Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-389/15

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

25. Oktober 2017 ( *1 )

„Nichtigkeitsklage – Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein überarbeitetes Lissabonner Abkommen über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben – Art. 3 Abs. 1 AEUV – Ausschließliche Zuständigkeit der Union – Gemeinsame Handelspolitik – Art. 207 Abs. 1 AEUV – Handelsaspekte des geistigen Eigentums“

In der Rechtssache C‑389/15

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 17. Juli 2015,

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre, J. Guillem Carrau, B. Hartmann, A. Lewis und M. Kocjan als Bevollmächtigte,

Klägerin,

unterstützt durch

Europäisches Parlament, vertreten durch J. Etienne, A. Neergaard und R. Passos als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Balta und F. Florindo Gijón als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch M. Hedvábná, K. Najmanová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und J. Techert als Bevollmächtigte,

Hellenische Republik, vertreten durch M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

Königreich Spanien, vertreten durch M. A. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas, F. Fize, B. Fodda und D. Segoin als Bevollmächtigte,

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,

Ungarn, vertreten durch M. Bóra, M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,

Königreich der Niederlande, vertreten durch M. Bulterman, M. Gijzen und B. Koopman als Bevollmächtigte,

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

Portugiesische Republik, vertreten durch M. Figueiredo, L. Inez Fernandes und L. Duarte als Bevollmächtigte,

Slowakische Republik, vertreten durch M. Kianička als Bevollmächtigten,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch C. Brodie und D. Robertson als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, J. L. da Cruz Vilaça, A. Rosas und J. Malenovský (Berichterstatter), der Richter E. Juhász, M. Safjan und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas und M. Vilaras,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Juli 2017

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage begehrt die Europäische Kommission die Nichtigerklärung des Beschlusses 8512/15 des Rates vom 7. Mai 2015 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein überarbeitetes Lissabonner Abkommen über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben im Hinblick auf Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Pariser Verbandsübereinkunft

2

Die Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (United Nations Treaty Series, Bd. 828, Nr. 11851, S. 305, im Folgenden: Pariser Verbandsübereinkunft), wurde am 20. März 1883 in Paris unterzeichnet.

3

Der ursprüngliche Text dieser Übereinkunft enthielt eine bei ihren späteren Revisionen nicht übernommene Präambel, wonach die Parteien der Übereinkunft „von dem Wunsche beseelt, im Einvernehmen miteinander der Gewerbetätigkeit und dem Handel der Angehörigen ihrer betreffenden Staaten einen vollkommenen und wirksamen Schutz zu sichern und zur Gewährleistung der Rechte der Erfinder und der Loyalität des Handelsverkehrs beizutragen“, beschlossen, die Übereinkunft zu schließen.

4

Art. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft sieht u. a. vor, dass die Länder, auf die sie Anwendung findet, einen Verband zum Schutz des gewerblichen Eigentums, darunter Patente, Muster, Modelle, Marken, Handelsnamen und Herkunftsangaben oder Ursprungsbezeichnungen, sowie zur Unterdrückung des unlauteren Wettbewerbs bilden.

5

Nach Art. 2 der Übereinkunft genießen die Angehörigen jedes der Verbandsländer in allen übrigen Ländern des Verbands in Bezug auf den Schutz des gewerblichen Eigentums die Vorteile, welche die betreffenden Gesetze der anderen Länder den eigenen Staatsangehörigen gewähren, und haben demgemäß den gleichen Schutz wie diese.

6

In diesem Rahmen verpflichten die Art. 10 bis 10ter der Übereinkunft die Verbandsländer, den Verbandsangehörigen einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb zu gewährleisten und geeignete Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen. Sie sehen ferner vor, dass betroffene Erzeugnisse im Fall des Gebrauchs einer falschen Angabe über ihre Herkunft bei ihrer Einfuhr beschlagnahmt werden.

7

Nach Art. 19 der Pariser Verbandsübereinkunft ist den Verbandsländern das Recht vorbehalten, einzeln untereinander Sonderabkommen zum Schutz des gewerblichen Eigentums zu treffen.

Lissabonner Abkommen

8

Das Lissabonner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung wurde am 31. Oktober 1958 unterzeichnet, am 14. Juli 1967 in Stockholm revidiert und am 28. September 1979 geändert (United Nations Treaties Series, Bd. 828, Nr. 13172, S. 205, im Folgenden: Lissabonner Abkommen). Es stellt ein Sonderabkommen im Sinne von Art. 19 der Pariser Verbandsübereinkunft dar, dem jedes Land beitreten kann, das Vertragspartei dieser Übereinkunft ist.

9

Zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage waren 28 Staaten Vertragsparteien des Lissabonner Abkommens. Darunter befanden sich sieben Mitgliedstaaten der Union, und zwar die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, Ungarn, die Portugiesische Republik und die Slowakische Republik. Drei weitere Mitgliedstaaten, nämlich die Hellenische Republik, das Königreich Spanien und Rumänien, hatten das Abkommen zwar ebenfalls unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Die Union war hingegen nicht Partei des Abkommens, dem nur Staaten beitreten konnten.

