Mit ihren Klageschriften, die beim Gericht am 30. Oktober 2012 (Rechtssache T‑472/12) bzw. am 1. Februar 2013 (Rechtssache T‑67/13) eingereicht wurden, beantragte Novartis die Nichtigerklärung der streitigen Beschlüsse, soweit mit ihnen Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Z.a. Teva und für die Verabreichungsform von Z.a. Hospira, die beide eine generische Kopie von Aclasta (im Folgenden: generische Kopien von Aclasta) darstellen, gewährt wurden.

22

Zur Stützung jeder ihrer Klagen machte Novartis einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 und Art. 13 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2309/93 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 11 und Art. 89 der Verordnung Nr. 726/2004 rügte.

23

Im Rahmen dieser Klagen trug Novartis vor, dass ihr für Aclasta gemäß Art. 13 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2309/93 ein Schutzzeitraum der Daten von zehn Jahren zugutekomme, so dass keinem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Aclasta vor dem 15. April 2015 stattgegeben werden könne. Daher liefen die streitigen Beschlüsse, soweit sie den vor diesem Zeitpunkt gestellten Anträgen auf Genehmigung für das Inverkehrbringen der generischen Kopien von Aclasta stattgäben, Art. 13 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2309/93 zuwider.

24

Die Kommission, unterstützt durch Teva und Hospira, die dem sie jeweils betreffenden Verfahren vor dem Gericht bezüglich der generischen Kopie von Aclasta als Streithelferinnen beigetreten sind, rechtfertigte den Beschluss damit, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Aclasta, da sie nur neue Anwendungsgebiete des Wirkstoffs von Zometa betreffe, in der am 20. März 2001 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen von Zometa enthalten sei, die eine „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 sei, so dass Novartis für Aclasta kein unabhängiger Schutzzeitraum der Daten zugutegekommen sei.

25

In den Rn. 44 bis 46 der beiden angefochtenen Urteile hat das Gericht Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 geprüft und daraus abgeleitet, dass „die Zulassung für alle weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen eines ersten Arzneimittels in dessen umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen einbezogen ist“, so dass „die Erteilung der Zulassung für diese Entwicklungen nicht zu einer eigenständigen Regelung eines Schutzzeitraums der Daten [führt]“. Hierzu hat das Gericht unter Verweis auf die Urteile vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a. (C‑368/96, EU:C:1998:583), vom 29. April 2004, Novartis Pharmaceuticals (C‑106/01, EU:C:2004:245), sowie vom 9. Dezember 2004, Approved Prescription Services (C‑36/03, EU:C:2004:781), in Rn. 45 der angefochtenen Urteile hervorgehoben, dass die neuen therapeutischen Indikationen, die neuen Stärken, Dosierungen und Verabreichungswege sowie die neuen pharmazeutischen Formen eines ersten Arzneimittels unter den Begriff der „umfassenden Genehmigung“ fielen und somit für sie keine eigenständige Regelung eines Schutzzeitraums für Daten gelte.

26

In Rn. 47 der beiden angefochtenen Urteile hat das Gericht festgestellt, dass Aclasta denselben Wirkstoff enthalte wie Zometa und sich von diesem im Hinblick auf seine nicht onkologischen therapeutischen Indikationen und eine andere, diesen neuen Indikationen angepasste Stärke unterscheide. Diese neuen therapeutischen Indikationen stellten größere Änderungen des Typs II im Sinne der Verordnung Nr. 1085/2003 dar, und die Änderung einer Stärke oder die Hinzufügung einer neuen Stärke stelle im Hinblick auf Nr. 2 Ziff. iii des Anhangs II dieser Verordnung eine Erweiterung der Zulassung dar.

27

Das Gericht hat die Prüfung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 in Rn. 52 der beiden angefochtenen Urteile fortgesetzt und festgestellt, dass der Wortlaut dieser Bestimmung nicht unterscheide zwischen der Entwicklung eines Ursprungsarzneimittels, die auf der Grundlage der Änderung der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels genehmigt worden sei, und der Entwicklung eines Ursprungsarzneimittels, die auf der Grundlage der Erteilung einer gesonderten Zulassung und eines eigenen Namens genehmigt worden sei, wie im vorliegenden Fall. Daher müsse der Begriff „umfassende Genehmigung“ im Sinne dieser Bestimmung funktional ausgelegt werden und könne aus einem formalen Blickwinkel betrachtet mehrere gesonderte Zulassungen umfassen. So spiele es keine Rolle, dass weitere Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen eines Ursprungsarzneimittels oder Änderungen oder Erweiterungen zu einer Änderung der Erstzulassung oder zu einer anderen Zulassung unter einem anderen Namen geführt hätten. In beiden Fällen sei in Bezug auf den Schutzzeitraum der Daten von ein und derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen auszugehen.

