Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-347/16

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

26. Oktober 2017 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 101 und 102 AEUV – Richtlinie 2009/72/EG – Art. 9, 10, 13 und 14 – Verordnung (EG) Nr. 714/2009 – Art. 3 – Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 – Art. 2 Nr. 3 – Verordnung (EU) 2015/1222 – Art. 1 Abs. 3 – Zertifizierung und Benennung eines unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers – Begrenzung der Zahl der Personen, denen im Staatsgebiet eine Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt wird“

In der Rechtssache C‑347/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) mit Entscheidung vom 3. Juni 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Juni 2016, in dem Verfahren

Balgarska energiyna borsa AD (BEB)

gegen

Komisia za energiyno i vodno regulirane (KEVR)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richter E. Levits und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Komisia za energiyno i vodno regulirane (KEVR), vertreten durch I. Ivanov als Bevollmächtigten,

der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und L. Zaharieva als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch O. Beynet und P. Mihaylova als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung mehrerer Bestimmungen der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55), der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 (ABl. 2009, L 211, S. 15), der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts (ABl. 2011, L 326, S. 1) und der Verordnung (EU) 2015/1222 der Kommission vom 24. Juli 2015 zur Festlegung einer Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement (ABl. 2015, L 197, S. 24) sowie der Art. 101 und 102 AEUV.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Balgarska energiyna borsa AD (BEB), einer Gesellschaft bulgarischen Rechts, und der Komisiyata za energiyno i vodno regulirane (Regulierungskommission für Energie und Wasser, Bulgarien) (im Folgenden: KEVR) über deren Weigerung, BEB eine Lizenz für die Tätigkeiten der Elektrizitätsübertragung, der Koordination einer Ausgleichsgruppe und als unabhängiger Übertragungsnetzbetreiber zu erteilen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2009/72

3

In den Erwägungsgründen 9, 11, 12, 16, 17 und 19 der Richtlinie 2009/72 heißt es:

„(9)

Ohne eine wirksame Trennung des Netzbetriebs von der Erzeugung und Versorgung (‚wirksame Entflechtung‘) besteht zwangsläufig die Gefahr einer Diskriminierung nicht nur in der Ausübung des Netzgeschäfts, sondern auch in Bezug auf die Schaffung von Anreizen für vertikal integrierte Unternehmen, ausreichend in ihre Netze zu investieren.

(11)

Nur durch Beseitigung der für vertikal integrierte Unternehmen bestehenden Anreize, Wettbewerber in Bezug auf den Netzzugang und auf Investitionen zu diskriminieren, kann eine tatsächliche Entflechtung gewährleistet werden. Eine eigentumsrechtliche Entflechtung, die darin besteht, dass der Netzeigentümer als Netzbetreiber benannt wird, und unabhängig von Versorgungs- und Erzeugungsinteressen ist, ist zweifellos ein wirksamer und stabiler Weg, um den inhärenten Interessenkonflikt zu lösen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. …

(12)

Jedes Entflechtungssystem sollte die Interessenkonflikte zwischen Erzeugern, Lieferanten und Fernleitungs- bzw. Übertragungsnetzbetreibern wirksam lösen, um Anreize für die notwendigen Investitionen zu schaffen und den Zugang von Markteinsteigern durch einen transparenten und wirksamen Rechtsrahmen zu gewährleisten, und den nationalen Regulierungsbehörden keine zu schwerfälligen Regulierungsvorschriften auferlegen.

(16)

Die Einrichtung eines Netzbetreibers oder eines Übertragungsnetzbetreibers, der unabhängig von Versorgungs- und Erzeugungsinteressen ist, sollte es vertikal integrierten Unternehmen ermöglichen, Eigentümer der Vermögenswerte des Netzes zu bleiben und gleichzeitig eine wirksame Trennung der Interessen sicherzustellen, sofern dieser unabhängige Netzbetreiber oder dieser unabhängige Übertragungsnetzbetreiber sämtliche Funktionen eines Netzbetreibers wahrnimmt und sofern eine detaillierte Regulierung und umfassende Regulierungskontrollmechanismen gewährleistet sind.

