Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-389/16

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

13. Juli 2017 ( *1 )

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke MONTORSI F. & F. – Ältere nationale Wortmarke Casa Montorsi – Relativer Nichtigkeitsgrund – Verwechslungsgefahr – Art. 53 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Vereinbarung über Koexistenz von Marken – Tragweite – Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑389/16

Agricola italiana alimentare SpA (AIA) mit Sitz in San Martino Buon Albergo (Italien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Rizzo,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch L. Rampini als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Casa Montorsi Srl mit Sitz in Vignola (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Verea, K. Muraro und M. Balestriero,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 28. April 2016 (Sache R 1239/2014‑1) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Casa Montorsi und AIA,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins sowie der Richterin M. Kancheva und des Richters J. Passer (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 22. Juli 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 11. Oktober 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 13. Oktober 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keine der Hauptparteien innerhalb der Frist von drei Wochen, nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat, und des gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Am 12. Februar 2007 meldete die Montorsi Francesco & Figli SpA beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung (ersetzt durch die Verordnung Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1]) eine Unionsmarke an.

2

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen MONTORSI F. & F.

3

Die Marke wurde für folgende Waren in Klasse 29 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees); Konfitüren, Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und Fette“.

4

Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 38/2007 vom 30. Juli 2007 veröffentlicht. Die Eintragung dieser Marke erfolgte am 18. Januar 2008.

5

Am 28. Dezember 2010 beantragte die Streithelferin, die Casa Montorsi Srl, gemäß Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 für alle oben in Rn. 3 aufgeführten Waren die Nichtigerklärung der angegriffenen Marke.

6

Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde gestützt auf die am 24. Februar 1995 angemeldete, am 2. Juni 1998 unter der Nr. 751820 u. a. für „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und Fette“ der Klasse 29 eingetragene und danach erneuerte ältere italienische Wortmarke Casa Montorsi.

7

Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf den in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltenen Nichtigkeitsgrund des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr gestützt.

8

Während des Verwaltungsverfahrens wurde die angegriffene Marke auf die Negroni SpA, danach auf die Klägerin, die Agricola italiana alimentare SpA (AIA), übertragen.

9

Die Klägerin beantragte die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung mit der Begründung, dass dieser Antrag zu einer privatschriftlichen Urkunde in Widerspruch stehe, die sie zusammen mit der Streithelferin am 4. Mai 2000 unterzeichnet habe (im Folgenden: Vereinbarung) und aufgrund deren sie der Koexistenz ihrer jeweiligen Marken auf dem italienischen Markt zugestimmt und sich gegenseitig verpflichtet hätten, sich deren Benutzung nicht zu widersetzen. Ferner ersuchte die Klägerin um Nachweis der Benutzung der älteren Marke.

10

Am 20. März 2014, erklärte die Nichtigkeitsabteilung die angegriffene Marke in Bezug auf die Waren „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Eier“ für nichtig, bestätigte aber die Rechtsgültigkeit der Marke hinsichtlich der anderen von dieser Marke erfassten Waren, nämlich hinsichtlich der Waren „Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und Fette“ sowie hinsichtlich anderer Waren, die nicht in der Liste der von der angegriffenen Marke erfassten Waren erwähnt waren.

11

Insbesondere vertrat die Nichtigkeitsabteilung die Auffassung, dass die fragliche Vereinbarung der Zulässigkeit des Nichtigkeitsantrags der Streithelferin nicht entgegenstehe, da diese – inhaltlich hinsichtlich Gebiet und Dauer ungenaue – Vereinbarung nicht als ausdrückliche Zustimmung im Sinne von Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 angesehen werden könne. Was den von der Streithelferin geforderten Nachweis der Benutzung der älteren Marke anbelangt, war die Nichtigkeitsabteilung der Meinung, dass dieser Beweis zwar erbracht worden sei, jedoch nur hinsichtlich der Waren „Schinken, Salami und Wurstwaren“ der Untergruppe „Fleisch“. Was den Vergleich der Waren anbetrifft, stellte sie fest, dass von den Waren der angegriffenen Marke lediglich die Waren „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Eier“ mit jenen identisch oder ähnlich seien, für die die ältere Marke benutzt worden sei, nämlich jene, die zur Untergruppe „Fleisch“ gehörten. Bezüglich des Vergleichs der Zeichen führte sie aus, dass die angegriffene Marke einen mittleren Ähnlichkeitsgrad mit der älteren Marke aufweise, da diese zwei Marken denselben Familiennamen Montorsi enthielten. Schließlich gebe es in Anbetracht der Identität oder der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren und Marken hinsichtlich der von der angegriffenen Marke erfassten Waren „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Eier“ für die italienischen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr, weshalb diese Marke hinsichtlich dieser Waren für nichtig erklärt werden müsse.

12

Am 12. Mai 2014 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO Beschwerde ein, mit dem Ziel, die Eintragung der angegriffenen Marke für die Waren „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Eier“ aufrechtzuerhalten.

