Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-185/17
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)
22. Februar 2018 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsamer Zolltarif – Tarifierung der Waren – Harmonisierte europäische Norm EN 590:2013 – Unterposition 2710 19 43 der Kombinierten Nomenklatur – Relevante Kriterien für die Einreihung einer Ware als Gasöl“
In der Rechtssache C‑185/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) mit Entscheidung vom 30. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 10. April 2017, in dem Verfahren
Mitnitsa Varna
gegen
„SAKSA“ OOD,
Beteiligte:
Okrazhna prokuratura – Varna,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Levits, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) und des Richters F. Biltgen,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
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der Mitnitsa Varna, vertreten durch G. Kostov als Bevollmächtigten, |
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der „SAKSA“ ООD, vertreten durch S. Zhelyazkova, адвокат, |
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der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und L. Zaharieva als Bevollmächtigte, |
– |
der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Caeiros, Y. Marinova und P. Mihaylova als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Fn. g der Tabelle 3 der harmonisierten Norm EN 590 in ihrer Fassung von September 2013 („Kraftstoffe für Kraftfahrzeuge – Dieselkraftstoff – Anforderungen und Prüfverfahren“) (im Folgenden: Norm EN 590:2013) sowie der Zusätzlichen Anmerkung 2 Buchst. d und e zu Kapitel 27 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der sich aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 (ABl. 2014, L 312, S. 1) ergebenden Fassung (im Folgenden: KN). |
2 |
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mitnitsa Varna (Zollstelle Varna, Bulgarien) und der „SAKSA“ OOD darüber, wie ein von dieser Gesellschaft beim Zoll angemeldetes Mineralöl innerhalb der KN zolltariflich einzureihen ist. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die KN
3 |
Die mit der Verordnung Nr. 2658/87 eingeführte KN beruht auf dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren, das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), ausgearbeitet und mit dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt wurde. Dieses Übereinkommen wurde mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) genehmigt. |
4 |
In den in Teil I Titel I Abschnitt A der KN enthaltenen Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN heißt es u. a.: „Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten folgende Grundsätze:
…“ |
5 |
Teil II („Zolltarif“) der KN enthält einen Abschnitt V, der u. a. das Kapitel 27 („Mineralische Brennstoffe, Mineralöle und Erzeugnisse ihrer Destillation; bituminöse Stoffe; Mineralwachse“) umfasst. |
6 |
Kapitel 27 der KN enthält die Position 2710, die folgendermaßen lautet:
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7 |
Dieses Kapitel 27 enthält auch folgende Unterpositionen:
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8 |
Die Zusätzliche Anmerkung 2 zu Kapitel 27 der KN lautet: „Im Sinne der Position 2710 gelten als: …
…“ |
Richtlinie 98/70
9 |
Die Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates (ABl. 1998, L 350, S. 58) in der durch die Richtlinie 2014/77/EU der Kommission vom 10. Juni 2014 (ABl. 2014, L 170, S. 62) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/70) bestimmt in ihrem Art. 1 („Geltungsbereich“): „In dieser Richtlinie werden für Straßenkraftfahrzeuge …:
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10 |
Art. 4 („Dieselkraftstoff“) dieser Richtlinie lautet: „(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Dieselkraftstoff in ihrem Hoheitsgebiet nur in Verkehr gebracht werden darf, wenn er den Spezifikationen des Anhangs II entspricht. …“ |
11 |
In Anhang II dieser Richtlinie sind die umweltbezogenen Spezifikationen für handelsübliche Dieselkraftstoffe zur Verwendung in Fahrzeugen mit Kompressionszündungsmotor festgelegt. Fn. 1 zu diesem Anhang lautet: „Die Prüfverfahren sind die in EN 590:2013 genannten Verfahren. Die Mitgliedstaaten können gegebenenfalls die Analysemethoden verwenden, die in EN 590:2013 ersetzenden Normen genannt sind, wenn diese nachweislich mindestens den gleichen Genauigkeitsgrad wie die ersetzten Analysemethoden aufweisen.“ |
Norm EN 590:2013