(17)

Ist das Unternehmen, das Eigentümer eines Übertragungsnetzes ist, am 3. September 2009 Teil eines vertikal integrierten Unternehmens, sollten die Mitgliedstaaten daher die Möglichkeit haben, zwischen einer eigentumsrechtlichen Entflechtung und der Einrichtung eines Netzbetreibers oder eines Übertragungsnetzbetreibers, der unabhängig von Versorgungs- und Erzeugungsinteressen ist, zu wählen.

(19)

Dabei sollte die volle Effektivität der Lösung in Form des unabhängigen Netzbetreibers (ISO) oder des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers (ITO) durch spezifische zusätzliche Vorschriften sichergestellt werden. Die Vorschriften für den unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber bieten einen geeigneten Regelungsrahmen, der für einen gerechten Wettbewerb, hinreichende Investitionen, den Zugang neuer Marktteilnehmer und die Integration der Strommärkte sorgt. Eine wirksame Entflechtung mittels der Vorschriften für die unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber sollte sich auf den Pfeiler der Maßnahmen zur Organisation und Verwaltung der Übertragungsnetzbetreiber und den Pfeiler der Maßnahmen im Bereich der Investitionen, des Netzanschlusses zusätzlicher Erzeugungskapazitäten und der Integration der Märkte durch regionale Zusammenarbeit stützen. Die Unabhängigkeit des Übertragungsnetzbetreibers sollte ferner unter anderem durch bestimmte ‚Karenzzeiten‘ sichergestellt werden, in denen in dem vertikal integrierten Unternehmen keine Leitungsfunktion ausgeübt wird oder keine sonstige wichtige Funktion wahrgenommen wird, die Zugang zu den gleichen Informationen wie eine leitende Position eröffnen. …“

4

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2009/72 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

(4)

‚Übertragungsnetzbetreiber‘ eine natürliche oder juristische Person, die verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Übertragungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu decken;

…“

5

In Art. 9 („Entflechtung der Übertragungsnetze und der Übertragungsnetzbetreiber“) der Richtlinie 2009/72 heißt es:

„(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass ab 3. März 2012

a)

jedes Unternehmen, das Eigentümer eines Übertragungsnetzes ist, als Übertragungsnetzbetreiber agiert;

b)

ein und dieselbe(n) Person(en) weder berechtigt ist (sind),

i)

direkt oder indirekt die Kontrolle über ein Unternehmen auszuüben, das eine der Funktionen Erzeugung oder Versorgung wahrnimmt, und direkt oder indirekt die Kontrolle über einen Übertragungsnetzbetreiber oder ein Übertragungsnetz auszuüben oder Rechte an einem Übertragungsnetzbetreiber oder einem Übertragungsnetz auszuüben, noch[,]

ii)

direkt oder indirekt die Kontrolle über einen Übertragungsnetzbetreiber oder ein Übertragungsnetz auszuüben und direkt oder indirekt die Kontrolle über ein Unternehmen auszuüben, das eine der Funktionen Erzeugung oder Versorgung wahrnimmt, oder Rechte an einem solchen Unternehmen auszuüben;

c)

nicht ein und dieselbe(n) Person(en) berechtigt ist (sind), Mitglieder des Aufsichtsrates, des Verwaltungsrates oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe eines Übertragungsnetzbetreibers oder eines Übertragungsnetzes zu bestellen und direkt oder indirekt die Kontrolle über ein Unternehmen auszuüben, das eine der Funktionen Erzeugung oder Versorgung wahrnimmt, oder Rechte an einem solchen Unternehmen auszuüben, und

d)

nicht ein und dieselbe Person berechtigt ist, Mitglied des Aufsichtsrates, des Verwaltungsrates oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe sowohl eines Unternehmens, das eine der Funktionen Erzeugung oder Versorgung wahrnimmt, als auch eines Übertragungsnetzbetreibers oder eines Übertragungsnetzes zu sein.

(8)   In den Fällen, in denen das Übertragungsnetz am 3. September 2009 einem vertikal integrierten Unternehmen gehört, kann ein Mitgliedstaat entscheiden, Absatz 1 nicht anzuwenden.

In diesem Fall muss der betreffende Mitgliedstaat entweder

a)

einen unabhängigen Netzbetreiber gemäß Artikel 13 benennen oder

b)

die Bestimmungen des Kapitels V einhalten.

