Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-336/16
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
22. Februar 2018 ( *1 )
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2008/50/EG – Luftqualität – Art. 13 Abs. 1 – Art. 22 Abs. 3 – Anhang XI – PM10-Konzentrationen in der Luft – Überschreitung der Grenzwerte in bestimmten Gebieten und Ballungsräumen – Art. 23 Abs. 1 – Luftqualitätspläne – ‚So kurz wie möglich‘ gehaltener Zeitraum der Nichteinhaltung – Keine geeigneten Maßnahmen in den Programmen zum Schutz der Luftqualität – Nicht ordnungsgemäße Umsetzung“
In der Rechtssache C‑336/16
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 15. Juni 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch K. Herrmann, K. Petersen und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna, D. Krawczyk und K. Majcher als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan, D. Šváby und M. Vilaras,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2017,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang XI, Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 22 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang XI der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1) verstoßen hat, dass
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Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 96/62/EG
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Die Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl. 1996, L 296, S. 55) bestimmte in ihrem Art. 7 („Verbesserung der Luftqualität – Allgemeine Anforderungen“): „(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen. … (3) Die Mitgliedstaaten erstellen Aktionspläne, in denen die Maßnahmen angegeben werden, die im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte und/oder der Alarmschwellen kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern und deren Dauer zu beschränken. Diese Pläne können, je nach Fall, Maßnahmen zur Kontrolle und, soweit erforderlich, zur Aussetzung der Tätigkeiten vorsehen, die zu einer Überschreitung der Grenzwerte beitragen, einschließlich des Kraftfahrzeugverkehrs.“ |
3 |
Art. 11 der Richtlinie 96/62 sah vor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission jährlich Berichte über die Einhaltung der Tages- und Jahresgrenzwerte für Luftschadstoffe, u. a. für PM10, übermitteln. |
Richtlinie 1999/30/EG
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In Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (ABl. 1999, L 163, S. 41) hieß es: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die gemäß Artikel 7 beurteilten PM10-Konzentrationen in der Luft die Grenzwerte des Anhangs III Abschnitt I ab den dort genannten Zeitpunkten nicht überschreiten. …“ |
5 |
Für PM10 waren die Grenzwerte ab dem 1. Januar 2005 einzuhalten. |
6 |
Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 1999/30 lautete: „Wenn die in Anhang III Abschnitt I genannten PM10-Grenzwerte durch PM10-Konzentrationen in der Luft infolge von Naturereignissen überschritten werden, die gegenüber dem normalen, durch natürliche Quellen bedingten Hintergrundwert zu signifikant höheren Konzentrationen führen, unterrichten die Mitgliedstaaten die Kommission gemäß Artikel 11 Nummer 1 der Richtlinie [96/62] unter Beibringung des erforderlichen Nachweises, dass diese Überschreitungen auf Naturereignisse zurückgehen. In diesen Fällen sind die Mitgliedstaaten zur Durchführung von Maßnahmeplänen gemäß Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie [96/62] nur dann verpflichtet, wenn die Überschreitung der in Anhang III Abschnitt I genannten Grenzwerte auf andere Ursachen als Naturereignisse zurückzuführen ist.“ |
7 |
Nach Art. 12 der Richtlinie 1999/30 mussten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, die erforderlich waren, um dieser Richtlinie bis zum 19. Juli 2001 nachzukommen. |
Richtlinie 2008/50
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Die am 11. Juni 2008 in Kraft getretene Richtlinie 2008/50 stellt eine Kodifikation von fünf früheren Rechtsakten im Bereich der Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität, u. a. der Richtlinien 96/62 und 1999/30, dar. |
9 |
Die genannten Richtlinien wurden durch Art. 31 der Richtlinie 2008/50 mit Wirkung vom 11. Juni 2010 aufgehoben; die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Fristen für die Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinien blieben davon unberührt. |
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In Art. 2 Nrn. 5, 8 und 16 bis 18 der Richtlinie 2008/50 heißt es: „Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen: …
…
…
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11 |
Art. 13 („Grenzwerte und Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen Gesundheit“) der Richtlinie 2008/50 sieht in seinem Abs. 1 vor: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten. … Die Einhaltung dieser Anforderungen wird nach Anhang III beurteilt. Die in Anhang XI festgelegten Toleranzmargen sind gemäß Artikel 22 Absatz 3 und Artikel 23 Absatz 1 anzuwenden.“ |
12 |
Art. 22 („Verlängerung der Fristen für die Erfüllung der Vorschriften und Ausnahmen von der vorgeschriebenen Anwendung bestimmter Grenzwerte“) der Richtlinie 2008/50 sieht vor: „(1) Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für Stickstoffdioxid oder Benzol nicht innerhalb der in Anhang XI festgelegten Fristen eingehalten werden, so kann ein Mitgliedstaat diese Fristen für dieses bestimmte Gebiet oder diesen bestimmten Ballungsraum um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: [F]ür das Gebiet oder den Ballungsraum, für das/den die Verlängerung gelten soll, wird ein Luftqualitätsplan gemäß Artikel 23 erstellt; dieser Luftqualitätsplan wird durch die in Anhang XV Abschnitt B aufgeführten Informationen in Bezug auf die betreffenden Schadstoffe ergänzt und zeigt auf, wie die Einhaltung der Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist erreicht werden soll. (2) Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für PM10 nach Maßgabe des Anhangs XI aufgrund standortspezifischer Ausbreitungsbedingungen, ungünstiger klimatischer Bedingungen oder grenzüberschreitender Einträge nicht eingehalten werden, so werden die Mitgliedstaaten bis zum 11. Juni 2011 von der Verpflichtung zur Einhaltung dieser Grenzwerte ausgenommen, sofern die in Absatz 1 festgelegten Bedingungen erfüllt sind und der Mitgliedstaat nachweist, dass alle geeigneten Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffen wurden, um die Fristen einzuhalten. (3) Bei der Anwendung des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Grenzwert für jeden Schadstoff nicht um mehr als die für jeden der betroffenen Schadstoffe in Anhang XI festgelegte maximale Toleranzmarge überschritten wird. …“ |
