Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-471/16

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

26. Juli 2017(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Bildmarke mit dem Wortbestandteil ‚Meissen‘ – Zurückweisung des Widerspruchs – Erstmals vorgelegte Beweise – Verfälschung – Ernsthafte Benutzung der älteren Marken – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 7 Abs. 3 – Art. 8 Abs. 5 – Gedankliche Verknüpfung zwischen den zu vergleichenden Marken“

In der Rechtssache C‑471/16 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. August 2016,

Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH mit Sitz in Meißen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte O. Spuhler und M. Geitz,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

Meissen Keramik GmbH mit Sitz in Meißen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Vohwinkel und K. Gennen,

Streithelferin im ersten Rechtszug,


erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez‑Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH (im Folgenden: SPM Meissen) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juni 2016, Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen/EUIPO – Meissen Keramik (MEISSEN) (T‑789/14, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2016:349), mit dem ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 29. September 2014 (verbundene Sachen R 1182/2013‑4 und R 1245/2013‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen SPM Meissen und der Meissen Keramik GmbH (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen wurde.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 30. September 2010 meldete die Meissen Keramik GmbH (im Folgenden: Meissen Keramik) nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) beim EUIPO eine Unionsmarke an.

3        Dabei handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

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4        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 11, 19 und 20 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 11: „Sanitäre Anlagen; Sanitärkeramik; WCs, Urinale, Waschbecken; Duschwannen, Badewannen, Duschkabinen, Trennwände, Schamwände, Duschtüren; Armaturen“;

–        Klasse 19: „Baumaterialien (nicht aus Metall); Bauelemente (nicht aus Metall); Wand- und Bodenfliesen aus Keramik, Mosaiken für Bauzwecke, baukeramische Produkte“;

–        Klasse 20: „Möbel; Spiegel; Badmöbel; Badspiegel“.

5        Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 223/2010 vom 26. November 2010 veröffentlicht.

6        Am 25. Februar 2011 erhob SPM Meissen nach Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 4 genannten Waren Widerspruch.

7        Der Widerspruch war auf folgende ältere Marken gestützt:

–        die älteren Unionswortmarken Meissen und Meissener Porzellan, eingetragen am 16. Juni 2006 unter den Nrn. 3743663 bzw. 3743689 für folgende Waren der Klassen 11, 14 und 21:

–        Klasse 11: „Waren aus Porzellan, nämlich Toilettengarnituren, Lampenvasen und Lampenfüße“;

–        Klasse 14: „Uhrengehäuse; Broscheblättchen; Ringsteine; Münzen; Plaketten“;

–        Klasse 21: „Geräte und Behälter für den Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Waren aus Porzellan, Ton, Glas, insbesondere Tafel-, Kaffee-, Tee-, Mokka-, Likör- und Konfektservice; Kunstporzellan, insbesondere Vasen, Dosen, Wandteller, Dessertschalen, Körbe, Figuren, Leuchter“;

–        die am 16. März 2009 unter der Nr. 30 2008 076 025 u. a. für folgende Waren der Klassen 19, 21 und 24 eingetragene ältere deutsche Wortmarke Haus Meissen:

–        Klasse 19: „Fliesen, nicht aus Metall; Baustoffe, nicht aus Metall“;

–        Klasse 21: „Kaffee-, Tee-, Mokka- und Speiseservice sowie Figuren aus Porzellan, Plastiken aus Porzellan und Feinsteinzeug; Geschenkartikel aus Porzellan, Glas und Feinsteinzeug, soweit in Klasse 21 enthalten; Vasen, Schalen, Dosen, Trinkgläser, auch aus Glas; Wandplatten und Wandbilder aus Porzellan und Keramik, ausgenommen für Bauzwecke; Haushalts- und Küchengeräte aus Porzellan, Glas, Keramik, Edelmetallen; Kunstgegenstände aus Porzellan, Ton oder Glas; Kochgeräte, nicht elektrisch“;

–        Klasse 24: „Textilstoffe; Textilhandtücher; Tischwäsche, nicht aus Papier; Bettwäsche“;