…“

6

Art. 10 („Benennung und Zertifizierung von Übertragungsnetzbetreibern“) der Richtlinie 2009/72 sieht vor:

„(1)   Bevor ein Unternehmen als Übertragungsnetzbetreiber zugelassen und benannt wird, muss es gemäß den in den Absätzen 4, 5 und 6 des vorliegenden Artikels und in Artikel 3 der [Verordnung Nr. 714/2009] genannten Verfahren zertifiziert werden.

(2)   Unternehmen, die Eigentümer eines Übertragungsnetzes sind und denen von der nationalen Regulierungsbehörde gemäß dem unten beschriebenen Zertifizierungsverfahren bescheinigt wurde, dass sie den Anforderungen des Artikels 9 genügen, werden von den Mitgliedstaaten zugelassen und als Übertragungsnetzbetreiber benannt. Die Benennung der Übertragungsnetzbetreiber wird der Kommission mitgeteilt und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

…“

7

In Art. 13 („Unabhängige Netzbetreiber [ISO]“) Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„In den Fällen in denen das Übertragungsnetz am 3. September 2009 einem vertikal integrierten Unternehmen gehört, können die Mitgliedstaaten entscheiden, Artikel 9 Absatz 1 nicht anzuwenden, und auf Vorschlag des Eigentümers des Übertragungsnetzes einen unabhängigen Netzbetreiber benennen. Die Benennung bedarf der Zustimmung der Kommission.“

8

Art. 14 („Entflechtung der Übertragungsnetzeigentümer“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Wurde ein unabhängiger Netzbetreiber benannt, müssen Übertragungsnetzeigentümer, die Teil eines vertikal integrierten Unternehmens sind, zumindest hinsichtlich ihrer Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt unabhängig von den übrigen Tätigkeiten sein, die nicht mit der Übertragung zusammenhängen.“

9

Kapitel V der Richtlinie 2009/72, das die Art. 17 bis 23 umfasst, betrifft den „unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber (ITO)“.

10

Art. 47 („Berichterstattung“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 3 vor:

„Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis 3. März 2013 als Teil der allgemeinen Überprüfung einen ausführlichen konkreten Bericht vor, in dem sie darlegt, inwieweit es mit den Entflechtungsvorschriften gemäß Kapitel V gelungen ist, die volle, effektive Unabhängigkeit der Übertragungsnetzbetreiber sicherzustellen; dabei wird die effektive und effiziente Entflechtung als Maßstab zugrunde gelegt.“

Verordnung Nr. 714/2009

11

In Art. 3 („Zertifizierung von Übertragungsnetzbetreibern“) heißt es:

„(1)   Die Kommission prüft die Mitteilung über die Zertifizierung eines Übertragungsnetzbetreibers nach Artikel 10 Absatz 6 der Richtlinie [2009/72] unmittelbar nach ihrem Eingang. Die Kommission übermittelt der zuständigen nationalen Regulierungsbehörde innerhalb von zwei Monaten ab dem Eingang der Mitteilung ihre Stellungnahme bezüglich der Vereinbarkeit mit Artikel 10 Absatz 2 oder Artikel 11 sowie mit Artikel 9 der Richtlinie [2009/72].

Für die Erarbeitung der in Unterabsatz 1 genannten Stellungnahme kann die Kommission die Stellungnahme der Agentur zur Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde beantragen. In diesem Fall wird die in Unterabsatz 1 genannte Zweimonatsfrist um weitere zwei Monate verlängert.

Legt die Kommission innerhalb der in den Unterabsätzen 1 und 2 genannten Fristen keine Stellungnahme vor, so wird davon ausgegangen, dass sie keine Einwände gegen die Entscheidung der Regulierungsbehörde erhebt.

(2)   Innerhalb von zwei Monaten nach Eingang einer Stellungnahme der Kommission trifft die nationale Regulierungsbehörde ihre endgültige Entscheidung bezüglich der Zertifizierung des Übertragungsnetzbetreibers, wobei sie die Stellungnahme der Kommission so weit wie möglich berücksichtigt. Die Entscheidung der Regulierungsbehörde wird zusammen mit der Stellungnahme der Kommission veröffentlicht.

