Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-734/15
URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)
15. September 2017 ( *1 )
„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Beamte – Allgemeines Auswahlverfahren – Aufnahme in die Reserveliste – Entscheidung der Anstellungsbehörde, einen erfolgreichen Teilnehmer nicht einzustellen – Jeweilige Zuständigkeit des Prüfungsausschusses und der Anstellungsbehörde – Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren – Mindestdauer der Berufserfahrung – Berechnungsmodalitäten – Verlust einer Einstellungschance – Antrag auf Schadensersatz“
In der Rechtssache T‑734/15 P
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 6. Oktober 2015, FE/Kommission (F‑119/14, EU:F:2015:116), wegen Aufhebung dieses Urteils
Europäische Kommission, vertreten durch F. Simonetti und G. Gattinara als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
FE, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Levi und A. Blot,
Klägerin im ersten Rechtszug,
erlässt
DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter M. Prek (Berichterstatter) und S. Frimodt Nielsen,
Kanzler: E. Coulon,
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrem nach Art. 9 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingelegten Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 6. Oktober 2015, FE/Kommission (F‑119/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:F:2015:116), mit dem dieses zum einen die Entscheidung vom 17. Dezember 2013 aufgehoben hat, mit der die Kommission es abgelehnt hatte, FE einzustellen, und die Kommission zur Zahlung von 10000 Euro verurteilt hat, und zum anderen die Klage im Übrigen abgewiesen hat. |
Sachverhalt
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Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt wird in den Rn. 8 bis 20 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt:
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Verfahren im ersten Rechtszug und angefochtenes Urteil
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Mit Klageschrift, die am 24. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst einging, erhob die Klägerin eine unter dem Aktenzeichen F‑119/14 eingetragene Klage, zum einen auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 17. Dezember 2013, mit der die Kommission es ablehnte, sie einzustellen (im Folgenden: streitige Entscheidung), und der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde vom 14. Juli 2014, sowie zum anderen auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung von 26132,85 Euro zuzüglich Verzugszinsen und zur Zahlung der Versorgungsbeiträge ab September 2013 sowie zur Zahlung eines symbolischen Euro als Ersatz des ihr entstandenen immateriellen Schadens. Sie beantragte zudem, der Kommission die Kosten aufzuerlegen. |
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Mit dem angefochtenen Urteil hob das Gericht für den öffentlichen Dienst die streitige Entscheidung auf und verurteilte die Kommission, 10000 Euro an FE zu zahlen; im Übrigen wies es die Klage ab. Es verurteilte die Kommission, neben ihren eigenen Kosten die Kosten von FE zu tragen. |
5 |
In diesem Zusammenhang führte das Gericht für den öffentlichen Dienst insbesondere aus, dass im Unterschied zu der von der Kommission geltend gemachten Rechtsprechung „… im vorliegenden Fall die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens zwar eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren im Bereich der Übersetzung oder – wahrscheinlicher – im Bereich der juristischen Übersetzung [forderte], doch … nicht näher erläutert [wurde], wie eine in selbständiger Tätigkeit erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen und hinsichtlich der Dauer anzurechnen war“, und dass „… der Ansicht …, dass die Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren im besonderen Fall des Auswahlverfahrens per definitionem als Bezugnahme auf eine Vollzeitbeschäftigung zu verstehen und zudem nach Maßgabe der in der streitigen Entscheidung enthaltenen Modalitäten zu berechnen sei …, nicht gefolgt werden [kann]“ (Rn. 51 und 56 des angefochtenen Urteils). |
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Das Gericht für den öffentlichen Dienst befand ferner, dass „die Anstellungsbehörde durch den Erlass der streitigen Entscheidung ihre Zuständigkeit für die Kontrolle der Einhaltung der zusätzlichen die Berufserfahrung betreffenden Zulassungsbedingung überschritten und somit die in der [Bekanntmachung] des Auswahlverfahrens insoweit ausdrücklich dem Prüfungsausschuss vorbehaltene Zuständigkeit und auch die den Prüfungsausschüssen eigene Autonomie und Unabhängigkeit missachtet hat“ (Rn. 71 des angefochtenen Urteils). |
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Schließlich gelangte das Gericht für den öffentlichen Dienst zu dem Ergebnis, dass „die von der Kommission vorgenommene Analyse der Berufserfahrung [von FE], die darin bestand, die Zahl der von [FE] während ihrer Zeit als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige beim Gerichtshof übersetzten Seiten nach den von den Übersetzungsdiensten der Kommission verwendeten Kriterien so zu berechnen, als handelte es sich um die Arbeit eines ‚Übersetzers‘ bei der Kommission, selbst wenn diese Analyse als plausibel angesehen würde, nicht auf einer einschlägigen und [FE] unmittelbar entgegenzuhaltenden Rechtsvorschrift beruht und demzufolge einen offensichtlichen Fehler der Anstellungsbehörde darstellt, der für das Gericht [für den öffentlichen Dienst] leicht zu erkennen ist“ (Rn. 93 des angefochtenen Urteils). |
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Das Gericht für den öffentlichen Dienst entschied auch über den Antrag auf Schadensersatz von FE und verurteilte die Kommission, 10000 Euro an FE zu zahlen (Rn. 133 des angefochtenen Urteils). |
Verfahren vor dem Gericht und Anträge der Parteien
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Mit Schriftsatz, der am 17. Dezember 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission das vorliegende Rechtsmittel eingelegt. |
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FE hat am 15. März 2016 ihre Rechtsmittelbeantwortung eingereicht. |
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Mit Schreiben, das am 4. April 2016 eingegangen ist, hat die Kommission einen Antrag auf Einreichung einer Erwiderung gestellt. |
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Der Präsident der Rechtsmittelkammer hat diesem Antrag mit Beschluss vom 11. April 2016 stattgegeben. |
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Am 23. Mai 2016 hat die Kommission eine Erwiderung im Sinne von Art. 201 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts eingereicht. |
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Am 6. Juli 2016 hat FE eine Gegenerwiderung eingereicht. |
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Mit Schreiben, das am 29. Juli 2016 eingegangen ist, hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, dass sie nicht gehört werden möchte. FE hat innerhalb der nach Art. 207 der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. |
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Die Kommission beantragt,
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FE beantragt,
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Zum Rechtsmittel
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Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf drei Gründe: Erstens mehrere Rechtsfehler und eine Verfälschung bei der Auslegung der Zulassungsbedingung betreffend die Mindestberufserfahrung, zweitens die rechtsfehlerhafte Feststellung, dass die Anstellungsbehörde einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, und drittens einen Rechtsfehler und mehrere Verstöße gegen die Begründungspflicht im Zusammenhang mit der Verurteilung der Kommission, 10000 Euro an FE zu zahlen. |
Zum ersten Rechtsmittelgrund: Mehrere Rechtsfehler und eine Verfälschung bei der Auslegung der Zulassungsbedingung betreffend die Mindestberufserfahrung
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Im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe mehrere Rechtsfehler begangen und im Rahmen der Prüfung des ersten von FE in erster Instanz geltend gemachten Klagegrundes einer Unzuständigkeit der Anstellungsbehörde Beweismittel verfälscht. Dieser Rechtsmittelgrund ist in drei Teile gegliedert. |
Zum ersten Teil: Rechtsfehler bei der Auslegung der Voraussetzung der Mindestberufserfahrung
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In den Rn. 51 bis 53 und 56 des angefochtenen Urteils urteilte das Gericht für den öffentlichen Dienst:
…
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Die Kommission macht geltend, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe einen Rechtsfehler begangen, als es festgestellt habe, dass die Bedingung, wonach die Mindestberufserfahrung in Vollzeitarbeit erworben werden müsse, FE im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten werden könne, da sie in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht ausdrücklich angeführt worden sei. Dieser Irrtum führe zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da er dem Gericht für den öffentlichen Dienst ermöglicht habe, zu urteilen, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses nicht rechtswidrig sei (siehe Rn. 68 bis 70 und 73 bis 80 des angefochtenen Urteils) und dass die Anstellungsbehörde daher mit der Entscheidung, FE nicht einzustellen, ihre Zuständigkeit überschritten (Rn. 71 des angefochtenen Urteils) und somit eine rechtswidrige Entscheidung erlassen habe (Rn. 82 des angefochtenen Urteils). |