28

Daher hat das Gericht in Rn. 53 der beiden angefochtenen Urteile die von Novartis befürwortete Auslegung des Begriffs „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 verworfen, wonach eine umfassende Genehmigung nur die Entwicklungen umfasse, die zu einer von der Verordnung Nr. 1085/2003 erfassten Änderung oder Erweiterung der Zulassung des Ursprungsarzneimittels führten, und nicht solche, die zur Erteilung einer gesonderten Zulassung für ein Arzneimittel, das einen anderen Namen trage, führten.

29

Des Weiteren hat das Gericht in den Rn. 54 bis 60 der beiden angefochtenen Urteile festgestellt, dass die Vorschriften der Union im Arzneimittelbereich, die zu dem Zeitpunkt anwendbar waren, als der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Aclasta gestellt wurde, nicht die Frage geregelt hätten, ob eine Entwicklung dieses Arzneimittels durch eine Änderung der Erstzulassung genehmigt werden müsse oder ob sie durch die Erteilung einer gesonderten Zulassung genehmigt werden könne. Erst infolge des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 726/2004 sei nämlich eine Beschränkung im Hinblick auf die Erteilung mehrerer Zulassungen eingeführt worden. Daher sei Novartis, als sie ihren Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Aclasta gestellt habe, berechtigt gewesen, zwischen der Stellung eines Antrags auf Änderung und Erweiterung der Zulassung von Zometa oder der Stellung eines Antrags auf gesonderte Zulassung eines Arzneimittels mit einem anderen Namen zu wählen, wie sie es aus geschäftlichen Gründen getan habe, wie der Inhalt ihres am 26. Februar 2001 an die EMA gerichteten Schreibens und des öffentlichen Beurteilungsberichts zu Aclasta belege. Die Marktstrategie eines Unternehmens dürfe jedoch keinen Einfluss auf den Schutzzeitraum der Daten für einen gegebenen Wirkstoff haben. Hierzu hat sich das Gericht auf Nr. 57 der Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Novartis Pharmaceuticals (C‑106/01, EU:C:2003:49, Nr. 57) bezogen, wonach – da andernfalls die Form über die Sache gestellt und es ermöglicht würde, unter Umgehung der sich aus dem Urteil vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a. (C‑368/96, EU:C:1998:583), ergebenden Rechtsprechung zusätzlichen Datenschutz zu erlangen – die Anwendung dieser Rechtsprechung nicht ausgeschlossen werden dürfe, wenn eine Variante eines Referenzarzneimittels, die nach diesem zugelassen worden sei, eine neue Bezeichnung erhalten habe. Wenn nämlich die Genehmigung einer in der Verbesserung eines Referenzarzneimittels bestehenden Änderung durch die Erteilung einer gesonderten Zulassung automatisch einen unabhängigen Schutzzeitraum für die Daten laufen ließe, könnte der Inhaber der Zulassung eines Referenzarzneimittels den dieses Arzneimittel betreffenden Schutzzeitraum der Daten unbegrenzt verlängern.

30

In den Rn. 62 bis 66 der beiden angefochtenen Urteile hat das Gericht ausgeführt, dass eine solche Möglichkeit den insoweit vom Gesetzgeber der Europäischen Union verfolgten Zielen, wie sie aus den Erwägungsgründen 9 und 10 der Richtlinie 2001/83 hervorgingen, nämlich den ausreichenden Schutz der von den innovativen pharmazeutischen Unternehmen unternommenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf der einen Seite mit dem Bestreben, überflüssige Versuche an Menschen und Tieren zu vermeiden, auf der anderen Seite in Einklang zu bringen, zuwiderlaufe. Diese Möglichkeit stehe außerdem im Widerspruch zum Begriff „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83, da das verfolgte Ziel darin bestehe, die Zeit und die Kosten zu sparen, die für die Sammlung der Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche erforderlich seien, und zu vermeiden, dass Versuche am Menschen oder am Tier wiederholt würden. Ferner sei es zwecklos, sich auf die Notwendigkeit zu berufen, die Investitionen zu schützen, die erforderlich sein könnten, um ein Ursprungsarzneimittel zu verbessern oder zu entwickeln, da der Unionsgesetzgeber diese Frage in Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 2001/83 und in Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 ausdrücklich geregelt habe, indem er im Fall der Erteilung einer Genehmigung für eine bedeutende Innovation während der ersten acht Jahre nach dem Erhalt der Zulassung ein zusätzliches Schutzjahr vorgesehen habe. Das Gericht führt hierzu beiläufig aus, dass dieser ergänzende Schutz keinen Sinn hätte, wenn es den Antragstellern durch den Erhalt einer gesonderten Zulassung für neue therapeutische Indikationen und eine neue Stärke eines Arzneimittels möglich wäre, von Amts wegen eine neue Regelung des Schutzzeitzaums der Daten ab Erhalt dieser gesonderten Zulassung zu erlangen.

