Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-277/16

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

20. Dezember 2017 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsamer Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste – Richtlinie 2002/21/EG – Art. 8 und 16 – Richtlinie 2002/19/EG – Art. 8 und 13 – Unternehmen, das als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem Markt eingestuft wird – Preiskontrolle – Von den nationalen Regulierungsbehörden auferlegte Verpflichtungen – Verpflichtung zur kostenorientierten Preisgestaltung – Festsetzung von Gebühren, die unter den dem Betreiber durch Anrufzustellungen in Mobilfunknetzen entstehenden Kosten liegen – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 16 – Unternehmerische Freiheit – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑277/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Entscheidung vom 21. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Mai 2016, in dem Verfahren

Polkomtel sp. z o.o.

gegen

Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej,

Beteiligte:

Krajowa Izba Gospodarcza Elektroniki i Telekomunikacji,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Polkomtel sp. z o.o., vertreten durch E. Barembruch, radca prawny,

des Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej, vertreten durch L. Ochniewicz und D. Dziedzic-Chojnacka, radcowie prawni,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, D. Lutostańska und K. Wilimborek-Makulska als Bevollmächtigte,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, J. Hottiaux und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Juli 2017

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 7).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Polkomtel sp. z o.o. und dem Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej (Präsident des Amtes für elektronische Kommunikation, Polen, im Folgenden: Präsident des UKE) über dessen Bescheid, mit dem die Gebührensätze für Anrufzustellungen im öffentlichen Mobilfunknetz von Polkomtel festgesetzt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Richtlinie 2002/21/EG

3

Die Art. 6 und 7 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33, im Folgenden: Rahmenrichtlinie) sehen einen Konsultations- und Transparenzmechanismus bzw. ein Verfahren zur Konsolidierung des Binnenmarkts für elektronische Kommunikation vor.

4

Art. 8 der Rahmenrichtlinie legt die politischen Ziele und die regulatorischen Grundsätze fest, deren Einhaltung die nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) sicherzustellen haben. In diesem Artikel heißt es:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die [NRB] bei der Wahrnehmung der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten regulatorischen Aufgaben alle angezeigten Maßnahmen treffen, die den in den Absätzen 2, 3 und 4 vorgegebenen Zielen dienen. Die Maßnahmen müssen in angemessenem Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

(2)   Die [NRB] fördern den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste, indem sie unter anderem

a)

sicherstellen, dass die Nutzer, einschließlich behinderte Nutzer, größtmögliche Vorteile in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität genießen;

b)

gewährleisten, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder ‑beschränkungen im Bereich der elektronischen Kommunikation gibt;

(4)   Die [NRB] fördern die Interessen der Bürger der Europäischen Union …

…“

5

In Art. 14 („Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht“) der Rahmenrichtlinie werden die Kriterien aufgestellt, aufgrund deren die NRB einen bestimmten Betreiber als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht einstufen können.

6

Art. 16 („Marktanalyseverfahren“) der Rahmenrichtlinie sieht vor:

„(1)   So bald wie möglich nach der Verabschiedung der Empfehlung oder deren etwaiger Aktualisierung führen die [NRB] unter weitestgehender Berücksichtigung der Leitlinien eine Analyse der relevanten Märkte durch. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden gegebenenfalls an dieser Analyse beteiligt werden.

(2)   Wenn eine [NRB] … nach Artikel 7 oder Artikel 8 der [Zugangsrichtlinie] feststellen muss, ob Verpflichtungen für Unternehmen aufzuerlegen, beizubehalten, zu ändern oder aufzuheben sind, ermittelt sie anhand der Marktanalyse gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels, ob auf einem relevanten Markt wirksamer Wettbewerb herrscht.

(4)   Stellt eine [NRB] fest, dass auf einem relevanten Markt kein wirksamer Wettbewerb herrscht, so ermittelt sie Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf diesem Markt gemäß Artikel 14 und erlegt diesen Unternehmen geeignete spezifische Verpflichtungen nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels auf bzw. ändert diese oder behält diese bei, wenn sie bereits bestehen.

…“

7

Art. 19 („Harmonisierungsmaßnahmen“) der Rahmenrichtlinie sieht in Abs. 1 vor:

„Gibt die Kommission gemäß dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Verfahren Empfehlungen an die Mitgliedstaaten über die harmonisierte Durchführung dieser Richtlinie und der Einzelrichtlinien im Hinblick auf die Verwirklichung der in Artikel 8 genannten Ziele ab, so sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die [NRB] diesen Empfehlungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weitestgehend Rechnung tragen. Beschließt eine [NRB], sich nicht an eine Empfehlung zu halten, so teilt sie dies unter Angabe ihrer Gründe der Kommission mit.“

Die Zugangsrichtlinie

8

In den Erwägungsgründen 15 und 20 der Zugangsrichtlinie heißt es:

„(15)

Die Auferlegung einer spezifischen Verpflichtung für ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht erfordert keine zusätzliche Marktanalyse, sondern eine Begründung dafür, dass die betreffende Verpflichtung im Verhältnis zum festgestellten Problem sinnvoll und angemessen ist.

(20)

Preiskontrolle kann notwendig sein, wenn die Marktanalyse ergibt, dass auf bestimmten Märkten der Wettbewerb unzureichend ist. Der rechtliche Eingriff kann relativ zurückhaltend sein und beispielsweise der … Verpflichtung entsprechen, dass die Preise für die Betreiberauswahl angemessen sein müssen; er kann aber auch sehr viel weiter gehen und etwa die Auflage beinhalten, dass die Preise zur umfassenden Rechtfertigung ihrer Höhe kostenorientiert sein müssen, falls der Wettbewerb nicht intensiv genug ist, um überhöhte Preise zu verhindern. Insbesondere Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht sollten Verdrängungspreise vermeiden, bei denen Unterschiede zwischen ihren Endverbraucherpreisen und den von Wettbewerbern mit ähnlichem Dienstangebot erhobenen Zusammenschaltungsentgelten … so gestaltet sind, dass ein nachhaltiger Wettbewerb nicht gewährleistet ist. Ermittelt eine [NRB] die Kosten, die für die Einrichtung eines nach dieser Richtlinie zugelassenen Dienstes entstehen, so ist eine angemessene Rendite für das eingesetzte Kapital, einschließlich eines angemessenen Betrags für Arbeits- und Aufbaukosten, vorzusehen, wobei erforderlichenfalls eine Anpassung des Kapitalwerts vorgenommen wird, um die aktuelle Bewertung der Vermögenswerte und die betriebliche Effizienz widerzuspiegeln. Die Methode der Kostendeckung sollte auf die Umstände abgestimmt sein und das Erfordernis berücksichtigen, die wirtschaftliche Effizienz und einen nachhaltigen Wettbewerb zu fördern und für die Verbraucher möglichst vorteilhaft zu sein.“

9

Art. 8 („Auferlegung, Änderung oder Aufhebung von Verpflichtungen“) der Zugangsrichtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die [NRB] befugt sind, die in den Artikeln 9 bis 13 genannten Verpflichtungen aufzuerlegen.