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Die Norm EN 590:2013 wurde vom Technischen Komitee CEN/TC 19 „Gasförmige und flüssige Kraft- und Brennstoffe, Schmierstoffe und verwandte Produkte mit mineralölstämmiger, synthetischer oder biologischer Herkunft“ erarbeitet und vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) gemäß einem von der Europäischen Kommission am 13. November 2006 erteilten Mandat (M/394, Mandate to CEN on the revision of EN 590 to increase the concentration of FAME and FAEE to 10 % [V/V]) am 26. Juli 2013 angenommen. |
13 |
Im Vorwort zu dieser Norm heißt es: „Diese Europäische Norm muss den Status einer nationalen Norm erhalten …, und etwaige entgegenstehende nationale Normen müssen bis März 2014 zurückgezogen werden. … Dieses Dokument wurde als Teil eines Mandates erarbeitet, das die Europäische Kommission und die Europäische Freihandels[assoziation] dem CEN erteilt haben … Die in der [Richtlinie 98/70] … einschließlich der Änderungen … enthaltenen Anforderungen wurden aufgenommen. …“ |
14 |
Nr. 1 der genannten Norm lautet: „Diese Europäische Norm legt Anforderungen und Prüfverfahren für Dieselkraftstoff fest, wie er gehandelt und ausgeliefert wird. …“ |
15 |
Nr. 5.6.1 der Norm EN 590:2013 hat folgenden Wortlaut: „Für klimatisch abhängige Anforderungen werden Optionen für jahreszeitliche Klassen zur Festlegung durch nationale Gremien vorgegeben. Für gemäßigte Klimazonen stehen sechs CFPP-Klassen (en: cold filter plugging point, CFPP) und für arktische Klimazonen und strenges Winterklima fünf verschiedene Klassen zur Wahl. Klimatisch abhängige Anforderungen sind in Tabelle 2 (gemäßigtes Klima) und Tabelle 3 (arktisches oder strenges Winter-Klima) aufgeführt. Bei Prüfung in Übereinstimmung mit den Prüfverfahren aus Tabelle 2 und Tabelle 3 muss der geprüfte Dieselkraftstoff die Anforderungen in diesen Tabellen erfüllen.“ |
16 |
Die Tabelle 3 („Klimatisch abhängige Anforderungen und Prüfverfahren – Arktisches oder strenges Winter-Klima“) dieser Norm hat den folgenden Inhalt:
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Bulgarisches Recht
Zollgesetz
17 |
Nach Art. 234 Abs. 1 Nr. 1 des Zakon za mitnitsite (Zollgesetz) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung begeht einen Zollbetrug, wer die Zahlung von Zollabgaben ganz oder teilweise umgeht oder zu umgehen versucht. |
18 |
Aus Art. 234 Abs. 3 Nr. 1 dieses Gesetzes ergibt sich, dass ein Zollbetrug, der verbrauchsteuerpflichtige Waren zum Gegenstand hat, bei juristischen Personen mit einer finanziellen Sanktion in Höhe von 150 bis 250 % des Betrags der nicht entrichteten Abgaben geahndet wird. |
Norm BDS EN 590:2014
19 |
Die Norm EN 590:2013 wurde in Bulgarien durch das bulgarische Institut für Normung mittels der Norm BDS EN 590:2014 umgesetzt. |
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
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Am 10. August 2015 lief der mit Mineralöl mit einem Bruttovakuumgewicht von 4384630 kg beladene Tanker Cosmo im Hafen von Varna ein. SAKSA wies sich als Empfängerin der Ware aus und meldete sie, beschrieben als „mit Wasserstoff behandeltes Gasöl 10PPM mit einem Schwefelgehalt bis zu 0,001 %, für arktische Klimazonen, Klasse 4 der Norm EN 590, 1236742 kg Vakuumgewicht, 1235100 kg Luftgewicht, 1517660 Liter, Dichte bei 15 °C 816,1 kg/m3, in 24 Kesselwagen, entsprechend beigefügtem Verzeichnis“, bei der Zollstelle Hafen Varna in der zolltariflichen Unterposition 2710 19 43 der KN an, um die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zu erwirken. |
21 |
Mit Schreiben vom 11. August 2015 versandte die Zollbehörde Varna zwei Proben der angemeldeten Ware zur Analyse an das regionale Zolllabor Ruse (Bulgarien), um ihre Natur zu bestimmen und ihre zolltarifliche Einreihung festzulegen. Dieses Labor ging davon aus, dass die untersuchte Stichprobe aus Erdöl bestand, dem Paraffin und naphtenische Kohlenwasserstoffe hinzugefügt worden waren. Die Merkmale der Destillation und andere bestimmte Indikatoren zeigten, dass diese Probe die Merkmale von „mittelschweren Ölen“ aufweise, wie sie sich aus der Zusätzlichen Anmerkung 2 Buchst. c zu Kapitel 27 der KN ergäben. Auf der Grundlage der erlangten Ergebnisse wurde die Probe als Erzeugnis aus der Verarbeitung von Erdöl, genauer gesagt Kerosin, angesehen. |
22 |
Da die fragliche Ware nicht für Flugturbinen eingesetzt wurde, war die Zollbehörde der Ansicht, dass sie unter eine andere als die am 10. August 2015 bei der Anmeldung angegebene Zolltarifnummer hätte eingereiht werden müssen, nämlich unter die Unterposition 2710 19 25 der KN, für die im Verhältnis zu Drittstaaten ein Zollsatz von 4,7 % gelte. Folglich berichtigte der Leiter des Zollamts Varna mit Entscheidung vom 3. November 2015 den KN-Code und ordnete eine zusätzliche Zahlung von Zöllen in Höhe von 53864,18 bulgarischen Leva (BGN) (etwa 27560 Euro) und Mehrwertsteuer in Höhe von 10772,83 BGN (etwa 5500 Euro) an. |