–        folgende ältere deutsche Wort-Bildmarke, eingetragen am 5. Oktober 1976 unter der Nr. 949 873 für Waren der Klassen 11, 14, 19, 20, 21 und 34, und zwar „Porzellanprodukte aller Art, nämlich: Tafel-, Kaffee-, Tee- und Mokkaservice, Likörservice, Ascher; Zierporzellane, nämlich: Lampenvasen, Lampenfüße, Vasen, Dosen, Wandteller, Dessertschalen, Körbe, Broscheplättchen; Kunstporzellane, nämlich: Figuren, Leuchter, Uhrgehäuse, Spiegelrahmen, Wand- und Tischplatten, Plaketten“:

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–        die am 2. Dezember 1992 unter der Nr. 2 025 676 für folgende Waren der Klassen 11, 14, 15, 16, 20, 21, 28 und 34 eingetragene ältere deutsche Wortmarke Meissener Porzellan: „Porzellanprodukte, nämlich Tafel-, Kaffee-, Tee- und Mokkaservice, Likör- und Rauchservice, Haushaltsgegenstände, Konfektservice, Konfektblätter- und schalen, Gedecke mit Ausnahme von Besteck, Toilettengarnituren, Schreibzeuge, Ascher; Zierporzellane, nämlich Lampenvasen, Lampenfüße, Vasen, Dosen, Wandteller, Dessertschalen, Körbe, Broscheblättchen, Ringsteine; Kunstporzellan, nämlich Figuren, Leuchter, Uhrgehäuse, Spiegelrahmen, Schachgarnituren, Lithoponien, Wand- und Tischplatten, Glocken und Glockenspiele, Münzen und Plaketten“;

–        die am 18. April 2005 unter der Nr. 399 64 330 für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 21 und 37 eingetragene ältere deutsche Wortmarke Meissen:

–        Klasse 21: „Waren aus Porzellan, soweit in Kl. 21 enthalten“;

–        Klasse 37: „Instandhaltung, Reparatur, Wartung, Pflege, Reinigung und Restauration von Porzellanwaren“.

8        Der Widerspruch wurde zum einen, für die älteren Unionsmarken, die älteren deutschen Wortmarken Haus Meissen und Meissener Porzellan sowie die ältere deutsche Wort-Bildmarke Meissen, auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt und zum anderen, für die ältere deutsche Wortmarke Meissen, auf Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung.

9        Am 23. Januar 2012 forderte Meissen Keramik SPM Meissen auf, die ernsthafte Benutzung ihrer älteren deutschen Wort-Bildmarke Meissen sowie ihrer älteren deutschen Wortmarken Meissener Porzellan und Meissen nachzuweisen. Am 13. Juni 2012 kam SPM Meissen dieser Aufforderung nach und reichte Dokumente ein, die die ernsthafte Benutzung dieser älteren Marken belegen sollten.

10      Mit Entscheidung vom 2. Mai 2013 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch teilweise statt und wies die Markenanmeldung für die Waren der Klassen 11 und 19 zurück. Für die Waren der Klasse 20 wies sie den Widerspruch dagegen zurück.

11      Meissen Keramik und SPM Meissen legten am 24. Juni und am 3. Juli 2013 beim EUIPO gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde ein. Diese Beschwerden wurden gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (ABl. 1996, L 28, S. 11) in geänderter Fassung zur gemeinsamen Behandlung und Entscheidung verbunden.

12      Mit Entscheidung vom 29. September 2014 hob die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf, soweit diese dem Widerspruch im Hinblick auf die Waren der Klassen 11 und 19 stattgegeben hatte. Die Beschwerdekammer stellte insbesondere fest, dass zwischen der angemeldeten Marke einerseits und den älteren Unionsmarken, den älteren deutschen Wortmarken Haus Meissen und Meissener Porzellan sowie der älteren deutschen Wort-Bildmarke Meissen andererseits keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bestehe.