(2)   Wird ein Betreiber aufgrund einer Marktanalyse nach Artikel 16 der [Rahmenrichtlinie] als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft, so erlegt die [NRB] diesem im erforderlichen Umfang die in den Artikeln 9 bis 13 der vorliegenden Richtlinie genannten Verpflichtungen auf.

(4)   Die nach diesem Artikel auferlegten Verpflichtungen müssen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und müssen im Hinblick auf die Ziele des Artikels 8 der [Rahmenrichtlinie] angemessen und gerechtfertigt sein. Die Verpflichtungen dürfen nur nach der Anhörung gemäß den Artikeln 6 und 7 jener Richtlinie auferlegt werden.

…“

10

In Art. 13 („Verpflichtung zur Preiskontrolle und Kostenrechnung“) der Zugangsrichtlinie heißt es:

„(1)   Weist eine Marktanalyse darauf hin, dass ein Betreiber aufgrund eines Mangels an wirksamem Wettbewerb seine Preise zum Nachteil der Endnutzer auf einem übermäßig hohen Niveau halten oder Preisdiskrepanzen praktizieren könnte, so kann die [NRB] dem betreffenden Betreiber gemäß Artikel 8 hinsichtlich bestimmter Arten von Zusammenschaltung und/oder Zugang Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle einschließlich kostenorientierter Preise auferlegen und ihm bestimmte Auflagen in Bezug auf Kostenrechnungsmethoden erteilen. Die [NRB] tragen den Investitionen des Betreibers Rechnung und ermöglichen ihm eine angemessene Rendite für das entsprechend eingesetzte Kapital, wobei die damit verbundenen Risiken zu berücksichtigen sind.

(2)   Die [NRB] stellen sicher, dass alle vorgeschriebenen Kostendeckungsmechanismen und Tarifsysteme die wirtschaftliche Effizienz und einen nachhaltigen Wettbewerb fördern und für die Verbraucher möglichst vorteilhaft sind. In diesem Zusammenhang können die nationalen Regulierungsbehörden auch Preise berücksichtigen, die auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten gelten.

(3)   Wurde ein Betreiber dazu verpflichtet, seine Preise an den Kosten zu orientieren, so obliegt es dem betreffenden Betreiber, gegebenenfalls nachzuweisen, dass die Preise sich aus den Kosten sowie einer angemessenen Investitionsrendite errechnen. Zur Ermittlung der Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung können die [NRB] eine von der Kostenberechnung des Unternehmens unabhängige Kostenrechnung anstellen. Die [NRB] können von einem Betreiber die umfassende Rechtfertigung seiner Preise und gegebenenfalls deren Anpassung verlangen.

…“

Die Empfehlung 2009/396/EG

11

In Ziff. 1 der Empfehlung 2009/396/EG der Kommission vom 7. Mai 2009 über die Regulierung der Festnetz- und Mobilfunk-Zustellungsentgelte in der EU (ABl. 2009, L 124, S. 67) heißt es:

„[NRB], die Betreiber aufgrund einer gemäß Artikel 16 der [Rahmenrichtlinie] durchgeführten Marktanalyse als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf den Vorleistungsmärkten für die Anrufzustellung in einzelnen öffentlichen Telefonnetzen (nachstehend als ‚Festnetz- und Mobilfunkzustellungsmärkte‘ bezeichnet) einstufen und diesen Preiskontroll- und Kostenrechnungsverpflichtungen im Sinne von Artikel 13 der [Zugangsrichtlinie] auferlegen, sollten Zustellungsentgelte festlegen, die sich auf die einem effizienten Betreiber entstehenden Kosten stützen. Damit müssen diese auch symmetrisch sein. …“

Polnisches Recht

12

Art. 39 der Ustawa Prawo telekomunikacyjne (Telekommunikationsgesetz) vom 16. Juli 2004 (Dz. U. Nr. 171, Position 1800) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Telekommunikationsgesetz) bestimmt:

„1.   Der Präsident des UKE kann unter Einhaltung der in Art. 24 Nr. 2 Buchst. a genannten Voraussetzungen einem Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht durch Bescheid die Verpflichtung auferlegen,

1)

die gerechtfertigten Kosten für die Dienstleistung des Zugangs zum Telekommunikationsnetz, die der Betreiber auf der Grundlage der in Art. 51 erwähnten Verordnung anwenden muss, unter Angabe der Kostenberechnungsmethode gemäß der vom Präsidenten des UKE bestätigten Beschreibung der Kostenberechnung zu berechnen;

2)

Gebühren für den Zugang zum Telekommunikationsnetz anzuwenden, die die gerechtfertigten Kosten des Betreibers berücksichtigen.

2.   Der Betreiber, dem die Verpflichtung nach Abs. 1 auferlegt worden ist, legt dem Präsidenten des UKE auf dessen Anforderung eine detaillierte Rechtfertigung für die Höhe der Gebühren auf der Grundlage der gerechtfertigten Kosten vor.