23 |
Darüber hinaus vertrat die Zollbehörde die Auffassung, dass SAKSA im Sinne von Art. 234 Abs. 1 Nr. 1 des Zollgesetzes verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sei. Daher verhängte der Leiter des Zollamts Varna am 18. Februar 2016 auf der Grundlage von Art. 234 Abs. 3 Nr. 1 des Zollgesetzes in Verbindung mit dessen Art. 234 Abs. 1 Nr. 1 gegen sie eine finanzielle Sanktion in Höhe von 96955,52 BGN (etwa 49600 Euro). |
24 |
SAKSA erhob gegen diese Sanktion Klage vor dem Varnenski Rayonen sad (Kreisgericht Varna, Bulgarien). Mit Entscheidung vom 20. Oktober 2016 hob dieses Gericht die Sanktion auf, nachdem es auf der Grundlage eines auf Antrag von SAKSA gerichtlich angeordneten chemischen Gutachtens festgestellt hatte, dass das streitgegenständliche Mineralöl der Definition von Dieselkraftstoff zur Verwendung bei arktischem oder strengem Winter-Klima, Klasse 4, entspreche, dessen Eigenschaften in der Norm „EN 590:2014“ festgelegt seien. |
25 |
Die Zollbehörde focht dieses Urteil mit einer Kassationsbeschwerde vor dem Administrativen sad Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) an. Sie trägt vor, dass die von SAKSA geltend gemachte Norm EN 590, die Anforderungen und Prüfverfahren für gehandelten Dieselkraftstoff für Kraftfahrzeuge betreffe, für die Bestimmung der zolltariflichen Einreihung der Kraftstoffe nicht ausschlaggebend sei. |
26 |
Nach Ansicht des Administrativen sad Varna (Verwaltungsgericht Varna) ist es offensichtlich erforderlich, die Fußnote in der Norm EN 590 auszulegen, wo es heißt: „Die Definition nach gemeinsamem Zolltarif der [Europäischen Union] für Dieselkraftstoff gilt möglicherweise nicht für die definierten Klassen zur Verwendung unter arktischen oder strengen Winter-Klimabedingungen.“ Die Definition, auf die bei diesem Kraftstoff zurückgegriffen werden müsse, gehe nämlich nicht eindeutig aus dieser Fußnote hervor und ermögliche es nicht, das Ermessen der zuständigen Zollbehörde in Bezug darauf zu klären. Zudem werde der Zusammenhang zwischen den Anforderungen und Prüfverfahren der genannten Norm und der zolltariflichen Einreihung von Kraftstoffen nicht dargelegt. |
27 |
Vor diesem Hintergrund hat der Administrativen sad Varna (Verwaltungsgericht Varna) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Zu den Vorlagefragen
28 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 16. Februar 2017, Aramex Nederland, C‑145/16, EU:C:2017:130, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
29 |
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich das vorlegende Gericht zwar auf die Norm „EN 590:2014“ bezieht, dass es sich aber bei der auf den Zeitpunkt des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung der Norm EN 590 um die von September 2013 handelt, die vom CEN als Norm EN 590:2013 bezeichnet wurde und noch immer in Kraft ist. |
30 |
Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die KN dahin auszulegen ist, dass ein Mineralöl wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Gasöl in die Unterposition 2710 19 43 der KN eingereiht werden kann, wenn es den Anforderungen nach der Norm EN 590:2013 für Dieselkraftstoff zur Verwendung bei arktischem oder strengem Winter-Klima genügt. |
31 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (Urteil vom 19. Oktober 2017, Lutz, C‑556/16, EU:C:2017:777, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese objektiven Merkmale und Eigenschaften der Waren müssen zum Zeitpunkt der Zollabfertigung nachprüfbar sein (Urteil vom 26. Mai 2016, Latvijas propāna gāze, C‑286/15, EU:C:2016:363, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
32 |
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Unterposition 2710 19 43 der KN, die nach ihrem Wortlaut Gasöl mit einem Schwefelgehalt von 0,001 GHT oder weniger erfasst, zu Position 2710 der KN gehört, die Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien, ausgenommen rohe Öle, betrifft. Für die Anwendung dieser Position wird in der Zusätzlichen Anmerkung 2 zu Kapitel 27 der KN in Buchst. e der Begriff „Gasöl“ definiert. |
33 |
Insoweit ergibt sich aus dem Wortlaut dieses Buchst. e in Verbindung mit Buchst. d dieser Zusätzlichen Anmerkung, dass als „Gasöl“ insbesondere die Öle und Zubereitungen angesehen werden, bei deren Destillation nach ISO 3405 bis 250 °C einschließlich der Destillationsverluste weniger als 65 RHT übergehen und bei deren Destillation nach ISO 3405 bis 350 °C einschließlich der Destillationsverluste mindestens 85 RHT übergehen. |