10

Nach Art. 1 des Lissabonner Abkommens bilden die Länder, auf die es Anwendung findet, einen besonderen Verband innerhalb des durch die Pariser Verbandsübereinkunft errichteten Verbands zum Schutz des gewerblichen Eigentums und verpflichten sich, in ihrem Hoheitsgebiet gemäß den Bestimmungen des Abkommens diejenigen Ursprungsbezeichnungen der Erzeugnisse der anderen Länder des besonderen Verbands zu schützen, die im Ursprungsland als solche anerkannt und geschützt und beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) registriert sind.

11

Gemäß Art. 2 Abs. 1 dieses Abkommens ist unter „Ursprungsbezeichnung“ die geografische Benennung eines Landes, einer Gegend oder eines Ortes zu verstehen, die zur Kennzeichnung eines Erzeugnisses dient, das dort seinen Ursprung hat und das seine Güte oder Eigenschaften ausschließlich oder überwiegend den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt.

12

Die Art. 3 bis 7 des Abkommens regeln den Inhalt und die Voraussetzungen für den Schutz der unter das Abkommen fallenden Ursprungsbezeichnungen sowie die Modalitäten ihrer Registrierung beim Internationalen Büro der WIPO. Art. 4 des Abkommens stellt klar, dass dieser Schutz nicht den Schutz ausschließt, der für Ursprungsbezeichnungen in jedem Land des besonderen Verbands bereits u. a. aufgrund der Pariser Übereinkunft besteht.

13

Art. 8 des Lissabonner Abkommens bestimmt, dass die für die Sicherung dieses Schutzes erforderliche Rechtsverfolgung in jedem Land des durch das Abkommen errichteten besonderen Verbands gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften eingeleitet werden kann.

14

Die Art. 9 bis 18 dieses Abkommens enthalten Bestimmungen über die institutionelle Organisation und die verwaltungstechnischen Abläufe des besonderen Verbands sowie allgemeine das Abkommen betreffende Klauseln.

Unionsrecht

15

Die Union hat seit den 1970er Jahren schrittweise verschiedene Rechtsakte erlassen, die u. a. die Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung bestimmter Arten von Erzeugnissen, die in den Genuss von Ursprungsbezeichnungen oder geografischen Angaben kommen, sowie die Voraussetzungen für deren Gewährung, Schutz und Kontrolle regeln. Bei diesen Arten von Erzeugnissen handelt es sich derzeit um Weine, Spirituosen, aromatisierte Weine sowie andere Agrarerzeugnisse und Lebensmittel.

16

Die einschlägige Regelung der Union besteht heute aus der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 (ABl. 2008, L 39, S. 16, berichtigt im ABl. 2009, L 228, S. 47), der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1), der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671, berichtigt im ABl. 2014, L 189, S. 261, im ABl. 2016, L 130, S. 18, und im ABl. 2017, L 34, S. 41) sowie der Verordnung (EU) Nr. 251/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates (ABl. 2014, L 84, S. 14, berichtigt im ABl. 2014, L 105, S. 12).

Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

Überarbeitung des Lissabonner Abkommens

17

Im September 2008 bildete die Versammlung des durch das Lissabonner Abkommen errichteten besonderen Verbands eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung einer Überarbeitung dieses Abkommens, um es zu verbessern und attraktiver zu machen, ohne seine Ziele und Grundsätze anzutasten.

18

Im Oktober 2014 einigte sich die Arbeitsgruppe auf den Entwurf eines entsprechenden Rechtsakts (im Folgenden: Entwurf des überarbeiteten Abkommens), der die institutionellen, verfahrenstechnischen und materiellen Bestimmungen des Lissabonner Abkommens übernimmt, ihre Ausgestaltung aber teilweise verändert und an ihnen eine Reihe von Ergänzungen und Präzisierungen vornimmt. Letztere betrafen insbesondere die geplante Erweiterung des Anwendungsbereichs des im Abkommen vorgesehenen Schutzes auf geografische Angaben (Art. 2 und 9), den materiellen Umfang dieses Schutzes und die verfahrenstechnischen Mittel zu dessen Umsetzung (Art. 4 bis 8 und 11 bis 20) sowie die zwischenstaatlichen Organisationen eingeräumte Möglichkeit, dem Abkommen beizutreten (Art. 28).

19

Vom 11. bis zum 21. Mai 2015 fand in Genf eine diplomatische Konferenz zur Prüfung und Annahme des Entwurfs des überarbeiteten Abkommens statt. Im Einklang mit dem vom Vorbereitungsausschuss genehmigten Entwurf der Verfahrensordnung wurden dazu die Delegationen der 28 Vertragsstaaten des Lissabonner Abkommens eingeladen sowie zwei „Sonderdelegationen“, darunter die der Union, sowie eine Reihe von „Beobachterdelegationen“.

20

Am 20. Mai 2015 nahm diese diplomatische Konferenz den Genfer Akt des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben an, der am folgenden Tag zur Unterzeichnung aufgelegt wurde.

Empfehlung der Kommission und angefochtener Beschluss

21

Im Hinblick auf diese diplomatische Konferenz verabschiedete die Kommission am 30. März 2015 eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein überarbeitetes Lissabonner Abkommen über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben.

