Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-418/16

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

28. Februar 2018 ( *1 )

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 15 Abs. 1 – Art. 57 Abs. 2 und 3 – Art. 64 – Art. 76 Abs. 2 – Verordnung (EG) Nr. 2868/95 – Regel 22 Abs. 2 – Regel 40 Abs. 6 – Nichtigkeitsverfahren – Auf eine ältere nationale Marke gestützte Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit – Ernsthafte Benutzung der älteren Marke – Nachweis – Zurückweisung der Anträge – Berücksichtigung neuer Beweise durch die Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) – Aufhebung der Entscheidungen der Beschwerdekammer des EUIPO – Zurückverweisung – Folgen“

In der Rechtssache C‑418/16 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. Juli 2016,

mobile.de GmbH, vormals mobile.international GmbH, mit Sitz in Kleinmachnow (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Lührig,

Klägerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

Rezon OOD mit Sitz in Sofia (Bulgarien), Prozessbevollmächtigter: P. Kanchev, advokat,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. G. Fernlund, A. Arabadjiev, S. Rodin und E. Regan (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 23. November 2017

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die mobile.de GmbH, vormals mobile.international GmbH, die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Mai 2016, mobile.international/EUIPO – Rezon (mobile.de) (T‑322/14 und T‑325/14, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses ihre beiden Klagen auf Aufhebung der Entscheidungen der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 9. Januar (Sache R 922/2013‑1) und vom 13. Februar 2014 (Sache R 951/2013‑1) (im Folgenden: streitige Entscheidungen) zu zwei Nichtigkeitsverfahren zwischen mobile.international und der Rezon OOD abgewiesen hatte.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 207/2009

2

Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) bestimmt in der durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 207/2009):

„(1)   Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

b)

wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

(2)   ‚Ältere Marken‘ im Sinne von Absatz 1 sind

a)

Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke, gegebenenfalls mit der für diese Marken in Anspruch genommenen Priorität, die den nachstehenden Kategorien angehören:

ii)

in einem Mitgliedstaat … eingetragene Marken;

…“

3

Art. 15 der Verordnung Nr. 207/2009 sieht vor:

„(1)   Hat der Inhaber die Unionsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Union benutzt, oder hat er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Unionsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

Folgendes gilt ebenfalls als Benutzung im Sinne des Unterabsatzes 1:

a)

die Benutzung der Unionsmarke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, unabhängig davon, ob die Marke in der benutzten Form auch auf den Namen des Inhabers eingetragen ist;

…“

4

In Art. 53 Abs. 1 dieser Verordnung heißt es:

„Die Unionsmarke wird auf Antrag beim [EUIPO] … für nichtig erklärt,

a)

wenn eine in Artikel 8 Absatz 2 genannte ältere Marke besteht und die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 5 des genannten Artikels erfüllt sind;

…“

5

Art. 54 der Verordnung bezieht sich auf die Verwirkung durch Duldung.

6

In Art. 57 der Verordnung heißt es:

„(1)   Bei der Prüfung des Antrags auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit fordert das [EUIPO] die Beteiligten so oft wie erforderlich auf, innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme zu seinen Bescheiden oder zu den Schriftsätzen der anderen Beteiligten einzureichen.

(2)   Auf Verlangen des Inhabers der Unionsmarke hat der Inhaber einer älteren Unionsmarke, der am Nichtigkeitsverfahren beteiligt ist, den Nachweis zu erbringen, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor Stellung des Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit die ältere Unionsmarke in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die der Inhaber der älteren Marke sich zur Begründung seines Antrags beruft, ernsthaft benutzt hat oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere Unionsmarke seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. … Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit zurückgewiesen. Ist die ältere Unionsmarke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt worden, so gilt sie zum Zwecke der Prüfung des Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit nur für diesen Teil der Waren oder Dienstleistungen als eingetragen.

(3)   Absatz 2 ist auf ältere nationale Marken im Sinne des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe a mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der Benutzung in der Union die Benutzung in dem Mitgliedstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist.

(5)   Ergibt die Prüfung des Antrags auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit, dass die Marke für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, von der Eintragung ausgeschlossen ist, so wird die Marke für diese Waren oder Dienstleistungen für verfallen oder für nichtig erklärt. Ist die Marke von der Eintragung nicht ausgeschlossen, so wird der Antrag zurückgewiesen.

