Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-650/15
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
25. Oktober 2017 ( *1 )
„Rechtsmittel – Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) – Art. 57 – Besonders besorgniserregende Stoffe – Ermittlung – Art. 2 Abs. 8 Buchst. b – Ausnahme – Art. 3 Nr. 15 – Begriff ‚Zwischenprodukt‘ – Acrylamid“
In der Rechtssache C‑650/15 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 4. Dezember 2015,
Polyelectrolyte Producers Group GEIE (PPG) mit Sitz in Brüssel (Belgien),
SNF SAS mit Sitz in Andrézieux-Bouthéon (Frankreich),
Prozessbevollmächtigte: E. Mullier und R. Cana, avocats, und D. Abrahams, Barrister,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Parteien des Verfahrens:
Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch M. Heikkilä und W. Broere als Bevollmächtigte im Beistand von J. Stuyck und S. Raes, advocaten,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Königreich der Niederlande, vertreten durch M. Bulterman und B. Koopman als Bevollmächtigte,
Europäische Kommission, vertreten durch K. Talabér-Ritz, E. Manhaeve, K. Mifsud-Bonnici und D. Kukovec als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. G. Fernlund (Berichterstatter), J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev und E. Regan,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2017,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. Juli 2017
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Polyelectrolyte Producers Group GEIE (PPG) und die SNF SAS die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 25. September 2015, PPG und SNF/ECHA (T‑268/10 RENV, EU:T:2015:698, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vom 22. Dezember 2009, mit der Acrylamid (EG Nr. 201‑173‑7) gemäß Art. 59 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, und Berichtigung ABl. 2007, L 136, S. 3) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 552/2009 der Kommission vom 22. Juni 2009 (ABl. 2009, L 164, S. 7) geänderten Fassung (im Folgenden: REACH-Verordnung) als Stoff ermittelt wurde, der die Kriterien nach Art. 57 der Verordnung erfüllt (im Folgenden: streitige Entscheidung), abgewiesen hat. |
Rechtlicher Rahmen
2 |
Der 41. Erwägungsgrund der REACH-Verordnung lautet: „Für Zwischenprodukte sollten aus Gründen der Durchführbarkeit und aufgrund ihrer besonderen Natur besondere Registrierungsanforderungen festgelegt werden. Polymere sollten von der Registrierung und Bewertung ausgenommen werden, bis die wegen Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt registrierungsbedürftigen Polymere auf praktikable und kosteneffiziente Weise auf der Grundlage fundierter technischer und anerkannter wissenschaftlicher Kriterien ermittelt werden können.“ |
3 |
Art. 2 dieser Verordnung („Anwendung“) sieht vor: „1. Diese Verordnung gilt nicht für …
… 8. Standortinterne isolierte Zwischenprodukte und transportierte isolierte Zwischenprodukte sind ausgenommen von …
9. Die Titel II und VI gelten nicht für Polymere.“ |
4 |
Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung bestimmt: „Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: …
…“ |
5 |
Art. 17 („Registrierung standortinterner isolierter Zwischenprodukte“) der REACH-Verordnung bestimmt: „(1) Jeder Hersteller, der ein standortinternes isoliertes Zwischenprodukt in einer Menge von 1 Tonne oder mehr pro Jahr herstellt, reicht bei der Agentur ein Registrierungsdossier für dieses Zwischenprodukt ein. (2) Ein Registrierungsdossier für ein standortinternes isoliertes Zwischenprodukt muss alle folgenden Informationen enthalten, soweit der Hersteller sie ohne zusätzliche Versuche übermitteln kann:
… (3) Absatz 2 gilt für standortinterne isolierte Zwischenprodukte nur dann, wenn der Hersteller bestätigt, dass der Stoff insofern nur unter streng kontrollierten Bedingungen hergestellt und verwendet wird, als er während seines gesamten Lebenszyklus durch technische Mittel strikt eingeschlossen wird. Überwachungs- und Verfahrenstechnologien sind einzusetzen, um Emissionen und jede sich daraus ergebende Exposition zu minimieren. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so muss das Registrierungsdossier die Informationen nach Artikel 10 enthalten.“ |
6 |
Art. 18 („Registrierung transportierter isolierter Zwischenprodukte“) der REACH-Verordnung sieht vor: „(1) Jeder Hersteller oder Importeur, der ein transportiertes isoliertes Zwischenprodukt in einer Menge von 1 Tonne oder mehr pro Jahr herstellt oder einführt, reicht bei der Agentur ein Registrierungsdossier für dieses Zwischenprodukt ein. (2) Ein Registrierungsdossier für ein transportiertes isoliertes Zwischenprodukt muss alle folgenden Informationen enthalten:
… (3) Über die Informationen nach Absatz 2 hinaus muss das Registrierungsdossier für ein transportiertes isoliertes Zwischenprodukt in einer Menge von mehr als 1000 Tonnen pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur die Informationen nach Anhang VII enthalten. Für die Gewinnung dieser Informationen gilt Artikel 13. (4) Die Absätze 2 und 3 gelten für transportierte isolierte Zwischenprodukte nur dann, wenn der Hersteller oder Importeur selbst bestätigt oder erklärt, dass er die Bestätigung vom Anwender erhalten hat, dass die Synthese eines anderen Stoffes/anderer Stoffe aus diesem Zwischenprodukt an anderen Standorten unter den folgenden streng kontrollierten Bedingungen erfolgt:
Sind die in Unterabsatz 1 genannten Bedingungen nicht erfüllt, so muss das Registrierungsdossier die Informationen nach Artikel 10 enthalten.“ |
7 |
Titel VII („Zulassung“) der REACH-Verordnung enthält, u. a., die Art. 56 bis 64. |
8 |
Art. 56 („Allgemeine Bestimmungen“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor: „Ein Hersteller, Importeur oder nachgeschalteter Anwender darf einen Stoff, der in Anhang XIV aufgenommen wurde, nicht zur Verwendung in Verkehr bringen und nicht selbst verwenden, es sei denn,
…“ |
9 |
Art. 57 („In Anhang XIV aufzunehmende Stoffe“) dieser Verordnung lautet: „Folgende Stoffe können nach dem Verfahren des Artikels 58 in Anhang XIV aufgenommen werden:
|
10 |
Art. 59 („Ermittlung von in Artikel 57 genannten Stoffen“) der REACH-Verordnung sieht vor: „(1) Das Verfahren der Absätze 2 bis 10 des vorliegenden Artikels gilt für die Ermittlung von Stoffen, die die Kriterien des Artikels 57 erfüllen, und für die Festlegung einer Liste der für eine Aufnahme in Anhang XIV in Frage kommenden Stoffe. … … (3) Jeder Mitgliedstaat kann ein Dossier nach Anhang XV für Stoffe ausarbeiten, die seiner Auffassung nach die Kriterien des Artikels 57 erfüllen, und dieses der Agentur übermitteln. … … (7) Gehen Bemerkungen ein bzw. gibt die Agentur selbst Bemerkungen ab, so überweist sie das Dossier innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf der 60‑Tage-Frist nach Absatz 5 an den Ausschuss der Mitgliedstaaten. (8) Erzielt der Ausschuss der Mitgliedstaaten innerhalb von 30 Tagen nach der Überweisung einstimmig eine Einigung über die Ermittlung, so nimmt die Agentur den Stoff in die in Absatz 1 genannte Liste auf. Die Agentur kann diesen Stoff in ihre Empfehlungen nach Artikel 58 Absatz 3 aufnehmen. (9) Gelangt der Ausschuss der Mitgliedstaaten zu keiner einstimmigen Einigung, so arbeitet die Kommission innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Stellungnahme des Ausschusses der Mitgliedstaaten einen Entwurf für einen Vorschlag zur Ermittlung des Stoffes aus. Eine endgültige Entscheidung über die Ermittlung des Stoffes wird nach dem in Artikel 133 Absatz 3 genannten Verfahren erlassen. (10) Die Agentur veröffentlicht und aktualisiert die Liste nach Absatz 1 unverzüglich auf ihrer Website, nachdem über die Aufnahme eines Stoffes entschieden wurde.“ |
11 |
Die Art. 60 bis 64 der REACH-Verordnung betreffen das Zulassungsverfahren. |
12 |
Die Verordnung (EU) Nr. 366/2011 der Kommission vom 14. April 2011 zur Änderung der Verordnung Nr. 1907/2006 hinsichtlich Anhang XVII (Acrylamid) sieht vor, dass folgende Nr. 60 angefügt wird:
|
Vorgeschichte des Rechtsstreits
13 |
Aus den Rn. 1 bis 10 des angefochtenen Urteils geht hervor, dass die ECHA mit der streitigen Entscheidung Acrylamid wegen seiner Einstufung als karzinogener Stoff der Kategorie 2 und als mutagener Stoff der Kategorie 2 in die Liste der für eine Aufnahme in Anhang XIV der REACH-Verordnung in Frage kommenden Stoffe aufgenommen hat. |
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
14 |
Am 10. Juni 2010 erhoben PPG und SNF Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. |
15 |
Mit Beschluss vom 21. September 2011, PPG und SNF/ECHA (T‑268/10, EU:T:2011:508), wies das Gericht die Klage von PPG und SNF als unzulässig ab. |
16 |
Mit Urteil vom 26. September 2013, PPG und SNF/ECHA (C‑625/11 P, EU:C:2013:594), hob der Gerichtshof den Beschluss vom 21. September 2011, PPG und SNF/ECHA (T‑268/10, EU:T:2011:508), auf, verwies die Sache zurück an das Gericht und behielt die Kostenentscheidung vor. |
17 |
Am 16. September 2014 bzw. am 17. September 2014 haben das Königreich der Niederlande und die Kommission ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht. |
18 |
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht nach Zurückweisung der von der ECHA erhobenen Unzulässigkeitseinrede die Klagen von PPG und SNF abgewiesen und ihnen die Kosten auferlegt. |
Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof
19 |
PPG und SNF beantragen,
|
20 |
Die ECHA beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und PPG und SNF die Kosten aufzuerlegen. |
21 |
Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. |
Zum Rechtsmittel
Zum ersten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
22 |