31

Mit den angefochtenen Urteilen hat das Gericht die Klagen von Novartis insgesamt abgewiesen und ihr die Kosten auferlegt.

Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

32

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2016 sind die Rechtssachen C‑629/15 P und C‑630/15 P gemäß Art. 54 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

33

In beiden Rechtssachen beantragt Novartis,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

34

In beiden Rechtssachen beantragt die Kommission,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

Novartis die Kosten aufzuerlegen.

35

In der Rechtssache C‑629/15 P beantragt Teva,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

Novartis die Kosten aufzuerlegen.

36

In der Rechtssache C‑630/15 P beantragt Hospira,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

Novartis die Kosten aufzuerlegen.

Zu den Rechtsmitteln

37

Zur Stützung ihrer beiden Rechtsmittel macht Novartis im Wesentlichen zwei identische Rechtsmittelgründe geltend, und zwar erstens einen Verstoß gegen den Begriff „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 und zweitens eine unzureichende Begründung der Auslegung dieser Bestimmung.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

38

Novartis macht geltend, die angefochtenen Urteile verstießen gegen den Begriff „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83, da in ihnen entschieden worden sei, dass jede Genehmigung, die im Rahmen der Entwicklung in Form einer neuen therapeutischen Indikation oder einer neuen Stärke eines bestehenden Arzneimittels erteilt werde, in jedem Fall Teil der „umfassenden Genehmigung“ dieses Arzneimittels sei. Diese Bestimmung müsse dahin ausgelegt werden, dass eine solche Gleichstellung nur zustande komme, wenn die die Entwicklung dieses Arzneimittels betreffende Zulassung infolge eines Antrags erteilt worden sei, der ausdrücklich auf die Änderung der ursprünglichen Zulassung gerichtet sei, und nicht wenn diese Entwicklung Gegenstand einer gesonderten Zulassung gewesen sei, die im Rahmen des zentralisierten Verfahrens für ein Arzneimittel mit einem anderen Namen erteilt worden sei.

39

Mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft Novartis daher dem Gericht vor, ein weites Verständnis des Begriffs „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 zugrunde gelegt zu haben, indem es sich in Rn. 45 der angefochtenen Urteile fälschlicherweise auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere die Urteile vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a. (C‑368/96, EU:C:1998:583), vom 29. April 2004, Novartis Pharmaceuticals (C‑106/01, EU:C:2004:245), und vom 9. Dezember 2004, Approved Prescription Services (C‑36/03, EU:C:2004:781), gestützt habe. Mehrere Gründe sprächen dagegen, dass eine solche Auslegung aus dieser Rechtsprechung abgeleitet werden könne.

40

Erstens betreffe diese Rechtsprechung die Unionsregelung, die vorher in Kraft gewesen sei. Diese unterscheide sich jedoch in zweifacher Hinsicht von der auf die vorliegenden Rechtssachen anwendbaren Regelung. Zum einen habe sie die Frage des Schutzes der Daten unter Verweis auf ein einziges Kriterium geregelt, nämlich dass zwei Arzneimittel „sich im Wesentlichen gleichen“. Zum anderen habe die Unionsregelung, die zuvor in Kraft gewesen sei, nicht die Möglichkeit des Antragstellers beschränkt, für die Entwicklung eines bereits zugelassenen Arzneimittels eine neue Zulassung für dieses unter einem neuen Namen zu beantragen.

41

Zweitens habe der Unionsgesetzgeber, als er mit der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83 (ABl. 2004, L 136, S. 34) den Begriff „umfassende Genehmigung“ in Art. 6 der Richtlinie 2001/83 eingeführt habe, die Urteile vom 29. April 2004, Novartis Pharmaceuticals (C‑106/01, EU:C:2004:245), und vom 9. Dezember 2004, Approved Prescription Services (C‑36/03, EU:C:2004:781), zeitlich nicht berücksichtigen können.

42

Was drittens das Urteil vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a. (C‑368/96, EU:C:1998:583), betreffe, soweit in diesem entschieden worden sei, dass für die Entwicklung eines Arzneimittels, die in einer neuen therapeutischen Indikation bestehe, keine eigenständige Schutzfrist gelte, sei diese Auslegung nicht durch den Unionsgesetzgeber bestätigt worden, da Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 die neuen therapeutischen Indikationen nicht zu den Änderungen zähle, die in jedem Fall in den Rahmen der „umfassenden Genehmigung“ fielen.