…“

7

Art. 63 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt:

„Bei der Prüfung der Beschwerde fordert die Beschwerdekammer die Beteiligten so oft wie erforderlich auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme zu ihren Bescheiden oder zu den Schriftsätzen der anderen Beteiligten einzureichen.“

8

Art. 64 der Verordnung sieht vor:

„(1)   Nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, entscheidet die Beschwerdekammer über die Beschwerde. Die Beschwerdekammer wird entweder im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an diese Dienststelle zurück.

(2)   Verweist die Beschwerdekammer die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Dienststelle zurück, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, so ist diese Dienststelle durch die rechtliche Beurteilung der Beschwerdekammer, die der Entscheidung zugrunde gelegt ist, gebunden, soweit der Tatbestand derselbe ist.

…“

9

Art. 76 Abs. 2 der Verordnung lautet:

„Das [EUIPO] braucht Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.“

Durchführungsverordnung

10

Regel 22 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1) sieht in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1041/2005 der Kommission vom 29. Juni 2005 (ABl. 2005, L 172, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung) vor:

„Hat der Widersprechende den Nachweis der Benutzung zu erbringen oder den Nachweis, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, so fordert das [EUIPO] ihn auf, die erforderlichen Beweismittel innerhalb einer vom [EUIPO] gesetzten Frist vorzulegen. Legt der Widersprechende diese Beweismittel nicht fristgemäß vor, so weist das [EUIPO] den Widerspruch zurück.“

11

Regel 22 Abs. 3 und 4 der Durchführungsverordnung bezieht sich auf die Angaben und Beweise, die vorzulegen sind, um die Benutzung der Marke nachzuweisen.

12

Regel 40 Abs. 6 dieser Verordnung bestimmt:

„Hat der Antragsteller gemäß Artikel [57] Absatz 2 oder 3 der Verordnung [Nr. 207/2009] den Nachweis der Benutzung oder den Nachweis zu erbringen, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, setzt das [EUIPO] dem Antragsteller eine Frist, innerhalb der er den Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke zu führen hat. Wird der Nachweis nicht innerhalb der gesetzten Frist geführt, wird der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit zurückgewiesen. Regel 22 [Absatz] 2 … gilt entsprechend.“

13

In Regel 50 Abs. 1 der Durchführungsverordnung heißt es:

„Die Vorschriften für das Verfahren vor der Dienststelle, die die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung erlassen hat, sind im Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar, soweit nichts anderes vorgesehen ist.

Richtet sich die Beschwerde gegen die Entscheidung einer Widerspruchsabteilung, so beschränkt die Beschwerdekammer die Prüfung der Beschwerde auf die Sachverhalte und Beweismittel, die innerhalb der von der Widerspruchsabteilung nach Maßgabe der Verordnung [Nr. 207/2009] und dieser Regeln festgesetzten Frist vorgelegt werden, sofern die Beschwerdekammer nicht der Meinung ist, dass zusätzliche oder ergänzende Sachverhalte und Beweismittel gemäß Artikel [76] Absatz 2 der Verordnung [Nr. 207/2009] berücksichtigt werden sollten.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

14

Am 17. November 2008 meldete die Rechtsmittelführerin beim EUIPO zwei Unionsmarken an, nämlich das Wortzeichen „mobile.de“ (im Folgenden: Wortmarke) und das unten wiedergegebene Bildzeichen (im Folgenden: Bildmarke):

Image

15

Die Marken wurden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung (im Folgenden: Abkommen von Nizza) angemeldet.

16

Die Bildmarke wurde am 26. Januar 2010 eingetragen, die Wortmarke am 29. September 2010.

17

Am 18. Januar 2011 stellte die Rezon OOD beim EUIPO nach Art. 53 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zwei Anträge auf Nichtigerklärung der Wortmarke und der Bildmarke. Rezon stützte ihre Anträge auf folgende am 20. April 2005 eingetragene bulgarische Bildmarke (im Folgenden: fragliche ältere nationale Marke):

Image

18

Die fragliche ältere nationale Marke wurde für folgende Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 42 des Abkommens von Nizza eingetragen:

Klasse 35: „Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“;

Klasse 39: „Transport; Verpackung und Lagerung von Waren; Organisation von Reisen“;

Klasse 42: „Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerleistungen; Dienste für Wirtschaftsanalysen und ‑forschungen; Entwurf und Entwicklung von Computersoftware und ‑hardware; Rechtsdienstleistungen“.