22

In dieser Empfehlung forderte die Kommission den Rat erstens auf, seinen Beschluss in Anbetracht der ausschließlichen Zuständigkeit der Union für die gemeinsame Handelspolitik nach Art. 3 Abs. 1 AEUV sowie des Ziels und des Inhalts des Lissabonner Abkommens auf Art. 207 AEUV sowie auf Art. 218 Abs. 3 und 4 AEUV zu stützen.

23

Zweitens schlug die Kommission dem Rat vor, ihr die Verhandlungsführung für die Union zu übertragen, hierbei zu befolgende Verhandlungsrichtlinien festzulegen und den in diesem Rahmen zu konsultierenden Sonderausschuss zu bestellen.

24

Am 7. Mai 2015 erließ der Rat den angefochtenen Beschluss, der abweichend von der Empfehlung der Kommission auf Art. 114 AEUV sowie auf Art. 218 Abs. 3 und 4 AEUV gestützt wurde.

25

In den Erwägungsgründen 2 und 3 des Beschlusses wird diese Wahl wie folgt begründet:

„(2)

Das internationale System des Lissabonner Abkommens wird derzeit überarbeitet, um es zu verbessern und somit möglicherweise mehr Mitglieder zu gewinnen, ohne dabei seine Grundsätze und Ziele anzutasten. …

(3)

Mit dem [Entwurf des] überarbeiteten Abkommen[s] wird ein System zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben innerhalb der Vertragsparteien durch eine einheitliche Registrierung eingerichtet. Dieser Gegenstand ist durch interne … Rechtsvorschriften der [Union] im Hinblick auf landwirtschaftliche Bezeichnungen und Angaben harmonisiert und fällt daher in die geteilte Zuständigkeit der Union (im Hinblick auf landwirtschaftliche Bezeichnungen und Angaben) und ihrer Mitgliedstaaten (im Hinblick auf nicht landwirtschaftliche Bezeichnungen und Angaben sowie auf Gebühren).“

26

Art. 1 des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Die Kommission wird ermächtigt, gemeinsam mit den sieben Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Lissabonner Abkommens sind, an der diplomatischen Konferenz zur Annahme eines [Entwurfs des überarbeiteten Abkommens] – im Hinblick auf Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Union fallen – teilzunehmen.“

27

Art. 2 des Beschlusses bestimmt:

„Im Interesse der Union üben die sieben Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Lissabonner Abkommens sind, die Stimmrechte im Hinblick auf Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Union fallen, auf der Grundlage eines gemeinsamen Standpunkts aus.“

28

Art. 3 des Beschlusses sieht vor:

„Die Verhandlungen werden gemäß den im Anhang enthaltenen Verhandlungsrichtlinien geführt.“

29

Art. 4 des Beschlusses lautet:

„Während der diplomatischen Konferenz erfolgt eine zweckmäßige Koordinierung im Hinblick auf Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Union fallen. Nach der Konferenz erstatten die Verhandlungsführer zügig Bericht an die Ratsgruppe ‚Geistiges Eigentum‘.“

30

Im Anschluss an den Erlass des angefochtenen Beschlusses gab die Kommission eine Erklärung ab, in der sie zum Ausdruck brachte, dass sie weder mit den vom Rat herangezogenen Rechtsgrundlagen noch mit der Benennung von Mitgliedstaaten als Verhandlungsführer für die Union einverstanden ist.

Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

31

Die Kommission beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären,

seine Wirkungen so lange aufrechtzuerhalten, bis innerhalb einer angemessenen Frist nach Verkündung des Urteils des Gerichtshofs ein neuer Beschluss des Rates in Kraft tritt, und

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

32

Der Rat beantragt,

die Klage abzuweisen und

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

33

Mit Entscheidungen vom 27. November 2015 hat der Präsident des Gerichtshofs die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik und die Slowakische Republik als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

34

Mit Entscheidung vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Europäische Parlament als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

35

Mit Entscheidung vom 12. Januar 2016 hat der Präsident des Gerichtshofs das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

Zur Klage

36

Zur Stützung ihrer Anträge macht die vom Parlament unterstützte Kommission zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund wird gerügt, dass der Rat den angefochtenen Beschluss unter Verstoß gegen Art. 3 AEUV erlassen habe, da die Verhandlungen, auf die er sich beziehe, den Entwurf eines Abkommens beträfen, das in die ausschließliche Zuständigkeit der Union falle. Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, dass der Rat gegen Art. 207 Abs. 3 AEUV und Art. 218 Abs. 3, 4 und 8 AEUV verstoßen habe, indem er in einem Bereich, der der Zuständigkeit der Union unterliege, Mitgliedstaaten als Verhandlungsführer benannt und den angefochtenen Beschluss nicht mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit erlassen habe.

37

Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten, als Hauptthese vorgebrachten Teil wird geltend gemacht, dass der angefochtene Beschluss gegen die der Union durch Art. 3 Abs. 1 AEUV übertragene ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik verstoße. Mit dem zweiten, hilfsweise vorgebrachten Teil wird ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 AEUV gerügt. Zunächst ist der erste Teil dieses Klagegrundes zu prüfen.