…“

Verordnung Nr. 1227/2011

12

Der dritte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1227/2011 lautet:

„Der Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden und die Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas haben in ihrem Gutachten bestätigt, dass der Geltungsbereich der bestehenden Rechtsvorschriften möglicherweise nicht in angemessener Weise auf Fragen der Integrität auf den Strom- und Gasmärkten abstellt, und dazu geraten, einen geeigneten Rechtsrahmen für den Energiesektor ins Auge zu fassen, mit dem Marktmissbrauch verhindert wird und in den sektorspezifische Bedingungen aufgenommen werden, die durch andere Richtlinien und Verordnungen nicht abgedeckt sind.“

13

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1227/2011 sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

3.

‚Versuch der Marktmanipulation‘ ist

a)

der Abschluss einer Transaktion, das Erteilen eines Handelsauftrags oder das Vornehmen sonstiger Handlungen im Zusammenhang mit einem Energiegroßhandelsprodukt mit der Absicht,

i)

falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Energiegroßhandelsprodukten, die Nachfrage danach oder ihren Preis zu geben,

ii)

den Preis eines oder mehrerer Energiegroßhandelsprodukte auf einem künstlichen Preisniveau zu halten, es sei denn, die Person, welche die Transaktion abgeschlossen oder den Handelsauftrag erteilt hat, weist nach, dass sie legitime Gründe dafür hatte und dass diese Transaktion oder dieser Handelsauftrag nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden Energiegroßhandelsmarkt verstößt, oder

iii)

falsche Tatsachen vorzuspiegeln oder sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung zu verwenden, die falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Energiegroßhandelsprodukten, die Nachfrage danach oder ihren Preis geben oder geben könnten;

oder

b)

Informationen über die Medien einschließlich Internet oder auf anderem Wege zu verbreiten mit der Absicht, falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Energiegroßhandelsprodukten, die Nachfrage danach oder ihren Preis zu geben;

…“

Verordnung 2015/1222

14

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Verordnung 2015/1222 bestimmt in Abs. 3:

„In Mitgliedstaaten mit mehr als einem Übertragungsnetzbetreiber gilt diese Verordnung für alle Übertragungsnetzbetreiber innerhalb dieses Mitgliedstaats. Hat ein Übertragungsnetzbetreiber keine Funktion, die für eine oder mehrere Verpflichtungen aus dieser Verordnung relevant ist, können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Verantwortung für die Einhaltung dieser Verpflichtungen einem oder mehreren anderen Übertragungsnetzbetreibern zugewiesen wird.“

Bulgarisches Recht

15

Gemäß Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 des Zakon za Energetikata (Energiegesetz, im Folgenden: ZE) vergibt KEVR Lizenzen für die Übertragung von elektrischem Strom.

16

Gemäß Art. 21 Abs. 1 Nr. 27 ZE zertifiziert KEVR die Elektrizitätsübertragungsnetzbetreiber hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen an die Unabhängigkeit, beobachtet deren Einhaltung und übermittelt entsprechende Mitteilungen an die Europäische Kommission.

17

Nach Art. 39 Abs. 1 Nr. 2 ZE ist für die Tätigkeit der Elektrizitätsübertragung die Erteilung einer Lizenz erforderlich.

18

Gemäß Art. 43 Abs. 1 Nr. 1 ZE wird im Staatsgebiet nur eine einzige Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt.

19

Das achte Kapitel „a“ des ZE legt die Regeln fest, die auf die Zertifizierung der Übertragungsnetzbetreiber und auf Investitionen anwendbar sind.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

20

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass BEB am 27. Dezember 2013 bei KEVR einen Antrag auf Erteilung einer Lizenz für „Elektrizitätsübertragung und Koordinator einer Ausgleichsgruppe, unabhängiger Übertragungsnetzbetreiber“ stellte.

21

Da dieser Antrag stillschweigend abgelehnt wurde, erhob BEB am 24. April 2014 Klage beim Varhoven administrativen sad (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Bulgarien) auf Aufhebung dieser Ablehnungsentscheidung.

22

Mit Urteil vom 9. Juni 2015 hob der Varhoven administrativen sad (Oberster Verwaltungsgerichtshof) diese Entscheidung auf, da diese den Begründungserfordernissen nicht genüge.