34 |
Daher ist bereits dem Wortlaut dieser Buchstaben zu entnehmen, dass für die zolltarifliche Einreihung einer Ware als Gasöl im Rahmen der Position 2710 der KN ausschließlich der Grad der Destillation nach ISO 3405 zu den angegebenen Temperaturen ausschlaggebend ist. |
35 |
Da im vorliegenden Fall zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens unstreitig ist, dass bei Destillation des fraglichen Mineralöls nach ISO 3405 bis 250 °C mehr als 65 % übergehen, fällt es somit gemäß der Zusätzlichen Anmerkung 2 Buchst. e zu Kapitel 27 der KN nicht unter die Definition von „Gasöl“ und kann nicht in die Unterpositionen eingereiht werden, die sich auf Waren beziehen, die unter diese Definition fallen. |
36 |
Außerdem ist in Bezug auf das Vorbringen von SAKSA, dass die fragliche Ware nach ihrer Einfuhr als Gasöl (Dieselkraftstoff) verkauft worden sei, darauf hinzuweisen, dass der Verwendungszweck einer Ware nur dann ein erhebliches Kriterium ist, wenn die Einreihung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware erfolgen kann (Urteil vom 16. Februar 2017, Aramex Nederland, C‑145/16, EU:C:2017:130, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da sich aus den Destillationsmerkmalen dieser Ware gerade ergibt, dass sie für die Zwecke der Anwendung der Position 2710 der KN nicht unter die Definition von „Gasöl“ im Sinne dieser Zusätzlichen Anmerkung 2 Buchst. e fällt. |
37 |
Der Umstand, dass SAKSA auf die Fn. g der Tabelle 3 der Norm EN 590:2013 verwiesen hat, wonach die in der KN enthaltene Definition für „Dieselkraftstoff [Gasöl]“„möglicherweise nicht für die definierten Klassen zur Verwendung unter arktischen oder strengen Winter-Klimabedingungen [gilt]“, ist insoweit ohne Belang. |
38 |
Die Norm EN 590:2013 wurde nämlich nicht von einer Einrichtung der Union, sondern vom CEN, einer privatrechtlichen Einrichtung, erlassen. |
39 |
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann zwar abgeleitet werden, dass eine von einer privatrechtlichen Einrichtung ausgearbeitete harmonisierte Norm als Teil der Unionsrechtsordnung angesehen werden kann, wenn diese Norm auf Initiative und unter der Leitung und Aufsicht der Kommission erstellt wurde und nach Veröffentlichung ihrer Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union zwingende Rechtswirkungen entfaltet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction, C‑613/14, EU:C:2016:821, Rn. 40, 43 und 44). |
40 |
Im Übrigen trifft es zu, dass die Norm EN 590:2013 vom CEN auf der Grundlage des von der Kommission am 13. November 2006 erteilten Mandats M 394 ausgearbeitet wurde. Außerdem hat die Kommission, nachdem das CEN diese Norm ausgearbeitet hatte, mit der Richtlinie 2014/77 den Verweis auf diese Norm in der Fn. 1 zu Anhang II der Richtlinie 98/70 aktualisiert. |
41 |
Allerdings genügt die Feststellung, dass der Verweis auf die Norm EN 590:2013 nach der Fn. 1 zu diesem Anhang II nur die in dieser Norm genannten Prüfverfahren betrifft. |
42 |
Da in der Fn. g der Tabelle 3 der Norm EN 590:2013 kein Prüfverfahren dargelegt wird, kann sie nicht als Teil des Unionsrechts angesehen werden und ist für die Bestimmung der zolltariflichen Einreihung der Waren irrelevant. |
43 |
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass ein Mineralöl wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende aufgrund seiner Destillationsmerkmale nicht als Gasöl in die Unterposition 2710 19 43 der KN eingereiht werden kann, auch wenn dieses Öl den Anforderungen nach der Norm EN 590:2013 für Dieselkraftstoff zur Verwendung bei arktischem oder strengem Winter‑Klima genügt. |
Kosten
44 |
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt: |
Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der sich aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 ergebenden Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Mineralöl wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende aufgrund seiner Destillationsmerkmale nicht als Gasöl in die Unterposition 2710 19 43 dieser Nomenklatur eingereiht werden kann, auch wenn dieses Öl den Anforderungen nach der harmonisierten Norm EN 590 in ihrer Fassung von September 2013 für Dieselkraftstoff zur Verwendung bei arktischem oder strengem Winter-Klima genügt. |
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Bulgarisch.
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Referenzen
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