4.   Wenn

3)

die für die Prüfung nach Art. 53 Abs. 5 zuständige Stelle eine negative Stellungnahme oder eine Stellungnahme mit Vorbehalten abgibt,

4)

Abweichungen auftreten zwischen der Höhe der vom Betreiber festgelegten Gebühren und der Höhe der vom Präsidenten des UKE gemäß Abs. 3 festgesetzten Gebühren,

setzt der Präsident des UKE die Höhe der Gebühren für den Zugang zum Telekommunikationsnetz bzw. ihre maximale oder minimale Höhe anhand der in Abs. 3 Nr. 2 genannten Methoden fest. Die Festsetzung der vorgenannten Gebühren erfolgt mit gesondertem Bescheid …“

5.   Der Präsident des UKE berücksichtigt bei der Festsetzung der Gebühren die Förderung der Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs sowie die Gewährleistung der größtmöglichen Vorteile für die Endnutzer sowie die Deckung der gerechtfertigten Kosten.“

13

In Art. 40 des Telekommunikationsgesetzes heißt es:

„1.   Der Präsident des UKE kann unter Einhaltung der in Art. 24 Nr. 2 Buchst. a genannten Voraussetzungen einem Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht durch Bescheid die Verpflichtung auferlegen, die Gebühren für den Zugang zum Telekommunikationsnetz anhand der ihm entstandenen Kosten festzulegen.

2.   Ein Betreiber, dem die in Abs. 1 genannte Verpflichtung auferlegt worden ist, legt dem Präsidenten des UKE eine Rechtfertigung für die Höhe der Gebühren vor, die anhand der ihm entstandenen Kosten festgelegt worden sind.

3.   Zur Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der Höhe der von dem in Abs. 1 genannten Betreiber festgelegten Gebühren kann der Präsident des UKE die Höhe oder die Methoden der Festlegung der Gebühren auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten oder andere Verfahren zur Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der Höhe dieser Gebühren heranziehen.

4.   Sind nach der in Abs. 3 genannten Beurteilung die vom Betreiber festgelegten Gebühren ihrer Höhe nach nicht ordnungsgemäß, legt der Präsident des UKE die Höhe der Gebühren bzw. ihre maximale oder minimale Höhe unter Anwendung der in Abs. 3 genannten Methoden unter Berücksichtigung der Förderung der Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs sowie der Gewährleistung der größtmöglichen Vorteile für die Endnutzer fest.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14

Mit Bescheid vom 19. Juli 2006 stufte der Präsident des UKE Polkomtel als Unternehmen ein, das auf dem Markt für Sprachanrufzustellungen in seinem Mobilfunknetz über beträchtliche Marktmacht verfügt, und verpflichtete sie u. a., ihre Gebühren für den Zugang zum Telekommunikationsnetz anhand der für die Erbringung dieser Dienstleistungen entstehenden Kosten festzulegen.

15

Polkomtel legte dem Präsidenten des UKE in Umsetzung dieser Verpflichtung eine Rechtfertigung für die Höhe der Gebühren für Sprachanrufzustellungen in ihrem Mobilfunknetz vor. Der Präsident des UKE sah deren Höhe als nicht ordnungsgemäß an und leitete ein Verfahren zur Überprüfung und Anpassung der Gebühren ein. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Polkomtel für Anrufzustellungen im Mobilfunknetz tatsächlich entstehenden Kosten 0,1690 polnische Zloty (PLN) (etwa 0,0398 Euro) pro Minute betrügen, beschloss der Präsident des UKE, diese Gebühren zur Förderung der wirtschaftlichen Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs und zur Gewährleistung der größtmöglichen Vorteile für die Endnutzer gemäß Art. 40 des Telekommunikationsgesetzes abzuändern. Er setzte die Gebühren auf der Grundlage des Durchschnitts der Gebühren fest, die von den anderen etablierten, auf dem polnischen Mobiltelefoniemarkt tätigen Betreibern für Anrufzustellungen im Mobilfunknetz erhoben wurden, und stellte dabei u. a. darauf ab, dass diese auf demselben Markt tätig seien, über vergleichbare Marktanteile verfügten, dieselben Infrastrukturanbieter in Anspruch nähmen und identische Kosten für die Anmietung der Leitungen hätten.

16

Der Präsident des UKE setzte daher mit einem am 9. Dezember 2009 auf der Grundlage von Art. 40 des Telekommunikationsgesetzes erlassenen Bescheid die Gebühr für die Anrufzustellung im Mobilfunknetz von Polkomtel auf 0,1677 PLN (etwa 0,0395 Euro) pro Minute fest. Mit diesem Bescheid erlegte er Polkomtel außerdem die Verpflichtung auf, ihm jährlich eine Rechtfertigung für die – anhand der für die Erbringung dieser Dienstleistung anfallenden Kosten errechneten – Gebühren für Anrufzustellungen in ihrem Mobilfunknetz vorzulegen.

17

Polkomtel erhob gegen den Bescheid des Präsidenten des UKE vom 9. Dezember 2009 Klage beim Sąd Okręgowy w Warszawie (Bezirksgericht Warschau, Polen). Mit Urteil vom 27. Mai 2013 änderte das Bezirksgericht diesen Bescheid ab und setzte den Gebührensatz für Anrufzustellungen im Mobilfunknetz von Polkomtel auf 0,1690 PLN (etwa 0,0398 Euro) pro Minute fest, was es damit begründete, dass der Präsident des UKE, wenn einem Unternehmen, das als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft worden sei, die Verpflichtung auferlegt werde, seine Gebühren für Anrufzustellungen im Mobilfunknetz anhand der Kosten festzulegen, nicht befugt sei, die ihm von dem betreffenden Unternehmen vorgelegten Gebührensätze zu korrigieren und diese mit einem Betrag festzusetzen, der unter den tatsächlichen Kosten für die Erbringung dieser Dienstleistung liege.

18

Polkomtel und der Präsident des UKE legten gegen dieses Urteil beim Sąd Apelacyjny w Warszawie (Berufungsgericht Warschau) Berufung ein. Mit Urteil vom 7. Mai 2014 gab dieses Gericht der Berufung des Präsidenten des UKE statt, änderte das angefochtene Urteil ab und wies die Klage von Polkomtel ab. Es stellte außerdem fest, dass die Verpflichtung, dem Präsidenten des UKE jährlich eine Rechtfertigung für die Höhe der Gebührensätze für Anrufzustellungen anhand der Kosten vorzulegen, zulässig sei.

19

Polkomtel legte gegen das Urteil des Sąd Apelacyjny w Warszawie (Berufungsgericht Warschau) bei dem vorlegenden Gericht, dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen), Kassationsbeschwerde ein.