23

In Durchführung dieses Urteils lehnte KEVR mit Entscheidung vom 6. Oktober 2015 den von BEB am 27. Dezember 2013 gestellten Antrag als in vollem Umfang unzulässig ab.

24

KEVR war im Wesentlichen der Ansicht, dass in Bulgarien gemäß Art. 43 Abs. 1 Nr. 1 ZE nur eine einzige Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt werden könne. KEVR habe jedoch bereits mit Entscheidung vom 18. Dezember 2013 eine solche Lizenz an Elektroenergien sistemen operator EAD (im Folgenden: ESO) für 35 Jahre erteilt. In Bezug auf die Tätigkeit als Koordinator einer Ausgleichsgruppe hob KEVR hervor, dass die mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten die Ausübung der Tätigkeit der Elektrizitätsübertragung voraussetzten. Was schließlich die Tätigkeit als unabhängiger Übertragungsnetzbetreiber betrifft, führt KEVR aus, dass nur der Betreiber des Elektrizitätsübertragungsnetzes, im vorliegenden Fall EOS, nach dieser Lizenz zertifiziert und für diese Tätigkeit benannt werden könne.

25

BEB erhob gegen die Entscheidung von KEVR am 6. Oktober 2015 beim vorlegenden Gericht Klage.

26

Das vorlegende Gericht fragt sich im Wesentlichen, ob bestimmte Vorschriften in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 in Bulgarien eingehalten werden und ob die Beschränkung der Zahl von Personen, denen in einem bestimmten Gebiet eine Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt wird, mit dem Ziel der Europäischen Union vereinbar ist, einen wettbewerbsfähigen europäischen Energiemarkt zu entwickeln.

27

Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Erlaubt es Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i und ii der Richtlinie 2009/72, dass ein und dieselbe Person einziger Anteilseigner des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers und der Gesellschaft ist, deren wichtigste Tätigkeiten die Erzeugung und Übertragung von Elektrizität sind?

2.

Erlaubt es Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i und ii der Richtlinie 2009/72, dass ein und dieselbe Person direkt oder indirekt die Kontrolle über den unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber und über ein Unternehmen für die Erzeugung von und Versorgung mit Elektrizität ausübt?

3.

Erlaubt es Art. 9 Abs. 1 Buchst. c und d der Richtlinie 2009/72, dass ein und dieselbe Person die Mitglieder des Aufsichtsrats des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers (der seinerseits dessen Vorstand wählt) und die Mitglieder des Rates der Direktoren des Unternehmens für die Erzeugung von und Versorgung mit Elektrizität ernennt?

4.

Erlauben die Richtlinie 2009/72, die Verordnung Nr. 714/2009, die Verordnung Nr. 1227/2011 und die Verordnung 2015/1222 Beschränkungen der Zahl der Personen, denen in einem bestimmten Gebiet eine Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt wird?

5.

Bei Bejahung der vorstehenden Fragen und unter Zugrundelegung, dass nach Art. 43 Abs. 1 Nr. 1 ZE für das Gebiet der Republik Bulgarien nur eine einzige Lizenz erteilt worden ist: Ist davon auszugehen, dass ein Interessenkonflikt im Sinne des zwölften Erwägungsgrundes der Richtlinie 2009/72 vorliegt?

6.

Ist davon auszugehen, dass die nationale Vorschrift des Art. 43 Abs. 1 Nr. 1 ZE im Sinne der Art. 101 und 102 AEUV den Wettbewerb beschränkt, indem sie vorsieht, dass im Staatsgebiet nur eine einzige Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt wird?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten, zur zweiten, zur dritten und zur fünften Frage

28

Mit seiner ersten, seiner zweiten, seiner dritten und seiner fünften Vorlagefrage, die zusammen zu prüfen sind, begehrt das vorlegende Gericht die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b bis d der Richtlinie 2009/72 in Verbindung mit deren zwölftem Erwägungsgrund.

29

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass sich diese Fragen im Wesentlichen mit den Zweifeln erklären lassen, die das vorlegende Gericht hinsichtlich der Frage hat, ob die Zertifizierung und die Benennung von ESO als unabhängigem Übertragungsnetzbetreiber für das Elektrizitätsübertragungsnetz Bulgariens mit den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Anforderungen in Einklang standen.