PPG und SNF machen geltend, das Gericht habe den in Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung bestimmten Begriff „Zwischenprodukt“ rechtsfehlerhaft ausgelegt. In den Rn. 54 bis 58 und 66 bis 68 des angefochtenen Urteils habe es eine weitere, in dieser Bestimmung nicht vorgesehene Voraussetzung aufgestellt, die den Begriff „Zwischenprodukt“ allein auf Stoffe beschränke, deren chemische Weiterverarbeitung als „Hauptziel“ die Herstellung eines anderen Stoffes habe. Dies habe zur Folge, dass von der Kategorie der Zwischenprodukte jeder Stoff ausgeschlossen werde, der zur Erreichung einer bestimmten Funktion synthetisiert werde, die der Endverwendung dieses Stoffes entspreche. |
23 |
Die Auslegung des Gerichts habe dazu geführt, dass Acrylamid, das zur Herstellung von Polyacrylamid zu Abdichtungszwecken verwendet werde, nicht als Zwischenprodukt eingestuft worden sei. Dies sei damit begründet worden, dass Acrylamid unter solchen Gegebenheiten „nicht verwendet [werde], um [Polyacrylamid] herzustellen“, sondern es sich um eine „endgültige Verwendung“ dieses Monomers handele. |
24 |
Diese Auslegung habe überdies dazu geführt, dass das Gericht es in den Rn. 56 bis 58 des angefochtenen Urteils abgelehnt habe, zur Herstellung von Polyacrylamid verwendetes Acrylamid als Zwischenprodukt einzustufen, wenn das Polyacrylamid anschließend zur Herstellung von Elektrophoresegelen verwendet werde, da das Ziel dieser Weiterverarbeitung letztlich nicht darin bestehe, Polyacrylamid herzustellen, sondern darin, Moleküle durch Elektrophorese analytisch zu trennen. |
25 |
Das Gericht habe somit die Verwendung von Acrylamid zur Herstellung von Polyacrylamid einerseits und die Verwendung, für die das Polyacrylamid bestimmt sei, d. h. für Anwendungen zur Abdichtung und zur Elektrophorese, andererseits miteinander vermengt. Es habe das „Hauptziel“ der Umwandlung des ursprünglichen Stoffes mit der „Hauptverwendung “ des synthetisierten Stoffes gleichgesetzt. |
26 |
Indem das Gericht es abgelehnt habe, ein Monomer als Zwischenprodukt einzustufen, sei es – entgegen den Feststellungen des Gerichtshofs in Rn. 34 des Urteils vom 7. Juli 2009, S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, EU:C:2009:430) – implizit davon ausgegangen, dass dieser Stoff am Ende der Polymerisation noch vorhanden sei. |
27 |
PPG und SNF machen geltend, dass die Auslegung des Gerichts mit dem Ziel der REACH-Verordnung und dem ECHA-Dokument mit dem Titel „Leitfaden zu Zwischenprodukten“ (ECHA‑2010‑G‑17‑DE) unvereinbar sei. Zwischenprodukte unterlägen – insbesondere aus praktischen Gründen – den im 41. Erwägungsgrund der REACH-Verordnung dargelegten Sonderregelungen, die durch besondere Registrierungsvoraussetzungen gemäß den Art. 17 und 18 dieser Verordnung und durch eine Ausnahme in Titel VII der Verordnung gekennzeichnet seien. |
28 |
Dieser Ausnahmeregelung liege zugrunde, dass die Exposition gegenüber diesen Stoffen begrenzt sei, was dementsprechend auch eine geringere Gefahr als bei anderen Stoffen mit sich bringe. |
29 |
Die ECHA und die Kommission treten dem Vorbringen von PPG und SNF entgegen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
30 |
Für die Feststellung, ob der erste Rechtsmittelgrund, mit dem eine rechtsfehlerhafte Auslegung des in Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung definierten Begriffs „Zwischenprodukt“ geltend gemacht wird, begründet ist, ist darauf hinzuweisen, dass das Substantiv „Zwischenprodukt“ in dieser Verordnung gebraucht wird, um bestimmte Stoffe zu identifizieren, für die aufgrund ihrer Verwendung eine Ausnahmeregelung gilt, die sich durch eine Verringerung bestimmter in der Verordnung vorgesehener Verpflichtungen auszeichnet. |
31 |
Nach der Definition in Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung steht der Begriff „Zwischenprodukt“ für einen Stoff, der hergestellt und verbraucht oder verwendet wird, um mit einem „Synthese“ genannten chemischen Verfahren in einen anderen Stoff umgewandelt zu werden. |
32 |
Darüber hinaus werden in Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung drei Kategorien von Zwischenprodukten unterschieden. Die erste Kategorie, „nicht isoliertes Zwischenprodukt“, betrifft das Zwischenprodukt, das nicht vorsätzlich aus dem Gerät, in dem es synthetisiert wird, entfernt wird. Für diese erste Kategorie gilt die REACH-Verordnung nach ihrem Art. 2 Abs. 1 Buchst. c nicht. Die zweite Kategorie, „standortinternes isoliertes Zwischenprodukt“, erfasst jedes Zwischenprodukt, bei dem die Herstellung und die Synthese am selben Standort durchgeführt werden. In die dritte Kategorie, „transportiertes isoliertes Zwischenprodukt“, fällt jedes Zwischenprodukt, das von einem Standort an einen anderen Standort transportiert wird. Die beiden letztgenannten Kategorien von Zwischenprodukten sind nach Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung von deren Titel VII ausgenommen. |
33 |