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FE tritt diesem Vorbringen entgegen und macht insbesondere geltend, das Gericht für den öffentlichen Dienst sei von der Rechtsprechung über die Mindestberufserfahrung nicht abgewichen, sondern habe sie angewandt, indem es sie an die Besonderheiten einer in selbständiger Tätigkeit ausgeübten Arbeit angepasst habe. Dies gehe insbesondere aus den Rn. 53, 54 und 80 des angefochtenen Urteils hervor. Das Gericht für den öffentlichen Dienst habe bloß die Art, wie die Anstellungsbehörde diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall angewandt habe, zurückgewiesen. Es habe daher zum einen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung und zum anderen die Unabhängigkeit des Prüfungsausschusses und seinen großen Ermessensspielraum sowie die der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens zugewiesene Rolle gewahrt. FE führt weiter aus, die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthalte im vorliegenden Fall keine genaueren Angaben darüber, wie die verlangte Berufserfahrung zu beurteilen sei. Ihrer Ansicht nach konnte diese Erfahrung unter Berücksichtigung des Zwecks des Auswahlverfahrens in selbständiger Tätigkeit erworben werden. |
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In diesem Zusammenhang ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die entscheidende Rolle der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens darin besteht, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die fragliche Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen. Die Anstellungsbehörde verfügt bei der Bestimmung der Befähigungskriterien, die für die zu besetzenden Stellen verlangt werden, und bei der nach Maßgabe dieser Kriterien und des dienstlichen Interesses erfolgenden Festlegung der Bedingungen und Modalitäten für die Durchführung eines Auswahlverfahrens über ein weites Ermessen (vgl. Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, EU:T:2006:37, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Zum anderen kann sich die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens rechtmäßig darauf beschränken, die allgemeine Formulierung aus Art. 5 Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) wiederzugeben, ohne die für die zu besetzende Stelle verlangten praktischen Erfahrungen anzugeben, und dem Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren demnach die Verantwortung dafür überlassen, von Fall zu Fall zu beurteilen, ob die von den einzelnen Bewerbern beigebrachten Befähigungsnachweise und Diplome sowie die von ihnen nachgewiesene Berufserfahrung den vom Statut – und somit von der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens – für die Ausübung der Tätigkeiten der Laufbahngruppe dieser Bekanntmachung gestellten Anforderungen entsprechen (vgl. Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, EU:T:2006:37, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Im vorliegenden Fall ging aus Titel A Ziff. II Nr. 2 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens hervor, dass die Bewerberinnen und Bewerber, um zu den Prüfungen zugelassen werden zu können, zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist für das Auswahlverfahren „nach Erlangen des Hochschulabschlusses eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren“ nachweisen mussten. Ferner ist anzumerken, dass diese Bekanntmachung weder die Art dieser Berufserfahrung noch das Gebiet, auf dem sie erworben werden musste, genau festlegte. Wie zudem aus der Akte aus erster Instanz hervorgeht, war weder in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens noch im Bewerbungsleitfaden (ABl. 2005, C 327 A, S. 3) eine weitere Präzisierung, wie die verschiedenen Erfahrungen zu erwerben waren, enthalten. |
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Diesbezüglich hat das Gericht in Rn. 70 des Urteils vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission (T‑293/03, EU:T:2006:37), klargestellt, dass der Prüfungsausschuss in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine Bedingung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens ebenso allgemein formuliert war, bei der Festlegung der Kriterien für die Anwendung der Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren, darunter jenes der Dauer der verlangten Berufserfahrung, über ein weites Ermessen verfügt. |
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Das Gericht hat jedoch in den Rn. 71 und 72 des Urteils vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission (T‑293/03, EU:T:2006:37), weiter ausgeführt, dass die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens aufgrund des Erfordernisses, dass die Berufstätigkeit während eines Mindestzeitraums ausgeübt worden sein muss, notwendigerweise verlangte, dass diese Tätigkeit während dieses Zeitraums tatsächlich ausgeübt wurde, was nur als Bezugnahme auf eine während dieses Mindestzeitraums ausgeübte Vollzeitbeschäftigung oder auf eine oder mehrere Teilzeitbeschäftigungen zu verstehen ist, die hinsichtlich der Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigung der Mindestdauer entsprechen. Sohin konnte der Prüfungsausschuss für die Zwecke der Zulassung externer Bewerber zum Auswahlverfahren Zeiträume berücksichtigen, in denen nicht ausschließlich Berufserfahrung erworben und in Teilzeit gearbeitet wurde, sofern diese Zeiträume insgesamt der geforderten Mindestdauer einer Vollzeitbeschäftigung entsprachen. |
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Das Gericht hat ferner unter den Umständen des Verfahrens, in dem das Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission (T‑293/03, EU:T:2006:37), ergangen ist, entschieden, dass der Prüfungsausschuss durch die Anwendung des Kriteriums betreffend das Erfordernis einer Vollzeitbeschäftigung weder gegen den Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verstoßen noch über die in dieser Bekanntmachung aufgestellten Zulassungsbedingungen hinaus zusätzliche Voraussetzungen verlangt hat (Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, EU:T:2006:37, Rn. 76). |
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Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass im vorliegenden Fall, da die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nur erforderte, dass die Berufstätigkeit während eines Mindestzeitraums von zwei Jahren ausgeübt worden sein musste, diese Bedingung als Bezugnahme auf eine zwei Jahre lang ausgeübte Vollzeitbeschäftigung oder auf eine oder mehrere Teilzeitbeschäftigungen oder eine Tätigkeit als Selbständiger zu verstehen ist, die hinsichtlich der Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigung von zwei Jahren entsprechen. |
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Diese Auslegung steht mit der vom Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 51 des angefochtenen Urteils angeführten Rechtsprechung im Einklang und ist auch die einzige, die eine einheitliche Anwendung des Einstellungsverfahrens auf alle Bewerber des Auswahlverfahrens ermöglicht, da je nachdem, ob die Tätigkeit ganztags, halbtags, während eines Viertels der Zeit oder an einem Tag der Woche innerhalb von drei Jahren ausgeübt würde, der verlangte Zeitraum der Tätigkeit beträchtlich variieren könnte, was gegebenenfalls zu einer Ungleichbehandlung der Bewerber hinsichtlich der Dauer der verlangten Erfahrung führen könnte (Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, EU:T:2006:37, Rn. 74 und 75). |
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Nun führte das Gericht für den öffentlichen Dienst in den Rn. 51 und 52 des angefochtenen Urteils gewiss zu Recht aus, dass im vorliegenden Fall „[jedoch] nicht näher erläutert [wurde], wie eine in selbständiger Tätigkeit erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen und hinsichtlich der Dauer anzurechnen war“, und dass in Bezug auf FE die ratio iuris der Zulassungsbedingung im Zusammenhang mit der verlangten Dauer der Berufserfahrung „sicherlich nicht darin bestehen [kann], von [den Bewerbern] zum Nachweis dessen, dass es sich um eine einer vollzeitlich ausgeübten Arbeit gleichwertige Berufstätigkeit handelt, zu verlangen, dass sie an jedem während des Referenzzeitraums von zwei Jahren in dieser Eigenschaft geleisteten Arbeitstag eine bestimmte Zahl von Seiten von Rechtstexten übersetzt haben“. |
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Jedoch urteilte das Gericht für den öffentlichen Dienst, nachdem es in Rn. 53 des angefochtenen Urteils rein hypothetisch von einem Erfordernis, dass sich die Dauer der betreffenden Berufserfahrung auf eine Vollzeitbeschäftigung beziehen musste, gesprochen hatte, in Rn. 56 dieses Urteils, dass „der Ansicht der Kommission, dass die Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren im besonderen Fall des Auswahlverfahrens per definitionem als Bezugnahme auf eine Vollzeitbeschäftigung zu verstehen … sei …, nicht gefolgt werden [kann]“. |