Vorbringen der Parteien

38

Die Kommission und das Parlament heben zunächst hervor, dass die der Union durch Art. 3 Abs. 1 AEUV übertragene ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 207 Abs. 1 AEUV die Handelsaspekte des geistigen Eigentums umfasse. Daher sei allein die Union für die Aushandlung und den Abschluss internationaler Abkommen über das geistige Eigentum zuständig, wenn angesichts von deren Ziel und Inhalt feststehe, dass sie einen spezifischen Bezug zum internationalen Handelsverkehr aufwiesen, etwa indem sie diesen durch eine Vereinheitlichung der Regelungen erleichterten. Folglich sei diese ausschließliche Zuständigkeit keineswegs auf Abkommen zur Harmonisierung des Schutzes von Rechten des geistigen Eigentums, die im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) ausgehandelt würden, beschränkt, sondern erstrecke sich auch auf andere Abkommen, deren jeweilige Prüfung zeige, dass sie hauptsächlich darauf gerichtet seien, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit den Austausch von Waren oder Dienstleistungen mit Drittländern zu begünstigen, indem sie für diese Waren oder Dienstleistungen den gleichen Schutz gewährleisteten wie den, den sie bereits im Binnenmarkt genössen.

39

Sodann machen die Kommission und das Parlament geltend, im vorliegenden Fall weise der Entwurf des überarbeiteten Abkommens ebenso wie das Lissabonner Abkommen einen spezifischen Bezug zum internationalen Handelsverkehr auf. Der Entwurf enthalte zwar keine Präambel mit einer ausdrücklichen Beschreibung seines Ziels, doch zeige die Prüfung seiner Bestimmungen und des Kontexts, in den er sich einfüge, dass er bezwecke und bewirke, die Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben jeder Vertragspartei in den Genuss eines Systems der internationalen Registrierung kommen zu lassen, um im Gebiet aller Vertragsparteien ihren rechtlichen Schutz vor den Risiken einer Verwendung zu gewährleisten, die ihre Integrität oder ihr Ansehen verletzen und so die Vermarktung der entsprechenden Erzeugnisse im Ausland beeinträchtigen könnte. Dadurch verbessere der Entwurf den Schutz von Exporten dieser Erzeugnisse aus der Union in Drittländer, der andernfalls von einer Registrierung in jedem einzelnen Land und somit von unterschiedlichen rechtlichen Garantien abhinge. Daher falle ein solcher Entwurf in die ausschließliche Zuständigkeit der Union im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, und zwar auch dann, wenn das mit ihm zu errichtende Schutzsystem gemäß Art. 291 Abs. 1 AEUV von den Behörden der Mitgliedstaaten umgesetzt werden solle. Im Übrigen habe die Union auf der Grundlage von Art. 207 AEUV bereits allein eine Reihe internationaler Abkommen zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben geschlossen, und der Rat, der diese Praxis nicht bestreite, lege nicht dar, aus welchen Gründen er im vorliegenden Fall davon abweiche.

40

Unter diesen Umständen vertreten die Kommission und das Parlament schließlich die Auffassung, der Rat habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass er davon ausgegangen sei, dass der Entwurf des überarbeiteten Abkommens unter die Angleichung der Rechtsvorschriften im Binnenmarkt im Sinne von Art. 114 AEUV falle und daher einer geteilten Zuständigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten unterliege. Insofern habe der Rat zu Unrecht eine Parallele zwischen den externen und den internen Zuständigkeiten der Union gezogen. Die Zuständigkeit der Union für Verhandlungen über den Entwurf des überarbeiteten Abkommens könne nämlich auf der gemeinsamen Handelspolitik beruhen, selbst wenn zum einen die gemeinsamen Regeln der Union für den Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben ihrerseits auf die gemeinsame Agrarpolitik und auf die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten gestützt seien und zum anderen die Union ihre einschlägigen Zuständigkeiten bislang nur hinsichtlich der Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse, nicht aber für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse ausgeübt habe.

41

Der Rat und alle als Streithelfer beigetretenen Mitgliedstaaten sind hingegen der Auffassung, dass der Entwurf des überarbeiteten Abkommens nicht in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik falle und dass die Union daher auf dieser Grundlage nicht über eine ausschließliche Zuständigkeit für die Aushandlung des Abkommens verfüge.

42

Insoweit machen sie im Wesentlichen geltend, ein internationales Abkommen, das in einem anderen Rahmen als dem der WTO ausgehandelt werden solle und sich auf andere als die vom Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum in Anhang 1 C des am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten und durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1) genehmigten Übereinkommens zur Errichtung der WTO erfassten Fragen des geistigen Eigentums beziehe, müsse einen spezifischen Bezug zum internationalen Handelsverkehr aufweisen, um als Handelsaspekte des geistigen Eigentums im Sinne von Art. 207 Abs. 1 AEUV betreffend angesehen werden zu können.