20

Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, wie die Art. 8 und 13 der Zugangsrichtlinie auszulegen sind. Es möchte an erster Stelle wissen, ob die NRB auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 3 dieser Richtlinie lediglich die Kosten überprüfen kann, die das als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestufte Unternehmen den betreffenden Dienstleistungen zuordnet, oder auch kontrollieren darf, ob diese Kosten wirtschaftlich gerechtfertigt sind. In Anbetracht des zweiten Satzes von Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie stellt sich das vorlegende Gericht insbesondere die Frage, ob die NRB die Höhe der Kosten nur eingeschränkt überprüfen kann oder darüber hinaus die Höhe der festgelegten Preise unter Bezugnahme auf einen durchschnittlichen effektiven Marktpreis korrigieren darf. In diesem Kontext hegt es Zweifel, ob eine die letztgenannte Möglichkeit ausschließende Auslegung von Art. 13 der Zugangsrichtlinie mit den Bestimmungen von Art. 8 Abs. 4 dieser Richtlinie vereinbar ist.

21

Das vorlegende Gericht weist insoweit auf die von Polkomtel vertretene Ansicht hin, wonach Art. 40 des Telekommunikationsgesetzes es einem Betreiber erlaube, bei der Berechnung seiner Preise sämtliche Kosten zu berücksichtigen, die mit der Erbringung der Dienstleistung verbunden seien, die von der Verpflichtung zur Kostenorientierung der Preise erfasst werde. Polkomtel meint, die NRB dürfe die Kriterien der Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs nicht anwenden, sondern müsse sich darauf beschränken, die Kosten zu berücksichtigen, die tatsächlich mit der Erbringung der von dieser Verpflichtung erfassten Dienstleistung verbunden seien, so dass sie die Gebührensätze nicht auf einem Niveau festsetzen dürfe, das unter den tatsächlich entstehenden Kosten liege.

22

Das vorlegende Gericht ist allerdings der Auffassung, dass Art. 40 des Telekommunikationsgesetzes trotz des Unterschieds zwischen den Kosten, auf die in Art. 39 bzw. in Art. 40 des Telekommunikationsgesetzes jeweils abgestellt werde, die Zuständigkeit der NRB nicht auf die bloße Überprüfung der Kosten beschränke, die der betreffende Betreiber bei der Festlegung der Gebühr berücksichtigt habe, und es erlaube, die Höhe der Gebührensätze auf einem Niveau festzusetzen, das unter den dem betreffenden Betreiber entstehenden Kosten liege. Eine solche Auslegung trägt nach Ansicht des vorlegenden Gerichts zur Verwirklichung der vom Unionsgesetzgeber und vom polnischen Gesetzgeber verfolgten Ziele bei, nämlich die wirtschaftliche Effizienz und einen nachhaltigen Wettbewerb zu fördern und die größtmöglichen Vorteile für die Endnutzer zu gewährleisten.

23

An zweiter Stelle wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) dahin auszulegen sind, dass die NRB einen Betreiber verpflichten kann, in regelmäßigen Abständen eine Rechtfertigung für die anhand der Kosten festgelegten Gebührensätze vorzulegen.

24

Es weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es in Bezug auf Art. 40 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes, der nicht regele, mit welcher Häufigkeit der Betreiber die Verpflichtung zur Rechtfertigung der Höhe der anhand der Kosten festgelegten Gebühren erfüllen müsse, einer „funktionalen Auslegung“ den Vorzug gebe. Aus diesem Artikel lasse sich ableiten, dass die NRB näher bestimmen könne, innerhalb welcher Frist diese Verpflichtung zu erfüllen sei, da die Festlegung einer solchen Frist ein Mindestmaß an Rechtssicherheit gewährleiste, was die Häufigkeit eventueller Änderungen der Höhe der angewandten Gebühren angehe, verhältnismäßig sei und auch dazu beitrage, die Transparenz der Maßnahmen der NRB sicherzustellen. Das vorlegende Gericht fragt sich allerdings, ob eine solche Auslegung dieser Bestimmung des nationalen Rechts im Einklang mit Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie steht.

25

An dritter Stelle möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 16 der Charta dahin auszulegen ist, dass die NRB von einem Unternehmen eine Anpassung der Preise sowohl dann verlangen kann, wenn das Unternehmen, das als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft worden ist, die von ihm autonom festgelegten Preise anwendet, als auch dann, wenn es die zuvor von der NRB festgesetzten Preise anwendet. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass seine Zweifel von der polnischen Sprachfassung von Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie herrührten, wonach die NRB von einem Unternehmen die umfassende Rechtfertigung der „angewandten Preise“ und gegebenenfalls deren Anpassung verlangen könnten, was die Annahme nahelegen könne, dass die NRB vom Betreiber eine Anpassung des Niveaus dieser Preise erst verlangen könne, wenn dieser bereits begonnen habe, die von ihm berechneten Preise anzuwenden.

26

Unter diesen Umständen hat der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 13 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie in der ursprünglichen Fassung dahin auszulegen, dass die NRB, wenn sie einem Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht die Verpflichtung zur kostenorientierten Preisgestaltung auferlegt, zu Zwecken der Förderung der Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs befugt ist, den Preis für die von dieser Verpflichtung erfasste Dienstleistung auf einem Niveau festzusetzen, das unterhalb der durch die NRB verifizierten und als im Kausalzusammenhang mit dieser Dienstleistung stehend anerkannten Kosten der Leistungserbringung durch den Betreiber liegt?

2.

Ist Art. 13 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie in der ursprünglichen Fassung in Verbindung mit Art. 16 der Charta dahin auszulegen, dass die NRB befugt ist, dem Betreiber, der zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichtet ist, die Verpflichtung aufzuerlegen, die Preise jährlich anhand der aktuellsten Kostendaten festzulegen und den auf diese Weise festgelegten Preis samt Kostenbegründung der NRB vor der Markteinführung dieses Preises zum Zweck der Verifizierung vorzulegen?

3.