13      In Bezug auf den auf Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützten Widerspruchsgrund habe SPM Meissen weder einen Zusammenhang zwischen den betreffenden Marken noch die Gefahr einer unlauteren Ausnutzung oder einer Beeinträchtigung der Wertschätzung ihrer älteren deutschen Wortmarke Meissen nachweisen können.

14      Was die ernsthafte Benutzung der älteren deutschen Wort-Bildmarke Meissen sowie der älteren deutschen Wortmarken Meissener Porzellan und Meissen angehe, habe SPM Meissen die ernsthafte Benutzung der älteren deutschen Wort-Bildmarke Meissen sowie der älteren deutschen Wortmarke Meissener Porzellan nur für bestimmte von diesen Marken erfasste Waren nachweisen können.

15      Hinsichtlich der älteren deutschen Wortmarke Meissen erkannte die Beschwerdekammer, ohne deren ernsthafte Benutzung zu prüfen, zugunsten von SPM Meissen eine Bekanntheit der Marke für Porzellanwaren im Bereich der Tafel-, Kaffee- und Teeservices und der Porzellanfiguren an.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

16      Mit Klageschrift, die am 28. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob SPM Meissen Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung.

17      Sie stützte ihre Klage auf drei Klagegründe, mit denen sie die Verletzung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, von deren Art. 8 Abs. 5 und von Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung in Verbindung mit deren Art. 15 Abs. 1 rügte.

18      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

 Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

19      SPM Meissen beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben und die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

20      Das EUIPO und Meissen Keramik beantragen,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        SPM Meissen die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

 Zum ersten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

21      SPM Meissen rügt einen Verstoß gegen den in Art. 6 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz eines fairen Verfahrens. Das Gericht habe die Dokumente K.10 bis K.15 nicht berücksichtigt, die keine neuen Sachverhaltselemente seien, sondern lediglich den bisherigen Sach- und Rechtsvortrag ergänzt hätten, der sich auf den sowohl vor der Widerspruchsabteilung als auch vor der Beschwerdekammer des EUIPO bereits streitbefangenen Sachverhalt bezogen habe.

22      Bei der Begründung des angefochtenen Urteils habe das Gericht lediglich eine „Standardformel“ aus einem anderen Urteil übernommen, die auf den vorliegenden Fall offensichtlich nicht zutreffe.

23      Das EUIPO und Meissen Keramik treten dem Vorbringen von SPM Meissen entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

24      Zunächst ist den Ausführungen des Gerichts in Rn. 16 des angefochtenen Urteils beizupflichten, dass eine Klage vor dem Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009 gerichtet ist (Beschluss vom 3. März 2016, AgriCapital/HABM, C‑440/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:144, Rn. 22).

25      Daraus folgt, dass das Gericht den Sachverhalt nicht im Licht erstmals ihm vorgelegter Nachweise neu prüfen kann. Denn die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung einer Beschwerdekammer des EUIPO ist anhand der Informationen zu beurteilen, die der Beschwerdekammer zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zur Verfügung standen (Beschluss vom 3. März 2016, AgriCapital/HABM, C‑440/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:144, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 16 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die fraglichen Unterlagen neu sind. SPM Meissen bestreitet nicht, dass diese Unterlagen erstmals dem Gericht vorgelegt wurden, sondern macht nur geltend, dass sie die zuvor vorgelegten Beweise „lediglich ergänz[en]“.

27      Dieses Argument ändert nichts daran, dass der Beschwerdekammer die in diesen Unterlagen enthaltenen Informationen nicht zur Verfügung standen. Daher hat das Gericht es zu Recht abgelehnt, sie bei der Beurteilung der Gültigkeit der streitigen Entscheidung heranzuziehen.

28      Zum gerügten Verstoß gegen die Begründungspflicht des Gerichts ist darauf hinzuweisen, dass die dem Gericht obliegende Begründungspflicht es nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, die von ihm angestellten Überlegungen klar und eindeutig mitzuteilen, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Beschluss vom 26. Oktober 2015, Popp und Zech/HABM, C‑17/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:728, Rn. 26).