13

Mit Entscheidung vom 28. April 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

14

Die Beschwerdekammer wies zunächst darauf hin, dass die Klägerin vor ihr keiner der Würdigungen der Nichtigkeitsabteilung hinsichtlich des Nachweises der Benutzung der älteren Marke, der Ähnlichkeit der Zeichen und Waren und der Verwechslungsgefahr entgegengetreten sei. Das einzige in der Beschwerde vorgebrachte Argument habe sich auf die Vereinbarung gestützt, die nach Ansicht der Klägerin dem Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke wegen Verwechslungsgefahr entgegenstehe.

15

Die Beschwerdekammer stellte ferner fest, dass das EUIPO durch die Vereinbarung, die private Interessen regle, nicht gebunden sei, sondern vielmehr prüfen müsse, ob aus dieser Vereinbarung das Vorliegen einer „ausdrücklichen Zustimmung zur Eintragung“ im Sinne von Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 oder die Koexistenz der einander gegenüberstehenden Marken abgeleitet werden könne. Der Vereinbarung könne aber ein Nachweis einer solchen Zustimmung nicht entnommen werden. Sie fügte hinzu, dass, auch wenn der Teil der Vereinbarung berücksichtigt werde, in dem die Vertragsparteien „anerkennen, dass ihre jeweiligen Marken koexistieren können“, noch der Beweis zu erbringen sei, dass die Koexistenz vorliege, weil es aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise keine Verwechslungsgefahr gebe, wobei dieser Beweis die Darlegung der gleichzeitigen Benutzung der einander gegenüberstehenden Marken während eines hinreichend langen Zeitraums vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke erfordere. Dieser Nachweis einer gleichzeitigen Benutzung sei aber nicht erbracht worden, und es sei umso weniger nachgewiesen worden, dass diese gleichzeitige Benutzung keine Verwechslungsgefahr hervorrufe. Die Beschwerdekammer wies daher die Beschwerde zurück.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

16

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

17

Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

18

Die Klägerin macht zur Stützung ihrer Klage zwei Klagegründe geltend, nämlich erstens einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung und zweitens einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 3 dieser Verordnung.

19

Zunächst ist der zweite Klagegrund zu prüfen.

Zum zweiten Aufhebungsgrund: Verstoß gegen Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009

20

Die Klägerin macht geltend, es sei unbestreitbar, dass die Parteien der Vereinbarung der Koexistenz ihrer jeweiligen gegenwärtigen und künftigen Marken auf dem italienischen Markt zugestimmt hätten, weshalb die Streithelferin daran gehindert sei, die Nichtigkeit der angegriffenen Marke zu beantragen.

21

Sie trägt vor, die Streithelferin könne in keinem anderen Land der Europäischen Union als Italien gegen die Eintragung der angegriffenen Marke vorgehen, und auch in Italien könne sie der Eintragung dieser Marke nicht die Vereinbarung entgegenhalten.

22

Die Klägerin hält der Beschwerdekammer entgegen, sie habe nicht den „Grundsatz der Relativierung“ der Nichtigkeitsgründe berücksichtigt, die sich aus den älteren einander gegenüberstehenden Rechten ergäben. Die relativen Eintragungshindernisse schützten nur private Interessen. Während die Zustimmung des Inhabers eines älteren Rechts es nicht ermögliche, ein absolutes Eintragungshindernis zu überwinden, könne eine solche Zustimmung aber einem relativen Eintragungshindernis entgegengehalten werden. Daher betreffe der Konflikt zwischen zwei Marken gemäß der Rechtsprechung des Gerichts nur die einander gegenüberstehenden Unternehmen und nicht die Verbraucher.

23

Was insbesondere den Verstoß gegen Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 anbelangt, wendet sich die Klägerin zum Ersten gegen die Feststellung der Beschwerdekammer in Nr. 25 Satz 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung, wonach es, damit die Zustimmung zur Eintragung einer Marke erfolgen könne, erforderlich sei, das einzutragende Zeichen genau zu bestimmen, was aber vorliegend nicht der Fall sei.

24

Die Vereinbarung verweise eindeutig nicht auf die Marke MONTORSI im eigentlichen Sinn, sondern auf die gegenwärtigen oder zukünftigen Eintragungen oder Benutzungen des Begriffs „montorsi“ im Kontext eines Unterscheidungszeichens für Waren der Klasse 29. Eine restriktive Auslegung dieses Verweises ergebe keinen Sinn, da, als die Vereinbarung geschlossen worden sei, keine der Parteien dieser Vereinbarung Inhaber der Marke MONTORSI im engen Sinn gewesen sei. Daraus folgert die Klägerin, dass, anders als die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung festgestellt habe, die Parteien der Vereinbarung ausdrücklich der Eintragung und der Benutzung nicht nur der Marke MONTORSI im engen Sinn, sondern auch jedes Unterscheidungszeichens, das den Begriff „montorsi“ enthalte, wie es hinsichtlich der Marke MONTORSI F. & F. der Fall sei, zugestimmt hätten.