Ist Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in der ursprünglichen Fassung in Verbindung mit Art. 16 der Charta dahin auszulegen, dass die NRB von einem Betreiber, der zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichtet ist, nur dann die Anpassung des Preises verlangen kann, wenn der Betreiber zunächst selbständig den Preis bestimmt und ihn anzuwenden begonnen hat, oder dahin, dass sie auch dann dazu berechtigt ist, wenn der Betreiber zwar den Preis anwendet, den die NRB zuvor festgesetzt hat, aus der Kostenbegründung für den nächsten Berichtszeitraum aber hervorgeht, dass der zuvor von der NRB festgesetzte Preis die Kosten des Betreibers übersteigt?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

27

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 der Zugangsrichtlinie dahin auszulegen sind, dass eine NRB, wenn sie einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften Unternehmen die Verpflichtung zur kostenorientierten Preisgestaltung auferlegt, die Preise für die von dieser Verpflichtung erfassten Dienstleistungen zu Zwecken der Förderung der wirtschaftlichen Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs auf einem Niveau festsetzen darf, das unter den Kosten liegt, die diesem Unternehmen durch die Leistungserbringung entstehen.

28

Nach Art. 8 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie erlegt die NRB einem Betreiber, der aufgrund einer Marktanalyse nach Art. 16 der Rahmenrichtlinie als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft wird, im erforderlichen Umfang die in den Art. 9 bis 13 der Zugangsrichtlinie genannten Verpflichtungen auf.

29

Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie bestimmt sodann, dass die NRB, wenn eine Marktanalyse darauf hinweist, dass ein Betreiber aufgrund eines Mangels an wirksamem Wettbewerb seine Preise zum Nachteil der Endnutzer auf einem übermäßig hohen Niveau halten oder Preisdiskrepanzen praktizieren könnte, dem betreffenden Betreiber gemäß Art. 8 dieser Richtlinie hinsichtlich bestimmter Arten von Zusammenschaltung und/oder Zugang Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle einschließlich kostenorientierter Preise auferlegen und ihm bestimmte Auflagen in Bezug auf Kostenrechnungsmethoden erteilen kann.

30

Weder in Art. 13 Abs. 1 noch in irgendeiner anderen Bestimmung der Zugangsrichtlinie wird angegeben, was unter „Verpflichtungen betreffend … kostenorientiert[e] Preise“ zu verstehen ist.

31

Aus dem in Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie verwendeten Ausdruck „einschließlich“ ergibt sich jedoch, dass die „Verpflichtungen betreffend … kostenorientiert[e] Preise“ eine der Modalitäten sowohl der Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung als auch der Verpflichtungen betreffend die Preiskontrolle sein können. Zudem bezeichnet – worauf der Generalanwalt in den Nrn. 31 und 32 seiner Schlussanträge hingewiesen hat – eine Verpflichtung „betreffend kostenorientiert[e] Preise“ unter Zugrundelegung des gewöhnlichen Wortsinns eine Verpflichtung, die Preise an den Kosten zu orientieren, und keine Verpflichtung zur Deckung aller entstehenden Kosten. Daher ist die Auslegung dieser Vorschrift zu verwerfen, nach der es sich um eine Verpflichtung handelt, die Preise auf einem Niveau festzusetzen, das es dem betreffenden Betreiber ermöglicht, alle Kosten zu decken, die ihm für die Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistung entstehen.

32

Diese Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie wird durch den Kontext, in dem diese Bestimmung steht, gestützt. Zunächst bezieht sich nämlich die Überschrift von Art. 13 dieser Richtlinie ausdrücklich auf die „Preiskontrolle“, und zudem nimmt Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie nicht nur auf „Kostendeckungsmechanismen“ Bezug, sondern auch auf die von einer NRB „vorgeschriebenen … Tarifsysteme“. Im 20. Erwägungsgrund der Zugangsrichtlinie heißt es zudem: „Der rechtliche Eingriff [im Rahmen der Preiskontrolle] kann relativ zurückhaltend sein und beispielsweise der … Verpflichtung entsprechen, dass die Preise für die Betreiberauswahl angemessen sein müssen; er kann aber auch sehr viel weiter gehen und etwa die Auflage beinhalten, dass die Preise zur umfassenden Rechtfertigung ihrer Höhe kostenorientiert sein müssen …“ Daraus lässt sich ableiten, dass der Unionsgesetzgeber den NRB bei der Wahl der im jeweiligen Fall aufzuerlegenden Preiskontrollmaßnahmen einen weiten Ermessensspielraum eingeräumt hat. Im gleichen Sinne verweist auch Art. 16 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Abs. 2 dieses Artikels auf „geeignete spezifische Verpflichtungen“, von denen u. a. in Art. 8 der Zugangsrichtlinie die Rede ist.

33

In Bezug auf den Begriff der „Kosten“ ist festzustellen, dass Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie die Kosten, an denen sich die Preise orientieren müssen, nicht definiert. Aus Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie geht allerdings hervor, dass die NRB, wenn ein Betreiber dazu verpflichtet wurde, seine Preise an den Kosten zu orientieren, die Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung ermitteln und zu diesem Zweck eine von der Kostenberechnung des Betreibers unabhängige Kostenrechnung anstellen können. Aus Art. 13 Abs. 1 und 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit ihrem 20. Erwägungsgrund geht außerdem hervor, dass die NRB bei der Auferlegung von Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung gehalten sind, eine angemessene Rendite für das entsprechend eingesetzte Kapital zu berücksichtigen, und dabei den eingegangenen Risiken Rechnung zu tragen haben.

34

Insoweit wird im 20. Erwägungsgrund der Zugangsrichtlinie auch klargestellt, dass die Methode der Kostendeckung auf die Umstände abgestimmt sein und das Erfordernis berücksichtigen sollte, die wirtschaftliche Effizienz und einen nachhaltigen Wettbewerb zu fördern und für die Verbraucher möglichst vorteilhaft zu sein.

35

Art. 13 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie verpflichtet die NRB deshalb, sicherzustellen, dass alle vorgeschriebenen Kostendeckungsmechanismen und Tarifsysteme die wirtschaftliche Effizienz und einen nachhaltigen Wettbewerb fördern und für die Verbraucher möglichst vorteilhaft sind. Art. 8 Abs. 4 dieser Richtlinie sieht zudem vor, dass die nach diesem Artikel auferlegten Verpflichtungen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie angemessen und gerechtfertigt sein müssen. Der letztgenannte Artikel sieht in seinem Abs. 2 Buchst. a und b vor, dass die NRB den Wettbewerb fördern, indem sie sicherstellen, dass die Nutzer größtmögliche Vorteile u. a. in Bezug auf Auswahl und Preise genießen, und gewährleisten, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder ‑beschränkungen im Bereich der elektronischen Kommunikation gibt.