19

Die Anträge auf Nichtigerklärung wurden allerdings nur auf die Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 des Abkommens von Nizza gestützt.

20

Die Rechtsmittelführerin beantragte bei der Nichtigkeitsabteilung des EUIPO (im Folgenden: Nichtigkeitsabteilung), Rezon möge gemäß Art. 57 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 den Nachweis der Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke für die Dienstleistungen dieser beiden Klassen erbringen.

21

Mit zwei Entscheidungen vom 28. März 2013 wies die Nichtigkeitsabteilung die Anträge auf Nichtigerklärung mit der Begründung zurück, Rezon habe diesen Nachweis nicht erbracht.

22

Die mit den hiergegen gerichteten Beschwerden von Rezon befasste Beschwerdekammer stellte, nachdem sie gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 eine Reihe zusätzlicher Beweismittel, die zum ersten Mal im Rahmen dieser Beschwerde vorgelegt worden waren, berücksichtigt hatte, jeweils in Rn. 61 der streitigen Entscheidungen fest, dass Rezon eine ernsthafte Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke für Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen der Klasse 35 des Abkommens von Nizza nachgewiesen habe. Folglich hob sie in Rn. 62 der Entscheidungen die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung auf. Da die Parteien zur Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nichts vorgetragen hatten und die Nichtigkeitsabteilung die Verwechslungsgefahr nicht geprüft hatte, verwies die Beschwerdekammer die Sachen nach Art. 64 dieser Verordnung in der gleichen Rn. 62 zur sachlichen Prüfung der Nichtigkeitsanträge an die Nichtigkeitsabteilung zurück.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

23

Die Rechtsmittelführerin erhob mit am 6. Mai (Rechtssache T‑325/14) und am 7. Mai 2014 (Rechtssache T‑322/14) bei Gericht eingereichten Klageschriften zwei Klagen auf Aufhebung der streitigen Entscheidungen.

24

Das Gericht wies diese Klagen, nachdem es sie durch Beschluss vom 4. März 2016 die Rechtssachen T‑322/14 und T‑325/14 zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung verbunden hatte, mit dem angefochtenen Urteil insgesamt ab.

Anträge der Parteien

25

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,

das angefochtene Urteil aufzuheben und

dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

26

Das EUIPO und Rezon beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

27

Nach Verlesung der Schlussanträge der Generalanwältin hat die Rechtsmittelführerin mit Schriftsatz, der am 26. Januar 2018 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt. Zur Stützung dieses Antrags macht die Rechtsmittelführerin geltend, aus Art. 10 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 der Kommission vom 18. Mai 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Unionsmarke und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2868/95 und (EG) Nr. 216/96 (ABl. 2017, L 205, S. 1) – die vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen ab dem 1. Oktober 2017 gelte – ergebe sich, dass lediglich „berechtigte Gründe“ die Berücksichtigung zusätzlicher, vom Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren nicht fristgemäß vorgelegter Beweise für die Nutzung einer älteren Marke durch das EUIPO nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 rechtfertigen könnten. Folglich greife der zweite Rechtsmittelgrund durch. Ferner habe die Generalanwältin, als sie in Nr. 40 ihrer Schlussanträge die Auffassung geäußert habe, der sechste Rechtsmittelgrund sei als unbegründet zurückzuweisen, weil das EUIPO bei der Berücksichtigung ergänzender Beweismittel über Ermessen verfüge, nicht die Frage beantwortet, ob dieses Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt worden sei.

28

Es ist daran zu erinnern, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und seine Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 4. September 2014, Vnuk, C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29

Der Generalanwalt hat nach Art. 252 Abs. 2 AEUV die Aufgabe, öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung binden den Gerichtshof nicht (Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 25).

30

Dass eine Partei nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 26).

31

Allerdings kann der Gerichtshof nach Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist (Urteil vom 29. April 2015, Nordzucker, C‑148/14, EU:C:2015:287, Rn. 24).