43

Mit dem zweiten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft Novartis dem Gericht vor, insbesondere in den Rn. 47 und 56 der angefochtenen Urteile entschieden zu haben, dass unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Aclasta und Zometa denselben Wirkstoff enthielten, Aclasta als Änderung (des Typs II) von Zometa hätte zugelassen werden können, wodurch Aclasta in die umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen von Zometa einbezogen worden wäre. Somit umfasse der Begriff „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 jede Entwicklung, die als Änderung oder Erweiterung der Zulassung des Ursprungsarzneimittels zugelassen werden könne, unabhängig von der Tatsache, dass eine solche Entwicklung in Wirklichkeit zur Erteilung einer neuen Zulassung als neues Arzneimittel mit einem neuen Namen geführt habe.

44

Diese Auslegung stehe nicht mit dem Wortlaut dieser Bestimmung in Einklang. Als Zulassungen, die in die „umfassende Genehmigung“ einbezogen werden müssten, erfasse diese nämlich nur Zulassungen, die tatsächlich für eine von einer ersten Zulassung gedeckten Änderung der Stärke, der Darreichungsform, des Verabreichungswegs und der Verabreichungsform sowie für jede Änderung und Erweiterung erteilt worden seien, und nicht in einem viel weiteren Sinne Zulassungen, die auf der Grundlage dieser Bestimmung in diese umfassende Genehmigung hätten einbezogen werden können. Eine so weite Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 sei im Übrigen nicht mit dem Willen des Unionsgesetzgebers vereinbar, da er zwar allgemein darauf hinweise, dass die Zulassung „jeder Änderung oder Erweiterung“ eines von einer ersten Zulassung gedeckten Arzneimittels mit dieser zusammen Teil ein und derselben umfassenden Genehmigung sei, diese Bestimmung aber klarstelle, dass dies auch für eine Zulassung „aller weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen“ eines solchen Arzneimittels gelte. Wenn es in der Absicht des Unionsgesetzgebers gelegen hätte, dass allgemein alle Änderungen, die als Änderung oder Erweiterung eines von einer ersten Zulassung gedeckten Arzneimittels „hätten zugelassen werden können“, als in die umfassende Genehmigung eingeschlossen anzusehen seien, hätte er nicht darüber hinaus auf spezifische Änderungen Bezug genommen, da diese im Begriff „alle Änderungen und Erweiterungen“ enthalten gewesen wären.

45

Außerdem würde die Rechtssicherheit beeinträchtigt, wenn der tatsächliche Genehmigungsmodus durch die Änderung oder Erweiterung der Erstzulassung oder durch eine neue Zulassung mit einem anderen Namen für die Frage, was von dem Begriff „umfassende Genehmigung“ abgedeckt sei, nicht entscheidend wäre.

46

Schließlich wirft Novartis dem Gericht vor, nicht die Frage behandelt zu haben, ob seine Auslegung des Begriffs „umfassende Genehmigung“ einen angemessenen Ausgleich für die neuen und innovativen Forschungen der Pharmaunternehmen biete.

47

Mit dem dritten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes macht Novartis geltend, dass das Gericht in den Rn. 54 ff. der angefochtenen Urteile zu Unrecht entschieden habe, dass Novartis die Wahl gehabt habe, entweder eine Änderung der Zulassung von Zometa, die die neuen therapeutischen Indikationen abdecke, und eine Erweiterung für die neuen Stärken dieses Arzneimittels oder eine neue Zulassung mit einem neuen Handelsnamen zu beantragen.

48

Gemäß der Verordnung Nr. 1085/2003 wäre nämlich ein Antrag über eine neue therapeutische Indikation für den Wirkstoff von Zometa standardmäßig wie ein Antrag auf Änderung der Zulassung von Zometa behandelt worden, und selbst unter der Annahme, dass dieser Antrag zu einer Zulassung dieses Arzneimittels als Erweiterung der Erstzulassung geführt hätte, hätte der Name des Arzneimittels gemäß Anhang II Abs. 3 dieser Verordnung derselbe bleiben müssen, d. h. nicht Aclasta, sondern Zometa. Im vorliegenden Fall wäre Novartis, um eine neue Zulassung unter einem anderen Namen zu erhalten, gezwungen gewesen, ihren Antrag auf der Grundlage eines vollständigen Dossiers zu stellen und diesen einer Bewertung im Rahmen des zentralisierten Verfahrens unter Beachtung der von der in Kraft befindlichen Regelung aufgestellten Kriterien zu unterziehen. Dies habe vorliegend nur aufgrund der Tatsache der Fall sein können, dass die Entwicklung, die Aclasta darstelle, eine bedeutsame Innovation auf therapeutischem, wissenschaftlichem oder technischem Gebiet sei. Denn das zentralisierte Verfahren, sei es unter der Verordnung Nr. 2309/93 oder der Verordnung Nr. 726/2004, das auf die vorliegenden Rechtssachen anwendbar sei, erlaube es, für bestimmte Innovationen, die theoretisch als Änderung oder Erweiterung einer bestehenden Zulassung zugelassen werden könnten, eine gesonderte Zulassung als neues Arzneimittel mit einem neuen Namen zu erteilen. Die Behauptung des Gerichts, wonach die Unionsregelung nicht die Frage entscheide, wann die Entwicklung eines Arzneimittels durch die Änderung der bestehenden Zulassung oder durch eine gesonderte Zulassung zuzulassen sei, sei daher ungenau oder jedenfalls mangels Erläuterung unverständlich.