25

Zum Zweiten hält die Klägerin die Auslegung, die die Beschwerdekammer in den Nrn. 25 ff. der angefochtenen Entscheidung vorgenommen habe, wonach der Vereinbarung keine stillschweigende Zustimmung zur Eintragung der angegriffenen Marke als Unionsmarke entnommen werden könne, für übermäßig formalistisch. Zwar sei die Wirksamkeit der Vereinbarung auf das italienische Hoheitsgebiet beschränkt. Jedoch beinhalte im vorliegenden Fall die ausdrückliche Zustimmung hinsichtlich des italienischen Hoheitsgebiets notwendigerweise die Zustimmung zur Eintragung der angegriffenen Marke auf Unionsebene. Da die Streithelferin ihre Zustimmung zur Koexistenz der Marken auf dem italienischen Hoheitsgebiet gegeben habe, die zukünftige Eintragungen von Marken mit dem Begriff „montorsi“ einschließe, ergebe es keinen Sinn, gegenwärtig die Bedeutung dieser Vereinbarung hinsichtlich der angegriffenen Marke auf der Grundlage eines hypothetischen, gerade auf das italienische Hoheitsgebiet begrenzten Konflikts zu verneinen. Die Klägerin hätte nichts dagegen einwenden können, wenn die Streithelferin versucht hätte, die Eintragung der angegriffenen Marke auf der Grundlage älterer Rechte in Frankreich, Spanien oder anderen Unionsländern als Italien für nichtig erklären zu lassen.

26

Das EUIPO macht mit Unterstützung durch die Streithelferin geltend, das Vorbringen, wonach die Zustimmung der Streithelferin in der Vereinbarung dazu führe, dass es dieser unmöglich sei, ihre Rechte hinsichtlich der älteren Marke geltend zu machen, sei aufgrund der Fakten widerlegt. Zu Recht trage die Klägerin vor, dass im Fall von relativen Eintragungshindernissen der Inhaber des älteren Rechts nach seiner Wahl seine eigene Marke verteidigen oder dies unterlassen könne, und, wenn er sich für die Verteidigung entscheide, er dann ausschließlich in seinem eigenen Interesse handeln könne. Jedoch habe die Streithelferin im vorliegenden Fall nachweislich beschlossen, die ältere Marke zu verteidigen, da sie beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke gestellt habe. Der Umstand, dass die Streithelferin früher eine Vereinbarung unterzeichnet habe und den Anschein erwecke, dass sie ihre Verpflichtungen nicht wie in dieser schriftlichen Urkunde vorgesehen erfüllt habe, betreffe den privaten Bereich der Parteien der Vereinbarung, die im gegebenen Fall die Folgen jedes etwaigen Verstoßes vor den nationalen Zivilgerichten geltend machen könnten.

27

Das Argument, wonach die relativen Eintragungshindernisse nur private Interessen schützten, habe keinen Einfluss auf die Schlussfolgerung hinsichtlich einer ausdrücklichen Zustimmung im Sinne von Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung betreffe eine davon zu unterscheidende Frage, nämlich die Frage der Antragsbefugnis von Personen, die relative Eintragungshindernisse hinsichtlich der Eintragung einer Unionsmarke geltend machen wollten.

28

Was die Zuständigkeit des EUIPO anbelange, so müsse dieses die in Rede stehende Vereinbarung effektiv berücksichtigen, zum einen, um zu prüfen, ob in dieser Urkunde eine klare Zustimmung zur Eintragung der Marke im Sinne von Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 enthalten sei, und zum anderen, um zu bestimmen, ob die Voraussetzungen für eine Koexistenz der in Rede stehenden Marken auf dem Markt als maßgeblicher Umstand im Rahmen von Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 erfüllt seien.

29

Im Übrigen folge in keinem Fall aus der Vereinbarung, dass die Streithelferin ausdrücklich ihre Zustimmung zur Eintragung der angegriffenen Marke als Unionsmarke gegeben habe. Das EUIPO verweist darauf, dass Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 Ausnahmecharakter habe und restriktiv ausgelegt werden müsse. Um einer Zustimmung zur Eintragung der angegriffenen Marke zu entsprechen, müsse die Vereinbarung auf eine solche Zustimmung in klarer, offensichtlicher und ausdrücklicher Weise Bezug nehmen; dabei obliege die Beweispflicht der Person, die sich auf die Zustimmung berufe, wohingegen die andere Partei der Vereinbarung nicht verpflichtet sei, ihre Ablehnung zu beweisen.

30

Aus den in der angefochtenen Entscheidung eindeutig dargelegten Gründen enthalte die Vereinbarung keine klare und präzise Zustimmung zur Eintragung der angegriffenen Marke als Unionsmarke. Die Vereinbarung erscheine vage und unpräzise. Die territoriale Reichweite und der zeitliche Anwendungsbereich der Vereinbarung seien nicht ausdrücklich bestimmt. Insbesondere werde die Marke MONTORSI F. & F. in der Vereinbarung nicht zutreffend kenntlich gemacht. Denn zum Ersten sei sie in der schriftlichen Urkunde nicht erwähnt. Zum Zweiten werde der Ausdruck „Gemeinschafts-“ oder „europäisch“ an keiner Stelle der Vereinbarung verwendet, in der ausschließlich die italienischen Eintragungen und ein vor dem Tribunale di Modena (Gericht erster Instanz Modena, Italien) anhängiger Rechtsstreit erwähnt würden. Schließlich heißt es in Nr. 2 der Vereinbarung, dass „zwischen den Parteien Einigkeit besteht, dass die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt für Waren der internationalen Klasse 29 eingetragenen und/oder benutzten Unterscheidungszeichen einer jeden Partei koexistieren können“. Da die Eintragung der angegriffenen Marke am 18. Januar 2008 genehmigt worden sei, lasse sich auch aus diesem fundamentalen Element der Vereinbarung der Schluss ziehen, dass die angegriffene Marke nicht so beurteilt werden könne, dass sie zweifelsfrei Teil dieser Vereinbarung sei. Deshalb habe es vielmehr den Anschein, dass die Vereinbarung über die Koexistenz der Marken und ihre Eintragung ausschließlich die italienischen Eintragungen beträfen, wie es zutreffend in der angefochtenen Entscheidung festgestellt werde. Jedenfalls ist nach Auffassung des EUIPO der Umstand, dass die angefochtene Marke nicht klar in der Vereinbarung kenntlich gemacht worden sei, für sich genommen kein hinreichender Grund, um auszuschließen, dass die Streithelferin der Eintragung dieser Marke in der Union ausdrücklich zugestimmt habe.