30

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Sofern die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts betreffen, ist der Gerichtshof somit grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil vom 22. September 2016, Microsoft Mobile Sales International u. a., C‑110/15, EU:C:2016:717, Rn. 18).

31

Die Vermutung der Erheblichkeit der von den nationalen Gerichten zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen kann nur ausnahmsweise widerlegt werden, und zwar dann, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 17. Dezember 2015, Tall, C‑239/14, EU:C:2015:824, Rn. 34). Der Zweck eines Vorabentscheidungsersuchens liegt nämlich nicht darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben, sondern darin, dem Bedürfnis nach einer tatsächlichen Entscheidung eines Rechtsstreits über das Unionsrecht Genüge zu tun (Urteil vom 10. November 2016, Private Equity Insurance Group, C‑156/15, EU:C:2016:851, Rn. 56).

32

Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben einschließlich der Antwort auf ein Auskunftsersuchen des Gerichtshofs eindeutig hervor, dass für die Zwecke der Entflechtung zwischen dem Betrieb des Elektrizitätsübertragungsnetzes und den Tätigkeiten der Stromerzeugung und ‑versorgung in Bulgarien ein unabhängiger Übertragungsnetzbetreiber eingerichtet wurde.

33

Das Recht der Mitgliedstaaten, sich für die Einrichtung eines solchen unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers zu entscheiden, wird in Art. 9 Abs. 8 Buchst. b der Richtlinie 2009/72 festgelegt. Danach kann ein Mitgliedstaat in den Fällen, in denen das Übertragungsnetz am 3. September 2009 einem vertikal integrierten Unternehmen gehört, entscheiden, Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie, der die Entflechtung der Eigentumsstrukturen betrifft, nicht anzuwenden. Diese Entscheidung bringt für den betreffenden Mitgliedstaat die Pflicht mit sich, den Anforderungen nachzukommen, die in Kapitel V dieser Richtlinie vorgesehen sind, das die Art. 17 bis 23 dieser Richtlinie umfasst und den unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber betrifft.

34

In Anbetracht der Zweifel des vorlegenden Gerichts an der Unabhängigkeit von ESO ist festzustellen, dass aus den Erwägungsgründen 16, 17 und 19 der Richtlinie 2009/72 sowie aus ihrem Art. 47 Abs. 3 hervorgeht, dass mit den Entflechtungsvorschriften gemäß Kapitel V dieser Richtlinie die volle, effektive Unabhängigkeit der Übertragungsnetzbetreiber von den Tätigkeiten der Erzeugung und Versorgung sichergestellt werden soll.

35

Folglich waren bei der Zertifizierung und Benennung von ESO als unabhängigem Übertragungsnetzbetreiber für das Elektrizitätsübertragungsnetz Bulgariens die in den Art. 17 bis 23 der Richtlinie 2009/72 vorgesehenen Anforderungen zu beachten und nicht die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b bis d dieser Richtlinie.

36

Unter diesen Umständen ist es offensichtlich, dass die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zur Auslegung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b bis d der Richtlinie 2009/72 in Verbindung mit ihrem zwölften Erwägungsgrund für die Lösung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich sind.

37

Daraus folgt, dass die erste, die zweite, die dritte und die fünfte Vorlagefrage unzulässig sind.

Zur vierten Frage

38

Mit seiner vierten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2009/72, die Verordnung Nr. 714/2009, die Verordnung Nr. 1227/2011 und die Verordnung 2015/1222 einem Mitgliedstaat gestatten, die Zahl der Personen, denen in einem bestimmten Gebiet eine Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt wird, zu begrenzen.

39

Das vorlegende Gericht hat in seiner Antwort auf ein Auskunftsersuchen des Gerichtshofs klargestellt, dass sich diese Frage insbesondere auf die Art. 9, 10, 13 und 14 der Richtlinie 2009/72, Art. 3 der Verordnung Nr. 714/2009, Art. 2 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1227/2011 in Verbindung mit ihrem dritten Erwägungsgrund sowie auf Art. 1 Abs. 3 der Verordnung 2015/1222 bezieht.