36

Im Übrigen sieht die Empfehlung 2009/396, die zur Umsetzung von Art. 13 der Zugangsrichtlinie erlassen wurde, in ihrer Ziff. 1 vor, dass NRB, die Betreiber aufgrund einer gemäß Art. 16 der Rahmenrichtlinie durchgeführten Marktanalyse als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf den Vorleistungsmärkten für die Anrufzustellung in Fest- und Mobilfunknetzen einstufen und diesen Preiskontroll- und Kostenrechnungsverpflichtungen im Sinne von Art. 13 der Zugangsrichtlinie auferlegen, Zustellungsentgelte festlegen sollten, die sich auf die einem effizienten Betreiber entstehenden Kosten stützen.

37

Art. 19 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie verlangt, dass die NRB bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben den Empfehlungen der Kommission „weitestgehend Rechnung tragen“ und eine NRB, wenn sie beschließt, sich nicht an eine Empfehlung zu halten, dies der Kommission unter Angabe von Gründen mitteilt. Erlegt die NRB Preiskontroll- und Kostenrechnungsverpflichtungen im Sinne von Art. 13 der Zugangsrichtlinie auf, hat sie daher grundsätzlich den in der Empfehlung 2009/396 gegebenen Hinweisen zu folgen. Nur wenn sie im Rahmen ihrer Beurteilung einer konkreten Situation den Eindruck hat, dass das in dieser Empfehlung empfohlene Modell den Umständen nicht angemessen ist, kann sie unter Angabe ihrer Gründe davon abweichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Koninklijke KPN u. a., C‑28/15, EU:C:2016:692, Rn. 37 und 38).

38

Somit ergibt sich aus einer Zusammenschau von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a und b und Art. 16 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie mit Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 Abs. 1 und 2 der Zugangsrichtlinie, dass die NRB, wenn sie gemäß Art. 13 der Zugangsrichtlinie eine Verpflichtung auferlegt, die Preise an den Kosten zu orientieren, im Prinzip verlangen muss, dass die Gebührensätze für Anrufzustellungen anhand der einem effizienten Betreiber entstehenden Kosten einschließlich einer angemessenen Rendite für das von diesem entsprechend eingesetzte Kapital, auf die in Art. 13 Abs. 1 und 3 der Zugangsrichtlinie Bezug genommen wird, festgelegt werden.

39

Folglich können die NRB, nachdem sie überprüft haben, ob der betreffende Betreiber die Verpflichtung, seine Preise an den Kosten zu orientieren, einhält, und beschlossen haben, dass es erforderlich ist, eine Anpassung dieser Preise zu verlangen, diesem Betreiber vorschreiben, die Gebühren auf einem Niveau festzulegen, das unter den ihm entstehenden Kosten liegt, falls diese Kosten höher sind als die Kosten eines effizienten Betreibers, wobei die letztgenannten Kosten eine angemessene Rendite für das von dem effizienten Betreiber entsprechend eingesetzte Kapital einschließen müssen.

40

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 der Zugangsrichtlinie dahin auszulegen sind, dass eine NRB, wenn sie einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften Unternehmen die Verpflichtung zur kostenorientierten Preisgestaltung auferlegt, die Preise für die von dieser Verpflichtung erfassten Dienstleistungen zu Zwecken der Förderung der wirtschaftlichen Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs auf einem Niveau festsetzen darf, das unter den Kosten liegt, die diesem Unternehmen durch die Leistungserbringung entstehen, falls diese Kosten höher sind als die eines effizienten Betreibers, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

Zur zweiten Frage

41

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 16 der Charta dahin auszulegen sind, dass eine NRB einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften und zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichteten Unternehmen vorschreiben darf, seine Preise jährlich anhand der aktuellsten Daten festzulegen und ihr diese Preise sowie ihre Rechtfertigung vor ihrer Anwendung zum Zweck der Verifizierung vorzulegen.

42

Insoweit ist festzustellen, dass in Art. 8 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie, die die NRB ermächtigen, einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften Unternehmen eine Verpflichtung betreffend kostenorientierte Preise aufzuerlegen, nicht angegeben wird, ob die NRB bei der Auferlegung dieser Verpflichtung die Modalitäten ihrer Umsetzung festlegen und insbesondere von diesem Unternehmen verlangen kann, dass es seine Preise mit einer bestimmten Häufigkeit aktualisiert und ihr zum Zweck der regelmäßigen Kontrolle eine Rechtfertigung für die angewandten Gebühren vorlegt.

43

Sodann sieht Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Satz 3 vor, dass die NRB von einem Betreiber die umfassende Rechtfertigung seiner Preise und gegebenenfalls deren Anpassung verlangen können. Aus dem ersten Satz dieser Vorschrift geht zwar hervor, dass eine solche Aufforderung an einen Betreiber ergehen kann, der bereits einer Verpflichtung zur Orientierung seiner Preise an den Kosten unterworfen ist; dort wird aber nicht angegeben, mit welcher Häufigkeit die NRB diese Rechtfertigung und gegebenenfalls die Anpassung der Preise verlangen kann.

44

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber die Modalitäten der Umsetzung der nach Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie auferlegten Verpflichtung zur kostenorientierten Preisgestaltung nicht festlegen wollte – insbesondere nicht, mit welcher Häufigkeit ein dieser Verpflichtung unterliegender Betreiber die Preise für die von dieser Verpflichtung erfassten Dienstleistungen zu aktualisieren hat – und auch keine Regeln darüber aufstellen wollte, mit welcher Häufigkeit die NRB die Einhaltung dieser Verpflichtung zu kontrollieren hat.

45

Im Übrigen sieht Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie vor, dass die von der NRB auferlegten Verpflichtungen, einschließlich der in Art. 13 der Zugangsrichtlinie vorgesehenen, der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie angemessen und gerechtfertigt sein müssen und nur nach der Anhörung gemäß den Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie auferlegt werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2016, Polkomtel, C‑397/14, EU:C:2016:256, Rn. 56).