Daraus folgt, dass nach Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung die Verwendung eines Stoffes nur dann als Verwendung eines Zwischenprodukts gelten kann, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. Wie die Generalanwältin in Nr. 56 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hängt die erste dieser Voraussetzungen mit dem bei der Herstellung und Verwendung eines Stoffes als Zwischenprodukt verfolgten Zweck zusammen, der darin besteht, diesen Stoff in einen anderen umzuwandeln. Die zweite Voraussetzung betrifft das technische Mittel, mit dem diese Umwandlung stattfindet, d. h. ein „Synthese“ genanntes chemisches Verfahren. Die dritte Voraussetzung engt die Tragweite des Begriffs „Zwischenprodukt“ auf Verwendungen eines Stoffes ein, die auf eine kontrollierte Umgebung beschränkt bleiben, die entweder in dem Gerät, in dem die Synthese stattfindet, oder in dem Standort, an dem die Herstellung und Synthese stattfinden oder zu dem dieser Stoff transportiert wird, bestehen kann, wobei der Begriff „Standort“ selbst in Art. 3 Nr. 16 der REACH-Verordnung als zusammenhängende Örtlichkeit, in der sich Infrastruktur und Anlagen befinden, definiert wird. |
34 |
Im vorliegenden Fall hat das Gericht zu den ersten beiden in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen in Rn. 66 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass sich „[aus] der Definition des Zwischenprodukts gemäß Art. 3 Nr. 15 der [REACH-Verordnung] ergibt …, dass die Einstufung eines Stoffes als Zwischenprodukt von dem Zweck abhängt, der mit seiner Herstellung und seiner Verwendung verfolgt wird. [Nach] dieser Definition [ist] ein Zwischenprodukt ein Stoff, der für die chemische Weiterverarbeitung hergestellt und hierbei verbraucht oder verwendet wird, um in eine Synthese umgewandelt zu werden.“ Mit dieser Bewertung, die in den Rn. 67 und 68 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen wiederholt wird, hat das Gericht den Begriff „Zwischenprodukt“ zutreffend aufgefasst und insoweit entgegen der Ansicht von PPG und SNF keinen Rechtsfehler begangen. |
35 |
Darüber hinaus werden mit den gegen die Rn. 50 bis 58 des angefochtenen Urteils gerichteten Rügen, die sich auf die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage durch das Gericht beziehen, im Wesentlichen die Begründungen bemängelt, mit denen das Gericht abgelehnt hat, zu berücksichtigen, dass Acrylamid ausschließlich als Zwischenprodukt verwendet werde. Hierzu hat das Gericht nach der Feststellung in Rn. 51 des angefochtenen Urteils, dass 99,9 % des Acrylamids als Zwischenprodukt verwendet würden, die Auffassung vertreten, dass für den Rest die Verwendung dieses Stoffes in Abdichtungsprodukten und für die Herstellung von Elektrophoresegelen nicht als Verwendung eines Zwischenprodukts eingestuft werden könne. |
36 |
Bezüglich der Abdichtungsprodukte war das Gericht im Wesentlichen der Ansicht, auch wenn die Verwendung von Acrylamid zur chemischen Umwandlung dieses Stoffes zu Polyacrylamid führe, der Hauptzweck dieses Verfahrens nicht in der Herstellung von Polyacrylamid, sondern in der Herbeiführung einer Dichtungsfunktion liege, die in Rn. 52 des angefochtenen Urteils dahin gehend beschrieben wird, dass sie hauptsächlich beim Abdichten gegen Sickerwasser, beim Reparieren von Betonwerken und bei der Behandlung aufsteigender Feuchtigkeit zum Tragen komme. |
37 |
Das Gericht hat daher in Rn. 54 des angefochtenen Urteils befunden, dass „[nach] der Definition des Art. 3 Nr. 15 der [REACH-Verordnung] … ein Zwischenprodukt … ein Stoff [ist], der für die chemische Weiterverarbeitung hergestellt und hierbei verbraucht oder verwendet wird, um eine Synthese herzustellen. Im vorliegenden Fall trifft es zu, dass das Dichtungsmittel auf der Basis von Acrylamid bei der Herstellung eines anderen Stoffes verwendet wird, wobei es selbst in diesen anderen Stoff, nämlich in ein Polymer umgewandelt wird. Wie die ECHA ausführt, wird jedoch Acrylamid nicht verwendet, um selbst Gegenstand einer Synthese im Sinne von Art. 3 Nr. 15 der [REACH-Verordnung] zu sein. Es wird nicht verwendet, um diesen anderen Stoff herzustellen, da das Hauptziel des chemischen Prozesses in der Erreichung einer Dichtungsfunktion liegt, die gegeben ist, wenn das Dichtungsmittel auf der Basis von Acrylamid polymerisiert. Durch die Polymerisierung verfestigt es sich zu einem starren Gel, das wasserundurchlässig ist, wenn es für Abdichtungsanwendungen verwendet wird. Die Verwendung des Acrylamids als Dichtungsmittel ist somit keine Verwendung als Zwischenprodukt, sondern eine endgültige Verwendung des Stoffes.“ |
38 |
Es ist jedoch festzustellen, dass, wenn der Zweck bei der Herstellung und Verwendung eines Stoffes darin besteht, ihn in einen anderen Stoff umzuwandeln, die erste der drei Voraussetzungen des Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung zur Einstufung eines Stoffes als „Zwischenprodukt“ erfüllt ist. Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung enthält kein zusätzliches Kriterium, das eine Differenzierung nach Haupt- oder Nebenzweck ermöglicht oder zu erforschen, ob der chemische Prozess, mit dem ein Stoff in einen anderen Stoff umgewandelt wird, untrennbar mit dem Endverwendungszweck dieses Stoffes zusammenhängt. |