31

Im Übrigen gebe es entgegen dem Vorbringen der Klägerin unter den Parteien der Vereinbarung einen Streit über die Auslegung bestimmter wesentlicher Punkte dieser Vereinbarung, insbesondere über die Frage, ob diese ausschließlich nationale Marken oder auch ausländische, internationale oder Unionsmarken betreffe.

32

Die unterschiedliche Auslegung der Vereinbarung finde ihre Bestätigung in dem Verhalten der Parteien vor dem EUIPO und den nationalen Gerichten. Diesem Verhalten liege kein klarer, kohärenter und sachlicher Ansatz zugrunde.

33

Im Ergebnis sei in der Vereinbarung keine „ausdrückliche Zustimmung“ der Streithelferin zur Eintragung der angegriffenen Marke zu sehen. Die Beschwerdekammer habe keinen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 begangen.

34

Die Streithelferin macht geltend, dass, wie dies im Übrigen auch in der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung und in der angefochtenen Entscheidung bestätigt werde, mögliche private Vereinbarungen zwischen den Parteien für das EUIPO in keinem Fall verbindlich seien. Hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage. Dies hänge auch mit dem Umstand zusammen, dass die Verträge nur eine relative Auswirkung zwischen den Parteien hätten und folglich unvereinbar seien mit der erga-omnes-Wirkung einer Beschwerdeentscheidung oder einer Nichtigkeitsentscheidung. Es gebe daher ein öffentliches Schutzinteresse. Die Beschwerdekammer habe somit zu Recht festgestellt, dass das EUIPO nicht an die Vereinbarung gebunden sei, dass sie aber prüfen müsse, ob es möglich sei, aus ihr das Vorliegen einer Zustimmung oder die Koexistenz von Marken abzuleiten.

35

Ferner macht die Streithelferin geltend, das Vorliegen einer Vereinbarung sei nicht nachgewiesen, zum einen in erster Linie aufgrund der ungenauen Formulierung der Vereinbarung, wie die Beschwerdekammer festgestellt habe, und zum anderen deshalb, weil die Beschwerde der Klägerin gegen den am 15. April 2008 eingereichten Antrag der Streithelferin auf Eintragung der Marke CASA MONTORSI als Unionsmarke unter der Nr. 6832125 damit keinen Sinn habe. Insoweit seien die Argumente der Klägerin nicht kohärent.

36

Jedenfalls sei die angegriffene Marke in der Vereinbarung nicht besonders erwähnt und, wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt werde, fänden auch die Ausdrücke „Gemeinschaftsmarke“, „gemeinschaftsrechtliche Eintragung“ oder „europäische Marke“ in der Vereinbarung keine Erwähnung. Es gebe weder eine stillschweigende Zustimmung noch könne eine solche vermutet werden. Es sei auch nicht die Beschwerdekammer, die „übermäßig formalistisch“ vorgehe. Die Klägerin wolle um jeden Preis die Vereinbarung in ihrem Sinne auslegen.

37

Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt insbesondere, dass „[d]ie [Unions]marke … auf Antrag beim Amt … für nichtig erklärt [wird], wenn eine in Artikel 8 Absatz 2 genannte ältere Marke besteht und die Voraussetzungen [von Absatz] 1 … des genannten Artikels erfüllt sind“.

38

Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 lautet: „Die [Unions]marke kann nicht für nichtig erklärt werden, wenn der Inhaber eines der in Absatz 1 oder 2 genannten Rechte der Eintragung der [Unions]marke vor der Stellung des Antrags auf Nichtigerklärung oder der Erhebung der Widerklage ausdrücklich zustimmt.“

39

Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 verlangt somit, dass der Inhaber eines älteren Rechts ausdrücklich seine Zustimmung zur Eintragung einer Unionsmarke gibt, um zu verhindern, dass ein Antrag auf Nichtigerklärung dieser Marke gestellt wird.