29      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 14 und 16 des angefochtenen Urteils umfassend und detailliert dargelegt, warum es zu der Auffassung gelangt ist, dass alle von SPM Meissen präsentierten Unterlagen erstmals ihm vorgelegt worden waren und dass es sie bei seiner Prüfung der Gültigkeit der streitigen Entscheidung nicht berücksichtigen konnte.

30      Der Umstand, dass das Gericht diese Feststellung mittels einer in der Rechtsprechung wiederholt anzutreffenden Formulierung begründet hat, ändert nichts daran, dass die Begründung hinreichend und angemessen ist.

31      Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

32      SPM Meissen macht geltend, das Gericht habe Sachverhaltsangaben zur ernsthaften Benutzung der älteren deutschen Marken Meissen und Meissener Porzellan verfälscht. Durch seine Feststellung in Rn. 28 des angefochtenen Urteils, dass die zum Nachweis der Benutzung der fraglichen Marken dienenden Unterlagen keine Hinweise auf deren Benutzung für Wand- und Tischplatten, Lampenvasen und Lampenfüße enthielten, habe es Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 verletzt. Ein „einfacher Blick“ in die in der Akte des Gerichts enthaltenen Unterlagen genüge, um zu erkennen, dass Wandplatten, Tischplatten, Lampenvasen und Lampenfüße darin aufgeführt seien.

33      Das EUIPO und Meissen Keramik treten dem Vorbringen von SPM Meissen entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

34      Aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs geht hervor, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Behauptet ein Rechtsmittelführer, das Gericht habe Beweise verfälscht, muss er also genau angeben, welche Beweise es verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht im Rahmen seiner Würdigung zu dieser Verfälschung veranlasst haben sollen (Urteil vom 16. Februar 2017, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission, C‑90/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:123, Rn. 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Ein bloßer Verweis auf den Akteninhalt erfüllt die in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Anforderungen nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2017, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission, C‑90/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:123, Rn. 51).

36      Im vorliegenden Fall kann der Kritik von SPM Meissen, wonach das Gericht die Angaben in den Unterlagen, die vorgelegt worden seien, um die ernsthafte Benutzung der älteren deutschen Marken Meissen und Meissener Porzellan für Wandplatten, Tischplatten, Lampenvasen und Lampenfüße zu belegen, offensichtlich falsch beurteilt habe, keinen Erfolg haben, weil sich SPM Meissen gerade darauf beschränkt, auf den Akteninhalt zu verweisen, ohne darzulegen, welche Fehler dem Gericht bei seiner Beurteilung der ernsthaften Benutzung der genannten Marken in den Rn. 27 bis 32 des angefochtenen Urteils unterlaufen sein sollen.

37      Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum dritten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

38      SPM Meissen macht geltend, das Gericht habe die Marke Meissen zu Unrecht als beschreibende geografische Herkunftsangabe eingestuft. Das EUIPO habe diese Marke nämlich gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgrund ihrer infolge Benutzung erlangten Unterscheidungskraft eingetragen. Das Gericht hätte folglich vom Vorliegen einer Unterscheidungskraft der Widerspruchsmarke ausgehen müssen, so dass SPM Meissen nicht verpflichtet sei, die Schutzbedürftigkeit ihrer bereits eingetragenen Marke erneut zu belegen. Demnach habe das Gericht der Marke Meissen dadurch, dass es sie zu Unrecht als beschreibende geografische Herkunftsangabe eingestuft habe, den sich aus dieser Vorschrift ergebenden Schutz entzogen.

39      Da das EUIPO durch die Eintragung der Wortmarke Meissen gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 davon ausgegangen sei, dass sie ein betrieblicher Herkunftshinweis sei, gelte diese Beurteilung im Übrigen auch für den Bestandteil „Meissen“ der älteren deutschen Wortmarke „Haus Meissen“.

40      Das EUIPO und Meissen Keramik vertreten die Auffassung, der dritte Rechtsmittelgrund sei als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

41      Wie das Gericht in Rn. 67 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, setzt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 eine Verwechslungsgefahr u. a. die Identität oder Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen voraus (Beschluss vom 9. März 2007, Alecansan/HABM, C‑196/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:159, Rn. 24).