43

Im vorliegenden Fall füge sich der Entwurf des überarbeiteten Abkommens jedoch nicht in einen Rahmen ein, der es ermögliche, vom Vorliegen eines solchen spezifischen Bezugs auszugehen. Zunächst werde er nämlich von der WIPO verwaltet; aus dem Übereinkommen zur Errichtung dieser Organisation gehe hervor, dass deren vorrangiges Ziel in der Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes des geistigen Eigentums sowie der Harmonisierung der nationalen Regelungen in diesem Bereich bestehe. Sodann habe der Entwurf des überarbeiteten Abkommens selbst nicht zum Ziel, den Handelsverkehr durch eine Erweiterung der Regelungen der Union auf Drittländer zu erleichtern, sondern solle, ebenso wie die von der Union auf der Grundlage von Art. 114 AEUV erlassenen gemeinsamen Regeln im Bereich der Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, einen Mechanismus zum Erhalt traditioneller Erzeugnisse und zur Verbraucherinformation schaffen, der für alle Vertragsparteien einschließlich der Union, wenn sie ihm beitreten sollte, gelte. Schließlich bestätige die Prüfung des Inhalts dieses Entwurfs, dass er in den in Art. 114 AEUV genannten Zuständigkeitsbereich falle, da damit ein einheitlicher verfahrensrechtlicher Rahmen zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben errichtet werden solle und die Auswirkungen der Festlegung dieses Rahmens auf den Handel mit Erzeugnissen, die von solchen Bezeichnungen und Angaben profitierten, lediglich zweitrangig und mittelbar seien.

44

Der Rat trägt vor, falls der Gerichtshof Art. 207 AEUV und nicht Art. 114 AEUV als zutreffende Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses erachten sollte, sei die unzutreffende Bezugnahme auf die letztgenannte Bestimmung jedenfalls als Formfehler anzusehen, der die Nichtigerklärung des Beschlusses nicht rechtfertigen könne. In beiden Fällen habe der Rat nämlich zu Recht Art. 218 AEUV als Rechtsgrundlage für das Verfahren zum Erlass des Beschlusses herangezogen und die entsprechenden verfahrensrechtlichen Anforderungen befolgt, indem er den Beschluss mit qualifizierter Mehrheit gefasst habe.

Würdigung durch den Gerichtshof

45

Aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen der vom Parlament unterstützten Kommission und des von den als Streithelfer beigetretenen Mitgliedstaaten unterstützten Rates ist zu klären, ob der Entwurf des überarbeiteten Abkommens in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik fällt.

46

In diesem Bereich überträgt Art. 3 Abs. 1 AEUV der Union eine ausschließliche Zuständigkeit.

47

Nach dem Wortlaut von Art. 207 Abs. 1 AEUV wird die gemeinsame Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet, was insbesondere für die Handelsaspekte des geistigen Eigentums gilt, und im Rahmen der Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union gestaltet.

48

Aus dieser Bestimmung, nach der die gemeinsame Handelspolitik zum auswärtigen Handeln der Union gehört, ergibt sich insbesondere, dass diese Politik den Handelsverkehr mit Drittländern und nicht den Handelsverkehr im Binnenmarkt betrifft (Urteil vom 18. Juli 2013, Daiichi Sankyo und Sanofi-Aventis Deutschland, C‑414/11, EU:C:2013:520, Rn. 50, und Gutachten 2/15 [Freihandelsabkommen mit Singapur] vom 16. Mai 2017, EU:C:2017:376, Rn. 35).

49

Nach gefestigter Rechtsprechung fallen die von der Union eingegangenen internationalen Verpflichtungen im Bereich des geistigen Eigentums unter die gemeinsame Handelspolitik, wenn sie einen spezifischen Bezug zum internationalen Handelsverkehr haben, weil sie ihn im Wesentlichen fördern, erleichtern oder regeln sollen und sich direkt und sofort auf ihn auswirken (Gutachten 2/15 [Freihandelsabkommen mit Singapur] vom 16. Mai 2017, EU:C:2017:376, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50

Unter diese Politik können insbesondere internationale Abkommen fallen, mit denen der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums im Hoheitsgebiet der Parteien sichergestellt und organisiert werden soll, sofern sie die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Daiichi Sankyo und Sanofi-Aventis Deutschland, C‑414/11, EU:C:2013:520, Rn. 58 bis 61, und Gutachten 2/15 [Freihandelsabkommen mit Singapur] vom 16. Mai 2017, EU:C:2017:376, Rn. 116, 121, 122, 125 und 127).

51

Da im vorliegenden Fall der angefochtene Beschluss ausweislich seines Titels zur Aufnahme von Verhandlungen über den Entwurf des überarbeiteten Abkommens ermächtigen soll, ist zu ermitteln, ob dieser Entwurf im Wesentlichen den Handelsverkehr zwischen der Union und Drittstaaten fördern, erleichtern oder regeln soll und, falls dies zu bejahen ist, ob er sich direkt und sofort auf ihn auswirkt.

52

Erstens ist zum Ziel des Entwurfs des überarbeiteten Abkommens festzustellen, dass es weder in einer Präambel noch in einer Bestimmung des Entwurfstexts ausdrücklich genannt wird.

53

In Ermangelung einer solchen ausdrücklichen Nennung ist dieses Ziel im Licht des vertraglichen Rahmens zu prüfen, in den sich der Entwurf einfügt.

54

Insoweit ist zum einen festzustellen, dass der Entwurf des überarbeiteten Abkommens nach dem zweiten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses eine Änderung des Lissabonner Abkommens vorsieht. Zum anderen stellt das Lissabonner Abkommen selbst ein auf Art. 19 der Pariser Verbandsübereinkunft beruhendes Abkommen dar, das, wie sich aus seinen Art. 1 und 4 ergibt, ergänzend zu ihr geschlossen wurde.