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In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Feststellungen des Gerichts für den öffentlichen Dienst in Rn. 51 des angefochtenen Urteils auf einer fehlerhaften Auslegung insbesondere sowohl des Urteils vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission (T‑293/03, EU:T:2006:37), als auch der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beruhen. Zum einen geht aus diesem Urteil hervor, dass die streitgegenständliche Berufserfahrung nicht jene war, die die Klägerin in abhängiger Beschäftigung ausgeübt hatte und deren Dauer sich mithin anhand von Arbeitsverträgen oder Arbeitsbescheinigungen von Arbeitgebern einfach bestimmen ließ, sondern jene als Vorsitzende des Verwaltungsrats einer Stiftung, die freiwillig und in Teilzeit geleistet wurde und an keinen Zeit- oder Stundenplan gebunden war, sondern parallel zu einer anderen Tätigkeit ausgeübt wurde, die ihrerseits nicht berücksichtigt werden konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, EU:T:2006:37, Rn. 11 bis 14, 61, 81 und 82). Das Gericht für den öffentlichen Dienst stellte daher zu Unrecht fest, dass hinsichtlich der Umstände, die zum Erlass dieses Urteils geführt hätten, der Unterschied zum vorliegenden Fall darin liege, dass „nicht näher erläutert [wurde], wie eine in selbständiger Tätigkeit erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen und hinsichtlich der Dauer anzurechnen war, obwohl eine derartige Berufserfahrung als Freelance-Mitarbeiter der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beschriebenen Art der Tätigkeiten voll entspricht“. Tatsächlich lieferte auch in dieser Rechtssache die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens dem Prüfungsausschuss keinen genauen Hinweis auf die Auslegung der Voraussetzung der Mindestdauer der erworbenen Berufserfahrung bzw. darauf, wie alle Erfahrungen zu berücksichtigen waren, die nicht in abhängiger Beschäftigung oder in Vollzeit erworben wurden (Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, EU:T:2006:37, Rn. 3 und 70). |
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Zum anderen stellte das Gericht für den öffentlichen Dienst zu Unrecht fest, dass die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens im vorliegenden Fall eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren „im Bereich der Übersetzung oder – wahrscheinlicher – im Bereich der juristischen Übersetzung“ forderte. Tatsächlich sah die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nur vor, dass die Bewerberinnen und Bewerber „nach Erlangen des Hochschulabschlusses eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren“ vorweisen mussten, ohne den Bereich der erlangten Erfahrung genauer anzugeben. |
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Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst dadurch, dass es insbesondere in Rn. 56 des angefochtenen Urteils entschied, der Prüfungsausschuss habe aufgrund des Fehlens von diesbezüglichen Klarstellungen in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens die Voraussetzung der Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren nicht als Bezugnahme auf eine Vollzeitbeschäftigung verstehen dürfen, einen Rechtsfehler beging. |
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Ein solcher Rechtsfehler kann im vorliegenden Fall für sich genommen jedoch noch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Um herauszufinden, ob dies zu geschehen hat, ist zu prüfen, ob die nachfolgenden Beurteilungen des Gerichts für den öffentlichen Dienst aufgrund der von diesem in Rn. 56 des angefochtenen Urteils aufgestellten falschen Prämisse konkret fehlerhaft waren. |
Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Rechtsirrtum bei der Definition des Verhältnisses zwischen dem Prüfungsausschuss und der Anstellungsbehörde durch das Gericht für den öffentlichen Dienst
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Die Kommission wendet sich gegen die Rn. 38 und 71 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht für den öffentlichen Dienst im Wesentlichen urteilte, die Anstellungsbehörde habe, indem sie im Stadium der Einstellung entschieden habe, FE aus nicht in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens genannten Zulassungsgründen von der Reserveliste auszuschließen, die Grenzen ihrer Zuständigkeit für die Kontrolle der Einhaltung der zusätzlichen die Berufserfahrung betreffenden Zulassungsbedingung überschritten. |
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In diesem Zusammenhang macht die Kommission geltend, der Erlass der streitigen Entscheidung durch die Anstellungsbehörde könne nicht als Einmischung in die Zuständigkeit des Prüfungsausschusses erachtet werden; diese Entscheidung sei nämlich nötig gewesen, um eine von diesem begangene Rechtswidrigkeit zu beheben, da die Anstellungsbehörde nicht an rechtswidrige Entscheidungen des Prüfungsausschusses gebunden werden könne. |
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FE erwidert, die Kommission stütze sich auf eine falsche Auslegung des angefochtenen Urteils, in dem das Gericht für den öffentlichen Dienst zu Recht die Ansicht vertreten habe, dass es zum einen keinen Grund gebe, der Berechnungsmethode des einen oder anderen Organs, wie zum Beispiel der Kommission, den Vorzug zu geben, und dass zum anderen die durch den Prüfungsausschuss vorgenommene Beurteilung dieser Erfahrung plausibler als die Beurteilung durch die Anstellungsbehörde sei. Jedenfalls stützten die von der Kommission im Rahmen dieses Teils vorgebrachten Argumente keinesfalls die Schlussfolgerung, wonach das Gericht für den öffentlichen Dienst zu Unrecht den Schluss gezogen habe, die Anstellungsbehörde habe ihre Befugnisse überschritten. Diese Feststellung, wonach die Anstellungsbehörde durch den Erlass der streitigen Entscheidung ihre Befugnisse überschritten habe, folge unvermeidlich und notwendigerweise daraus, dass der Prüfungsausschuss keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe. |
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In diesem Zusammenhang ergibt sich aus der Prüfung des ersten Teils des vorliegenden Rechtsmittelgrundes, dass zum einen die Voraussetzung der Mindestberufserfahrung im vorliegenden Fall als vollzeitlich geleistete Berufserfahrung zu verstehen ist, und dass zum anderen der Prüfungsausschuss bei der Prüfung, ob die Bewerber diese Voraussetzung erfüllten, ein weites Ermessen hatte. |
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In Rn. 66 des angefochtenen Urteils befand das Gericht für den öffentlichen Dienst, dass die Anstellungsbehörde nicht die „Befugnis [hat], einen erfolgreichen Teilnehmer, der eine Zulassungsbedingung nicht erfüllt, die nicht in der von der Anstellungsbehörde selbst angenommenen Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und auch nicht in einer Bestimmung des Statuts oder in einer sonstigen Regelung, die den Bewerbern entgegengehalten werden kann, enthalten war, im Nachhinein von der vom Prüfungsausschuss erstellten Liste auszuschließen“. |
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Das Gericht für den öffentlichen Dienst vertrat die Ansicht, der Rechtsverstoß, den die Anstellungsbehörde FE habe entgegenhalten wollen, ergebe sich „nicht aus einem offensichtlichen Fehler des Prüfungsausschusses bei der Beurteilung einer spezifischen, in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgesehenen oder in einer Bestimmung des Statuts enthaltenen Zulassungsbedingung, sondern aus einem von der Anstellungsbehörde selbst begangenen Fehler, der darin besteht, dass sie es versäumt hat, in die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens eine zusätzliche Klausel aufzunehmen, wonach die für die Zulassung zu den Prüfungen verlangte mindestens zweijährige Berufserfahrung eine zwei Jahre lang vollzeitlich geleistete Berufserfahrung sein und nach Maßgabe spezifischer, vorab klar festgelegter Kriterien berechnet werden musste, deren Nichtbeachtung die Nichtzulassung zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zur Folge gehabt hätte“. Es vertrat somit die Auffassung, die Entscheidung der Anstellungsbehörde habe im vorliegenden Fall zu einer „bei der Einstellung vorgenommene[n] nachträgliche[n] Berichtigung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens“ geführt (Rn. 67 des angefochtenen Urteils). |
43 |
Diese Schlussfolgerung wird in Rn. 68 des angefochtenen Urteils bestätigt, worin das Gericht für den öffentlichen Dienst im Wesentlichen ausführte, die Anstellungsbehörde hätte in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens darauf hinweisen müssen, damit die im vorliegenden Fall in Rede stehende Voraussetzung als eine zwei Jahre lang in Vollzeit erworbene Berufserfahrung verstanden werden könne, „wodurch dies zu einer sowohl für den Prüfungsausschuss als auch für die Bewerber rechtsverbindlichen Modalität geworden wäre, deren Nichtbeachtung durch die Bewerber deren Ausschluss von dem Auswahlverfahren zur Folge gehabt hätte“. |
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Auf Basis dieser Schlussfolgerung befand das Gericht für den öffentlichen Dienst zum einen, die jeweiligen Entscheidungen des Prüfungsausschusses und der Anstellungsbehörde spiegelten bloß einen Unterschied zwischen der Methode wider, nach der der Prüfungsausschuss die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgegebene Mindestberufserfahrung beurteilt habe, und dem Berechnungsmodus für die Vollzeit nach den spezifischen Kriterien, die die Anstellungsbehörde im Stadium der Ernennung angewendet habe, und zum anderen, die Kommission habe vor diesem Hintergrund keinen Nachweis für ein offensichtliches Versäumnis des Prüfungsausschusses bei der Prüfung, ob die Zulassungsbedingung der Berufserfahrung in Bezug auf FE erfüllt gewesen sei, erbracht (Rn. 68 bis 70 des angefochtenen Urteils). |