49

Mit dem vierten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes macht Novartis geltend, dass das Gericht in den Rn. 60 und 61 der angefochtenen Urteile seine Auslegung des Begriffs „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 zu Unrecht damit gerechtfertigt habe, dass, wenn eine für die Entwicklung eines Arzneimittels erteilte gesonderte Zulassung nicht als Teil einer „umfassenden Genehmigung“ zusammen mit der Ursprungszulassung dieses Arzneimittels betrachtet werde, der Schutzzeitraum der Daten für ein und dasselbe Arzneimittel im Widerspruch zu den Zielen der Regelung unbegrenzt verlängert werden könnte.

50

Die Möglichkeit, eine gesonderte Zulassung für ein Arzneimittel, das einen neuen Handelsnamen trage, zu erhalten, obwohl es sich in Wirklichkeit um die Entwicklung dieses zuvor zugelassenen Arzneimittels handele, bestehe nämlich nur in engen Grenzen und sei auf die außergewöhnlichen Fälle beschränkt, in denen die spezifischen Kriterien des zentralisierten Verfahrens erfüllt seien. Da es sich um eine gesonderte Zulassung handele, die für ein neues Arzneimittel und mit einem neuen Eintrag im Arzneimittelregister der Gemeinschaft erteilt worden sei, bestehe außerdem in diesem Fall ein unabhängiger Datenschutz, der demnach wirkungslos sei, was den Schutz der alle anderen Arzneimittel betreffenden Daten, im vorliegenden Fall der Schutz von Zometa für dessen therapeutische Indikationen, anbelange.

51

Nach Ansicht der Kommission sowie von Teva und Hospira ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

52

Der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes stützt sich auf die Rüge, dass das Gericht zu Unrecht eine weite Auslegung des Begriffs „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 auf der Grundlage einer im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Rechtsprechung herangezogen habe.

53

Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht in den Rn. 45 und 64 der angefochtenen Urteile gewiss auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur zuvor in Kraft befindlichen Regelung betreffend den Datenschutz von Arzneimitteln Bezug genommen hat. Gleichwohl hat sich das Gericht bei seiner Auslegung des Begriffs „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83, wie aus den Rn. 52 bis 67 der angefochtenen Urteile hervorgeht, auf eine eigene Analyse der Vorschriften, des Kontexts und des Systems bezüglich des Datenschutzes im Rahmen dieser Richtlinie gestützt.

54

Hinsichtlich der Relevanz der Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die das Gericht in den angefochtenen Urteilen Bezug genommen hat, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Rn. 36 des Urteils vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a. (C‑368/96, EU:C:1998:583), den Begriff der „im Wesentlichen gleichen“ Arzneispezialitäten im Rahmen der Richtlinie 65/65 definiert hat. Der Gerichtshof hat in Rn. 42 dieses Urteils entschieden, dass die Identität der therapeutischen Indikationen nicht zu den Kriterien gehört, die erfüllt sein müssen, damit zwei Arzneispezialitäten als im Wesentlichen gleich angesehen werden können. Diese Definition führte den Gerichtshof zur Schlussfolgerung in Rn. 43 dieses Urteils, dass ein Antragsteller im abgekürzten Verfahren nicht nur auf die für das Ursprungsarzneimittel vorgelegten Daten zurückgreifen kann, sondern auch auf die neueren Daten bezüglich der therapeutischen Indikationen dieses Ursprungsarzneimittels, die später entwickelt worden sind. Aus dieser Rechtsprechung geht hervor, dass die für die neuen therapeutischen Indikationen vorgelegten Daten keine selbständige Regelung des Schutzzeitraums der Daten eröffnen.