39 |
Deshalb hat das Gericht, indem es die Einstufung von Acrylamid im Rahmen der Umwandlung zu Polyacrylamid, das zu Abdichtungszwecken bestimmt ist, als „Zwischenprodukt“ damit abgelehnt hat, dass es eine weitere, in Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung nicht enthaltene Voraussetzung aufgestellt hat, diese Bestimmung fehlerhaft ausgelegt. |
40 |
Dieser Rechtsfehler hat jedoch keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des angefochtenen Urteils, da er nicht die tragenden Gründe des Urteils betrifft. Die in den Rn. 50 bis 58 des angefochtenen Urteils dargelegten Gründe, um die es im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes geht und die sich auf die Zulässigkeit der Klage beziehen, schließen nämlich an das nicht angegriffene Ergebnis in Rn. 43 des angefochtenen Urteils an, dass sich die streitige Entscheidung unmittelbar auf die Rechtsstellung der Lieferanten dieses Stoffes auswirken kann. Diese unmittelbaren Auswirkungen ergeben sich aus den Informationspflichten nach Art. 31 Abs. 9 Buchst. a der REACH-Verordnung, weil die Ermittlung eines Stoffes nach dem Verfahren des Art. 59 dieser Verordnung eine neue Information ist, die die Lieferanten verpflichten könnte, das Sicherheitsdatenblatt nach Art. 31 der Verordnung zu aktualisieren. Daraus folgt, dass der erste Rechtsmittelgrund, soweit er sich gegen die Rn. 50 bis 58 des angefochtenen Urteils richtet, ins Leere geht. |
41 |
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist der erste Rechtsmittelgrund als teilweise unbegründet und teilweise ins Leere gehend zurückzuweisen. |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
42 |
Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund, der sich gegen die Rn. 64 bis 71 und 77 des angefochtenen Urteils richtet, werfen PPG und SNF dem Gericht vor, nicht über ihre Rüge eines Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung entschieden zu haben und damit seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen zu sein. Im angefochtenen Urteil sei nicht dargetan, weshalb die in dieser Bestimmung klar formulierte Ausnahme nicht Art. 59 dieser Verordnung umfasse. |
43 |
Die ECHA und die Kommission sind der Auffassung, dass die Begründung des angefochtenen Urteils ausreichend sei. |
Würdigung durch den Gerichtshof
44 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt die Begründungspflicht von dem Gericht, dass es die von ihm angestellten Überlegungen so klar und unmissverständlich mitteilt, dass die Betroffenen die Gründe für die getroffene Entscheidung erkennen können und der Gerichtshof seine gerichtliche Kontrollfunktion wahrnehmen kann (vgl. u. a. Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 372, und Beschluss vom 1. Juni 2017, Universidad Internacional de la Rioja/EUIPO, C‑50/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:415, Rn. 12). |
45 |
Das Gericht hat in Rn. 63 des angefochtenen Urteils das Vorbringen von PPG und SNF zu dem Verstoß gegen Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung dargestellt und in den Rn. 64 bis 71 die Gründe dargelegt, die es zu der Auffassung geführt haben, dass diese Argumentation nicht stichhaltig sei. |
46 |
Somit lassen sich der Begründung des angefochtenen Urteils klar und unmissverständlich die Überlegungen des Gerichts entnehmen, die zur Zurückweisung des ersten Klagegrundes geführt haben. |
47 |
Der zweite Rechtsmittelgrund ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen. |
Zum dritten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
48 |
Mit dem dritten Rechtsmittelgrund, der sich gegen die Rn. 64 bis 71 und 77 des angefochtenen Urteils richtet, machen PPG und SNF geltend, dass die Auslegung der REACH-Verordnung, mit der das Gericht verneint habe, dass Zwischenprodukte von dem in Art. 59 der REACH-Verordnung vorgesehenen Ermittlungsverfahren ausgenommen seien, dem klaren Wortlaut von Art. 2 Abs. 8 Buchst. b dieser Verordnung offensichtlich zuwiderlaufe. Diese Bestimmung beziehe sich auf den gesamten Titel VII der REACH-Verordnung, ohne Ausnahme. Hätte der Unionsgesetzgeber beabsichtigt, das Ermittlungsverfahren von der Ausnahmeregelung für Zwischenprodukte auszunehmen, hätte er dies ausdrücklich normiert. Da der Wortlaut dieser Bestimmung in keiner Weise mehrdeutig sei, sei es nicht erforderlich, andere Auslegungsmethoden als die grammatische Auslegung heranzuziehen. |
49 |
Das Gericht habe dadurch, dass es in Rn. 65 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass nach Art. 59 der REACH-Verordnung jedes Zwischenprodukt, das als „Stoff“ eingestuft werden könne, Gegenstand des in dieser Bestimmung vorgesehenen Ermittlungsverfahrens sein könne, obwohl dieser Art. 59 zu Titel VII der REACH-Verordnung gehöre, gegen diese Vorschrift verstoßen. Dass ein Stoff besonders besorgniserregende inhärente Eigenschaften im Sinne von Art. 57 der Verordnung habe, ermächtige die ECHA nicht, gegen diese Verordnung zu verstoßen. |