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Das Gericht für den öffentlichen Dienst kam folglich zu dem Schluss, die Anstellungsbehörde habe durch den Erlass der streitigen Entscheidung ihre Zuständigkeit für die Kontrolle der Einhaltung der zusätzlichen die Berufserfahrung betreffenden Zulassungsbedingung überschritten und somit die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens insoweit ausdrücklich dem Prüfungsausschuss vorbehaltene Zuständigkeit und auch die den Prüfungsausschüssen eigene Autonomie und Unabhängigkeit missachtet (Rn. 71 des angefochtenen Urteils). |
46 |
Wie im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Rechtsmittelgrundes festgestellt worden ist, konnte die Zulassungsbedingung einer Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren, verstanden als Bezugnahme auf eine Vollzeitbeschäftigung, im vorliegenden Fall den Bewerbern entgegengehalten werden, ohne dass dies in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens angegeben war. |
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Daraus folgt, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 71 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen hat. |
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Deshalb ist dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes stattzugeben. |
Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Rechtsfehler des Gerichts für den öffentlichen Dienst bei der Festlegung der Voraussetzungen für einen offensichtlichen Beurteilungsfehler des Prüfungsausschusses, für eine Verfälschung der Akten und für einen Rechtsirrtum bei der Feststellung, dass die von der Kommission vorgenommene Anwendung der Berechnungsmethode für die Berufserfahrung rechtswidrig gewesen sei
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Die Kommission wendet sich gegen die Rn. 57 bis 82 des angefochtenen Urteils, bei denen es, in dieser Reihenfolge, um die vom Gericht für den öffentlichen Dienst vorgenommene Prüfung des Berechnungsmodus für die Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren, der Befugnis der Anstellungsbehörde, einen erfolgreichen Teilnehmer von der Reserveliste auszuschließen, sowie des vom Prüfungsausschuss möglicherweise begangenen offensichtlichen Beurteilungsfehlers bei der Beurteilung der Berufserfahrung von FE geht. Nach Ansicht der Kommission ging das Gericht für den öffentlichen Dienst zu Unrecht davon aus, dass kein offensichtlicher Beurteilungsfehler in der Entscheidung des Prüfungsausschusses, FE zum Auswahlverfahren zuzulassen, nachgewiesen worden war. |
50 |
In Rn. 70 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht für den öffentlichen Dienst fest, die Kommission habe keinen Nachweis „für ein offensichtliches Versäumnis des Prüfungsausschusses[, die Zulassungsbedingung der Berufserfahrung zu berücksichtigen,] oder zumindest dafür erbracht, dass dieser die Zulassung [von FE] zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens gemessen am Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens offensichtlich willkürlich beschlossen hätte“, und dass „es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Prüfungsausschuss [die von FE vorgelegten] Unterlagen nicht geprüft hätte, beispielsweise auf der Grundlage des in den Rn. 53 und 55 des [angefochtenen] Urteils genannten Kriteriums“. |
51 |
Mit einer ersten Rüge macht die Kommission geltend, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe dadurch einen Rechtsfehler begangen. Anstatt zu prüfen, ob die von der Kommission vorgebrachten Argumente geeignet seien, die Plausibilität der Entscheidung des Prüfungsausschusses in Frage zu stellen, habe es Kriterien aufgestellt, aufgrund derer seiner Meinung nach davon auszugehen gewesen sei, dass der Prüfungsausschuss seiner Pflicht nachgekommen sei, die Berufserfahrung von FE anzurechnen. Zudem habe das Gericht für den öffentlichen Dienst zu Unrecht den Nachweis für ein offensichtliches Versäumnis bei der Anrechnung der Berufserfahrung oder einer offensichtlich willkürlichen Zulassung durch den Prüfungsausschuss verlangt. |
52 |
Nach Ansicht von FE ist diese Rüge unzulässig, da sie Tatsachenfeststellungen kritisiere. Inhaltlich macht sie geltend, es sei Sache der Anstellungsbehörde gewesen, den Nachweis zu erbringen, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet gewesen sei, da für diese Entscheidung grundsätzlich die Vermutung der Rechtmäßigkeit bestanden habe, was auch die begrenzte Kontrolle der Anstellungsbehörde rechtfertige. Ihrer Ansicht nach hat das Gericht für den öffentlichen Dienst diese Prüfung des offensichtlichen Irrtums insbesondere in den Rn. 72 bis 82 des angefochtenen Urteils sehr wohl durchgeführt, und zwar in Bezug auf Faktoren, die es in den Rn. 53 und 55 dieses Urteils auf der Grundlage der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens festgelegt habe. Schließlich macht FE den widersprüchlichen Charakter des Vorbringens der Kommission geltend. |
53 |
Es ist anzumerken, dass die Kommission mit dieser Rüge nicht die Tatsachenfeststellungen des Gerichts für den öffentlichen Dienst im angefochtenen Urteil in Frage stellt, die sich auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beziehen, sondern die Schlussfolgerungen dieses Gerichts hinsichtlich der Pflichten des Prüfungsausschusses und der Beweislast der Kommission. Diese Feststellungen werfen Rechtsfragen auf, die der Kontrolle des Rechtsmittelgerichts unterworfen sind. |
54 |
Wie im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Rechtsmittelgrundes festgestellt worden ist, verfügte der Prüfungsausschuss, wie auch das Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 80 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, über ein weites Ermessen bei der Beurteilung der hinsichtlich der Arbeitszeit bestehenden Gleichwertigkeit zwischen einer als Freelance-Mitarbeiter ausgeübten Tätigkeit mit variabler Arbeitszeit und einer Vollzeitbeschäftigung. |
55 |
Auch wenn jedoch die Anstellungsbehörde nach ständiger Rechtsprechung nicht befugt ist, die Entscheidung eines Prüfungsausschusses aufzuheben oder abzuändern, ist sie gleichwohl gehalten, bei der Ausübung ihrer eigenen Befugnisse rechtsfehlerfreie Entscheidungen zu treffen. Sie kann daher nicht durch eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses gebunden sein, deren Rechtswidrigkeit sich folgerichtig auf ihre eigenen Entscheidungen auswirken könnte. Deshalb ist die Anstellungsbehörde verpflichtet, vor Ernennung einer Person zum Beamten zu prüfen, ob diese die Ernennungsvoraussetzungen erfüllt. Lässt der Prüfungsausschuss einen Bewerber zu Unrecht zum Auswahlverfahren zu und setzt ihn in der Folge auf die Reserveliste, muss die Anstellungsbehörde durch eine mit Gründen versehene Entscheidung, anhand deren der Unionsrichter ihre Begründetheit beurteilen kann, die Ernennung dieses Bewerbers ablehnen (vgl. Urteil vom 15. September 2005, Luxem/Kommission, T‑306/04, EU:T:2005:326, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
56 |
Angesichts des weiten Ermessens, über das der Prüfungsausschuss verfügt, um festzustellen, ob die von den Bewerbern erworbene Berufserfahrung es diesen ermöglicht, die Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren zu erfüllen, muss sich die Anstellungsbehörde im Rahmen ihrer Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Entscheidungen eines Prüfungsausschusses darauf beschränken, zu prüfen, ob die Ausübung des Ermessens durch den Prüfungsausschuss nicht mit einem offensichtlichen Fehler behaftet war. |
57 |
Was den letztgenannten Punkt betrifft, so kann ein Fehler nach der Rechtsprechung nur dann als offensichtlich angesehen werden, wenn er anhand der Kriterien, die nach dem Willen des Gesetzgebers für die Ausübung des weiten Ermessens durch die Verwaltung maßgebend sind, leicht zu erkennen ist. Um also darzutun, dass bei der Würdigung des Sachverhalts ein offensichtlicher Irrtum begangen wurde, der die Nichtigerklärung einer Entscheidung rechtfertigen könnte, muss nachgewiesen werden, dass die in der streitigen Entscheidung enthaltenen Beurteilungen nicht plausibel sind. Mit anderen Worten kann kein offensichtlicher Fehler vorliegen, wenn die beanstandete Beurteilung als richtig oder gültig angesehen werden kann (vgl. Urteil vom 23. Oktober 2012, Eklund/Kommission, F‑57/11, EU:F:2012:145, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
58 |
Erstens geht aus den vorstehenden Überlegungen hervor, dass die Anstellungsbehörde vor der Ernennung von FE zum einen die Verpflichtung hatte, die Entscheidung des Prüfungsausschusses, diese zum Auswahlverfahren zuzulassen, zu prüfen, und dass sie zum anderen diese Ernennung ablehnen musste, wenn sie der Ansicht war, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet war. |
59 |
Im vorliegenden Fall beschloss der Prüfungsausschuss, FE zum Auswahlverfahren zuzulassen. Auch wenn diese Entscheidung nicht mit Gründen versehen war, ist daraus abzuleiten, dass dieser davon ausging, dass die Bewerberin nachgewiesen hatte, dass sie die Zulassungsbedingung der erworbenen Mindestberufserfahrung erfüllte. |
60 |
Vor diesem Hintergrund war die Anstellungsbehörde entgegen der vom Gericht für den öffentlichen Dienst in den Rn. 69 und 70 des angefochtenen Urteils vertretenen Auffassung nicht verpflichtet, im Speziellen nachzuweisen, dass der Prüfungsausschuss überhaupt nicht geprüft hatte, ob FE die Voraussetzung der Mindestberufserfahrung erfüllte, sondern sie hatte vielmehr zu prüfen, ob dieser die Tatsache berücksichtigt hatte, dass ein beträchtlicher Teil dieser Erfahrung im Rahmen einer Freelance-Tätigkeit erworben wurde, und ob er diese Erfahrung in Bezug auf eine Vollzeitbeschäftigung angerechnet hatte, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen. |