13 |
Art. 23 („Luftqualitätspläne“) der Richtlinie 2008/50 bestimmt in Abs. 1: „Überschreiten in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen die Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert oder Zielwert zuzüglich einer jeweils dafür geltenden Toleranzmarge, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass für diese Gebiete oder Ballungsräume Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden in den Anhängen XI und XIV festgelegten Grenzwerte oder Zielwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung dieser Grenzwerte, für die die Frist für die Erreichung bereits verstrichen ist, enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann. Die genannten Pläne können zusätzlich gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von Kindern, vorsehen. Diese Luftqualitätspläne müssen mindestens die in Anhang XV Abschnitt A aufgeführten Angaben umfassen und können Maßnahmen gemäß Artikel 24 umfassen. Diese Pläne sind der Kommission unverzüglich, spätestens jedoch zwei Jahre nach Ende des Jahres, in dem die erste Überschreitung festgestellt wurde, zu übermitteln. Müssen für mehrere Schadstoffe Luftqualitätspläne ausgearbeitet oder durchgeführt werden, so arbeiten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls für alle betreffenden Schadstoffe integrierte Luftqualitätspläne aus und führen sie durch.“ |
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Anhang XI („Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit“) der Richtlinie 2008/50 sieht in Bezug auf PM10 vor, dass der Tagesgrenzwert 50 μg/m3 beträgt und nicht öfter als 35-mal im Kalenderjahr überschritten werden darf und dass der Jahresgrenzwert von 40 μg/m3 nicht überschritten werden darf. |
Polnisches Recht
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In das polnische Recht wurde die Richtlinie 2008/50 durch die Ustawa Prawo Ochrony Środowiska (Gesetz über den Schutz der Umwelt) vom 27. April 2001 (Dz. U. 2001, Nr. 62, Position 627) in ihrer auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: POŚ-Gesetz) umgesetzt. Art. 91 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt: „Für die Gebiete im Sinne von Art. 89 Abs. 1 Nr. 1[, wo der Schadstoffwert in der Luft den Grenzwert überschreitet] erarbeitet die Woiwodschaftsverwaltung innerhalb einer Frist von 15 Monaten ab dem Tag des Erhalts der Ergebnisse der Beurteilung der Schadstoffwerte in der Luft und der Einstufung der Gebiete im Sinne von Art. 89 Abs. 1 einen Entwurf für einen Beschluss zur Erstellung eines Luftqualitätsplans mit dem Ziel, die Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft und die Verpflichtung in Bezug auf die Expositionskonzentration einzuhalten, und legt ihn den zuständigen Bürgermeistern von Land- oder Stadtgemeinden oder Oberbürgermeistern und Landräten zur Stellungnahme vor.“ |
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Art. 91 Abs. 3a des POŚ-Gesetzes sieht vor: „Für die Gebiete, in denen die Grenzwerte für Schadstoffe überschritten wurden, erarbeitet die Woiwodschaftsverwaltung einen Entwurf für einen Beschluss zur Erstellung oder Aktualisierung eines Luftqualitätsplans, der als festen Bestandteil einen Plan für kurzfristige Maßnahmen im Sinne von Art. 92 enthält.“ |
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Art. 92 Abs. 1 des POŚ-Gesetzes sieht vor: „Wenn in einem bestimmten Gebiet die Gefahr der Überschreitung einer Alarmschwelle, eines Grenzwerts oder eines Zielwerts für einen Schadstoff in der Luft besteht, erarbeitet die Woiwodschaftsverwaltung innerhalb von 15 Monaten ab dem Tag, an dem sie vom Umweltschutzinspektor der Woiwodschaft Informationen über diese Gefahr erhalten hat, einen Entwurf für einen Beschluss zur Erstellung eines Plans für kurzfristige Maßnahmen und legt ihn den zuständigen Bürgermeistern von Land- oder Stadtgemeinden oder Oberbürgermeistern und Landräten zur Stellungnahme vor; in diesem Plan werden Maßnahmen festgelegt, mit denen Folgendes bezweckt wird:
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Am 11. September 2012 erließ der polnische Umweltminister die Verordnung über Luftqualitätspläne und Pläne für kurzfristige Maßnahmen. Diese Verordnung legt detaillierte Anforderungen an Luftqualitätspläne und Pläne für kurzfristige Maßnahmen, die Form, in der sie zu erstellen sind, und ihre zwingenden Bestandteile fest. |
Vorverfahren
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Das Partikel PM10 setzt sich aus einem Gemisch in der Luft befindlicher organischer und anorganischer Stoffe zusammen. Es kann toxische Substanzen wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle, Dioxin und Furan enthalten. Es enthält Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometern, die in die oberen Atemwege und in die Lunge gelangen können. |
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Am 12. November 2008 übersandte die Republik Polen der Kommission gemäß Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50 eine Mitteilung, um eine Verlängerung der Frist für die Einhaltung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft zu erreichen. |
21 |
Am 2. Februar 2009 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an die Republik Polen und forderte sie auf, den Verstoß gegen die sich aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 1999/30 ergebende Verpflichtung, die Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft nicht zu überschreiten, abzustellen. Die Kommission nannte in diesem Schreiben zudem neun Gebiete, in denen in den Jahren 2006 und 2007 Überschreitungen der Grenzwerte für diese Partikel beobachtet worden waren und für die die Republik Polen keine Verlängerung der Frist für die Einhaltung dieser Werte beantragt hatte. |
22 |
Mit Schreiben vom 31. März 2009 teilten die polnischen Behörden der Kommission in Beantwortung des Mahnschreibens ihre Absicht mit, eine zusätzliche Mitteilung über die Anwendung der Verlängerung und die Durchführung einer Reihe von Maßnahmen, mit denen eine umfassende Lösung für das Problem der Luftqualität gefunden werden solle, zu senden. |