32

Dies ist hier nicht der Fall. Die Rechtsmittelführerin konnte nämlich, wie auch das EUIPO und Rezon, im Verlauf des schriftlichen Verfahrens die gesamte tatsächliche und rechtliche Begründung ihres Vortrags darlegen, darunter auch zur Möglichkeit, nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens zusätzliche Beweismittel zur Nutzung der älteren Marke vorzulegen. Der Gerichtshof ist daher nach Anhörung der Generalanwältin der Auffassung, dass er über alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen verfügt und dass diese Informationen vor ihm erörtert wurden.

33

Aufgrund dieser Erwägungen sieht der Gerichtshof keine Veranlassung, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens anzuordnen.

Zum Rechtsmittel

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

34

Rezon macht geltend, dass das Rechtsmittel keine klaren Angaben zu den Gründen enthalte, die eine Überprüfung des angefochtenen Urteils erforderlich machten. Ferner lege die Rechtsmittelführerin weder ein rechtliches Interesse an der Einlegung des Rechtsmittels noch ein Rechtsschutzinteresse dar. Die der Rechtsmittelschrift beigefügte Prozessvollmacht enthalte keine Willenserklärung über eine etwaige Vertretungsmacht vor den Unionsgerichten. Sie beziehe sich auf vorherige Verfahren, und ihr Wortlaut sei nicht hinreichend präzise, um eine solche Vertretungsmacht zu begründen.

35

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs geht aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hervor, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Insoweit ist nach Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung erforderlich, dass die geltend gemachten Rechtsgründe und ‑argumente die beanstandeten Punkte der Begründung der Entscheidung des Gerichts genau bezeichnen (Urteil vom 20. September 2016, Mallis u. a./Kommission und EZB, C‑105/15 P bis C‑109/15 P, EU:C:2016:702, Rn. 33 und 34).

36

Diese Anforderungen sind hier offensichtlich erfüllt. Das vorliegende Rechtsmittel bezeichnet die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die zur Aufhebung dieses Urteils dargelegten Rechtsgründe und ‑argumente nämlich mit aller gebotenen Genauigkeit.

37

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass ein Rechtsmittel nach Art. 56 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union von einer Partei eingelegt werden kann, die mit ihren Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist, wobei andere Streithelfer als Mitgliedstaaten oder Unionsorgane dieses Rechtsmittel jedoch nur dann einlegen können, wenn die Entscheidung des Gerichts sie unmittelbar berührt.

38

Da mobile.de im ersten Rechtszug Klägerin und nicht Streithelferin gewesen und mit ihren Anträgen insgesamt unterlegen ist, ist mit diesem Umstand für sich genommen ihre Antragsbefugnis und ihr Rechtsschutzinteresse im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels dargetan, ohne dass sie den Nachweis zu führen braucht, dass sie von der Entscheidung des Gerichts unmittelbar berührt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, EUIPO/Szajner, C‑598/14 P, EU:C:2017:265, Rn. 24).

39

Schließlich hat der Rechtsanwalt, der im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels als Vertreter der Rechtsmittelführerin auftritt, diese Eigenschaft gemäß Art. 44 Abs. 1 Buchst. b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch eine von diesem Unternehmen ausgestellte Vollmacht zur Vertretung in allen Rechtsstreitigkeiten im Bereich des Markenrechts nachgewiesen.

40

Daraus folgt, dass das vorliegende Rechtsmittel nicht vorab als insgesamt unzulässig zurückgewiesen werden kann.

Zur Begründetheit

Zum ersten und zum zweiten Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

41

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht mit der Entscheidung, die Beschwerdekammer habe die zum ersten Mal vor ihr vorgelegten Beweismittel zur ernsthaften Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke berücksichtigen dürfen, gegen Art. 57 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie Regel 22 Abs. 2 und Regel 40 Abs. 6 der Durchführungsverordnung verstoßen habe. Insoweit sei das Gericht in den Rn. 27 und 28 des angefochtenen Urteils zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Nichtigkeitsverfahren grundsätzlich seinen Fortgang zu nehmen habe, wenn innerhalb der vom EUIPO gesetzten Frist einige zum Nachweis der Benutzung dienende Gesichtspunkte beigebracht worden seien.