61 |
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das Fehlen von Angaben zu den Beurteilungen des Prüfungsausschusses die Anstellungsbehörde nicht daran hindern kann, festzustellen, dass die Entscheidung, zu der er gekommen ist, nämlich FE zum Auswahlverfahren zuzulassen, mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sein konnte. |
62 |
Daher konnte das Gericht für den öffentlichen Dienst nicht ohne einen Rechtsfehler zu begehen feststellen, die Anstellungsbehörde wäre für den Erlass der streitigen Entscheidung nur zuständig gewesen, wenn offensichtlich gewesen wäre, dass der Prüfungsausschuss es verabsäumt hatte, die Zulassungsbedingung der Berufserfahrung zu berücksichtigen und deren Dauer zu berechnen, oder wenn der Prüfungsausschuss die Zulassung von FE zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens gemessen am Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens offensichtlich willkürlich beschlossen hätte. |
63 |
Was zweitens die Rn. 53 und 55 des angefochtenen Urteils betrifft, auf die das Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 70 dieses Urteils Bezug nimmt, so hat dieses dort die Auffassung vertreten, dass sich der Prüfungsausschuss für die Beurteilung der Zulassung von FE zur Teilnahme an den Prüfungen insbesondere „darauf stützen konnte, dass es sich um eine ‚berufliche‘ Tätigkeit als Rechts- und Sprachsachverständige [handeln musste] – also um eine Tätigkeit, die nicht nur ‚gelegentlich‘ ausgeübt worden sein durfte und hauptsächlich die Übersetzung von Rechtstexten zum Gegenstand gehabt haben musste –, die beständig, d. h. während eines signifikanten Zeitraums, für einen professionellen – öffentlichen oder privaten – Auftraggeber ausgeübt worden sein musste, der aufgrund des betreffenden Vertrags jederzeit und gegebenenfalls innerhalb verbindlicher Fristen Übersetzungen von Rechtstexten verlangen konnte, eben weil seine berufliche bzw. institutionelle Tätigkeit juristische Übersetzungen eines bestimmten Niveaus erfordert“, und dass „der Prüfungsausschuss somit … den beruflichen Charakter der erworbenen Erfahrung unterschiedlich zu beurteilen [hatte], je nachdem ob es sich um eine Tätigkeit als ‚Freelance-Übersetzer‘ oder als ‚Freelance-Rechts- und Sprachsachverständiger‘ handelte, zumal wenn diese zweite Tätigkeit für ein Organ der Union erbracht wurde, das, wie der Gerichtshof, von seinen Dienstleistern nur die Übersetzung von Texten mit ausschließlich juristischem Inhalt verlangt“. |
64 |
Wie die Kommission vorbringt, konnten diese Zulassungskriterien für die Beurteilung der Voraussetzung der Dauer der erworbenen Berufserfahrung im vorliegenden Fall nicht relevant sein. Zum einen mussten die Bewerber gemäß der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens eine Mindestdauer der Berufserfahrung nachweisen und nicht eine Erfahrung auf dem Gebiet der Übersetzung juristischer Texte (vgl. auch Rn. 34 oben). Ferner enthielt die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens keine Hinweise zur Art der verlangten Mindestberufserfahrung oder zu ihrem Bezug zu den wahrzunehmenden Aufgaben, worauf das Gericht für den öffentlichen Dienst selbst in Rn. 46 des angefochtenen Urteils hingewiesen hat. Zum anderen hat das Gericht für den öffentlichen Dienst, indem es diese Kriterien aufstellte, zu den Tätigkeitsmerkmalen und Pflichten von Rechts- und Sprachsachverständigen und zu den Unterschieden zwischen den Tätigkeiten des „Freelance-Übersetzers“ und des „Freelance-Rechts- und Sprachsachverständigen“ Stellung genommen, ohne jedoch diese Schlussfolgerungen auf den Akteninhalt zu stützen. |
65 |
Daher hat das Gericht für den öffentlichen Dienst dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es in den Rn. 53 und 55 des angefochtenen Urteils Kriterien für die Beurteilung der betreffenden Zulassungsbedingung aufstellte, die nicht aus den von den Parteien in erster Instanz vorgelegten Akten hervorgingen. |
66 |
Drittens ist festzustellen, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst in den Rn. 73 bis 82 des angefochtenen Urteils im Übrigen die in den Rn. 53 und 55 dieses Urteils aufgestellten Kriterien im Rahmen der Prüfung des „vom Prüfungsausschuss gegebenenfalls begangenen offensichtlichen Beurteilungsfehler[s] bei der Beurteilung der Berufserfahrung [von FE]“ angewandt hat, ohne ordnungsgemäß auf das in Rn. 76 des angefochtenen Urteils aufgeführte Vorbringen der Kommission zu dieser Frage einzugehen. Nach dieser Prüfung kam das Gericht für den öffentlichen Dienst zu dem Schluss, dass die Kommission auch nicht den Beweis erbracht habe, dass der Prüfungsausschuss bei der Berechnung der Dauer der Berufserfahrung von FE einen offensichtlichen Fehler begangen habe (Rn. 81 des angefochtenen Urteils). |
67 |
Die vom Gericht für den öffentlichen Dienst in den Rn. 53, 55 und 56 des angefochtenen Urteils begangenen Rechtsfehler, die im Rahmen der Prüfung des ersten Teils und der vorliegenden Rüge des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes festgestellt worden sind, führten auch zu einer Rechtswidrigkeit seiner Beurteilung, mit der es in den Rn. 75 bis 81 dieses Urteils entschied, die Kommission habe auch keinen Nachweis erbracht, dass der Prüfungsausschuss bei der Berechnung der Dauer der Berufserfahrung von FE einen offensichtlichen Fehler begangen habe. Die Gründe, auf die sich das Gericht für den öffentlichen Dienst stützte, reichten nicht aus, um rechtsgültig zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen. |
68 |
Mit einer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe in den Akten enthaltene Beweismittel verfälscht, da daraus nicht die in den Rn. 61 und 77 des angefochtenen Urteils enthaltene Feststellung abzuleiten sei, dass es keinen Grund für die Annahme gebe, dass der Prüfungsausschuss den Freelance-Charakter der Tätigkeit von FE übersehen hätte. |
69 |
Wie FE geltend macht, ist diese Rüge zurückzuweisen. Die Kommission legt nämlich keinen Beweis für eine mögliche Berechnung der Berufserfahrung von FE durch den Prüfungsausschuss vor, woraus abzuleiten wäre, dass er diese Erfahrung weder im Hinblick auf eine Vollzeitbeschäftigung tatsächlich angerechnet hatte – möglicherweise mit einer anderen als der von der Anstellungsbehörde verwendeten Methode – noch auf der Grundlage anderer Kriterien, beispielsweise der Kriterien, die das Gericht für den öffentlichen Dienst in den Rn. 53 bis 55 des angefochtenen Urteils dargelegt hat, beurteilt hatte. |
70 |
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Würdigung der Tatsachen durch den erstinstanzlichen Richter, sofern die ihm vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht worden sind, keine Rechtsfrage ist, die als solche der Kontrolle des Gerichts unterliegt. Eine solche Verfälschung muss sich aus den Akten offensichtlich ergeben, ohne dass eine neue Tatsachen- und Beweiswürdigung vorgenommen werden muss (vgl. Urteil vom 4. Juli 2014, Kimman/Kommission, T‑644/11 P, EU:T:2014:613, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung). Obwohl die Kommission eine Verfälschung der Akten geltend macht, geht es ihr in Wirklichkeit um eine neue Tatsachenwürdigung, was sich der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht entzieht. |
71 |
Mit der dritten Rüge des dritten Teils wird ein Rechtsfehler bei der Schlussfolgerung des Gerichts für den öffentlichen Dienst in den Rn. 57 bis 61 des angefochtenen Urteils geltend gemacht, wonach der Prüfungsausschuss nicht verpflichtet gewesen sei, das von der Anstellungsbehörde angewandte Kriterium für die Umrechnung der übersetzten Seiten in Arbeitstage anzuwenden. Nach Ansicht der Kommission war die von FE geltend gemachte Tätigkeit tatsächlich eine Übersetzungstätigkeit. |
72 |
Nach Auffassung von FE ist dieser Teil unzulässig. Inhaltlich macht sie geltend, der Prüfungsausschuss habe aufgrund des Fehlens genauer Vorschriften in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und im Bewerbungsleitfaden die von ihm zu diesem Zweck selbst aufgestellten Prüfungskriterien für die Dauer der Berufserfahrung anwenden können. |
73 |
Diese Rüge ist zurückzuweisen. Wie oben in Rn. 35 entschieden worden ist, hat das Gericht für den öffentlichen Dienst einen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 56 des angefochtenen Urteils entschied, der Prüfungsausschuss sei nicht verpflichtet gewesen, die Dauer der Berufserfahrung in Bezug auf eine Vollzeitbeschäftigung zu berechnen. |
74 |
Jedoch ist festzustellen, dass es dem Prüfungsausschuss im Rahmen der so festgelegten Zulassungsbedingung freistand, jeglichen Berechnungsmodus anzuwenden, der es ihm ermöglichte, den betreffenden Zeitraum der Berufserfahrung von FE im Hinblick auf eine in Vollzeit ausgeübte Tätigkeit anzurechnen. Folglich kann dem Vorbringen der Kommission, wonach das Kriterium für die Umwandlung der übersetzten Seiten in Arbeitstage zwingend gewesen sei, nicht gefolgt werden. |
75 |
Nach alledem ist zum einen dem ersten und dem zweiten Teil sowie der ersten Rüge des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes stattzugeben, und zum anderen sind die zweite und die dritte Rüge des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes als jeweils unzulässig und unbegründet zurückzuweisen. |