50 |
Nach Ansicht von PPG und SNF ist die vom Gericht in Rn. 66 des angefochtenen Urteils vorgenommene Auslegung von Art. 59 der REACH-Verordnung fehlerhaft. Es sei möglich, einen Stoff in die Kandidatenliste aufzunehmen und dabei klarzustellen, dass dies unbeschadet der Verwendung des Stoffes als Zwischenprodukt erfolge. Da Zwischenstoffe nicht zur Aufnahme in Anhang XIV dieser Verordnung bestimmt seien, gebe es keinen Grund, sie in eine Liste aufzunehmen, die im Hinblick auf eine Aufnahme in Anhang XIV festgelegt werde. |
51 |
Die Feststellung des Gerichts in Rn. 69 des angefochtenen Urteils, dass Art. 57 der REACH-Verordnung die inhärenten Eigenschaften der Stoffe betreffe, sei für die Anwendung von Art. 2 Abs. 8 Buchst. b dieser Verordnung irrelevant. |
52 |
Die ECHA und die Kommission treten dem Vorbringen von PPG und SNF entgegen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
53 |
Für die Entscheidung über den dritten Rechtsmittelgrund ist auf den Kontext hinzuweisen, in dem die in Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung Anwendung findet. |
54 |
Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 ist es Zweck dieser Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, einschließlich der Förderung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren, sowie den freien Verkehr von Stoffen im Binnenmarkt zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern. Dazu wird mit der REACH-Verordnung ein integriertes System zur Kontrolle chemischer Stoffe eingeführt, das ihre Registrierung, Bewertung und Zulassung sowie gegebenenfalls Beschränkungen ihrer Verwendung umfasst (vgl. u. a. Urteil vom 15. März 2017, Polynt/ECHA, C‑323/15 P, EU:C:2017:207, Rn. 20). |
55 |
Wie insbesondere in den Erwägungsgründen 69 und 70 der REACH-Verordnung hervorgehoben wird, sollte bei „besonders besorgniserregenden“ Stoffen mit großer Umsicht vorgegangen werden. Diese Stoffe unterliegen daher der in Titel VII dieser Verordnung vorgesehenen Zulassungsregelung. Nach Art. 55 dieser Verordnung ist es Zweck der Zulassungsregelung, „sicherzustellen, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert und gleichzeitig die von besonders besorgniserregenden Stoffen ausgehenden Risiken ausreichend beherrscht werden und dass diese Stoffe schrittweise durch geeignete Alternativstoffe oder ‑technologien ersetzt werden, sofern diese wirtschaftlich und technisch tragfähig sind“ (vgl. u. a. Urteil vom 15. März 2017, Polynt/ECHA, C‑323/15 P, EU:C:2017:207, Rn. 21). |
56 |
Die erste Phase nach dieser Zulassungsregelung ist das Verfahren zur Ermittlung besonders besorgniserregender Stoffe auf der Grundlage der in Art. 57 der REACH-Verordnung genannten Kriterien. Die zweite Phase ist die Aufnahme dieser Stoffe in das Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe in Anhang XIV dieser Verordnung, und die dritte und letzte Phase betrifft das Verfahren, das gegebenenfalls zur Erteilung der Zulassung eines besonders besorgniserregenden Stoffes führt (vgl. u. a. Urteil vom 15. März 2017, Polynt/ECHA, C‑323/15 P, EU:C:2017:207, Rn. 22). |
57 |
Um die Kohärenz zwischen der Zulassungsregelung in Titel VII der REACH-Verordnung und den anderen Rechtsvorschriften der Union, durch die die menschliche Gesundheit oder die Umwelt vor Gefahren aus der Verwendung chemischer Stoffe geschützt werden soll, sicherzustellen, können nach Art. 58 Abs. 2 dieser Verordnung bestimmte Verwendungen oder Verwendungskategorien von der Zulassungspflicht ausgenommen werden, „sofern – auf der Grundlage bestehender spezifischer Rechtsvorschriften der Gemeinschaft mit Mindestanforderungen an den Schutz der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt bei der Verwendung des Stoffes – das Risiko ausreichend beherrscht wird“. Diese Ausnahmeregelung impliziert eine untrennbare Verbindung zwischen einem Stoff und seinen Verwendungen oder Verwendungskategorien (Urteil vom 13. Juli 2017, VECCO u. a./Kommission, C‑651/15 P, EU:C:2017:543, Rn. 30 und 37). |
58 |
Neben dieser besonderen Ausnahme in Art. 58 Abs. 2 der REACH-Verordnung ist in Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung eine allgemeine Ausnahme geregelt, wonach „standortinterne isolierte Zwischenprodukte und transportierte isolierte Zwischenprodukte … von Titel VII [der Verordnung] [ausgenommen sind]“. |
59 |
Bei einer grammatischen Auslegung, wie sie von PPG und SNF vorgenommen wird, dürfte anzunehmen sein, dass jeder Stoff, der als standortinternes isoliertes Zwischenprodukt oder als transportiertes isoliertes Zwischenprodukt verwendet wird, aus diesem Grund ohne Weiteres von allen Bestimmungen von Titel VII der REACH-Verordnung ausgenommen ist. Ein solcher Stoff unterläge damit nicht dem Ermittlungsverfahren nach Art. 59 der REACH-Verordnung, und zwar auch dann, wenn der Stoff aufgrund seiner inhärenten Eigenschaften unter Art. 57 dieser Verordnung fiele und folglich als besonders besorgniserregend gelten sollte. Das in den Kapiteln 2 und 3 des Titels VII der Verordnung geregelte Zulassungsverfahren fände auf einen solchen Stoff somit ebenfalls keine Anwendung. |