55

Unter diesen Umständen ist bei der Prüfung des Ziels des Entwurfs des überarbeiteten Abkommens zunächst die Pariser Verbandsübereinkunft zu berücksichtigen, die den Ursprung und die Basis eines Vertragswerks bildet, dem durch den Entwurf lediglich der neueste Bestandteil hinzugefügt wird.

56

Wie aus den Art. 1 und 2 der Pariser Verbandsübereinkunft hervorgeht, soll mit ihr ein Verband zum Schutz des gewerblichen Eigentums errichtet und der Schutz der verschiedenen von den Angehörigen der Verbandsländer in Anspruch genommenen Formen des gewerblichen Eigentums einschließlich der Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen sichergestellt werden, indem für sie eine gegenseitige Inländerbehandlung gewährleistet wird.

57

Darüber hinaus soll mit der Pariser Verbandsübereinkunft im Wesentlichen der internationale Handelsverkehr gefördert und erleichtert werden. Aus ihrer Präambel geht nämlich hervor, dass sie geschlossen wurde, um Gewerbe und Handel zu schützen und zur Loyalität des Handelsverkehrs zwischen ihren Vertragsstaaten beizutragen. Der den Verbandsangehörigen durch die Übereinkunft gewährte gleichwertige und homogene Schutz der Rechte des gewerblichen Eigentums zielt also letztlich darauf ab, ihnen die gleichberechtigte Teilnahme am internationalen Handel zu ermöglichen.

58

In Anbetracht des in Rn. 54 des vorliegenden Urteils genannten vertraglichen Kontexts ist sodann dem Lissabonner Abkommen Rechnung zu tragen, mit dem ein als Ergänzung zur Pariser Verbandsübereinkunft ausgestalteter besonderer Verband im Sonderbereich der Ursprungsbezeichnungen errichtet wird.

59

Konkret besteht das Ziel dieses Abkommens darin, über den von der Pariser Verbandsübereinkunft gewährten allgemeinen Schutz hinaus ein spezifisches System zu schaffen, durch das Ursprungsbezeichnungen, die in einem der Staaten des durch das Abkommen errichteten besonderen Verbands geschützt sind, in den Genuss einer internationalen Registrierung kommen, die einen auf alle anderen Staaten dieses besonderen Verbands erstreckten Schutz vor jeder Aneignung oder Nachahmung gewährleistet.

60

Zu seinem Ziel ist – wie der Generalanwalt in Nr. 79 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – festzustellen, dass der besondere Schutz der Ursprungsbezeichnungen durch das Lissabonner Abkommen keinen Zweck an sich darstellt, sondern ein Mittel im Dienst des Ziels der loyalen Entwicklung des Handelsverkehrs zwischen den Vertragsparteien. Die durch dieses Abkommen im Hoheitsgebiet aller Vertragsstaaten geschaffenen homogenen Schutzstandards sollen die gleichberechtigte Teilnahme der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer am Handelsverkehr zwischen diesen Staaten fördern.

61

Schließlich soll, wie in den Rn. 17 und 18 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Entwurf des überarbeiteten Abkommens die Ziele und Grundsätze des Lissabonner Abkommens unangetastet lassen und es durch eine Reihe von Ergänzungen verbessern und attraktiver machen. Hierzu sieht der Entwurf u. a. die Erweiterung des materiellen Anwendungsbereichs des Abkommens auf geografische Angaben, die Präzisierung der materiellen und verfahrensrechtlichen Gesichtspunkte des von ihm gewährleisteten Schutzes dieser Angaben und der Ursprungsbezeichnungen sowie die Möglichkeit des Beitritts der Union zu ihm vor.

62

Da das Hauptziel des Entwurfs des überarbeiteten Abkommens somit darin besteht, das durch das Lissabonner Abkommen errichtete System zu stärken und dessen spezifischen Schutz innerhalb des dadurch geschaffenen besonderen Verbands auf geografische Angaben zu erstrecken, indem der von der Pariser Verbandsübereinkunft für die verschiedenen Formen des gewerblichen Eigentums gewährte Schutz ergänzt wird, ist davon auszugehen, dass er sich in den Rahmen der in den Rn. 57 und 60 des vorliegenden Urteils genannten Ziele einfügt, die mit dem Vertragswerk, zu dem er gehört, verfolgt werden, und aus dem Blickwinkel der Union insbesondere dazu dient, den Handelsverkehr zwischen ihr und den Drittstaaten, die Parteien dieses Abkommens sind, zu erleichtern und zu regeln.

63

Dieses Ergebnis kann durch das Vorbringen des Rates, wonach der Entwurf des überarbeiteten Abkommens ab seinem Inkrafttreten von der WIPO verwaltet werde, wie es bereits beim Lissabonner Abkommen der Fall sei, nicht in Frage gestellt werden.

64

Zwar trifft es zu, dass dieser Entwurf die Verwaltung eines der Bestandteile des internationalen Abkommens, das er zum Gegenstand hat, dem Internationalen Büro der WIPO überträgt, und zwar die des von ihm geschaffenen Systems der internationalen Registrierung von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben. Es trifft auch zu, dass das internationale Abkommen ganz allgemein von dieser Organisation verwaltet werden soll. Gleichwohl sind die Modalitäten, die ein internationales Abkommen für die Sicherstellung seiner künftigen Durchführung und Verwaltung vorsieht, anhand der Ziele zu würdigen, die die Parteien zu seinem Abschluss veranlasst haben, und nicht umgekehrt.