76 |
Die oben in den Rn. 35, 47, 62, 65 und 67 festgestellten Rechtsfehler erlauben jedoch die Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit nicht, als das Gericht für den öffentlichen Dienst auch dem zweiten von FE in erster Instanz hilfsweise geltend gemachten Klagegrund gefolgt ist, indem es urteilte, die Anstellungsbehörde habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen (Rn. 83 bis 94 des angefochtenen Urteils). |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehlerhafte Feststellung, dass die Anstellungsbehörde einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe
77 |
In den Rn. 91 bis 93 des angefochtenen Urteils, in denen über den zweiten Klagegrund entschieden wurde, mit dem insbesondere ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Anstellungsbehörde geltend gemacht wurde, urteilte das Gericht für den öffentlichen Dienst, der von der Anstellungsbehörde angewandte Berechnungsmodus für die Dauer der Berufserfahrung sei in der Bekanntmachung SEC (2004) 638 des Vizepräsidenten der Kommission vom 25. Mai 2004 hinsichtlich des Bedarfs an Übersetzungen „nicht als zwingendes Auswahlkriterium für die Zulassung zu einem Auswahlverfahren speziell zur Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen vorgeschrieben worden“, sei „nicht in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthalten“ gewesen, sei auch nicht „Gegenstand einer zugänglichen oder dem Prüfungsausschuss oder den betroffenen Bewerbern notwendigerweise bekannten Veröffentlichung“ gewesen, entspreche „nicht den Kriterien, die von den anderen Übersetzungsdiensten der Organe, die für die etwaige Einstellung ihrer Rechts- und Sprachsachverständigen auf die Reserveliste zugreifen können, verwendet werden“, und sei daher nicht „ein den Organen der Union gemeinsames Kriterium“. Auf der Grundlage dieser Überlegungen zog das Gericht für den öffentlichen Dienst den Schluss, die Anstellungsbehörde habe „keinen rein kommissionsinternen und demzufolge nicht organübergreifenden Berechnungsmodus verwenden [dürfen], der damit, da es im vorliegenden Fall um die Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen ging, ungeeignet und gegenüber nicht dem Organ angehörenden Personen nicht verbindlich war“. |
78 |
In Rn. 93 des angefochtenen Urteils befand das Gericht für den öffentlichen Dienst daher, dass „die von der Kommission vorgenommene Analyse …, selbst wenn [sie] als plausibel angesehen würde, nicht auf einer einschlägigen und der Klägerin unmittelbar entgegenzuhaltenden Rechtsvorschrift beruht und demzufolge einen offensichtlichen Fehler der Anstellungsbehörde darstellt, der für das Gericht leicht zu erkennen ist“, und gab dem zweiten von FE geltend gemachten Klagegrund statt. |
79 |
Nach Ansicht der Kommission kann das Fehlen einer Anrechnungsmethode für die Berufserfahrung in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens den Prüfungsausschuss nicht daran hindern, eine solche anzuwenden. Zudem könne das Problem der möglichen Nichterfüllung der die Berufserfahrung betreffenden Bedingung bis zum Zeitpunkt der Einstellung zur Sprache gebracht werden. Im Übrigen stehe die Nichtanwendung von Anrechnungskriterien offensichtlich in Widerspruch zu dem Erfordernis der Gleichbehandlung der Bewerber. Schließlich sei die Schlussfolgerung des Gerichts für den öffentlichen Dienst angesichts von Rn. 93 des angefochtenen Urteils, in der es anerkannt habe, dass die Anwendung der Umwandlungskriterien der Kommission als „plausibel“ angesehen werden könne, was im Sinne der Rechtsprechung zum Begriff des offensichtlichen Beurteilungsfehlers einen solchen Fehler ausschließe, widersprüchlich und stelle somit einen Verstoß gegen die Begründungspflicht dar. |
80 |
FE erwidert, aufgrund des Fehlens einer Anrechnungsmethode in den einschlägigen Vorschriften könnten die Dienststellen der Kommission diese Methoden willkürlich und intransparent anwenden, während der Prüfungsausschuss an diese Vorschriften gebunden sei. Zudem sei es für die Beurteilung der Begründung des angefochtenen Urteils, die darauf beruhe, dass eine Berufung auf diese Regel möglich sei, irrelevant, ob die Umrechnungsregel interner oder organübergreifender Natur sei. Schließlich sei die Bezugnahme auf die „Plausibilität“ der Analyse der Berufserfahrung von FE bloß rhetorisch gemeint und deute darauf hin, dass die Annahme rein hypothetisch sei und dass die sonstigen Argumente von FE im zweiten Klagegrund ihrer Klage in erster Instanz bloß hilfsweise vorgebracht worden seien. |
81 |
Es ist festzustellen, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst seine Schlussfolgerung, wonach die Anstellungsbehörde einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, auf die Feststellung stützte, dass der von Letzterer verwendete Berechnungsmodus, nämlich die Anrechnung der Dauer der Berufserfahrung nach dem Verhältnis von fünf übersetzten Seiten pro Tag (vgl. Rn. 90 des angefochtenen Urteils), zum einen auf keiner bekannten Rechtsvorschrift beruhe und zum anderen kein allen Organen der Union gemeinsames Kriterium gewesen sei. Für das Gericht für den öffentlichen Dienst führte die Anwendung dieses Modus vor allem deshalb zu einem offensichtlichen Beurteilungsfehler, weil dieser rein kommissionsintern und als solcher weder geeignet noch gegenüber nicht der Kommission angehörenden Personen, wie FE, verbindlich gewesen sei (Rn. 92 des angefochtenen Urteils). |
82 |
Allerdings hat das Gericht für den öffentlichen Dienst in den Rn. 86 und 94 des angefochtenen Urteils nicht zu der Frage Stellung genommen, ob die Beurteilung der Berufserfahrung von FE durch die Anstellungsbehörde als plausibel akzeptiert werden kann (Rn. 93 des angefochtenen Urteils). Stattdessen hat es seine Prüfung mit der Feststellung abgeschlossen, dass der von der Anstellungsbehörde verwendete Berechnungsmodus FE nicht entgegengehalten werden könne. Mit einer solchen Schlussfolgerung hat sich das Gericht für den öffentlichen Dienst nicht wirklich zur Rüge des offensichtlichen Beurteilungsfehlers geäußert, sondern vielmehr zur Rüge des vermeintlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. |
83 |
Wie aus der oben in Rn. 57 angeführten Rechtsprechung hervorgeht, muss nämlich erstens nachgewiesen werden, dass die in der streitigen Entscheidung enthaltenen Beurteilungen nicht plausibel sind, um darzutun, dass bei der Würdigung des Sachverhalts ein offensichtlicher Irrtum begangen wurde, der die Nichtigkeit einer Entscheidung rechtfertigen könnte. |
84 |
Da das Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 93 des angefochtenen Urteils befand, die Anstellungsbehörde habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, ohne dazu Stellung zu nehmen, ob die von Letzterer durchgeführte Analyse der Berufserfahrung von FE plausibel war oder nicht, hat es gegen die Begründungspflicht gemäß Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union verstoßen. |
85 |
Zweitens ist – wie dies das Gericht für den öffentlichen Dienst in Rn. 42 des angefochtenen Urteils getan hat – bezüglich des Grundsatzes der Rechtssicherheit darauf hinzuweisen, dass eine Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens ihres Zwecks beraubt wäre, die Bewerber über die Voraussetzungen zu unterrichten, die für eine Bewerbung zu erfüllen sind, wenn die Verwaltung einen Bewerber aus einem Grund ausschließen könnte, der nicht ausdrücklich in dieser Bekanntmachung oder im Statut steht oder nicht bekannt gegeben wurde (vgl. zu Stellenausschreibungen Urteile vom 14. April 2011, Šimonis/Kommission, F‑113/07, EU:F:2011:44, Rn. 74, und vom 15. Oktober 2014, Moschonaki/Kommission, F‑55/10 RENV, EU:F:2014:235, Rn. 42). |
86 |
Wenngleich dieses Erfordernis verhindert, dass einem Bewerber eines Auswahlverfahrens eine Zulassungsbedingung entgegengehalten wird, die insbesondere nicht in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthalten ist, kann dies jedoch nicht dahin ausgelegt werden, dass die Anstellungsbehörde verpflichtet ist, in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens auch den Modus oder die verschiedenen möglichen Berechnungsmodalitäten für die Anwendung solcher Zulassungsbedingungen anzugeben. Im Übrigen ist festzustellen, dass eine solche Auslegung das weite Ermessen, über das der Prüfungsausschuss bei der Beurteilung der Beachtung der in diesen Bekanntmachungen von Auswahlverfahren vorgesehenen Kriterien verfügt, auf nahezu Null reduzieren würde. |
87 |
Daher ist nicht davon auszugehen, dass die Anstellungsbehörde durch den Erlass der streitigen Entscheidung den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt hat. |
88 |
In der Gegenerwiderung macht FE geltend, die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, um das es im Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission (T‑293/03, EU:T:2006:37), gehe, enthalte im Unterschied zum vorliegenden Fall eine explizite und detaillierte Beschreibung der Art der verlangten Berufserfahrung sowie der Stellen, an denen sie habe erworben werden können. Zudem bestätige dieses Urteil, dass es dem mit einem weiten Ermessen ausgestatteten Prüfungsausschuss obliege, zu beurteilen, ob die Bewerber die Voraussetzungen erfüllten. Die Entscheidungen eines Prüfungsausschusses, gegenüber dem die Anstellungsbehörde keine Angaben zur Ausübung seines Ermessens gemacht habe, könnten von der Anstellungsbehörde nicht im Nachhinein auf der Grundlage von Kriterien, an die der Prüfungsausschuss keinesfalls gebunden sei, in Frage gestellt werden. |
89 |