40

Was zunächst die Art. 13 und 14 der Richtlinie 2009/72 anbelangt, betreffen diese den Fall, dass das Übertragungsnetz am 3. September 2009 einem vertikal integrierten Unternehmen gehörte und der betreffende Mitgliedstaat auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 8 Buchst. a dieser Richtlinie beschlossen hat, einen unabhängigen Netzbetreiber zu benennen.

41

Wie jedoch aus den Rn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils hervorgeht, wurde die Entflechtung zwischen dem Betrieb des Elektrizitätsübertragungsnetzes und den Tätigkeiten der Erzeugung und Versorgung in Bulgarien unter Rückgriff auf die in Art. 9 Abs. 8 Buchst. b der Richtlinie 2009/72 vorgesehene alternative Option vorgenommen, die darin besteht, einen unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber einzurichten.

42

Was Art. 2 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1227/2011 in Verbindung mit ihrem dritten Erwägungsgrund betrifft, wird in dieser Bestimmung definiert, was unter „Versuch der Marktmanipulation“ zu verstehen ist. Die Angaben in der Vorlageentscheidung enthalten aber keinen Hinweis, aus dem abgeleitet werden könnte, dass das vorlegende Gericht im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits mit einem solchen Fall konfrontiert ist.

43

Was sodann die Art. 9 und 10 der Richtlinie 2009/72 sowie Art. 3 der Verordnung Nr. 714/2009 anbelangt, ist festzustellen, dass diese Bestimmungen, die die Entflechtung der Übertragungsnetze und der Übertragungsnetzbetreiber sowie die Zertifizierung und die Benennung dieser Betreiber betreffen, keine Regelung über die Erteilung von Lizenzen für die Elektrizitätsübertragung auf dem Staatsgebiet der Mitgliedstaaten enthalten.

44

Unter Berücksichtigung der Ausführungen in Rn. 24 des vorliegenden Urteils scheint es zwar, dass die bulgarischen Rechtsvorschriften dem Inhaber der einzigen Lizenz, die für die Elektrizitätsübertragung erteilt wurde, die Möglichkeit vorbehalten, zertifiziert und als Übertragungsnetzbetreiber in Bulgarien benannt zu werden.

45

Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 Unternehmen, die Eigentümer eines Übertragungsnetzes sind und denen von der nationalen Regulierungsbehörde bescheinigt wurde, dass sie den Anforderungen des Art. 9 dieser Richtlinie genügen, von den Mitgliedstaaten zugelassen und als Übertragungsnetzbetreiber benannt werden.

46

Wie nämlich aus dem elften Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, besteht die eigentumsrechtliche Entflechtung darin, dass der Netzeigentümer als Netzbetreiber benannt wird und unabhängig von Versorgungs- und Erzeugungsinteressen ist.

47

Im vorliegenden Fall wird in den dem Gerichtshof übermittelten Angaben aber klar herausgestellt, dass es in Bulgarien nur ein einziges Elektrizitätsübertragungsnetz gibt und dass dieses Netz, das am 3. September 2009 dem vertikal integrierten Unternehmen Natsionalna elektricheska kompaniya gehörte, nunmehr Eigentum von ESO ist.

48

Unter Berücksichtigung der dem Gerichtshof vorliegenden Angaben deutet somit nichts darauf hin, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Antrag von BEB in den Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 fällt, der die Zertifizierung und Benennung von Unternehmen, die ein Elektrizitätsübertragungsnetz besitzen, als Übertragungsnetzbetreiber betrifft.

49

Was Art. 1 Abs. 3 der Verordnung 2015/1222 anbelangt, verweist diese Bestimmung bloß allgemein auf den Fall, dass in einem Mitgliedstaat mehrere Übertragungsnetzbetreiber nebeneinander bestehen.

50

Nach alledem ist auf die vierte Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 9, 10, 13 und 14 der Richtlinie 2009/72, Art. 3 der Verordnung Nr. 714/2009, Art. 2 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1227/2011 in Verbindung mit ihrem dritten Erwägungsgrund sowie Art. 1 Abs. 3 der Verordnung 2015/1222 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nationalen Rechtsvorschriften, die die Zahl der Personen begrenzen, denen in einem bestimmten Gebiet eine Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt wird, nicht entgegenstehen.