65

Was zweitens die Wirkungen des Entwurfs des überarbeiteten Abkommens betrifft, so ist nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsakt der Union, wie ein von ihr geschlossenes internationales Abkommen, nicht schon deshalb zu der Kategorie von Übereinkommen, die unter die gemeinsame Handelspolitik fallen, zu zählen, weil er gewisse Auswirkungen auf den internationalen Handelsverkehr haben kann. Über die in den Rn. 52 bis 64 des vorliegenden Urteils geprüfte Voraussetzung, wonach ein solcher Rechtsakt im Wesentlichen dazu dienen muss, den Handelsverkehr zu fördern, zu erleichtern oder zu regeln, hinaus muss er sich auch direkt und sofort auf ihn auswirken (Urteile vom 18. Juli 2013, Daiichi Sankyo und Sanofi-Aventis Deutschland, C‑414/11, EU:C:2013:520, Rn. 51, sowie vom 22. Oktober 2013, Kommission/Rat, C‑137/12, EU:C:2013:675, Rn. 57, und Gutachten 3/15 [Vertrag von Marrakesch über den Zugang zu veröffentlichten Werken] vom 14. Februar 2017, EU:C:2017:114, Rn. 61).

66

Hierzu ist festzustellen, dass das im Entwurf des überarbeiteten Abkommens vorgesehene System des gegenseitigen Schutzes der Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben im Wesentlichen auf drei Regelungskomplexen beruht.

67

Zunächst ist jede Vertragspartei verpflichtet, ein materiell-rechtliches Regelungswerk zu schaffen, das verhindert, dass die im Hoheitsgebiet einer der anderen Vertragsparteien bereits geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben Gegenstand von Verwendungen sein können, die geeignet sind, den Interessen ihrer Inhaber zu schaden oder das Ansehen der von ihnen erfassten Erzeugnisse zu beeinträchtigen (Art. 11), oder zu Gattungsbezeichnungen werden (Art. 12).

68

Sodann wird jeder Vertragspartei die Verpflichtung auferlegt, in ihrer Rechtsordnung Verfahrensregeln aufzustellen, aufgrund deren jede interessierte natürliche oder juristische Person von den zuständigen Behörden und Gerichten verlangen kann, für den Schutz zu sorgen, den der Entwurf des überarbeiteten Abkommens diesen Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben verschafft, sowie etwaige dagegen verstoßende Personen zu verfolgen oder verfolgen zu lassen (Art. 14).

69

Schließlich gestattet es der Entwurf des überarbeiteten Abkommens den Inhabern der Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, sich dank eines einheitlichen, im gesamten durch das Lissabonner Abkommen geschaffenen besonderen Verband gültigen Registrierungsmechanismus, auf den von den verschiedenen Bestimmungen, die in den beiden vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils aufgeführt sind, gewährleisteten Schutz zu berufen (Art. 5 bis 8).

70

Angesichts dieses einheitlichen Registrierungsmechanismus ist davon auszugehen, dass das internationale Abkommen, das Gegenstand des Entwurfs des überarbeiteten Abkommens ist, eine direkte und sofortige Änderung der Voraussetzungen bewirken wird, unter denen der Handelsverkehr zwischen der Union und den übrigen Parteien dieses internationalen Abkommens stattfindet. Es wird nämlich die am internationalen Handelsverkehr teilnehmenden Hersteller von der ihnen bislang obliegenden Verpflichtung befreien, den mit diesem Handelsverkehr verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken dadurch entgegenzuwirken, dass sie bei den zuständigen Behörden jeder Vertragspartei die Registrierung der von ihnen benutzten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben beantragen.

71

Darüber hinaus werden die in den Rn. 67 und 68 des vorliegenden Urteils aufgeführten Bestimmungen direkte und sofortige Wirkungen auf den Handelsverkehr zwischen der Union und den betreffenden Drittstaaten haben, da sie all diesen Herstellern sowie jeder anderen interessierten natürlichen oder juristischen Person die notwendigen Werkzeuge an die Hand geben, um unter einheitlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen eine wirksame Beachtung des Schutzes zu erlangen, den der Entwurf des überarbeiteten Abkommens ihren Rechten des gewerblichen Eigentums im Fall einer nachteiligen oder unlauteren Verwendung von Ursprungsbezeichnungen oder geografischen Angaben im Ausland verschafft.

72

Diese Beurteilung der Auswirkungen des Entwurfs des überarbeiteten Abkommens wird durch die Analyse bestätigt, aufgrund deren der Gerichtshof davon ausgegangen ist, dass sich unter Berücksichtigung der wesentlichen Bedeutung, die dem Schutz von Rechten des geistigen Eigentums im Waren- und Dienstleistungshandel allgemein und bei der Bekämpfung des unerlaubten Handels speziell zukommt, ein Entwurf eines internationalen Abkommens, der die Schaffung eines Registrierungsmechanismus und eines Systems des gegenseitigen Schutzes der geografischen Angaben der Vertragsparteien vor unlauteren Wettbewerbshandlungen, die den im vorliegenden Fall in Rede stehenden entsprechen, vorsieht, direkt und sofort auf den internationalen Handelsverkehr auswirken kann (Gutachten 2/15 [Freihandelsabkommen mit Singapur] vom 16. Mai 2017, EU:C:2017:376, Rn. 127).