23 |
Dementsprechend versandte die Republik Polen später eine Mitteilung, in der sie die Ansicht vertrat, dass sie von der Verpflichtung zur Einhaltung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in 83 Gebieten ausgenommen werden könne. Am 11. Dezember 2009 beschloss die Kommission, keine Einwände gegen eine solche Ausnahme für drei Gebiete, nämlich die Gebiete Stadt Radom sowie Pruszków-Żyrardów und Ostrów-Kępno, zu erheben, und vertrat die Auffassung, dass die Ausnahme unter bestimmten Bedingungen auch für zwei weitere Gebiete, nämlich Oleski und Kędzierzyn-Koźle, gelten könne. |
24 |
Am 4. und am 12. Januar 2010 übersandte die Republik Polen der Kommission eine zweite Mitteilung, um eine Ausnahme gemäß Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50 zu erlangen. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2010 erhob die Kommission Einwände gegen diese Ausnahme. |
25 |
Am 15. Juni 2010 übersandte die Republik Polen der Kommission eine dritte Mitteilung im Hinblick auf die Erlangung einer Ausnahme nach dieser Vorschrift. Mit Beschluss vom 22. März 2011 erhob die Kommission auch gegen diese Ausnahme Einwände. |
26 |
Am 1. Oktober 2010 erließ die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die Republik Polen gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 verstoßen habe, weil sie die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in mehreren Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten habe. |
27 |
Am 30. November 2010 antworteten die polnischen Behörden auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme, dass es in Anbetracht der besonderen klimatischen Bedingungen, bedeutender Luftverschmutzungsquellen, der sozioökonomischen Lage des Landes sowie seines historischen und kulturellen Hintergrundes schwierig sei, diese Grenzwerte nicht zu überschreiten. |
28 |
Am 26. April 2013 richtete die Kommission ein ergänzendes Mahnschreiben an die Republik Polen, in der Annahme, dass dieser Mitgliedstaat gegen Art. 13 Abs. 1 und Anhang XI der Richtlinie 2008/50 sowie gegen Art. 22 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 dieser Richtlinie verstoßen habe. |
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Die Kommission beschloss außerdem, das Vertragsverletzungsverfahren noch einmal von vorne zu beginnen, da die Aufteilung des polnischen Hoheitsgebiets in Gebiete im Sinne von Art. 2 Nr. 16 der Richtlinie 2008/50 im Laufe des Jahres 2010 geändert worden war. |
30 |
Am 26. Juni 2013 antworteten die polnischen Behörden auf das ergänzende Mahnschreiben der Kommission. |
31 |
Am 31. März 2014 richtete die Kommission ein zweites ergänzendes Mahnschreiben an die Republik Polen, in der Annahme, dass dieser Mitgliedstaat gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 verstoßen habe. Insoweit erhob die Kommission eine neue Rüge, die auf eine nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Verpflichtungen aus dieser Bestimmung in das polnische Recht gestützt war. |
32 |
Am 5. Mai 2014 antworteten die polnischen Behörden auf dieses zweite ergänzende Mahnschreiben der Kommission. |
33 |
Am 27. Februar 2015 erließ die Kommission eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie zu dem Ergebnis kam, dass die Republik Polen gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1, Anhang XI und Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 2008/50 verstoßen habe, und zwar zum einen, weil sie in den Jahren 2007 bis 2013 und noch darüber hinaus in 35 Gebieten die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen und in neun Gebieten die Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen nicht eingehalten habe, und zum anderen, weil sie die erwähnten Tagesgrenzwerte zuzüglich der Toleranzmarge vom 1. Januar 2010 bis zum 10. Juni 2011 in drei Gebieten und vom 1. Januar 2011 bis zum 10. Juni 2011 in einem Gebiet nicht eingehalten habe. Zudem ging die Kommission davon aus, dass die Republik Polen gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 und Anhang XV Abschnitt A dieser Richtlinie verstoßen habe, da sie nicht die Maßnahmen dafür erlassen habe, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft so kurz wie möglich gehalten werde, und da sie die darin niedergelegten Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß in das polnische Recht umgesetzt habe. |
34 |
Am 27. April 2015 wies die Republik Polen als Antwort auf diese ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme auf die systematische Verbesserung der Luftqualität in Polen aufgrund eines Trends zur Verringerung der Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft hin. Die polnischen Behörden räumten zwar ein, dass die Kriterien für die Luftqualität noch nicht eingehalten würden, erklärten aber, dass sie versuchten, diese Situation zu verbessern, und dass an einer Reihe von Entwürfen für Gesetze gearbeitet werde, die zu diesem Zweck angenommen werden sollten. |
35 |
Unter diesen Umständen hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben. |
Zur Klage
Zur ersten Rüge: Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie
Zur Zulässigkeit
– Vorbringen der Parteien
36 |
Die Republik Polen trägt vor, die erste Rüge sei unzulässig, da sie nicht den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Erfordernissen der Klarheit und Genauigkeit genüge. |
37 |
Mit der ersten Rüge werde nämlich eine Überschreitung der Tages- und Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in den angeführten Gebieten nicht nur für die Jahre 2007 bis 2013 beanstandet, sondern auch für die Zeit nach dem Jahr 2013, wie die von der Kommission verwendete Formulierung „und bis mindestens 2013“ bestätige. Da in dem Vorbringen zur Stützung der ersten Rüge der Ausdruck „fortdauernde Überschreitung“ verwendet werde, sei im Übrigen nicht sicher, ob sich die mutmaßliche Vertragsverletzung auch auf mögliche Überschreitungen in den Jahren 2014, 2015 oder 2016 beziehe. |
38 |
Die Kommission ist ihrerseits der Auffassung, dass der in der Klageschrift abgesteckte zeitliche Rahmen hinreichend klar sei, umso mehr als dadurch auf einen generellen und systematischen Verstoß hingewiesen werden solle. Eine solche Art des Verstoßes gegen Verpflichtungen aus Richtlinien der Europäischen Union im Bereich des Umweltschutzes sei in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt worden. |
39 |