42

Diese Begründung sei sowohl mit dem Wortlaut als auch mit der Systematik der verschiedenen Bestimmungen unvereinbar. Mit dem Begriff „Nachweis“ im Sinne von Art. 57 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 werde nämlich verlangt, dass der Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren die ernsthafte Benutzung der betreffenden älteren Marke tatsächlich beweise. Soweit er diesen Nachweis nicht erbringen könne, müsse der Antrag zurückgewiesen werden. Regel 22 Abs. 2 und Regel 40 Abs. 6 der Durchführungsverordnung stellten gleichfalls klar, dass der Widerspruch und der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit zurückzuweisen seien, wenn der „Nachweis der Benutzung“ nicht fristgerecht erbracht werde. Art. 57 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 werde insoweit als allgemeine Verfahrensnorm von den spezielleren Bestimmungen in Art. 57 Abs. 2 dieser Verordnung sowie von den angeführten Regeln verdrängt.

43

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, der sich auf einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 stützt, wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht zunächst vor, diese Bestimmung angewandt zu haben. Diese gelte nämlich nur „vorbehaltlich gegenteiliger Vorschriften“. Bei Regel 22 Abs. 2 und Regel 40 Abs. 6 der Durchführungsverordnung handle es sich aber um genau solche „gegenteiligen Vorschriften“. Außerdem gebe es – auch wenn Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung eine Sonderregelung enthalte, die der Beschwerdekammer die Möglichkeit gebe, im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens neue Tatsachen zu berücksichtigen – für das Nichtigkeitsverfahren keine solche Sonderregelung. Weiterhin entspreche es dem Sinn und Zweck dieser Regeln, dass die Beschwerdekammern nur im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine solche Befugnis besäßen, da der Inhaber eines älteren Rechts – im Gegensatz zum Widersprechenden, der an die Einhaltung einer sehr kurzen Frist gebunden sei – den Zeitpunkt der Einleitung des Nichtigkeitsverfahrens selbst bestimmen könne und der Inhaber einer Marke mangels Widerspruch ein berechtigtes Vertrauen auf ihren Bestand haben könne.

44

Sodann habe sich das Gericht in den Rn. 40 bis 44 des angefochtenen Urteils ausschließlich auf die erhebliche Relevanz der verspätet vorgelegten Beweismittel gestützt, ohne das Verfahrensstadium, in dem sie vorgelegt worden seien, oder die Frage zu prüfen, ob die Begleitumstände einer Berücksichtigung nicht entgegenstehen. Im vorliegenden Fall habe die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren jedoch ab der Einleitung des Verfahrens über die fraglichen Beweismittel verfügt, und es hätte mehrfach Gelegenheit bestanden, zu den Einwänden der Rechtsmittelführerin zu deren Beweiswert Stellung zu nehmen.

45

Drittens macht die Rechtsmittelführerin geltend, die der Beschwerdekammer vorgelegten Rechnungen stellten entgegen der Entscheidung des Gerichts in Rn. 42 des angefochtenen Urteils keine Bestätigung oder Verdeutlichung der vor der Nichtigkeitsabteilung vorgelegten Rechnungslisten dar. Das Gericht habe insoweit in Rn. 43 des Urteils den Sachverhalt und die Beweismittel verfälscht. Indem es sowohl angenommen habe, dass diesen Listen einerseits bereits vor der Nichtigkeitsabteilung ein erheblicher Beweiswert zugekommen sei, als auch, dass erst diese Rechnungen andererseits erkennen ließen, dass es sich bei den Listen um Rechnungslisten handle, habe sich das Gericht nämlich auf widersprüchliche Argumente gestützt. Ferner habe es mit der Behauptung, die Rechtsmittelführerin habe eingeräumt, den Vermerk „Werbung auf mobile.bg“ in bulgarischer Sprache verstehen zu können, den Sachverhalt verfälscht, da sie anhand der Listen keinerlei Hinweis auf eine Erbringung von Werbedienstleistungen habe erkennen können.

46

Das EUIPO hält, unterstützt von Rezon, diese beiden Rechtsmittelgründe für unbegründet.

– Würdigung durch den Gerichtshof

47

Nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 braucht das EUIPO Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.