40

So hat das Gericht in einer Rechtssache, in der die Inhaberin angegriffener Marken vorgebracht hatte, die Antragstellerinnen, die wegen einer Verwechslungsgefahr einen Antrag auf Nichtigerklärung dieser Marken gestellt hatten, deren Eintragung im Rahmen insbesondere einer friedlichen Koexistenz und einer Koexistenzvereinbarung zugestimmt hätten, darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung des Rechtsinhabers ausdrücklichen Charakter haben müsse, wenn die Eintragung eines Zeichens, das zu einer Verwechslungsgefahr führen könne, zulässig sein solle. Das Gericht hat daraus zum einen gefolgert, dass die friedliche Koexistenz der Marken nicht als ausdrückliche Zustimmung im Sinne von Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 gelten könne. Zum anderen hat das Gericht hinsichtlich der Koexistenzvereinbarung festgestellt, dass diese nicht die angegriffenen Marken, sondern eine andere Marke zum Gegenstand habe, und sodann weiter ausgeführt, dass die Auslegung dieser Vereinbarung nicht zu einer Ausweitung ihres Anwendungsbereichs führen dürfe, wenn keine ausdrückliche Zustimmung der Parteien im Sinne von Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 vorliege. Das Gericht stellte fest, dass eine solche ausdrückliche Zustimmung nicht vorliege (Urteil vom 3. Juni 2015, Pensa Pharma/HABM – Ferring und Farmaceutisk Laboratorium Ferring [PENSA PHARMA und pensa], T‑544/12 und T‑546/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:355, Rn. 35, 37, 40, 49 und 51).

41

Im vorliegenden Fall wird im einleitenden Teil (Buchst. A bis C) der Vereinbarung auf einen Rechtsstreit zwischen den Parteien vor dem Tribunale di Modena (Gericht erster Instanz Modena) wegen der Benutzung des Begriffs „montorsi“ im Sektor getrocknetes Fleisch sowie auf Verhandlungen dieser Parteien zur Beilegung dieser Streitigkeit und zur Vermeidung künftiger Rechtsstreitigkeiten über diesen Begriff, was alle Waren der Klasse 29 angeht, hingewiesen. Dieser einleitende Teil der Vereinbarung erwähnt italienische Marken, die den Begriff „montorsi“ enthalten.

42

Nr. 2 Abs. 1 der Vereinbarung zufolge besteht „zwischen den Parteien Einigkeit, dass die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt für Waren der internationalen Klasse 29 (u. a. für Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten [Gelees]; Konfitüren, Kompotte, Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und Fette) eingetragenen und/oder benutzten Unterscheidungszeichen einer jeden Partei koexistieren können“. Nr. 2 Abs. 2 der Vereinbarung lautet: „Deshalb verzichten die Parteien für sich und ihre Rechtsnachfolger gegenseitig darauf, die jeweiligen Eintragungen dieser Zeichen als Marken anzugreifen und sich der Benutzung dieser Zeichen – sei es als Unternehmenskennzeichen, Marke, Kennzeichen oder in einer anderen atypischen Funktion – durch die andere Partei zu widersetzen.“ Im Übrigen bestimmt Nr. 3 der Vereinbarung: „Die Parteien verzichten auf jede Einwendung, die sie gegen die Benutzung des Unterscheidungszeichens MONTORSI, die bisher durch die andere Partei vorgenommen wurde, geltend machen könnten.“

43

Wie das EUIPO feststellt, werden in der Vereinbarung italienische Zeichen und Eintragungen und ein in Italien anhängiger Rechtsstreit erwähnt. Eine Bezugnahme auf die Union oder das Unionsrecht fehlt. Die Vereinbarung erwähnt den Begriff „montorsi“, aber nicht das im vorliegenden Fall in Rede stehende Wortzeichen MONTORSI F. & F. Im Übrigen betreffen die in der Vereinbarung erwähnte Koexistenz der Marken und der dort erwähnte Verzicht auf Einwendungen die „bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt“, d. h. bis zum 4. Mai 2000, eingetragenen und benutzten Zeichen. Schließlich verzichten die Parteien gemäß der Vereinbarung auf jede Einwendung, die sie hinsichtlich der Benutzung des „Unterscheidungszeichens MONTORSI durch die andere Partei bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ haben könnten.

44

Aufgrund dieser Erwägungen ist die Vereinbarung, wie die Beschwerdekammer und die Nichtigkeitsabteilung im Wesentlichen feststellten, offensichtlich auf die Zeichen beschränkt, die bis zu ihrem Abschluss und im italienischen Kontext eingetragen oder benutzt wurden. Wie die Beschwerdekammer zu Recht ausführt, deutet die Formulierung der Vereinbarung unzweifelhaft darauf hin, dass sich die Regelungen hinsichtlich der Koexistenz der Marken und ihrer Eintragung ausschließlich auf die italienischen Rechtstitel beziehen. In der Vereinbarung werden weder das im vorliegenden Fall in Rede stehende Zeichen MONTORSI F. & F. noch eine zukünftige Eintragung dieses Zeichens – und im Übrigen ebenso wenig irgendein Zeichen, das den Begriff „montorsi“ enthält – als Unionsmarke erwähnt.

45

In Anbetracht dieser Umstände, die zumindest erkennen lassen, dass die Vereinbarung keine Angaben zum Standpunkt der Parteien enthält, was die Frage der Eintragung von Marken mit dem Begriff „montorsi“ auf Unionsebene angeht, und angesichts dessen, dass die Zustimmung gemäß Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 ausdrücklich erfolgen muss, ist die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vereinbarung keine ausdrückliche Zustimmung der Streithelferin zur Eintragung des Zeichens MONTORSI F. & F. als Unionsmarke entnommen werden kann.