Sie betont zudem, dass der Ausdruck „und bis mindestens 2013“ so zu verstehen sei, dass er die generellen und fortdauernden Überschreitungen der Tages- und Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen erfasse, auf die auf der Grundlage von Daten sowohl des Jahres 2014, die in der Begründung der ersten Rüge in den Rn. 50 bis 53 der Klageschrift angeführt würden, als auch des gesamten Jahres 2015, die in der Erwiderung erwähnt würden, hingewiesen werde, was zeige, dass diese Überschreitungen nicht abgestellt worden seien und bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, also am 27. April 2015, noch fortgedauert hätten. |
40 |
Die Republik Polen macht im Übrigen geltend, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die polnischen Behörden keine Maßnahmen ergriffen hätten, um den Anforderungen der Richtlinie 2008/50 nachzukommen, was eine Voraussetzung für die etwaige Feststellung eines generellen und fortdauernden Verstoßes darstelle. |
– Würdigung durch den Gerichtshof
41 |
Nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass überall in den Gebieten und Ballungsräumen ihres Hoheitsgebiets die Werte u. a. für PM10 in der Luft die in Anhang XI dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten. |
42 |
Bevor auf die Argumente der Republik Polen eingegangen wird, ist zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die in Art. 258 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Zu prüfen ist demnach, ob die erste Rüge zulässig ist, soweit sie auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Republik Polen gegen ihre Verpflichtungen seit dem Jahr 2007 verstoßen hat. |
43 |
Gemäß ihrem Art. 34 ist die Richtlinie 2008/50, auf die sich die Kommission in ihrer Klage allein bezieht, am 11. Juni 2008 in Kraft getreten, und nach Art. 33 Abs. 1 dieser Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, die erforderlich waren, um dieser Richtlinie spätestens am 11. Juni 2010 nachzukommen. Allerdings ersetzte diese Richtlinie gemäß ihrem dritten Erwägungsgrund fünf Unionsrechtsakte, darunter auch die Richtlinie 1999/30, in der ab dem 1. Januar 2005 einzuhaltende Grenzwerte festgelegt waren. |
44 |
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Rüge zulässig, mit der die Feststellung eines Verstoßes gegen diejenigen Verpflichtungen beantragt wird, die sich aus der ursprünglichen Fassung eines später geänderten oder aufgehobenen Unionsrechtsakts ergeben und die durch die Bestimmungen eines neuen Unionsrechtsakts aufrechterhalten wurden. Dagegen kann der Streitgegenstand nicht auf Verpflichtungen erstreckt werden, die sich aus neuen Bestimmungen ergeben, die keine Entsprechung in der ursprünglichen Fassung des betreffenden Rechtsakts haben, da dies einen Verstoß gegen Formvorschriften darstellen würde, die für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zur Feststellung der Vertragsverletzung wesentlich sind (Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
45 |
Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 5 der Richtlinie 1999/30 in Verbindung mit Anhang III dieser Richtlinie, die den Zeitraum vor der Umsetzung der Richtlinie 2008/50 betraf, durch Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie aufrechterhalten wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 53 und 54). |
46 |
Im Licht dieser Rechtsprechung ist die erste Rüge als zulässig anzusehen, soweit sie auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Republik Polen gegen ihre Verpflichtungen seit dem Jahr 2007 verstoßen hat. |
47 |
Was das in Rn. 37 des vorliegenden Urteils näher ausgeführte Vorbringen der Republik Polen betrifft, ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und dass später eingetretene Änderungen nicht berücksichtigt werden können (vgl. u. a. Urteil vom 27. November 1990, Kommission/Griechenland, C‑200/88, EU:C:1990:422, Rn. 13). |
48 |
Wenn eine Klage nach Art. 258 AEUV auf Feststellung eines systematischen und andauernden Verstoßes gegen die genannten Bestimmungen gerichtet ist – wie es hier der Fall ist –, lässt es der Gerichtshof jedoch zu, dass die Kommission ergänzende Beweismittel vorlegt, die den Zweck haben, den generellen und fortdauernden Charakter des gerügten Verstoßes im Stadium des Verfahrens vor dem Gerichtshof zu untermauern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
49 |
Der Gerichtshof hat insbesondere bereits Gelegenheit gehabt, klarzustellen, dass in diesem Fall der Gegenstand einer Klage wegen einer mutmaßlich fortdauernden Vertragsverletzung auch Tatsachen erfassen kann, die nach Abgabe der mit Gründen versehenen Stellungnahme eingetreten sind, aber von derselben Art sind wie die, die in dieser Stellungnahme erwähnt waren, und ein und demselben Verhalten zuzurechnen sind (Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 43). |
50 |
In der vorliegenden Rechtssache lief die in der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist, die allein maßgeblich ist, am 27. April 2015 ab. |
51 |
Was das Jahr 2015 betrifft, stellen die von den polnischen Behörden im September 2016 übermittelten Daten zur Luftqualität zwar teilweise Tatsachen dar, die nach der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme eingetreten sind, von diesen Tatsachen ist aber anzunehmen, dass sie von derselben Art sind wie die, die in dieser Stellungnahme erwähnt waren, und somit ein und demselben Verhalten des betreffenden Mitgliedstaats zuzurechnen sind. |
52 |
Folglich durften diese Daten, von denen die Kommission erst nach Erlass der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme Kenntnis erlangt hat, von ihr zu Recht erwähnt werden, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Republik Polen systematisch und fortdauernd gegen Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie verstoßen habe. Unter diesen Umständen kann der bloße Umstand, dass die Kommission nicht angibt, bis zu welchem Zeitpunkt die Republik Polen gegen ihre Verpflichtungen aus diesen – zusammen betrachteten – Vorschriften verstoßen habe, nicht zur Unzulässigkeit der ersten Rüge führen. |
53 |
In Bezug auf das in Rn. 40 des vorliegenden Urteils näher ausgeführte Vorbringen der Republik Polen genügt der Hinweis, dass die mutmaßliche Vertragsverletzung, auf die sich die erste Rüge bezieht, die Überschreitung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 und Anhang XI der Richtlinie 2008/50 betrifft, ohne dass es um etwaige Maßnahmen geht, die ergriffen wurden, um diesen Vorschriften nachzukommen. |
54 |