48

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die das Gericht in Rn. 25 des angefochtenen Urteils verwiesen hat, folgt aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass die Beteiligten im Regelfall und vorbehaltlich einer gegenteiligen Vorschrift Tatsachen und Beweismittel auch dann noch vorbringen können, wenn die dafür nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 geltenden Fristen abgelaufen sind, und dass es dem EUIPO keineswegs untersagt ist, solche verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen (Urteile vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, EU:C:2007:162, Rn. 42, und vom 4. Mai 2017, Comercializadora Eloro/EUIPO, C‑71/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:345, Rn. 55).

49

Mit der Klarstellung, dass das EUIPO Beweismittel nicht zu berücksichtigen „braucht“, räumt Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 dem EUIPO ein weites Ermessen ein, um mit entsprechender Begründung seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob sie zu berücksichtigen sind oder nicht (Urteile vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, EU:C:2007:162, Rn. 43, 63 und 68, sowie vom 4. Mai 2017, Comercializadora Eloro/EUIPO, C‑71/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:345, Rn. 56).

50

Da sich der erste und der zweite Rechtsmittelgrund auf den Ermessensspielraum beziehen, über den die Beschwerdekammer verfügt, ist für die Feststellung, ob es eine „gegenteilige Vorschrift“ zu Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 gibt, die dem EUIPO ein solches Ermessen verwehren könnte, auf die Regelungen zum Beschwerdeverfahren abzustellen.

51

Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsverordnung sieht insoweit vor, dass die Vorschriften für das Verfahren vor der Dienststelle, die die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung erlassen hat, im Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar sind, soweit nichts anderes vorgesehen ist.

52

Ist der Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke nach Art. 57 Abs. 2 oder 3 der Verordnung Nr. 207/2009 im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens zu erbringen, das – wie hier – auf der Grundlage von Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung eingeleitet wurde, so hat das EUIPO dem Inhaber der älteren Marke gemäß Regel 40 Abs. 6 der Durchführungsverordnung eine Frist zu setzen, innerhalb der er den Nachweis ihrer Benutzung zu führen hat.

53

Zwar folgt aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass das EUIPO, wenn innerhalb der von ihm gesetzten Frist kein Nachweis für die Benutzung der betreffenden Marke erbracht wurde, den Antrag auf Nichtigerklärung von Amts wegen zurückzuweisen hat, doch ist dieser Schluss – wie das Gericht zu Recht in Rn. 27 des angefochtenen Urteils entschieden hat – nicht geboten, wenn innerhalb der Frist einige zum Nachweis der Benutzung dienende Gesichtspunkte beigebracht wurden (vgl. entsprechend Urteile vom 26. September 2013, Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions, C‑610/11 P, EU:C:2013:593, Rn. 86, und vom 4. Mai 2017, Comercializadora Eloro/EUIPO, C‑71/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:345, Rn. 58).

54

In einem solchen Fall hat nämlich das Verfahren, sofern die betreffenden Gesichtspunkte nicht ersichtlich ohne jede Relevanz für den Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke sind, seinen Fortgang zu nehmen. So hat das EUIPO insbesondere, wie in Art. 57 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehen, die Beteiligten so oft wie erforderlich aufzufordern, eine Stellungnahme zu seinen Bescheiden oder zu den Schriftsätzen der anderen Beteiligten einzureichen. In diesem Kontext erfolgt die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung mit der Begründung, die ältere Marke sei nicht ernsthaft benutzt worden, nicht in Anwendung von Regel 40 Abs. 6 der Durchführungsverordnung als einer im Wesentlichen verfahrensrechtlichen Bestimmung, sondern ausschließlich in Anwendung der materiell-rechtlichen Bestimmungen in Art. 57 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 (vgl. entsprechend Urteil vom 26. September 2013, Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions, C‑610/11 P, EU:C:2013:593, Rn. 87).