46

Diese Schlussfolgerung der Beschwerdekammer ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht übermäßig formalistisch. Sie lässt sich aus den Begriffen der Vereinbarung und den Anforderungen von Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 ableiten. Im Übrigen räumt die Klägerin selbst ein, dass die Wirksamkeit der Vereinbarung auf das italienische Hoheitsgebiet beschränkt ist. Wie die Streithelferin im Wesentlichen vorbringt, ist es die Klägerin, die versucht, der Vereinbarung eine Bedeutung zuzumessen, die über ihren Wortlaut hinausgeht.

47

Die Klägerin macht jedoch geltend, dieses Ergebnis sei unlogisch, da sie die angegriffene Marke überdies in jedem anderen Unionsland als Italien eintragen lassen könne, weil die Streithelferin in diesen Ländern aufgrund der Vereinbarung keine älteren Rechte besitze, ebenso wenig wie in Italien. Es sei auch sinnwidrig, die angegriffene, auf Unionsebene eingetragene Marke wegen einer ausschließlich in Italien geltend gemachten und festgestellten Verwechslungsgefahr für ungültig zu erklären, da die Streithelferin im Rahmen der Vereinbarung gerade darauf verzichtet habe, die Marke in Italien anzugreifen, und damit die etwaige Verwechslungsgefahr in Italien ausdrücklich auf sich genommen habe.

48

Diese Argumente der Klägerin können den Standpunkt der Beschwerdekammer nicht in Frage stellen.

49

Der Umstand, dass die Streithelferin es aus wirtschaftlichen, strategischen oder anderen in ihrer Sphäre liegenden Beweggründen vorgezogen hat, anstatt eine Auseinandersetzung mit der Klägerin zu suchen, sich mit dieser auf eine Koexistenz ihrer jeweiligen zum Zeitpunkt der Vereinbarung existierenden Zeichen und Marken in Italien zu einigen, erlaubt nicht den Schluss, dass die Streithelferin darauf verzichtet hat, sich gegen eine Unionsmarke zu wenden. Ein solches Übereinkommen beinhaltet nicht, dass das vertraglich im italienischen Kontext und in den Grenzen der Koexistenzvereinbarung übernommene etwaige Verwechslungsrisiko so zu deuten ist, dass diese Gefahr auch außerhalb dieses Kontexts und insbesondere für den Fall einer Unionsmarke hingenommen würde. Hinsichtlich einer solchen Marke, deren Tragweite und Wirkungen weiter sind als die einer nationalen Marke, ist die Streithelferin gerade wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Zustimmung zur Eintragung dieser Marke nach wie vor berechtigt, die Verwechslungsgefahr geltend zu machen.

50

Im Übrigen ist festzustellen, dass die Klägerin dieses Recht einerseits der Streithelferin abspricht, es aber andererseits selbst beansprucht. Denn wie sich aus den dem EUIPO vorliegenden Akten sowie den Feststellungen des EUIPO und der Streithelferin ergibt, hat die Klägerin, indem sie im vorliegenden Fall das Recht der Streithelferin leugnete, die Nichtigerklärung der angegriffenen Marke zu beantragen, nicht gezögert, einem Antrag der Streithelferin auf Eintragung des Zeichens CASA MONTORSI als Unionsmarke zu widersprechen. Jedoch lässt sich aus der Vereinbarung an keiner Stelle entnehmen, dass sie asymmetrische Verpflichtungen der Parteien vorsähe. Im Gegenteil sieht die Vereinbarung eine gegenseitige Zustimmung der Parteien zur Koexistenz ihrer jeweiligen, zum Zeitpunkt ihres Abschlusses bestehenden Zeichen und Marken vor.

51

Was sodann das Vorbringen anbelangt, wonach die relativen Eintragungshindernisse nur die privaten Interessen schützen und die Zustimmung des Inhabers eines älteren Rechts für das EUIPO bindende Wirkung hat, genügt der Hinweis, dass eine solche Zustimmung zur Eintragung der angegriffenen Marke im vorliegenden Fall jedenfalls nicht erfolgt ist.

52

Wie das EUIPO und die Streithelferin im Wesentlichen ausführen, betrifft das von der Klägerin zur Stützung dieses Vorbringens geltend gemachte Urteil im Übrigen nicht die Frage der Tragweite einer Vereinbarung über die Koexistenz von Marken gegenüber dem EUIPO. Dieses Urteil bezieht sich auf die davon zu unterscheidende und im vorliegenden Fall nicht relevante Frage, ob Personen ein absolutes oder relatives Eintragungshindernis hinsichtlich einer Unionsmarke geltend machen können (Urteil vom 8. Juli 2008, Lancôme/HABM – CMS Hasche Sigle [COLOR EDITION], T‑160/07, EU:T:2008:261, Rn. 20 bis 26).

53

Nach alledem ist der zweite Nichtigkeitsgrund unbegründet und zurückzuweisen.

Zum ersten Nichtigkeitsgrund: Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung

54

Die Klägerin macht geltend, die Einschätzung der Beschwerdekammer, wonach sie nicht nur die Zustimmung zur Koexistenz der Marken, sondern auch den Umstand hätte beweisen müssen, dass diese Koexistenz auf eine fehlende Verwechslungsgefahr zurückzuführen sei, sei irrig.