Da die erste Rüge, die auf einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie gestützt ist, somit hinreichend klar und genau ist, ist sie für den Zeitraum von 2007 bis einschließlich 2015 für zulässig zu erklären. |
Zur Begründetheit
– Vorbringen der Parteien
55 |
Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, dass die Republik Polen gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie verstoßen habe, wobei klarzustellen ist, dass diese Verpflichtungen am 1. Januar 2005 gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 1999/30 in Verbindung mit Anhang III dieser Richtlinie in Kraft traten und durch Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 nicht verändert wurden. |
56 |
Die Kommission stützt sich auf eine Überschreitung zum einen der Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft und zum anderen der Jahresgrenzwerte für diese Konzentrationen. |
57 |
In Polen seien nämlich Ende 2014 nach wie vor in 42 Gebieten und Ballungsräumen die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen und in 16 Gebieten und Ballungsräumen die Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen überschritten worden. Die Republik Polen habe im Übrigen diese von der Kommission vorgelegten Daten in der Antwort auf die ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme nicht bestritten. |
58 |
Die Republik Polen macht geltend, dass die erste Rüge unbegründet sei. Sie trägt insoweit vor, dass im Rahmen der Gesetzesänderungen zur Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2008/50 in das polnische Recht Luftqualitätspläne erlassen worden seien; infolgedessen zeigten die Ergebnisse der jüngsten globalen Beurteilungen der Luftqualität durch die nationale Umweltaufsicht eine abnehmende Tendenz der Schadstoffwerte in den Jahren 2010 bis 2015, die insbesondere durch den Vergleich der für die Jahre 2014 und 2015 gesammelten Daten veranschaulicht werde. |
59 |
Die Kommission erkennt in ihrer Erwiderung diesen rückläufigen Trend in der Zeit von 2014 bis 2015 an. Sie merkt jedoch an, dass dieser Trend auf im Jahr 2014 verzeichnete besonders hohe Überschreitungsraten zurückzuführen sei. Überdies macht sie geltend, dass die Werte der PM10-Konzentration in der Luft, die die in Anhang XI der Richtlinie 2008/50 festgelegten Grenzwerte überschritten, nicht nur in denselben Gebieten weiterhin aufträten, sondern auch in einer Reihe von weiteren Gebieten, die zu denen hinzugetreten seien, die in der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme auf der Grundlage der Daten für das Jahr 2013 angeführt worden seien. |
60 |
In ihrer Gegenerwiderung entgegnet die Republik Polen, die Kommission habe keine Beweise vorgelegt, die das Fortdauern der Überschreitung der zulässigen Werte für PM10-Konzentrationen in der Luft belegten. |
– Würdigung durch den Gerichtshof
61 |
Die Rüge, die auf einen Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50 gestützt ist, ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung zu beurteilen, wonach das Verfahren nach Art. 258 AEUV auf der objektiven Feststellung des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus dem AEU-Vertrag oder einem sekundären Rechtsakt beruht (vgl. Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
62 |
Daher reicht hier der Umstand einer Überschreitung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 69). |
63 |
Im vorliegenden Fall zeigen die Daten, die aus den von der Republik Polen gemäß Art. 27 der Richtlinie 2008/50 vorgelegten Jahresberichten über die Luftqualität hervorgehen, dass dieser Mitgliedstaat in den Jahren 2007 bis einschließlich 2015 zum einen in 35 Gebieten die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen und zum anderen in neun Gebieten die Jahresgrenzwerte für solche Konzentrationen regelmäßig überschritten hat. |
64 |
Daraus folgt, dass die so festgestellte Überschreitung als fortdauernd anzusehen ist, ohne dass die Kommission weitere Beweise zu erbringen braucht. |
65 |
Entgegen dem Vorbringen der Republik Polen ist ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend, der durch die gesammelten Daten zutage tritt, jedoch nicht dazu führt, dass dieser Mitgliedstaat die von ihm einzuhaltenden Grenzwerte erreicht, nicht geeignet, die Feststellung der ihm insoweit zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften. |
66 |
Unter diesen Umständen ist der ersten Rüge stattzugeben. |
Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50
Zur Zulässigkeit
– Vorbringen der Parteien
67 |
Die Republik Polen trägt vor, die zweite Rüge sei unzulässig, weil sie widersprüchlich, vage und ungenau formuliert sei und der Gerichtshof nicht über ihre Begründetheit befinden könne, ohne ultra petita zu entscheiden. |
68 |
Insbesondere habe die Kommission zum einen nicht erklärt, warum die mit den Plänen, auf die diese Rüge abstelle, getroffenen Maßnahmen nicht geeignet gewesen seien, sondern habe sich auf den Standpunkt beschränkt, dass das Vorliegen der Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum bedeute, dass die in diesen Plänen vorgesehenen Maßnahmen unwirksam seien. |
69 |
Zum anderen bezieht sich die zweite Rüge nach Ansicht der Republik Polen auf einen von der Richtlinie 2008/50 nicht erfassten Zeitraum, da die Verpflichtung aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 erstmals durch diese Richtlinie aufgestellt worden sei und weder in der Richtlinie 1999/30 noch in der Richtlinie 96/62, die durch die Richtlinie 2008/50 aufgehoben worden seien, zum Ausdruck komme. |
70 |
Nach Ansicht der Republik Polen kann Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 nicht rückwirkend auf Sachverhalte angewandt werden, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie, d. h. vor dem 11. Juni 2010, eingetreten seien. |
71 |
Nach Ansicht der Kommission ist dieses Vorbringen unbegründet. |
72 |
Zunächst gehe nämlich aus dem Vorverfahren und dem Schriftwechsel zwischen der Kommission und den polnischen Behörden hervor, dass es den Plänen auf regionaler Ebene mangels rechtlicher Regelungen auf nationaler Ebene an Wirksamkeit fehle. |
73 |
Die Kommission trägt sodann vor, dass der generelle und fortdauernde Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie ein Indiz für einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie darstelle, ja sogar ein Tatbestandsmerkmal dafür erfülle. Ihre zweite Rüge beziehe sich demzufolge auf das Fehlen geeigneter Aktionen und die Unwirksamkeit aller Programme für die Gebiete, die dauerhafte Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft aufwiesen. |