46

Demzufolge muss die Häufigkeit, mit der die NRB von dem betreffenden Betreiber die Rechtfertigung und die Anpassung der zuvor anhand der Kosten festgelegten Preise verlangen können, nach der Art des aufgetretenen Problems bestimmt werden, angemessen sein und die Ziele sowohl der Rahmenrichtlinie als auch der Zugangsrichtlinie berücksichtigen. Wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist insoweit eine Besonderheit der Märkte für elektronische Kommunikationsdienste ihre schnelle Entwicklung aufgrund des technologischen Fortschritts, so dass eine Verpflichtung zur jährlichen Anpassung der zuvor festgelegten Preise diesen Vorgaben entsprechen kann. Wie auch das vorlegende Gericht bemerkt hat, kann diese Verpflichtung dem betreffenden Betreiber, dem sie auferlegt worden ist, ein Mindestmaß an Rechtssicherheit hinsichtlich der Häufigkeit der eventuellen Änderungen der angewandten Gebühren gewährleisten, und ihre Auferlegung kann, da sie gleichzeitig dazu beiträgt, die Transparenz der Maßnahmen der NRB sicherzustellen, angemessen sein.

47

Folglich ist davon auszugehen, dass die NRB einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften und zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichteten Unternehmen vorschreiben können, seine Preise jährlich anhand der aktuellsten Daten festzulegen und ihnen eine Rechtfertigung dieser Preise vorzulegen, wenn derartige Verpflichtungen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen, angemessen sind und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie, insbesondere im Hinblick auf die in dessen Abs. 2 Buchst. a und b genannten, gerechtfertigt sind.

48

Was die Frage betrifft, ob neue Verpflichtungen erst nach Durchführung einer neuen Marktanalyse auferlegt werden dürfen, sieht Art. 16 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie vor, dass eine NRB, wenn sie u. a. gemäß Art. 8 der Zugangsrichtlinie feststellen muss, ob Verpflichtungen für Unternehmen aufzuerlegen, beizubehalten, zu ändern oder aufzuheben sind, anhand der Marktanalyse gemäß Art. 16 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie ermittelt, ob auf einem relevanten Markt wirksamer Wettbewerb herrscht. Im Übrigen geht aus dem 15. Erwägungsgrund der Zugangsrichtlinie hervor, dass die Auferlegung einer spezifischen Verpflichtung gegenüber einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften Unternehmen keine zusätzliche Marktanalyse erfordert, sondern lediglich eine Begründung dafür, dass die betreffende Verpflichtung im Verhältnis zum festgestellten Problem sinnvoll und angemessen ist.

49

Daraus folgt, wie der Generalanwalt in den Nrn. 68 und 69 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, dass die Durchführung einer neuen Marktanalyse nicht erforderlich ist, wenn die NRB, wie im Ausgangsverfahren, die Auferlegung einer spezifischen Verpflichtung beabsichtigt, mit der eine zuvor auferlegte allgemeine Verpflichtung zur kostenorientierten Preisgestaltung durchgesetzt werden soll.

50

Was die Frage betrifft, ob Art. 16 der Charta der Möglichkeit für eine NRB entgegensteht, einem Betreiber vorzuschreiben, seine Preise jährlich zu aktualisieren, und sie einer regelmäßigen Kontrolle zu unterwerfen, ist darauf hinzuweisen, dass der durch Art. 16 der Charta gewährte Schutz nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb umfasst. Ferner umfasst die Vertragsfreiheit u. a. die freie Wahl des Geschäftspartners sowie die Freiheit, den Preis für eine Leistung festzulegen. Die unternehmerische Freiheit gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern ist im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 42, 43 und 45 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 17. Oktober 2013, Schaible, C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 25 und 28).

51

Die Möglichkeit für die NRB, von einem Betreiber zu verlangen, dass dieser seine Preise jährlich aktualisiert, und sie einer regelmäßigen Kontrolle zu unterwerfen, stellt einen Eingriff in die Ausübung des mit Art. 16 der Charta gewährleisteten Rechts dar. Sie muss daher nach Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt des mit Art. 16 der Charta gewährleisteten Rechts achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 46 bis 48, und vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis, C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52

Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass der Bescheid des Präsidenten des UKE vom 9. Dezember 2009 gemäß der nationalen Regelung erlassen worden ist, die u. a. der Umsetzung der Zugangsrichtlinie dienen soll, und ihm diese Regelung die Befugnis verleiht, Verpflichtungen zur kostenorientierten Preisgestaltung und zur jährlichen Anpassung der Preise aufzuerlegen. Zweitens hat die Auferlegung dieser Verpflichtungen den Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit nicht beeinträchtigt, da der betreffende Betreiber die in Rede stehenden Dienstleistungen nach der Auferlegung dieser Verpflichtungen weiter erbringen konnte. Drittens entsprechen die mit dieser nationalen Regelung verfolgten Ziele des Allgemeininteresses denen der Union, zu denen etwa die Förderung des Wettbewerbs und der Interessen der Unionsbürger im Sinne von Art. 8 Abs. 2 und 4 der Rahmenrichtlinie und Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie gehören. Insbesondere sollte die Verpflichtung zur kostenorientierten Preisgestaltung und zur jährlicher Anpassung der Preise im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie die betreffenden Betreiber daran hindern, die Preise zum Nachteil der Endnutzer auf einem übermäßig hohen Niveau zu halten oder Preisdiskrepanzen zu praktizieren. Was viertens die Prüfung der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme betrifft, die die Prüfung ihrer Angemessenheit einschließt und Sache des nationalen Gerichts ist, so entspricht diese Prüfung der Überprüfung der Einhaltung der in Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen.

53

Es obliegt somit dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob die Verpflichtung zur jährlichen Anpassung der Preise mit dem Angemessenheitserfordernis nach Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie insoweit im Einklang steht, als diese Verpflichtung zur Erreichung der in der vorstehenden Randnummer genannten Ziele des Allgemeininteresses erforderlich ist.

54

Demzufolge steht – vorbehaltlich dieser Überprüfung – Art. 16 der Charta der Möglichkeit für die NRB, von einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften Unternehmen zu verlangen, jährlich seine Gebührensätze zu aktualisieren, und sie einer regelmäßigen Kontrolle zu unterwerfen, nicht entgegen.