42      Nach einer eingehenden Prüfung der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Zeichenvergleich die ältere Unionswortmarke Meissen nicht zu berücksichtigen sei. Aufgrund dieser reinen Tatsachenwürdigung hat das Gericht in Rn. 68 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass nur die ältere deutsche Wortmarke Haus Meissen mit der angemeldeten Marke verglichen werden könne.

43      In Rn. 79 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass der Bestandteil „Meissen“ der älteren deutschen Wortmarke Haus Meissen gewissen beschreibenden Charakter habe, der ihre Unterscheidungskraft schwäche.

44      Da das Gericht festgestellt hat, dass die Unionswortmarke Meissen wegen der fehlenden Ähnlichkeit der fraglichen Waren nicht zu berücksichtigen sei, kann sich SPM Meissen zum Nachweis dafür, dass der Wortbestandteil „Meissen“ der Marke Haus Meissen einen gewissen Grad an Unterscheidungskraft aufweise, nicht auf den durch diese Marke gewährten Schutz stützen.

45      Der dritte Rechtsmittelgrund beruht somit auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils und insbesondere seiner Rn. 66 bis 68 und 79.

46      Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

47      SPM Meissen wirft dem Gericht vor, es habe zu Unrecht angenommen, dass die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 eine Ähnlichkeit der erfassten Waren voraussetze. Der in Rn. 134 des angefochtenen Urteils genannte Grund, wonach die von den zu vergleichenden Marken erfassten Waren „dermaßen unähnlich“ seien, dass die maßgeblichen Verkehrskreise keine Verbindung zwischen den Marken herstellen könnten, treffe daher nicht zu. Zudem stünden die Rn. 49 und 50 des Urteils vom 27. November 2008, Intel Corporation (C‑252/07, EU:C:2008:655), und der Wortlaut von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 dem entgegen, dass eine die Wertschätzung und die Unterscheidungskraft einer älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzende oder beeinträchtigende Benutzung der angemeldeten Marke allein deshalb verneint werde, weil die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren nicht ähnlich seien.

48      Im Übrigen seien die vom Gericht für die Zwecke des Vergleichs der einander gegenüberstehenden Marken herangezogenen Waren insofern nicht maßgebend, als weder „Feinporzellan“ noch „Dekorationsgegenstände“ oder „Luxusporzellanwaren“ begrifflich von den älteren Marken erfasst würden. Maßgebend sei insoweit allein das Markenregister, in dem diese Begriffe nicht aufgeführt seien. Unter diesen Umständen beziehe sich der Bekanntheitsschutz der älteren Marke Meissen auf Porzellanwaren im Allgemeinen.

49      Das EUIPO und Meissen Keramik vertreten die Ansicht, der vierte Rechtsmittelgrund sei als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

50      Nach ständiger Rechtsprechung sind die in Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Beeinträchtigungen, wenn sie auftreten, die Folge eines bestimmten Grades der Ähnlichkeit zwischen der älteren und der jüngeren Marke, aufgrund dessen die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen den beiden Marken sehen, d. h. sie gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. März 2009, Antartica/HABM, C‑320/07 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:146, Rn. 43).

51      Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die Identität zweier Marken und erst recht ihre bloße Ähnlichkeit nicht ausreicht, um auf eine gedankliche Verknüpfung zwischen diesen Marken zu schließen (Urteil vom 27. November 2008, Intel Corporation, C‑252/07, EU:C:2008:655, Rn. 45).

52      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer solchen gedanklichen Verknüpfung umfassend unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der Waren und Dienstleistungen, für die die einander gegenüberstehenden Marken jeweils eingetragen sind, einschließlich des Grades der Nähe oder der Unähnlichkeit dieser Waren und Dienstleistungen, sowie die betreffenden Verkehrskreise, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, der Grad der ihr innewohnenden oder von ihr durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft und das Bestehen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. März 2009, Antartica/HABM, C‑320/07 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:146, Rn. 45).