74 |
Schließlich ist die Kommission in Bezug auf das Vorbringen, Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 sei rückwirkend angewandt worden, der Ansicht, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus dieser Vorschrift tatsächlich erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2008/50 zum ersten Mal vorgeworfen werden könne. Im Übrigen würden die mit dieser Vorschrift auferlegten Verpflichtungen nicht jährlich überprüft, und die zweite Rüge beziehe sich somit nicht auf bestimmte Jahre, in denen der Verstoß erfolgt sei, sondern auf einen generellen Verstoß gegen diese Vorschrift. |
– Würdigung durch den Gerichtshof
75 |
Nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 enthalten die Luftqualitätspläne im Fall der Überschreitung der Grenzwerte, für die die Frist für die Erreichung bereits verstrichen ist, geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann. |
76 |
Diese Bestimmung stellt einen unmittelbaren Zusammenhang her zwischen zum einen der Überschreitung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen, wie sie in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie festgelegt werden, und zum anderen der Erstellung von Luftqualitätsplänen. |
77 |
Die Republik Polen wirft der Kommission im Wesentlichen vor, aus der bloßen Feststellung einer Überschreitung der Grenzwerte auf die Nichtergreifung geeigneter Maßnahmen im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 geschlossen zu haben. |
78 |
Selbst wenn man annimmt, dass dieser Umstand für die Beurteilung der Zulässigkeit der zweiten Rüge relevant ist, zeigt sich aber jedenfalls, dass sich die Kommission nicht darauf beschränkt, einen solchen schematischen ursächlichen Zusammenhang herzustellen. Sie trägt verschiedene konkrete Einzelheiten vor, die ihrer Schlussfolgerung zugrunde liegen. |
79 |
In Bezug auf die angeblich rückwirkende Anwendung von Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihrer zweiten Rüge, wie sie in Rn. 1 des vorliegenden Urteils wiedergegeben worden ist, keinen Anfangszeitpunkt angegeben hat. Somit kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sich diese Rüge auf den Zeitraum vor dem Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedstaaten der Verpflichtung aus dieser Bestimmung nachkommen mussten, bezieht. Sie hat im Übrigen, wie in Rn. 74 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, eine solche Erstreckung ihrer Rüge ausgeschlossen. |
80 |
Nach alledem ist festzustellen, dass die zweite Rüge, die auf einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 gestützt ist, zulässig ist. |
Zur Begründetheit
– Vorbringen der Parteien
81 |
Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, dass die Republik Polen gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 verstoßen habe. |
82 |
Der Spielraum, über den der betreffende Mitgliedstaat im Rahmen der Umsetzung dieses Artikels in seinen Luftqualitätsplänen bei der Wahl der zu ergreifenden Maßnahmen in gewissem Maße durchaus verfüge, werde nämlich durch die Bedingung eingeschränkt, dass diese Maßnahmen angemessen und wirksam seien, um das Problem der PM10-Emissionen in einem bestimmten Gebiet so schnell wie möglich zu lösen und damit den Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 abzustellen. |
83 |
Zum einen seien die von der Republik Polen ergriffenen Maßnahmen aber unwirksam, wie die systematischen und fortdauernden Überschreitungen der Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in 35 Gebieten und der Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in neun Gebieten zeigten. |
84 |
Zum anderen ergebe eine Untersuchung der von der Republik Polen vorgelegten Luftqualitätspläne, dass diese keine geeigneten Maßnahmen enthielten, um dafür zu sorgen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werde. |
85 |
Insbesondere legten die Luftqualitätspläne für die Beendigung der Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft Fristen mit in den verschiedenen Gebieten unterschiedlichen Ablaufdaten – von 2020 bis 2024 – fest, womit ersichtlich über den Spielraum, über den die Republik Polen verfüge, hinausgegangen worden sei. |
86 |
Außerdem habe, obwohl die individuelle Beheizung von Gebäuden in zahlreichen Gebieten die Hauptquelle der Luftverschmutzung durch PM10 sei, der Plan des Heizkesselaustauschs mangels Qualitätskriterien für die Kessel, die im Austausch gegen die alten eingebaut würden, keine sichere Wirksamkeit entfalten können. |
87 |
Schließlich beanstandet die Kommission die Luftqualitätspläne für einige bestimmte Gebiete. Beispielsweise verweist sie darauf, dass der Luftqualitätsplan im Ballungsraum Warschau, wo der Verkehr die Hauptemissionsquelle darstelle, trotzdem weder zur Existenz noch zur Art der umgesetzten Maßnahmen im Bereich Verkehr Angaben enthalte. |
88 |
Nach Auffassung der Republik Polen ist der Kommission erstens durch die Annahme, dass die nationalen Abhilfemaßnahmen im Hinblick auf die behaupteten Verstöße gegen Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie unwirksam seien, ein Fehler bei der Auslegung von Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie unterlaufen. Würde es sich so verhalten, wären nämlich nur Maßnahmen, die eine sofortige Beendigung der Überschreitungen nach sich zögen, wirksam. |
89 |
Zweitens hätten die zu ergreifenden Abhilfemaßnahmen erhebliche sozioökonomische Folgen, u. a. deshalb, weil die Bevölkerung gezwungen werde, teurere Brennstoffe zu kaufen, was sich insbesondere auf ihre Gesundheit auswirke. Auch verhinderten die bescheidenen Lebensumstände der polnischen Gesellschaft eine breite Nutzung von erneuerbaren Energiequellen. |
90 |
In diesem Zusammenhang hebt die Republik Polen hervor, dass die örtlichen Behörden aufgrund der beträchtlichen finanziellen Mittel, deren Einsatz für die Verringerung der Schadstoffemissionen erforderlich sei, ordnungsgemäß davon ausgegangen seien, dass die für die fraglichen Pläne vorgesehenen Fristen, die zwischen 2020 und 2024 abliefen, so kurz wie möglich gehalten seien. |
91 |
Zudem habe sich die Kommission, obwohl die Republik Polen bei der Ausübung ihres Ermessens berechtigt gewesen sei, einige dieser Parameter zu berücksichtigen, darauf beschränkt, dem Schutz der menschlichen Gesundheit einen generellen Vorrang einzuräumen, ohne eine konkrete Beurteilung der nationalen Abhilfemaßnahmen vorzunehmen, wie dies geboten gewesen wäre. |