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Der vorliegende Rechtsmittelgrund betrifft die Relevanz und die Einwendbarkeit des von der Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall verwendeten Berechnungsmodus und nicht die Frage des Ermessens, das der Prüfungsausschuss im Rahmen der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgesehenen Zulassungsbedingungen ausübt. |
90 |
Nach alledem ist der Schluss zu ziehen, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass es befand, der von der Anstellungsbehörde verwendete Berechnungsmodus sei im vorliegenden Fall weder geeignet noch könne er Bewerbern entgegengehalten werden, und die Anstellungsbehörde habe durch seine Anwendung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. |
91 |
Daher ist dem zweiten Rechtsmittelgrund stattzugeben. |
Zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils
92 |
Da der erste Teil, der zweite Teil und die erste Rüge des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes sowie der zweite Rechtsmittelgrund für begründet erklärt worden sind, ist das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es die streitige Entscheidung mit der Begründung für nichtig erklärt, die Anstellungsbehörde sei für deren Erlass nicht zuständig gewesen und habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. |
93 |
Unter diesen Umständen gibt es keine rechtliche Grundlage für die Entscheidung des Gerichts für den öffentlichen Dienst, die Kommission zur Zahlung von Schadensersatz an FE zu verurteilen, die auf der Feststellung beruhte, aus der Prüfung des ersten vor ihm vorgebrachten Klagegrundes ergebe sich, dass die streitige Entscheidung rechtswidrig sei (vgl. Rn. 121 des angefochtenen Urteils). |
94 |
Daraus folgt, dass die Nrn. 1 und 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben sind, ohne dass der dritte Rechtsmittelgrund geprüft zu werden braucht. |
95 |
Nicht aufzuheben ist hingegen Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Urteils, in der das Gericht für den öffentlichen Dienst die Klage von FE im Übrigen abgewiesen hat, da diese Entscheidung nicht dadurch berührt wird, dass der erste Teil, der zweite Teil und die erste Rüge des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes sowie der zweite Rechtsmittelgrund für begründet erklärt worden sind. |
96 |
Schließlich ist wegen der Teilaufhebung des angefochtenen Urteils auch die Kostenentscheidung des Gerichts für den öffentlichen Dienst und damit Nr. 4 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben. |
Zur Klage im ersten Rechtszug
97 |
Nach Art. 4 der Verordnung (EU, Euratom) 2016/1192 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über die Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung im ersten Rechtszug über die Rechtsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Bediensteten auf das Gericht (ABl. 2016, L 200, S. 137) entscheidet, wenn das Gericht eine Entscheidung des Gerichts für den öffentlichen Dienst aufhebt und zugleich feststellt, dass der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, die Kammer, die über das Rechtsmittel entscheidet, selbst über den Rechtsstreit. Das ist hier der Fall. |
98 |
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Anbetracht dessen, dass das angefochtene Urteil nur insoweit aufgehoben wird, als es mit den Rechtsfehlern behaftet ist, die oben in den Rn. 35, 47, 62, 65, 67 und 90 festgestellt worden sind, die das im ersten und im zweiten Klagegrund in erster Instanz geltend gemachte Vorbringen der Unzuständigkeit der Anstellungsbehörde, des offensichtlichen Beurteilungsfehlers und des Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit betreffen, die anderen Beurteilungen des Gerichts für den öffentlichen Dienst rechtskräftig geworden sind. |
99 |
Insbesondere ist festzustellen, dass im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels die Schlussfolgerung des Gerichts für den öffentlichen Dienst in Rn. [105] des angefochtenen Urteils, wonach der Antrag von FE auf Aufhebung der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde keinen eigenständigen Gehalt habe und als formal gegen die streitige Entscheidung, wie sie durch die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde näher ausgeführt werde, gerichtet anzusehen sei, nicht ausdrücklich in Frage gestellt worden ist. Gleiches gilt für die Beurteilung des Gerichts für den öffentlichen Dienst in den Rn. 101 bis 109 des angefochtenen Urteils, mit der dieses den dritten in erster Instanz geltend gemachten Klagegrund zurückwies, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, eine Verletzung der Fürsorgepflicht und eine Überschreitung einer angemessenen Verfahrensdauer gerügt wurde. |
100 |
Daher hat das Gericht endgültig über die ursprünglich vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst von FE eingebrachte Klage zu entscheiden und sich zu den Rügen des zweiten Klagegrundes und zum vierten Klagegrund zu äußern, die vom Gericht für den öffentlichen Dienst nicht geprüft wurden. |
101 |
In diesem Zusammenhang geht erstens aus der Analyse des ersten im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels geltend gemachten Rechtsmittelgrundes hervor, dass im vorliegenden Fall die Zulassungsbedingung der Mindestdauer der erworbenen Berufserfahrung als Bezugnahme auf eine ausgeübte Vollzeitbeschäftigung zu verstehen war und dass die Anstellungsbehörde verpflichtet war, vor der Einstellung von FE zu prüfen, ob diese die betreffenden Voraussetzungen erfüllte. |
102 |
Zudem kann die Tatsache, dass der Berechnungsmodus für die erworbene Berufserfahrung in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht enthalten war, nicht dahin ausgelegt werden, dass der Prüfungsausschuss deshalb keine Anrechnung der Dauer dieser Erfahrung im Hinblick auf eine Vollzeitbeschäftigung vornehmen musste. |
103 |
Vor diesem Hintergrund konnte die Anstellungsbehörde bei der Prüfung der Akte von FE vor ihrer Einstellung feststellen, dass die Tätigkeit als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige, auf die sie sich berief, beinahe die Hälfte ihrer Berufserfahrung (15 Monate von insgesamt 31 Monaten) und beinahe zwei Drittel des geforderten Mindestzeitraums von 24 Monaten ausmachte, dass FE während dieses Zeitraums insgesamt 721 Seiten übersetzt hatte und dass sie parallel zu einem Teil dieser Tätigkeit studiert hatte (vgl. Rn. 11, 19, 78 und 79 des angefochtenen Urteils). Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Anstellungsbehörde die Dauer der von FE erworbenen Berufstätigkeit rechtsgültig prüfen konnte. |
104 |
Zweitens ist hinsichtlich des zweiten von FE in erster Instanz hilfsweise geltend gemachten Klagegrundes zunächst in Bezug auf den vermeintlichen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Anstellungsbehörde anzumerken, dass der Berechnungsmodus, der darin besteht, die geleistete Arbeit auf der Grundlage der Anzahl der übersetzten Seiten zu quantifizieren, auf dem Gebiet der Übersetzung sehr häufig verwendet wird, und zwar sowohl von Organen als auch in der Privatwirtschaft, wahrscheinlich weil er als der objektivste angesehen wird. Er wird insbesondere auch vom Gerichtshof der Europäischen Union, auch was die Rechts- und Sprachsachverständigen betrifft, und für die Bezahlung der von Freelance-Übersetzern erbrachten Dienstleistungen angewandt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die von FE vorgelegten Auftragsformulare des Gerichtshofs der Europäischen Union als zu erfüllende Aufgabe die „Übersetzung des Dokuments“, die dafür vorgesehene Frist, die Anzahl der Seiten des betreffenden Dokuments, den Preis pro Seite und den zu bezahlenden Gesamtbetrag enthielten. Ferner stellte das Gericht für den öffentlichen Dienst keinesfalls fest, dass FE, um ihre Erfahrung als „Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige“ geltend zu machen, Beweise zum Nachweis dafür vorgelegt habe, dass sie in dieser Eigenschaft für den Gerichtshof der Europäischen Union andere Aufgaben als die der Übersetzung von Rechtstexten wahrgenommen habe. |
105 |
Im Übrigen kann die Tatsache, dass die Anstellungsbehörde das Kriterium der Zahl der pro Tag übersetzten Seiten nach dem von den Übersetzungsdiensten der Kommission verwendeten Verhältnis, d. h. fünf Seiten pro Arbeitstag, anwandte, an sich nicht als offensichtlich fehlerhaft angesehen werden. |
106 |
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses und die der Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall nicht die gleiche Tragweite haben. Während die erstgenannte Entscheidung dazu führt, dass ein Bewerber zum Auswahlverfahren zugelassen wird oder nicht, beschränkt sich die Entscheidung der Anstellungsbehörde auf die mögliche Einstellung eines erfolgreichen Teilnehmers durch ein bestimmtes Organ. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Anstellungsbehörde – entgegen dem, was insbesondere aus den Rn. 62 bis 72 des angefochtenen Urteils hervorzugehen scheint, in denen das Gericht für den öffentlichen Dienst „die Befugnis der Anstellungsbehörde, [FE] von der Reserveliste ausschließen,“ prüfte – nach ständiger, auf dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Prüfungsausschüsse beruhender Rechtsprechung, nicht befugt ist, eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses aufzuheben oder abzuändern (Urteile vom 20. Februar 1992, Parlament/Hanning, C‑345/90 P, EU:C:1992:79, Rn. 22, und vom 15. September 2005, Luxem/Kommission, T‑306/04, EU:T:2005:326, Rn. 22 und 24). Da FE jedoch von der Kommission eingestellt werden wollte und es keinen organübergreifenden, allgemein anwendbaren Modus bzw. keine Angaben zu einer plausiblen Berechnung des Prüfungsausschusses gab, wandte die Anstellungsbehörde der Kommission zu Recht den allgemein intern auf dem Gebiet der Übersetzung angewandten Berechnungsmodus an. |