Zur sechsten Frage

51

Mit seiner sechsten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, wonach im Staatsgebiet nur eine einzige Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt wird, den Wettbewerb im Sinne der Art. 101 und 102 AEUV beschränken.

52

Die Art. 101 und 102 AEUV betreffen zwar nur das Verhalten von Unternehmen und nicht als Gesetz oder Verordnung ergangene Maßnahmen der Mitgliedstaaten; in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV, der eine Pflicht zur Zusammenarbeit begründet, verbieten sie es jedoch den Mitgliedstaaten, Maßnahmen, auch in Form von Gesetzen oder Verordnungen, zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln beeinträchtigen könnten (Urteil vom 8. Dezember 2016, Eurosaneamientos u. a., C‑532/15 und C‑538/15, EU:C:2016:932, Rn. 34).

53

Außerdem liegt eine Verletzung von Art. 101 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV vor, wenn ein Mitgliedstaat gegen Art. 101 AEUV verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt oder begünstigt oder die Auswirkungen solcher Absprachen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt (Urteil vom 8. Dezember 2016, Eurosaneamientos u. a., C‑532/15 und C‑538/15, EU:C:2016:932, Rn. 35).

54

Des Weiteren geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass ein Mitgliedstaat gegen die von den Art. 102 und 106 Abs. 1 AEUV aufgestellten Verbote verstößt, wenn ein Unternehmen, dem er besondere oder ausschließliche Rechte verleiht, bereits durch die Ausübung der ihm übertragenen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzen oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht. Hingegen ist die bloße Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte im Sinne von Art. 106 Abs. 1 AEUV als solche noch nicht mit Art. 102 AEUV unvereinbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juli 2015, Gullotta und Farmacia di Gullotta Davide & C., C‑497/12, EU:C:2015:436, Rn. 23).

55

In diesem Kontext ist gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach er die ihm vorgelegten Fragen eventuell umzuformulieren hat, um dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2013, Konstantinides, C‑475/11, EU:C:2013:542, Rn. 42), die sechste Vorlagefrage dahin auszulegen, dass sie die Art. 101 und 102 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 106 Abs. 1 AEUV betrifft.

56

Die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht sachdienlichen Auslegung des Unionrechts zu gelangen, macht es jedoch erforderlich, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (Urteil vom 5. Dezember 2013, Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken, C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 17). Der Gerichtshof ist nämlich in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom vorlegenden Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Unionsvorschrift zu äußern (Urteil vom 5. Dezember 2013, Nordecon und Ramboll Eesti, C‑561/12, EU:C:2013:793, Rn. 28).

57

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt dieses Erfordernis ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (Beschluss vom 16. Juli 2015, Striani u. a., C‑299/15, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:519, Rn. 25).

58

Es ist hervorzuheben, dass die Angaben in den Vorlageentscheidungen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben sollen, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Erklärungen abzugeben. (Urteil vom 27. November 2012, Pringle, C‑370/12, EU:C:2012:756, Rn. 85).

59

Die Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens sind ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung aufgeführt, von dem das vorlegende Gericht im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen Zusammenarbeit Kenntnis haben sollte und den es sorgfältig zu beachten hat (Urteil vom 5. Juli 2016, Ognyanov, C‑614/14, EU:C:2016:514, Rn. 19).

60

Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass die Vorlageentscheidung, die sich im Wesentlichen lediglich auf die Notwendigkeit beruft, einen wettbewerbsfähigen europäischen Energiemarkt zu entwickeln, keine Erläuterungen zu den Gründen enthält, aus denen das vorlegende Gericht der Auffassung ist, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften geeignet wären, die Art. 101 und 102 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 106 Abs. 1 AEUV zu beeinträchtigen.

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Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die sechste Frage unzulässig ist, da der Gerichtshof nicht über die Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung dieser Frage erforderlich sind.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Art. 9, 10, 13 und 14 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003, Art. 2 Nr. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts in Verbindung mit deren drittem Erwägungsgrund sowie Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2015/1222 der Kommission vom 24. Juli 2015 zur Festlegung einer Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement stehen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nationalen Rechtsvorschriften, die die Zahl der Personen begrenzen, denen in einem bestimmten Gebiet eine Lizenz für die Elektrizitätsübertragung erteilt wird, nicht entgegen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Bulgarisch.

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