55

Art. 53 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 hätten nämlich nicht den Schutz der Verbraucherinteressen, sondern den Schutz der Interessen von Inhabern älterer Rechte zum Ziel. Das Vorliegen einer etwaigen Verwechslungsgefahr sei nicht relevant, da, wie es vorliegend der Fall sei, der Inhaber des älteren Rechts der Koexistenz von Marken in Italien ausdrücklich zugestimmt habe. Im Fall von relativen Eintragungshindernissen könne der Inhaber eines älteren Rechts nach seiner Wahl seine Marke verteidigen oder davon Abstand nehmen, wobei er, sofern er sich für die Verteidigung seiner Marke entscheide, allein in seinem eigenen Interesse handle. Der sich daraus für die Allgemeinheit möglicherweise ergebende Vorteil sei lediglich ein Nebeneffekt des Rechtsbehelfs des Inhabers.

56

Jedenfalls ändere der Erfolg des vorliegenden Rechtsbehelfs und damit des Fortbestehens der angegriffenen Marke für die Waren „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Eier“ nichts an den tatsächlichen Verhältnissen auf dem italienischen Markt, auf dem die ältere Marke und die italienische Marke MONTORSI F. & F. weiter koexistierten.

57

Das EUIPO und die Streithelferin treten der Auffassung der Klägerin entgegen.

58

Das EUIPO macht geltend, dass die Koexistenz zweier Marken auf dem Markt zwar möglicherweise die Verwechslungsgefahr zwischen diesen zwei Marken verringern könne, eine solche Möglichkeit jedoch nur dann in Betracht gezogen werden könne, wenn zumindest im Laufe des Verwaltungsverfahrens der Anmelder der Unionsmarke nachgewiesen habe, dass diese Koexistenz auf dem Fehlen einer Verwechslungsgefahr beruhe. Im Übrigen müsse die Koexistenz hinreichend lange bestehen, um einen Einfluss auf die Wahrnehmung des Verbrauchers zu haben.

59

Die Klägerin hätte daher nachweisen müssen, dass die maßgeblichen italienischen Verbraucher mit der gleichzeitigen Benutzung von Marken mit dem Begriff „montorsi“ konfrontiert gewesen seien und dass diese Benutzung nicht zu einer Verwechslungsgefahr geführt habe. Da nicht hinreichend nachgewiesen worden sei, dass die einander gegenüberstehenden Marken auf dem Markt koexistierten und dass diese Koexistenz auf dem Nichtvorliegen einer Verwechslung beruhe, könne die von der Klägerin geltend gemachte Koexistenz nicht als Umstand angesehen werden, der im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr berücksichtigt werden müsse.

60

Im Übrigen müssten bei der Prüfung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt werden, zu denen nicht nur die Koexistenz der in Rede stehenden Marken, sondern auch der Grad der Ähnlichkeit der Marken und Waren zählten.

61

Die Streithelferin macht geltend, die Erwägung der Klägerin, wonach das Verwechslungsrisiko keine relevante Frage sei, da es allein um den Schutz der privaten Interessen eines Markeninhabers gehe, beruhe auf einer irrigen Annahme, nämlich dass die relativen Eintragungshindernisse nicht dazu bestimmt seien, die Verbraucherinteressen zu schützen, sondern ausschließlich jene der Inhaber älterer Rechte.

62

Im Übrigen sei die Annahme einer Koexistenz von Marken normalerweise mit dem Vorliegen einer Verwechslungsgefahr in der Vorstellung der Verkehrskreise wegen der möglichen gegenseitigen Beeinflussung der Zeichen auf dem Markt verbunden, und es bestehe kein Zweifel daran, dass eine Koexistenzvereinbarung nicht das Ziel des Schutzes der Verbraucher beeinträchtigen dürfe, die keinem Verwechslungsrisiko ausgesetzt werden dürften.

63

Unabhängig von diesen Erwägungen sei anzumerken, dass der Antrag auf Nichtigerklärung im vorliegenden Fall gegen eine Unionsmarke gerichtet sei, die gegenüber einer nationalen Marke in jeder Hinsicht eine ausländische Marke sei und deren Rechtsgültigkeit sich auf alle Unionsländer erstrecke, und dass darüber hinaus eine nationale Marke wirksam einer Unionsmarke entgegenstehen könne. Das für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Hoheitsgebiet sei nicht Italien, sondern die Union. Keine „rechtliche Erwägung“ könne so unlogisch sein, dass sie die Annahme rechtfertigen würde, dass sich eine etwaige Zustimmung zur Eintragung hinsichtlich eines einzigen Landes als solche auch auf die 27 übrigen Mitgliedstaaten erstrecke.