107 |
Ferner ist hinsichtlich der Feststellung des Gerichts für den öffentlichen Dienst, dass es im vorliegenden Fall speziell um die Übersetzung von Rechtstexten und/oder die Überprüfung der sprachlichen und juristischen Übereinstimmung von Rechtsvorschriften gegangen sei (Rn. 90 des angefochtenen Urteils), darauf hinzuweisen, dass FE keinen Nachweis dafür erbracht hat, dass sie auf Basis eines anderen, insbesondere vom Gerichtshof der Europäischen Union angewandten Verhältnisses der pro Tag übersetzten Seiten die Voraussetzung der erworbenen Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren hätte erfüllen können. |
108 |
Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass der von der Anstellungsbehörde angewandte Berechnungsmodus nicht unangemessen war und dass FE nicht nachgewiesen hat, dass die Anstellungsbehörde mit einem anderen Berechnungsmodus zu einer anderslautenden Entscheidung hätte kommen können. Daher kann die Anwendung dieses Berechnungsmodus nicht als offensichtlich fehlerhaft angesehen werden. |
109 |
Schließlich ist das Vorbringen, die Anstellungsbehörde habe mit ihrer Feststellung, dass das von FE bei der Anwaltskanzlei W. in Brüssel absolvierte Praktikum zwei und nicht drei Monate gedauert habe, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als ins Leere gehend zurückzuweisen. Selbst wenn man annimmt, dass die Anstellungsbehörde tatsächlich einen solchen Fehler begangen hat, kann dies nichts an ihrer Entscheidung ändern, wonach FE die Zulassungsbedingung für das betreffende Auswahlverfahren nicht erfüllt hat. |
110 |
Sodann ist auch die von FE in erster Instanz erhobene Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zurückzuweisen. FE weist nämlich nicht nach, dass sich die Lage, in der sie sich befand, von jener der Übersetzer unterschied, die für andere Organe arbeiteten oder in andere Sprachen als das Polnische übersetzten. |
111 |
Schließlich machte FE in erster Instanz auch geltend, die Anstellungsbehörde habe dadurch gegen die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verstoßen, dass sie den Grundsatz angewandt habe, wonach ihre Berufserfahrung einer Vollzeitbeschäftigung entsprechen müsse. Zudem habe diese keine Anforderungen an Leistung oder Effizienz der Bewerber und auch keine Normen, wie die von der Anstellungsbehörde angewandten, enthalten. Dieses Vorbringen ist aus den insbesondere in den Rn. 29 und 86 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen. |
112 |
Drittens trägt FE hinsichtlich des vierten in erster Instanz vorgebrachten Klagegrundes betreffend die Rechtswidrigkeit der die Berufserfahrung betreffenden Bedingung für die Zulassung zum Auswahlverfahren im Wege einer Einrede der Rechtswidrigkeit vor, diese in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthaltene Zulassungsbedingung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da andere Bekanntmachungen von Auswahlverfahren für die Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen keine solche Bedingung vorsähen. |
113 |
Die Kommission beantragt, den vierten Klagegrund als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen. |
114 |
In Rn. 112 des angefochtenen Urteils hat das Gericht für den öffentlichen Dienst befunden, der vierte Klagegrund sei nicht mehr zu prüfen, da dem ersten, auf die Unzuständigkeit der Anstellungsbehörde gestützten Aufhebungsgrund gefolgt worden sei. Es hat ferner ausgeführt: „Im Übrigen ist festgestellt worden, dass die Anstellungsbehörde angesichts der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens geregelten Verteilung der Zuständigkeiten zwischen ihr und dem Prüfungsausschuss an die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die Klägerin hinsichtlich der Zulassungsbedingung der Berufserfahrung zum Auswahlverfahren zuzulassen, gebunden war, da diese Entscheidung nicht mit einem offensichtlichen Fehler behaftet war, so dass die etwaige Rechtswidrigkeit dieser Zulassungsbedingung nicht zu einem zusätzlichen, [FE] zu ersetzenden persönlichen Schaden führen könnte.“ |
115 |
Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Bewerber eines Auswahlverfahrens im Rahmen eines Einstellungsverfahrens, das ein komplexer Verwaltungsvorgang ist, der aus einer Folge eng miteinander verbundener Entscheidungen besteht, mit einer gegen spätere Handlungen gerichteten Klage die Rechtswidrigkeit der mit diesen Handlungen eng verbundenen früheren Handlungen geltend machen (vgl. Urteil vom 11. August 1995, Kommission/Noonan, C‑448/93 P, EU:C:1995:264, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung) und sich insbesondere auf die Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, aufgrund deren der betreffende Rechtsakt erlassen wurde, berufen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. September 1993, Noonan/Kommission, T‑60/92, EU:T:1993:74, Rn. 23, und vom 5. Dezember 2012, BA/Kommission, F‑29/11, EU:F:2012:172, Rn. 39). |
116 |
Was den im Recht des öffentlichen Dienstes der Union geltenden Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft, so liegt ein Verstoß gegen diesen vor, wenn zwei Personengruppen, deren tatsächliche und rechtliche Lage sich nicht wesentlich unterscheidet, unterschiedlich behandelt werden, ohne dass dies objektiv gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber ist beim Erlass von insbesondere auf den öffentlichen Dienst der Union anwendbaren Vorschriften verpflichtet, den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung zu wahren (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2015, Kommission/Verile und Gjergji, T‑104/14 P, EU:T:2015:776, Rn. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
117 |
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Anstellungsbehörde bei der Festlegung der Bedingungen für die Zulassung zu Auswahlverfahren nach Maßgabe des dienstlichen Interesses über ein weites Ermessen verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2001, Van Huffel/Kommission, T‑142/00, EU:T:2001:268, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher kann ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz durch die in Rede stehende Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht bloß daraus abgeleitet werden, dass bestimmte andere Auswahlverfahren zur Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen, die im Übrigen nach dem im vorliegenden Fall in Rede stehenden Auswahlverfahren organisiert wurden, nicht dieselbe Voraussetzung der Mindestberufserfahrung wie im vorliegenden Fall vorsahen. |
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Zudem hat FE nicht nachgewiesen, dass sich die Bewerber des in Rede stehenden Auswahlverfahrens insbesondere aus Sicht des dienstlichen Interesses in der gleichen rechtlichen und tatsächlichen Lage befanden wie die Bewerber der erwähnten anderen Auswahlverfahren zur Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen. |
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Daraus folgt, dass die in Rede stehende Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt. |
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Was viertens den Antrag auf Schadensersatz betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der Schaden, auf den sich ein Kläger beruft, auf dem Erlass einer Entscheidung beruht, gegen die sich ein Aufhebungsantrag richtet, die Zurückweisung dieses Aufhebungsantrags grundsätzlich zur Zurückweisung des Schadensersatzantrags führt, da dieser mit jenem in engem Zusammenhang steht (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2013, Andres u. a./EZB, F‑15/10, EU:F:2013:194, Rn. 420 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass der Schaden, auf den sich FE beruft, auf der angeblichen Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidung der Anstellungsbehörde beruht und dass der Aufhebungsantrag zurückgewiesen worden ist. Dies hat zur Folge, dass der Antrag auf Schadensersatz zurückzuweisen ist. |
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Nach alledem ist die Klage im ersten Rechtszug insgesamt abzuweisen. |
Kosten
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Nach Art. 211 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und es selbst den Rechtsstreit entscheidet. Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 211 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Im Übrigen geht aus Art. 211 Abs. 3 der Verfahrensordnung hervor, dass ein Organ, wenn es Rechtsmittel einlegt, die ihm entstehenden Kosten unbeschadet der Bestimmungen des Art. 135 Abs. 2 der Verfahrensordnung selbst trägt. |
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Im vorliegenden Fall sind die Kommission und FE zur Tragung ihrer eigenen Kosten im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens zu verurteilen. Was das Verfahren in erster Instanz betrifft, ist FE zur Tragung der Kosten zu verurteilen, da sie mit ihrem Vorbringen zur Gänze unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Jaeger Prek Frimodt Nielsen Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 2017. Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.
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Referenzen
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