60 |
Diese grammatische Auslegung ist offensichtlich unvereinbar mit dem in den Rn. 54 und 55 des vorliegenden Urteils genannten Ziel der REACH-Verordnung, die Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Sie ist darüber hinaus auch mit der Systematik dieser Verordnung unvereinbar. |
61 |
Wie die Generalanwältin in den Nrn. 85 bis 87 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung, in der der Begriff „Zwischenprodukt“ definiert wird, in Verbindung mit Bestimmungen des Titels VII dieser Verordnung, dass die Ausnahme in Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der Verordnung dahin zu verstehen ist, dass sie nur für die Verwendungen eines Stoffes gilt, der als standortinternes isoliertes Zwischenprodukt oder transportiertes isoliertes Zwischenprodukt eingestuft werden kann. Sie gilt daher nicht für die Bestimmungen des Titels VII, die die Stoffe anhand anderer Merkmale als ihren Verwendungen oder Verwendungskategorien regeln. |
62 |
Daraus folgt, dass die Ausnahme in Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung nur das in den Kapiteln 2 und 3 des Titels VII dieser Verordnung geregelte Zulassungsverfahren betrifft. Der Zweck dieses Verfahrens besteht nämlich gerade darin, die für einen besonders besorgniserregenden Stoff zulassungsfähigen Verwendungen und Verwendungskategorien zu begrenzen, vorbehaltlich insbesondere der in Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung vorgesehenen allgemeinen Ausnahme. |
63 |
Demgegenüber gilt diese Ausnahme nicht für die Bestimmungen von Titel VII der REACH-Verordnung, die Stoffe nach Maßgabe ihrer inhärenten Eigenschaften regeln. Art. 2 Abs. 8 Buchst. b dieser Verordnung verbietet folglich nicht, dass ein Stoff auf der Grundlage der Kriterien von Art. 57 der Verordnung als besonders besorgniserregend ermittelt wird, und zwar auch dann nicht, wenn er nur als standortinternes isoliertes Zwischenprodukt oder als transportiertes isoliertes Zwischenprodukt verwendet werden sollte. |
64 |
Wie die Generalanwältin in Nr. 83 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der REACH-Verordnung, dass dieses Verhältnis zwischen dem Zulassungsverfahren und der Ausnahme für Stoffe, die als standortinterne isolierte Zwischenprodukte oder als transportierte isolierte Zwischenprodukte verwendet werden, darin begründet ist, dass diese Verwendungen ihrem Wesen nach nicht zur Besorgnis Anlass geben und daher vom Zulassungsverfahren ausgenommen werden können. |
65 |
Das Gericht hat daher in Rn. 66 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei befunden, dass sich aus „der Definition des Zwischenprodukts gemäß Art. 3 Nr. 15 der [REACH-Verordnung] ergibt …, dass die Einstufung eines Stoffes als Zwischenprodukt von dem Zweck abhängt, der mit seiner Herstellung und seiner Verwendung verfolgt wird. Wie bereits ausgeführt …, ist nach dieser Definition ein Zwischenprodukt ein Stoff, der für die chemische Weiterverarbeitung hergestellt und hierbei verbraucht oder verwendet wird, um in eine Synthese umgewandelt zu werden. Da grundsätzlich jeder Stoff für die chemische Weiterverarbeitung hergestellt und hierbei verbraucht oder verwendet werden kann, um in eine Synthese umgewandelt zu werden, und damit den Status eines Zwischenprodukts haben kann, kann der Umstand, dass ein Stoff in einem bestimmten Fall den Status eines Zwischenprodukts hat, diesen nicht von dem Ermittlungsverfahren nach Art. 59 [dieser Verordnung] ausnehmen.“ |
66 |
Da diese rechtliche Begründung ausreichend ist, um die Zurückweisung des ersten Klagegrundes rechtlich zu rechtfertigen, ist der dritte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen. |
Zum vierten Rechtsmittelgrund eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers
Vorbringen der Parteien
67 |
PPG und SNF rügen, dass das Gericht in den Rn. 69 bis 79 des angefochtenen Urteils ihr Vorbringen zurückgewiesen habe, wonach die ECHA einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie die Informationen, die in dem nach Anhang XV der REACH-Verordnung ausgearbeiteten Dossier enthalten gewesen seien, nicht berücksichtigt habe. Das Gericht sei nämlich davon ausgegangen, dass die Informationen gemäß Anhang XV der REACH-Verordnung für die Ermittlung eines Stoffes im Rahmen des Verfahrens nach Art. 59 dieser Verordnung irrelevant seien. |
68 |
Diese Beurteilung sei fehlerhaft. Die Ausarbeitung dieses Dossiers stelle nämlich die erste Phase des Zulassungsverfahrens für einen Stoff dar und müsse alle relevanten Informationen enthalten, die für die Entscheidung, ob dieser Stoff in die Kandidatenliste und in Anhang XIV der REACH-Verordnung aufzunehmen sei, relevant sei. Neben den inhärenten Eigenschaften des Stoffes seien gemäß Anhang XV dieser Verordnung in diesem Dossier die Verwendungen, Expositionen, Ersatzstoffe und Risiken darzustellen. |