92 |
Drittens bestreitet die Republik Polen die Behauptung der Kommission, dass das Heizkesselaustauschprogramm keine Qualitätsanforderungen vorsehe. Die Finanzierung des Erwerbs von Heizanlagen hänge nämlich bereits teilweise von Auswahlkriterien für Heizkessel ab, die bestimmten Emissionsnormen entsprächen. |
– Würdigung durch den Gerichtshof
93 |
Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Luftqualitätspläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden können (Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 106). |
94 |
Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat die Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um festzustellen, dass dieser Mitgliedstaat gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 verstoßen hat (Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 107). |
95 |
Aus dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen zwar über einen gewissen Spielraum verfügen, die Maßnahmen es aber jedenfalls ermöglichen müssen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird (Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
96 |
Unter diesen Umständen ist in einer Untersuchung jedes einzelnen Falles zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 stehen (Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 108). |
97 |
Im vorliegenden Fall obliegt zunächst dem betreffenden Mitgliedstaat seit dem 11. Juni 2010 die Verpflichtung, im Fall von Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft Luftqualitätspläne zu erstellen. |
98 |
Wie Rn. 63 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, waren in Polen zu diesem Zeitpunkt bereits Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt worden. |
99 |
Es steht indessen fest, dass in den von der Republik Polen später erlassenen Plänen für die Beendigung dieser Überschreitungen Fristen festgelegt wurden, die in den verschiedenen Gebieten zwischen 2020 und 2024 ablaufen sollen, was es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglicht, diese Überschreitungen erst zehn oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese Überschreitungen festgestellt wurden, abzustellen. |
100 |
In dieser Hinsicht trägt die Republik Polen vor, dass die von ihr festgelegten Fristen in vollem Umfang an das Ausmaß der strukturellen Änderungen, die nötig seien, um die Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft abzustellen, angepasst seien, wobei sie Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen hervorhebt. |
101 |
Solche Umstände können zwar im Rahmen des in Rn. 93 des vorliegenden Urteils erwähnten Ausgleichs berücksichtigt werden, nichtsdestoweniger ist jedoch nicht nachgewiesen worden, dass die von der Republik Polen genannten Schwierigkeiten, die keinen Ausnahmecharakter haben, von der Art wären, dass sie die Festlegung weniger langer Fristen unmöglich gemacht hätten, und dies umso mehr, als ein Großteil der geplanten Maßnahmen den Austausch individueller und kollektiver Heizkessel durch effizientere Anlagen betrifft. |
102 |
Daher kann dieses Vorbringen der Republik Polen als solches im Hinblick auf das Erfordernis, mit dem sichergestellt werden soll, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten wird, nicht so lange Fristen für die Beendigung der erwähnten Überschreitungen rechtfertigen. |
103 |
In diesem Zusammenhang reicht der von der Republik Polen geltend gemachte Erlass zusätzlicher Maßnahmen, die für sich genommen die festgestellten Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft unbestritten nicht wirksam abzustellen vermögen, nicht aus, um den Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 Genüge zu tun. |
104 |
Nach alledem ist der zweiten Rüge stattzugeben. |
Zur dritten Rüge: Verstoß gegen Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie
Vorbringen der Parteien
105 |
Mit ihrer dritten Rüge vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie verstoßen habe, dass die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen zuzüglich der Toleranzmarge vom 1. Januar 2010 bis zum 10. Juni 2011 in drei Gebieten, nämlich den Gebieten Stadt Radom, Pruszków-Żyrardów und Kędzierzyn-Koźle, sowie vom 1. Januar bis zum 10. Juni 2011 im Gebiet Ostrów-Kępno überschritten worden seien. |
106 |
Die Republik Polen sei nämlich während des Zeitraums, in dem die von der Kommission gewährte, in Rn. 23 des vorliegenden Urteils erläuterte Ausnahmeregelung in Kraft gewesen sei, für diese vier Gebiete gemäß Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 2008/50 zu einer Nichtüberschreitung der Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft zuzüglich der Toleranzmargen in Höhe von 50 % gemäß Anhang XI dieser Richtlinie verpflichtet gewesen. Aus den von diesem Mitgliedstaat vorgelegten Zahlen ergebe sich aber, dass die PM10-Konzentrationen in den vier fraglichen Gebieten, und zwar bis zum Ende dieser Ausnahmeregelung, die Grenzwerte zuzüglich der Toleranzmargen überschritten hätten. |
107 |
Die Republik Polen hält dem entgegen, dass die dritte Rüge unbegründet sei, und trägt vor, dass es den von der Kommission vorgelegten Daten an Genauigkeit fehle, wobei sie sich auf verschiedene Daten bezieht, die nicht die Tagesgrenzwerte, sondern die Jahresgrenzwerte betreffen. |
108 |
In ihrer Erwiderung macht die Kommission geltend, das Vorbringen der Republik Polen gehe ins Leere, da sich die von ihr vorgelegten Zahlen auf die Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft bezögen und nicht auf die Tagesgrenzwerte, auf die jedoch die dritte Rüge allein abstelle. |
Würdigung durch den Gerichtshof
109 |
Gemäß Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50 werden die Mitgliedstaaten, wenn in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für PM10 nach Maßgabe des Anhangs XI dieser Richtlinie aufgrund standortspezifischer Ausbreitungsbedingungen, ungünstiger klimatischer Bedingungen oder grenzüberschreitender Einträge nicht eingehalten werden können, bis zum 11. Juni 2011 von der Verpflichtung zur Einhaltung dieser Grenzwerte ausgenommen, sofern die in Art. 22 Abs. 1 festgelegten Bedingungen erfüllt sind und der Mitgliedstaat nachweist, dass alle geeigneten Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffen wurden, um die Fristen einzuhalten. |
110 |