73

Unter diesen Umständen erfüllen die Auswirkungen des Entwurfs des überarbeiteten Abkommens auf den Handelsverkehr zwischen der Union und den Drittstaaten, die ihm beitreten werden, die Voraussetzungen, die in der in Rn. 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung aufgestellt werden.

74

Daher ergibt sich aus der Prüfung dieses Entwurfs zum einen, dass er im Wesentlichen den Handelsverkehr zwischen der Union und Drittstaaten erleichtern und regeln soll, und zum anderen, dass er direkte und sofortige Auswirkungen auf diesen Handelsverkehr haben kann, so dass seine Aushandlung in die ausschließliche Zuständigkeit fällt, die Art. 3 Abs. 1 AEUV der Union im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik im Sinne von Art. 207 Abs. 1 AEUV überträgt.

75

Somit ist der Rat zu Unrecht davon ausgegangen, dass der angefochtene Beschluss die Angleichung der Rechtsvorschriften im Binnenmarkt betreffe und daher einer geteilten Zuständigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten unterliege, und er hat diesen Beschluss zu Unrecht auf Art. 114 AEUV und Art. 218 Abs. 3 und 4 AEUV gestützt.

76

Dieser Fehler kann entgegen dem Vorbringen des Rates nicht als bloßer Formfehler angesehen werden. Er hat nämlich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 86 und 89 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, u. a. dazu geführt, dass der Rat gegen die in Art. 207 Abs. 3 AEUV speziell für die Aushandlung internationaler Abkommen im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik vorgesehenen Verfahrensvorschriften, vor allem gegen die Bestimmungen über die Verhandlungsführung durch die Kommission, verstoßen hat.

77

Folglich ist der Klage stattzugeben, und der angefochtene Beschluss ist für nichtig zu erklären, ohne dass der von der Kommission zur Stützung ihrer Klage angeführte zweite Teil des ersten Klagegrundes und ihr zweiter Klagegrund geprüft zu werden brauchen.

Zu dem die Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses betreffenden Antrag

78

Gemäß Art. 264 Abs. 1 AEUV erklärt der Gerichtshof die angefochtene Handlung für nichtig, wenn die Klage begründet ist.

79

Nach Art. 266 Abs. 1 AEUV hat dann das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln anzulasten ist, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.

80

Nach Art. 264 Abs. 2 AEUV kann der Gerichtshof allerdings, falls er dies für notwendig hält, diejenigen Wirkungen der für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind.

81

Von dieser Befugnis kann insbesondere dann aus Gründen der Rechtssicherheit Gebrauch gemacht werden, wenn die Nichtigerklärung eines Beschlusses, der vom Rat im Rahmen des in Art. 218 AEUV vorgesehenen Verfahrens der Aushandlung und des Abschlusses internationaler Übereinkünfte erlassen wurde, die Teilnahme der Union an der betreffenden internationalen Übereinkunft oder ihre Durchführung in Frage stellen kann, obwohl die Zuständigkeit der Union hierfür nicht in Zweifel steht (vgl., zu Beschlüssen über die Unterzeichnung internationaler Übereinkünfte, Urteile vom 22. Oktober 2013, Kommission/Rat, C‑137/12, EU:C:2013:675, Rn. 80 und 81, vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 90, sowie vom 28. April 2015, Kommission/Rat, C‑28/12, EU:C:2015:282, Rn. 61 und 62).

82

Im vorliegenden Fall beantragt die Kommission, im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen, um das Ergebnis der Verhandlungen, im Hinblick auf die er erlassen wurde, nicht in Frage zu stellen, bis zum Inkrafttreten eines innerhalb angemessener Frist ab dem Tag der Verkündung des Urteils des Gerichtshofs auf der Grundlage der Art. 207 und 218 AEUV zu erlassenden Beschlusses des Rates aufrechtzuerhalten.

83

Da diese Verhandlungen nach dem Inkrafttreten des genannten Beschlusses zur Annahme des Genfer Akts des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben geführt haben und da die Zuständigkeit der Union für die Mitwirkung an seiner Annahme nicht in Zweifel steht, ist dem Antrag der Kommission stattzugeben.

84

Daher sind die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses aufrechtzuerhalten, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, ein auf die Art. 207 und 218 AEUV gestützter Beschluss des Rates in Kraft tritt.

Kosten

85

Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat im vorliegenden Fall unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag der Kommission die ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.

86

Nach Art. 140 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Im vorliegenden Fall tragen die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, die Slowakische Republik, das Vereinigte Königreich und das Parlament ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss 8512/15 des Rates vom 7. Mai 2015 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein überarbeitetes Lissabonner Abkommen über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben im Hinblick auf Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen, wird für nichtig erklärt.

 

2.

Die Wirkungen des Beschlusses 8512/15 werden aufrechterhalten, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, ein auf die Art. 207 und 218 AEUV gestützter Beschluss des Rates der Europäischen Union in Kraft tritt.

 

3.

Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten.

 

4.

Die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, die Slowakische Republik, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie das Europäische Parlament tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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