69 |
Vorliegend gehe aus den der ECHA zur Verfügung stehenden Informationen hervor, dass Acrylamid nur als Zwischenprodukt verwendet werde. Die ECHA sei verpflichtet, diese Informationen sorgfältig und unparteiisch zu prüfen (Urteil vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14). Die Informationen zeigten, dass die Anwendungsvoraussetzungen für die in Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung vorgesehene Ausnahme erfüllt seien. |
70 |
Die ECHA und die Kommission treten diesem Vorbringen entgegen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
71 |
Wie in Rn. 63 des vorliegenden Urteils festgestellt, verbietet Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung nicht, dass ein Stoff auf der Grundlage der Kriterien von Art. 57 der Verordnung als besonders besorgniserregend ermittelt wird, und zwar auch dann nicht, wenn er nur als standortinternes isoliertes Zwischenprodukt oder als transportiertes isoliertes Zwischenprodukt verwendet werden sollte. |
72 |
Das Gericht hat also keinen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 69 des angefochtenen Urteils befunden hat, dass selbst dann, „wenn man … unterstellt, dass [das vom Königreich der Niederlande nach Anhang XV der Verordnung ausgearbeitete] Dossier nur Beispiele für eine Verwendung dieses Stoffes als Zwischenprodukt anführt, … dies für die Ermittlung von Acrylamid als besonders besorgniserregender Stoff, der die Kriterien des Art. 57 [dieser Verordnung] erfüllt, unerheblich [wäre], da diese Informationen nicht die inhärenten Eigenschaften von Acrylamid betreffen“. |
73 |
Aus demselben Grund ist die entsprechende Begründung in den Rn. 70 und 77 des angefochtenen Urteils frei von Rechtsfehlern. |
74 |
Demnach ist der vierte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen. |
Zum fünften und zum sechsten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
75 |
Mit dem fünften Rechtsmittelgrund beanstanden PPG und SNF Rn. 93 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht ihr Vorbringen zur Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zurückgewiesen hat. Ihrer Ansicht nach habe es eine weniger belastende Alternative zur streitigen Entscheidung gegeben, die darin bestehe, bei der Aufnahme von Acrylamid in die Kandidatenliste vorzusehen, dass die Ermittlung und die Aufnahme keine Auswirkungen auf die Verwendung des Stoffes als Zwischenprodukt hätten. |
76 |
Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund rügen PPG und SNF einen Begründungsmangel in Rn. 93 des angefochtenen Urteils. |
77 |
Die ECHA und die Kommission treten diesem Vorbringen entgegen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
78 |
Wie in Rn. 62 des vorliegenden Urteils festgestellt, besteht der Zweck des in den Kapiteln 2 und 3 des Titels VII der REACH-Verordnung geregelten Zulassungsverfahrens darin, die für einen besonders besorgniserregenden Stoff zulassungsfähigen Verwendungen und Verwendungskategorien zu begrenzen, vorbehaltlich insbesondere der in Art. 2 Abs. 8 Buchst. b dieser Verordnung vorgesehenen allgemeinen Ausnahme. |
79 |
Würde bei der Aufnahme eines Stoffes in die Liste der für eine Aufnahme in Anhang XIV der REACH-Verordnung in Frage kommenden Stoffe ein Vermerk mitaufgenommen, dass dies keine Auswirkungen auf die nach Art. 2 Abs. 8 Buchst. b dieser Verordnung ausgenommenen Verwendungen habe, würde daher lediglich wiederholt, was sich bereits aus der REACH-Verordnung ergibt. Wie die Generalanwältin in Nr. 116 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wäre eine solche Maßnahme für die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit völlig irrelevant. |
80 |
Daraus folgt, dass das Gericht, indem es in Rn. 93 des angefochtenen Urteils das Vorbringen von PPG und SNF damit zurückgewiesen hat, dass der „Gesetzgeber für Zwischenprodukte in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 8 Buchst. b der [REACH-Verordnung] Sondervorschriften geschaffen hat“, keinen Rechtsfehler begangen hat und seiner Begründungspflicht nachgekommen ist. |
81 |
Der fünfte und der sechste Rechtsmittelgrund sind daher als unbegründet zurückzuweisen. |
82 |
Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. |
Kosten
83 |
Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. |
84 |
Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. |
85 |
Da die ECHA die Verurteilung von PPG und SNF zur Tragung der Kosten beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen. |
86 |
Das Königreich der Niederlande und die Kommission, Streithelfer im ersten Rechtszug, tragen ihre eigenen Kosten. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
|
|
|
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.