55

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 16 der Charta dahin auszulegen sind, dass eine NRB einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften und zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichteten Unternehmen vorschreiben darf, seine Preise jährlich anhand der aktuellsten Daten festzulegen und ihr diese Preise sowie ihre Rechtfertigung vor ihrer Anwendung zum Zweck der Verifizierung vorzulegen, vorausgesetzt, dass derartige Verpflichtungen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die in Art. 8 der Rahmenrichtlinie genannten Ziele angemessen und gerechtfertigt sind, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

Zur dritten Frage

56

Vorab ist festzustellen, dass die dritte Frage ausweislich des Vorabentscheidungsersuchens auf der Prämisse beruht, dass sich der Wortlaut von Art. 13 Abs. 3 Satz 3 der Zugangsrichtlinie in der polnischen Sprachfassung („Krajowe organy regulacyjne mogą zażądać od danego operatora całościowego uzasadnienia stosowanych cen, a w razie potrzeby – odpowiedniego dostosowania tych cen“) von dem der anderen Sprachfassungen unterscheidet. Im Polnischen lege dieser Satz nämlich die Annahme nahe, dass die NRB von einem Betreiber nur dann verlangen könnten, dass dieser seine anhand der Kosten berechneten Preise anpasse, wenn er bereits begonnen habe, diese anzuwenden.

57

Unter diesen Umständen ist die dritte Frage so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass einem Betreiber, der nach Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichtet worden ist, eine Verpflichtung zur Anpassung seiner Preise nur auferlegt werden kann, nachdem er begonnen hat, die kostenorientierten Preise anzuwenden, oder auch, bevor er mit ihrer Anwendung begonnen hat.

58

Festzustellen ist, dass u. a. die deutsche („Die [NRB] können von einem Betreiber die umfassende Rechtfertigung seiner Preise und gegebenenfalls deren Anpassung verlangen“), die englische („National regulatory authorities may require an operator to provide full justification for its prices, and may, where appropriate, require prices to be adjusted“), die französische („Les autorités réglementaires nationales peuvent demander à une entreprise de justifier intégralement ses prix et, si nécessaire, en exiger l’adaptation“) und die italienische („Le autorità nazionali di regolamentazione possono esigere che un operatore giustifichi pienamente i propri prezzi e, ove necessario, li adegui“) Sprachfassung zu einer Auslegung dieser Vorschrift in dem Sinne führen, dass der betreffende Betreiber die Preise nicht notwendigerweise bereits angewandt haben muss, bevor ihn die NRB gegebenenfalls zur Anpassung seiner Preise verpflichtet.

59

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann aber die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen. Die Bestimmungen des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstexts der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteil vom 1. März 2016, Alo und Osso, C‑443/14 und C‑444/14, EU:C:2016:127, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60

Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie es den NRB ermöglicht, die Betreiber zu verpflichten, ihre Preise an den Kosten zu orientieren, während Art. 13 Abs. 3 dieser Richtlinie den NRB, indem er sie ermächtigt, von dem betreffenden Betreiber die umfassende Rechtfertigung seiner Preise und gegebenenfalls deren Anpassung zu verlangen, die Mittel an die Hand gibt, die es ermöglichen, die Durchsetzung dieser Befugnis sicherzustellen und sich zu vergewissern, dass dieser Betreiber tatsächlich kostenorientierte Preise anwendet.

61

Zum anderen sind die NRB nach Art. 8 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie bei der Wahrnehmung der in der Rahmenrichtlinie und u. a. der Zugangsrichtlinie festgelegten regulatorischen Aufgaben befugt, alle angezeigten Maßnahmen zu treffen, die den in Art. 8 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie vorgegebenen Zielen dienen, zu denen insbesondere die Förderung der wirtschaftlichen Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs und die Optimierung der Vorteile für den Endnutzer gehören. Die Anwendung der in Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie vorgesehenen Maßnahmen ermöglicht es den NRB somit, indem sie von dem betreffenden Betreiber die umfassende Rechtfertigung seiner Preise und gegebenenfalls deren Anpassung verlangen, die Verfolgung der sowohl in Art. 8 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie als auch in Art. 13 Abs. 1 und 2 der Zugangsrichtlinie angeführten Ziele sicherzustellen.

62

Diese Ziele würden aber nicht immer erreicht, wenn die NRB von dem betroffenen Betreiber die umfassende Rechtfertigung seiner Preise und gegebenenfalls deren Anpassung nur in dem Fall verlangen könnten, dass diese Preise bereits angewandt werden.

63

Folglich ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass einem Betreiber, der nach Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichtet worden ist, eine Verpflichtung zur Anpassung der Preise auferlegt werden kann, bevor oder nachdem er mit ihrer Anwendung begonnen hat.

Kosten

64

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) sind dahin auszulegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde, wenn sie einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften Unternehmen die Verpflichtung zur kostenorientierten Preisgestaltung auferlegt, die Preise für die von dieser Verpflichtung erfassten Dienstleistungen zu Zwecken der Förderung der wirtschaftlichen Effizienz und eines nachhaltigen Wettbewerbs auf einem Niveau festsetzen darf, das unter den Kosten liegt, die diesem Unternehmen durch die Leistungserbringung entstehen, falls diese Kosten höher sind als die eines effizienten Betreibers, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

 

2.

Art. 8 Abs. 4 und Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/19 sind in Verbindung mit Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde einem als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuften und zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichteten Unternehmen vorschreiben darf, seine Preise jährlich anhand der aktuellsten Daten festzulegen und ihr diese Preise sowie ihre Rechtfertigung vor ihrer Anwendung zum Zweck der Verifizierung vorzulegen, vorausgesetzt, dass derartige Verpflichtungen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die in Art. 8 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) genannten Ziele angemessen und gerechtfertigt sind, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

 

3.

Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/19 ist dahin auszulegen, dass einem Betreiber, der nach Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie zur kostenorientierten Preisgestaltung verpflichtet worden ist, eine Verpflichtung zur Anpassung der Preise auferlegt werden kann, bevor oder nachdem er mit ihrer Anwendung begonnen hat.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.

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Referenzen

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