64

Im Übrigen gehe der Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke auf den 12. Februar 2007 zurück, so dass eine mögliche Umwandlung dieser Marke in eine nationale italienische Marke gemäß Art. 112 der Verordnung Nr. 207/2009 jedenfalls nach der Vereinbarung erfolgt wäre. Daraus folge, dass die nationale Marke, die aus einer solchen Umwandlung entstünde, jedenfalls nicht mit den „bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt für Waren der internationalen Klasse 29 eingetragenen und/oder benutzten Unterscheidungszeichen einer jeden Partei“ (Nr. 2 der Vereinbarung) koexistieren könnte, da sie bei Unterzeichnung der Vereinbarung am 4. Mai 2000 nicht bestanden habe. Insoweit sei der Verweis der Klägerin auf die identische italienische Marke, die als nationale Marke unter der Nr. 1205683 eingetragen sei, bedeutungslos, da es sich hier um eine Marke handle, die am 22. November 2006 angemeldet und dann am 1. Juli 2009 eingetragen worden sei und die daher nicht zu den „bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt für Waren der internationalen Klasse 29 eingetragenen und/oder benutzten Unterscheidungszeichen einer jeden Partei“ gehöre.

65

Schließlich sei hervorzuheben, dass die Klägerin mit ihrer Erwägung, dass die Vereinbarung nur in Italien wirksam sei und der Antrag auf Nichtigerklärung nicht zulässig sei, da er auf einen älteren italienischen Rechtstitel gestützt sei, einräume, dass ihre außerhalb des nationalen Hoheitsgebiets angemeldeten oder eingetragenen Marken grundsätzlich von der Streithelferin frei angegriffen werden könnten, was zeige, dass das Problem nicht in der Wirksamkeit oder der Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung als solchem bestehe, d. h. als Anwendung des Grundsatzes des Schutzes eines öffentlichen Interesses, sondern allein in der möglichen Verletzung eines auf dem Vorliegen einer privaten Vereinbarung beruhenden privaten Interesses, für das das EUIPO nicht zuständig sein könne.

66

Bereits bei der Prüfung des zweiten Nichtigkeitsgrundes wurde festgestellt, dass die Vereinbarung keine ausdrückliche Zustimmung der Streithelferin zur Eintragung der angegriffenen Marke als Unionsmarke beinhaltet. Sodann wurde dargelegt, dass Art. 53 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 es der Klägerin nicht verwehrt, auf der Grundlage einer Verwechslungsgefahr die Nichtigerklärung der angegriffenen Marke zu beantragen. Die Klägerin macht daher mit dem vorliegenden Klagegrund vergebens neuerlich geltend, dass die Zustimmung zur Koexistenz der Marken in Italien der erfolgreichen Berufung auf eine Verwechslungsgefahr gegenüber der angegriffenen Marke entgegenstehe.

67

Darüber hinaus bringt die Klägerin vor, die Einschätzung der Beschwerdekammer, wonach sie, um dem Antrag auf Nichtigerklärung entgegenzutreten, nicht nur die Zustimmung zur Koexistenz der Marken, sondern auch den Umstand hätte beweisen müssen, dass diese Koexistenz auf eine fehlende Verwechslungsgefahr zurückzuführen sei, sei irrig.

68

Dieser Standpunkt der Klägerin kann nicht durchgreifen.

69

Zum Ersten ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer nicht die Feststellung getroffen hat, dass die Klägerin die Zustimmung zur Koexistenz der Marken beweisen müsse, sondern dass sie darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin die Koexistenz dieser Marken beweisen müsse.

70

Zum Zweiten ist anzumerken, dass gemäß der Rechtsprechung, auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass die Koexistenz von älteren Marken auf dem Markt möglicherweise die Gefahr einer Verwechslung von zwei einander gegenüberstehenden Marken verringern kann, dennoch davon auszugehen ist, dass eine solche Möglichkeit nur dann in Betracht gezogen werden kann, wenn im Laufe des Verfahrens vor dem EUIPO der Inhaber der angegriffenen Unionsmarke hinreichend nachgewiesen hat, dass diese Koexistenz auf einer aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise fehlenden Verwechslungsgefahr zwischen den von ihm geltend gemachten älteren Marken und der Marke, auf die der Antrag auf Nichtigerklärung gestützt wird, beruht, unter dem Vorbehalt, dass die in Rede stehenden älteren Marken und die einander gegenüberstehenden Marken identisch sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Mai 2005, Grupo Sada/HABM – Sadia [GRUPO SADA], T‑31/03, EU:T:2005:169, Rn. 86, vom 7. November 2007, NV Marly/HABM – Erdal [Top iX], T‑57/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:333, Rn. 97, vom 20. Januar 2010, Nokia/HABM – Medion [LIFE BLOG], T‑460/07, EU:T:2010:18, Rn. 68, und vom 10. April 2013, Höganäs/HABM – Haynes [ASTALOY], T‑505/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:160, Rn. 48).

71

Die Beschwerdekammer hat somit zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Klägerin, um einem auf eine Verwechslungsgefahr gestützten Antrag auf Nichtigerklärung entgegenzutreten – was sie nicht getan hat –, nicht nur die Koexistenz der Marken, sondern auch den Umstand hätte beweisen müssen, dass diese Koexistenz auf das Fehlen einer Verwechslungsgefahr zurückzuführen war, und zwar durch Beibringung von Beweiselementen wie Ergebnissen von Meinungsumfragen, Erklärungen von Verbraucherverbänden oder anderen Beweismitteln.

72

Der vorliegende Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

73

Da keiner ihrer Klagegründe begründet ist, ist die vorliegende Klage abzuweisen.

Kosten

74

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

75

Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Agricola italiana alimentare SpA (AIA) trägt die Kosten.

 

Collins

Kancheva

Passer

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juli 2017.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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Referenzen

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