55

Hierzu ist zu bemerken, dass der Regelungskontext betreffend den Schutz der Daten der Referenzarzneimittel im Vergleich zu dem Kontext, in dem das Urteil vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a. (C‑368/96, EU:C:1998:583), ergangen ist, nicht grundlegend geändert worden ist. Dem Begriff „im Wesentlichen gleiches Arzneimittel“, der die Frage der Nutzung der Daten für einen Antrag auf Zulassung eines Generikums im Rahmen der Richtlinie 65/65 regelte, entsprechen nämlich nunmehr die Begriffe „Generikum“ und „Referenzarzneimittel“. Der Definition des Begriffs „Generikum“ in Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 übernimmt die drei Kriterien des Begriffs „im Wesentlichen gleiches Arzneimittel“, die der Gerichtshof in Rn. 36 dieses Urteils aufgestellt hatte.

56

Zudem wird gemäß dem im Rahmen der vorliegenden Rechtssache anwendbaren Art. 6 der Verordnung Nr. 1085/2003 die Hinzufügung neuer therapeutischer Indikationen als größere Änderung des Typs II betrachtet, die diese Entwicklung in die Erstzulassung einschließt und daher keinen unabhängigen Schutzzeitraum der Daten eröffnet. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber hinsichtlich des Schutzzeitraums der Daten für neue therapeutische Indikationen von der Auslegung des Gerichtshofs im Urteil vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a. (C‑368/96, EU:C:1998:583), keinen Abstand genommen hat.

57

Was die Relevanz der Urteile vom 29. April 2004, Novartis Pharmaceuticals (C‑106/01, EU:C:2004:245), und vom 9. Dezember 2004, Approved Prescription Services (C‑36/03, EU:C:2004:781), betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die in ihnen gefundene Lösung, nämlich dass die neue Stärke, der neue Verabreichungsweg und die neue Verabreichungsform keinem unabhängigen Schutzzeitraum der Daten unterliegen, mittlerweile in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 übernommen worden ist.

58

Aus dem Vorstehenden folgt, wie der Generalanwalt in Nr. 79 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass eine Kontinuität mit dem früheren Rechtszustand betreffend den Schutz der Daten der Referenzarzneimittel, wie er auch vom Gerichtshof entwickelt worden ist, besteht.

59

Folglich hat das Gericht nicht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es sich für die Auslegung des Begriffs „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 auf die in den Rn. 54 und 57 des vorliegenden Urteils genannten Urteile des Gerichtshofs bezogen hat, obwohl diese eine Regelung betreffen, die auf die vorliegenden Rechtssachen nicht mehr anwendbar ist.

60

Demnach ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

61

Hinsichtlich des zweiten und des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes, die zusammen zu prüfen sind, rügt Novartis die Tatsache, dass das Gericht entschieden habe, dass die Entwicklung eines Arzneimittels, die durch eine Änderung oder eine Erweiterung der Zulassung dieses Arzneimittels hätte genehmigt werden können, Teil ein und derselben „umfassenden Genehmigung“ unabhängig von der Tatsache sei, dass diese Entwicklung Gegenstand einer gesonderten Zulassung gewesen sei, bzw. die Erwägung des Gerichts, dass Novartis die Wahl zwischen einer Änderung der Zulassung des Ursprungsarzneimittels und einem Antrag auf gesonderte Zulassung gehabt habe.

62

Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 darf kein Arzneimittel in den Verkehr eines Mitgliedstaats gebracht werden, ohne dass von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß dieser Richtlinie erteilt wurde oder dass eine Genehmigung gemäß den Vorschriften der Verordnung Nr. 2309/93, die zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Aclasta in Kraft war, erteilt wurde.

63

Der Begriff „umfassende Genehmigung“ wird in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 genannt, der vorsieht: „Ist für ein Arzneimittel eine Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Unterabsatz 1 [dieses Abs. 1] erteilt worden, so müssen auch alle weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen gemäß Unterabsatz 1 [dieses Abs. 1] genehmigt oder in die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen einbezogen werden. Alle diese Genehmigungen für das Inverkehrbringen werden insbesondere für den Zweck der Anwendung des Artikels 10 Absatz 1 [dieser Richtlinie] als Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen angesehen.“

64

Wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verweist Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 auf Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie und verknüpft somit ausdrücklich den Begriff „umfassende Genehmigung“ mit der Regelung des Schutzzeitraums für die Daten der Referenzarzneimittel in diesem Art. 10 Abs. 1 unabhängig von der Tatsache, dass dieser Begriff verschiedene Entwicklungen des Ursprungsarzneimittels abdeckt, für die verschiedene Daten zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgelegt werden müssen.