53      Im Übrigen können, wie das Gericht in Rn. 133 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt hat, selbst dann, wenn die von den Waren und Dienstleistungen, für die die einander gegenüberstehenden Marken jeweils eingetragen sind, angesprochenen Verkehrskreise dieselben sind oder sich in gewissem Umfang überschneiden, diese Waren oder Dienstleistungen so unähnlich sein, dass die jüngere Marke den maßgeblichen Verkehrskreisen die ältere Marke nicht in Erinnerung zu rufen vermag. Daher ist die Art der Waren oder Dienstleistungen, für die die einander gegenüberstehenden Marken jeweils eingetragen worden sind, bei der Beurteilung des Vorliegens einer gedanklichen Verknüpfung zwischen diesen Marken zu berücksichtigen (Urteil vom 27. November 2008, Intel Corporation, C‑252/07, EU:C:2008:655, Rn. 49 und 50).

54      Im vorliegenden Fall hat das Gericht, wie sich aus Rn. 116 des angefochtenen Urteils ergibt, berücksichtigt, dass nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 eine Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren nicht erforderlich ist, und in Rn. 118 des angefochtenen Urteils hat es die Bedeutung der Herstellung einer gedanklichen Verknüpfung zwischen diesen Marken durch das maßgebliche Publikum hervorgehoben. Insoweit hat es in den Rn. 133 bis 136 des angefochtenen Urteils zu Recht die Art der fraglichen Waren und den Grad ihrer Unähnlichkeit geprüft.

55      Somit hat das Gericht die Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren nicht als Voraussetzung für die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 angesehen, sondern die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen diesen Marken hergestellt wird, im Einklang mit der in den Rn. 50 bis 53 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung geprüft.

56      Folglich hat das Gericht zutreffend insbesondere den Grad der Unähnlichkeit der erfassten Waren berücksichtigt, der einer der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs als für die Beurteilung des Vorliegens einer gedanklichen Verknüpfung zwischen den einander gegenüberstehenden Marken relevant anerkannten Faktoren ist.

57      Darüber hinaus hat das Gericht in Rn. 130 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass SPM Meissen weder Beweise für das außerordentliche Ausmaß der Bekanntheit ihrer älteren Marke vorgelegt hat noch Beweise, die den Schluss zuließen, dass eine nicht nur hypothetische Gefahr einer künftigen unlauteren Ausnutzung oder Beeinträchtigung besteht.

58      Nach alledem ist festzustellen, dass die Rüge von SPM Meissen, das Gericht habe die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 von der Ähnlichkeit der fraglichen Waren abhängig gemacht, auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils beruht.

59      Daher kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, das Vorbringen von SPM Meissen allein deshalb zurückgewiesen zu haben, weil die fraglichen Waren nicht ähnlich seien.

60      Zu dem Vorwurf, das Gericht habe bei seiner Würdigung nicht maßgebliche Waren berücksichtigt, ist festzustellen, dass es sich bei den vom Gericht in den Rn. 123 und 135 des angefochtenen Urteils aufgeführten Waren um diejenigen handelt, für die die Beschwerdekammer des EUIPO eine Bekanntheit der älteren deutschen Wortmarke Meissen anerkannt hat.

61      Das Gericht hat daher in Rn. 135 des angefochtenen Urteils im Einklang mit der oben in den Rn. 50 bis 53 wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofs auf diese Waren seine Feststellung gestützt, dass sie sich von den von der angemeldeten Marke erfassten Waren unterschieden.

62      Unter diesen Umständen kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, seine Würdigung auf nicht maßgebliche Waren gestützt zu haben.

63      Folglich ist der vierte und letzte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

64      Somit ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Kosten

65      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das EUIPO und Meissen Keramik einen entsprechenden Antrag gestellt haben und SPM Meissen mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die Kosten des EUIPO und von Meissen Keramik aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH trägt die Kosten.

ReganArabadjievFernlund

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Juli 2017.

Der KanzlerDer Präsident der Sechsten Kammer

A. Calot EscobarE. Regan


*      Verfahrenssprache: Deutsch.

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