Art. 22 Abs. 3 dieser Richtlinie sieht insoweit vor, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Abs. 2 sicherstellen, dass der Grenzwert für jeden Schadstoff nicht um mehr als die für jeden der betroffenen Schadstoffe in Anhang XI der Richtlinie 2008/50 festgelegte maximale Toleranzmarge überschritten wird. Für PM10 wurde diese Toleranzmarge mit 50 % im Verhältnis zu den Grenzwerten festgelegt. |
111 |
Zunächst ist festzustellen, dass das in Rn. 107 des vorliegenden Urteils erwähnte Vorbringen der Republik Polen ins Leere geht, da es sich auf die Daten für die Überschreitung der Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft bezieht, während die Kommission in ihrer dritten Rüge tatsächlich nur auf die Überschreitung der Tagesgrenzwerte abstellt. Der Gerichtshof wird sich deshalb ausschließlich zur Behauptung der Überschreitung der Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft äußern. |
112 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Republik Polen im Laufe des Jahres 2008 einen Antrag nach Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50 in Bezug auf die Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in 83 Gebieten gestellt hat. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2009 entschied die Kommission, keine Einwände gegen die Ausnahme von der Verpflichtung zur Einhaltung der Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in vier Gebieten, nämlich den Gebieten Stadt Radom, Pruszków-Żyrardów, Kędzierzyn-Koźle und Ostrów-Kępno, bis zum 11. Juni 2011 zu erheben. |
113 |
Für diese vier Gebiete bewirkte der Beschluss der Kommission, dass die Republik Polen verpflichtet war, bis zum 11. Juni 2011 gemäß Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50 die Nichtüberschreitung der Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft zuzüglich der Toleranzmargen von 50 % gemäß Anhang XI dieser Richtlinie sicherzustellen. |
114 |
Den von der Republik Polen am 26. Juni 2013 in Reaktion auf das ergänzende Mahnschreiben der Kommission vom 26. April 2013 vorgelegten Daten ist aber zu entnehmen, dass Überschreitungen der Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft zuzüglich der Toleranzmarge von 50 % in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 10. Juni 2011 in den Gebieten Stadt Radom, Pruszków-Żyrardów und Kędzierzyn-Koźle sowie in der Zeit vom 1. Januar bis zum 10. Juni 2011 im Gebiet von Ostrów-Kępno festgestellt worden waren. |
115 |
Unter diesen Umständen – und angesichts der in Rn. 62 des vorliegenden Urteils angeführten, in diesem Zusammenhang entsprechend heranzuziehenden Rechtsprechung – ist festzustellen, dass die Republik Polen ihren Verpflichtungen aus Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie nicht nachgekommen ist. |
116 |
Folglich ist der dritten Rüge stattzugeben. |
Zur vierten Rüge: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Bestimmung
Vorbringen der Parteien
117 |
Mit ihrer vierten Rüge macht die Kommission geltend, dass ungeachtet von Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50, der verlange, dass die betreffenden Pläne im Fall der Überschreitung der Grenzwerte geeignete Maßnahmen enthielten, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden könne, weder die Art. 91 und 92 des POŚ-Gesetzes noch die Verordnung über Luftqualitätspläne und Pläne für kurzfristige Maßnahmen ein solches Erfordernis ausdrücklich enthielten. |
118 |
Die Kommission macht insbesondere geltend, dass die Nichtaufnahme der ausdrücklichen Bedingung, dass die Luftqualitätspläne Maßnahmen zur maximalen Verkürzung des Zeitraums der Nichteinhaltung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in einem bestimmten Gebiet beinhalteten, es verhindere, dass das Erfordernis, in diesen Plänen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Überschreitung möglichst rasch abzustellen, erfüllt werde. |
119 |
Die Republik Polen tritt der vierten Rüge entgegen und möchte nachweisen, dass trotz des Fehlens einer Bestimmung, in der die genannte Bedingung ausdrücklich aufgestellt würde, die Art der in den Luftqualitätsplänen und den Plänen für kurzfristige Maßnahmen tatsächlich vorgesehenen Maßnahmen den Anforderungen in Bezug auf eine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 genüge. |
Würdigung durch den Gerichtshof
120 |
Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche und besondere Rechts- oder Verwaltungsvorschrift, sondern kann ihr auch ein allgemeiner rechtlicher Kontext genügen, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der betreffenden Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (Urteil vom 30. Juni 2016, Kommission/Polen, C‑648/13, EU:C:2016:490, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
121 |
Insoweit ist zum einen, da den ersten drei Rügen der Kommission stattgegeben worden ist, davon auszugehen, dass die Republik Polen nicht die vollständige Anwendung der Richtlinie 2008/50 gewährleistet. Dieser Mitgliedstaat beruft sich zwar auf Bestandteile des nationalen rechtlichen Rahmens, um geltend zu machen, dass damit eine ordnungsmäße Anwendung im Hinblick auf die Erfüllung des sich aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie ergebenden Erfordernisses gewährleistet werde, legt jedoch keinen Beweis zur Stützung dieser Argumentation vor. |
122 |
Zum anderen wurde in keinem der von diesem Mitgliedstaat auf nationaler oder regionaler Ebene erlassenen Luftqualitätspläne ausdrücklich das Erfordernis erwähnt, dass diese Pläne die Begrenzung der Überschreitungen der Grenzwerte auf einen so kurz wie möglich gehaltenen Zeitraum erlauben müssen. |
123 |
Unter diesen Umständen ist die von der Republik Polen vorgenommene Umsetzung der Richtlinie 2008/50 in das innerstaatliche Recht unter Berücksichtigung des allgemeinen rechtlichen Rahmens nicht geeignet, die vollständige Anwendung dieser Richtlinie tatsächlich zu gewährleisten. |
124 |
Somit ist der vierten von der Kommission erhobenen Rüge stattzugeben. |
125 |
Nach alledem ist festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang XI der Richtlinie 2008/50, aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie und aus Art. 22 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie verstoßen hat, dass
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Kosten
126 |
Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Polen beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.
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Referenzen
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