65

Daraus ergibt sich, dass die „umfassende Genehmigung“ nur von einer einzigen Regelung des Schutzzeitraums der Daten begleitet wird, die sowohl für die Daten bezüglich des Ursprungsarzneimittels gilt als auch für die Daten, die für seine Entwicklungen, wie etwa die Stärke, die Darreichungsform, den Verabreichungsweg und die Verabreichungsform sowie die Änderung und Erweiterung vorgelegt werden. Dieser Zeitraum beginnt mit der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen für das Ursprungsarzneimittel.

66

Es ist festzustellen, dass die Wendung „alle Änderungen und Erweiterungen“ in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 tatsächlich eine „Änderung einer Zulassung“ oder eine „Erweiterung einer Zulassung“ im Sinne der Verordnung Nr. 1085/2003, die auf die vorliegenden Rechtssachen anwendbar ist, darstellen. Diese Änderungen laufen gerade darauf hinaus, die betreffenden Entwicklungen „in die Erstzulassung aufzunehmen“, und sind daher als Teil der „umfassenden Genehmigung“ zu betrachten.

67

Hierzu ist zu bemerken, dass Novartis nicht die Feststellung des Gerichts rügt, wonach Zometa und Aclasta sich durch neue therapeutische Indikationen und durch eine diesen neuen Indikationen angepasste unterschiedliche Stärke unterschieden.

68

Wie das Gericht ferner in Rn. 47 der angefochtenen Urteile entschieden hat, wird zum einen die Änderung der Stärke oder die Hinzufügung einer Stärke als eine „Erweiterung“ gemäß Nr. 2 Ziff. iii des Anhangs II der Verordnung Nr. 1085/2003 angesehen, und stellt zum anderen die Hinzufügung neuer therapeutischer Indikationen eine Änderung des Typs II im Sinne von Art. 6 dieser Verordnung dar.

69

Daraus folgt, dass Änderungen, die vom Inhaber einer Zulassung an der Stärke sowie an der therapeutischen Indikation eines Arzneimittels vorgenommen werden, „Änderungen“ im Sinne der Verordnung Nr. 1085/2003 darstellen, d. h. der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 genannten Entwicklungen dieses Arzneimittels, so dass, wie aus Rn. 65 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Erteilung der Zulassung für diese Entwicklungen nicht zu einer neuen Regelung des Schutzzeitraums der Daten führt.

70

Es trifft zwar zu, dass Novartis eine Zulassung für Aclasta nicht als Änderung des Arzneimittels Zometa nach der Verordnung Nr. 1085/2003 beantragt hat, sondern als neues Arzneimittel mit einem neuen Namen, das dementsprechend gesondert zugelassen wurde.

71

Gleichwohl unterscheidet, wie das Gericht in Rn. 52 der angefochtenen Urteile zutreffend ausgeführt hat, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 dadurch, dass er verlangt, dass „alle weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen gemäß Unterabsatz 1 genehmigt oder in die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen einbezogen werden [müssen]“, nicht zwischen Entwicklungen, die mittels des Erhalts einer gesonderten Zulassung genehmigt wurden, und den Entwicklungen des Ursprungsarzneimittels, die mittels Änderung einer Erstzulassung genehmigt wurden.

72

Daraus folgt, dass der Begriff „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 alle weiteren Entwicklungen des Ursprungsarzneimittels unabhängig von ihren Genehmigungsverfahren, und zwar mittels einer Änderung der Erstzulassung dieses Arzneimittels oder mittels einer gesonderten Zulassung, umfasst.

73

In diesem Kontext ist die Frage, ob Novartis die Möglichkeit hatte, zwischen diesen beiden Zulassungsverfahren für Aclasta frei zu wählen, nicht entscheidend.

74

Demnach hat das Gericht in Rn. 87 der angefochtenen Urteile zutreffend entschieden, dass die Entwicklung, die Aclasta im Vergleich zu Zometa darstellt, unter eine von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 erfasste Situation fällt, da Aclasta eine weitere Stärke und eine Änderung darstellt, die in therapeutischen Indikationen besteht, die im Verhältnis zu Zometa neu sind, und damit in dessen „umfassende Genehmigung“ für das Inverkehrbringen für die Zwecke der Regelung des Schutzzeitraums der Daten einbezogen werden muss.

75

Was das Vorbringen von Novartis betrifft, wonach es notwendig sei, innovative Forschungen bezüglich neuer Indikationen für ein bereits auf dem Markt befindliches Arzneimittel auszugleichen, ist festzustellen, dass der Gerichtshof in Rn. 52 des Urteils vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a. (C‑368/96, EU:C:1998:583), bereits entschieden hat, dass nach dem Stand des Unionsrechts, wie es zu diesem Zeitpunkt in Kraft war, kein besonderer Schutz bestand und es gegebenenfalls Sache des Unionsgesetzgebers ist, Maßnahmen zur Stärkung der Schutzregelung im Fall der Entwicklung neuer therapeutischer Indikationen für bereits zugelassene Arzneimittel zu ergreifen.

76

Wie der Generalanwalt jedoch in Nr. 69 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 2001/83 bereits die Reaktion des Unionsgesetzgebers auf diese Erwägungen des Gerichtshofs dar.

77

Diese Bestimmung stellt nämlich nunmehr klar, dass der zehnjährige Zeitraum des Marktexklusivitätsrechts, in dessen Genuss ein Referenzarzneimittel kommt, um ein Jahr verlängert wird, „wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden“.

78

Diese neue Bestimmung wird, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 65 und 66 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, in der Begründung des Vorschlags, der zum Erlass der Richtlinie 2004/27 geführt hat, mit der dieser Art. 10 in die Richtlinie 2001/83 eingefügt wurde, mit dem Willen erklärt, „die Forschung auf dem Gebiet neuer therapeutischer Indikationen zu fördern, die einen erheblichen klinischen Nutzen darstellen und zugleich eine Verbesserung des Wohlergehens und der Lebensqualität der Patienten mit sich bringen“, und gleichzeitig darauf zu achten, dass „das notwendige Gleichgewicht zwischen einer Förderung derartiger Innovationen und der Notwendigkeit einer Begünstigung der Produktion von Generika erhalten bleiben [muss]“. Diese Verlängerung des Zeitraums des Marktexklusivitätsrechts um ein Jahr stellt somit in den Augen des Unionsgesetzgebers den angemessenen Vorteil dar, um die Investitionen in neue therapeutische Indikationen auszugleichen.

79

Folglich sind der zweite und der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unbegründet.

80

Was den vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes betrifft, wirft Novartis dem Gericht vor, in den Rn. 60 und 61 der angefochtenen Urteile entschieden zu haben, dass ihre These erlauben würde, den das Ursprungsarzneimittel betreffenden Schutzzeitraum der Daten unbegrenzt zu verlängern.

81

Hierzu ist festzustellen, dass die Würdigung der tatsächlichen Konsequenzen, die sich aus der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 ergäben, wenn diese Bestimmung gemäß der von Novartis vertretenen These auszulegen sein sollte, für die Beurteilung, ob die vom Gericht in den angefochtenen Urteilen vertretene Auslegung rechtsfehlerhaft ist, irrelevant ist.

82

Daraus folgt, dass der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

83

Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund als teils unbegründet und teils ins Leere gehend zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

84

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht Novartis geltend, dass das Gericht zur Stützung seiner Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 keine „angemessene Begründung“ gegeben habe. Das Gericht habe nämlich keine konkrete Erklärung bezüglich der exakten Definition und des Anwendungsbereichs des Begriffs „umfassende Genehmigung“ abgegeben. Es habe sich darauf beschränkt, zu erklären, warum die Argumente zugunsten der von Novartis befürworteten Auslegung unbegründet seien. Eine solche Begründung sei jedoch unzureichend, weil sie nicht erlaube, die Unsicherheiten hinsichtlich des Anwendungsbereichs dieser „umfassenden Genehmigung“ auszuräumen.

85

Die Kommission und Teva beantragen, den zweiten Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

86

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verpflichtet die Pflicht zur Begründung der Urteile, die dem Gericht nach den Art. 36 und 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt, dieses nicht, bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erfahren, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen eines Rechtsmittels wahrnehmen kann (Urteil vom 8. März 2016, Griechenland/Kommission, C‑431/14 P, EU:C:2016:145, Rn. 38).

87

Novartis wirft dem Gericht jedoch nicht vor, es versäumt zu haben, auf ihr Vorbringen einzugehen, sondern sich darauf beschränkt zu haben, darauf zu antworten, so dass es daher den Begriff „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 nicht umfassend genug ausgelegt habe, um die Unsicherheiten hinsichtlich des Anwendungsbereichs dieses Begriffs auszuräumen.

88

Hierzu ist festzustellen, dass die Begründung des Gerichts, insbesondere in den Rn. 52 bis 67 der angefochtenen Urteile, den Beteiligten ermöglicht hat, die Gründe zu erfahren, auf die sich das Gericht gestützt hat, um ihre Argumente zu verwerfen, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel wahrnehmen kann.

89

Demnach ist der zweite Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

90

Damit ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

91

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

92

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

93

Da Novartis mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen der Kommission, von Teva und von Hospira die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Rechtsmittel in den Rechtssachen C‑629/15 P und C‑630/15 P werden zurückgewiesen.

 

2.

Die Novartis Europharm Ltd trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission, der Teva Pharma BV und der Hospira UK Ltd in den Rechtssachen C‑629/15 P und C‑630/15 P entstanden sind.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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