55

Daraus ergibt sich – wie das Gericht zu Recht in Rn. 29 des angefochtenen Urteils im Ergebnis festgehalten hat –, dass die Vorlage von Beweisen für die Benutzung der Marke, die zu den innerhalb der vom EUIPO gemäß Regel 40 Abs. 6 der Durchführungsverordnung gesetzten Frist vorgelegten Beweisen hinzukommen, auch nach Ablauf dieser Frist noch möglich ist und es dem EUIPO keineswegs untersagt ist, in Ausübung des ihm von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verliehenen Ermessens verspätet vorgelegte zusätzliche Beweise zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil vom 26. September 2013, Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions, C‑610/11 P, EU:C:2013:593, Rn. 88, und Beschluss vom 16. Juni 2016, L’Oréal/EUIPO, C‑611/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:463, Rn. 25).

56

Folglich stellt Regel 40 Abs. 6 der Durchführungsverordnung entgegen dem Vortrag der Rechtsmittelführerin keine gegenteilige Vorschrift zu Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 dar, nach der es der Beschwerdekammer verwehrt wäre, zusätzliche Beweismittel zur Benutzung der betreffenden älteren Marke zu berücksichtigen, die der Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren zur Stützung seiner Beschwerde bei ihr vorgelegt hat (vgl. entsprechend Urteil vom 26. September 2013, Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions, C‑610/11 P, EU:C:2013:593, Rn. 88).

57

Im Übrigen hat der Gerichtshof zum Beschwerdeverfahren bereits entschieden, dass sich aus Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt, dass die Beschwerdekammer für die Begründetheitsprüfung der bei ihr anhängig gemachten Beschwerde nicht nur so oft wie erforderlich die Beteiligten auffordert, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme zu ihren Bescheiden einzureichen, sondern auch eine Beweisaufnahme anordnen kann, zu der die Erhebung von Tatsachen und die Vorlage von Beweismitteln gehören können. Diese Bestimmungen belegen ihrerseits, dass das Tatsachenmaterial in den verschiedenen Stadien des vor dem EUIPO geführten Verfahrens angereichert werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, EU:C:2007:162, Rn. 58).

58

Die Rechtsmittelführerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung eine gegenteilige Bestimmung zu Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 darstelle.

59

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer nach Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung die Prüfung der Beschwerde, soweit sich diese gegen die Entscheidung einer Widerspruchsabteilung richtet, auf die Sachverhalte und Beweismittel beschränkt, die innerhalb der von der Widerspruchsabteilung festgesetzten Frist vorgelegt wurden, sofern die Beschwerdekammer nicht der Meinung ist, dass zusätzliche oder ergänzende Sachverhalte und Beweismittel gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 berücksichtigt werden sollten.

60

Die Durchführungsverordnung sieht somit ausdrücklich vor, dass die Beschwerdekammer bei der Prüfung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Widerspruchsabteilung über das sich aus Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung und Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebende Ermessen im Hinblick auf die Entscheidung verfügt, ob die zusätzlichen oder ergänzenden Sachverhalte und Beweismittel, die nicht innerhalb der von der Widerspruchsabteilung festgesetzten Frist vorgelegt wurden, zu berücksichtigen sind oder nicht (Urteil vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM, C‑122/12 P, EU:C:2013:628, Rn. 33).

61

Daraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Beschwerdekammer bei der Prüfung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Nichtigkeitsabteilung nicht über ein solches Ermessen verfügt. Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung ist nämlich, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, im Hinblick auf die Prüfung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung lediglich eine Ausprägung des Grundsatzes, der sich aus Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt, der die Rechtsgrundlage von Regel 50 darstellt und eine Vorschrift enthält, die im System dieser Verordnung eine übergreifende Rolle spielt und deshalb unabhängig von der Art des betreffenden Verfahrens anwendbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2016, EUIPO/Grau Ferrer, C‑597/14 P, EU:C:2016:579, Rn. 25 und 27).

62

Folglich hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, indem es in den Rn. 24 bis 29 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Beschwerdekammer bei der Prüfung einer Beschwerde gegen die Entscheidung einer Nichtigkeitsabteilung zusätzliche Beweise für die ernsthafte Benutzung der betreffenden älteren Marke, die nicht binnen der von der Nichtigkeitsabteilung festgesetzten Frist vorgelegt wurden, berücksichtigen darf.

63

Soweit die Rechtsmittelführerin dem Gericht zudem vorwirft, eine unvollständige Würdigung der Kriterien vorgenommen zu haben, die eine Berücksichtigung solcher Beweismittel rechtfertigten, ist darauf hinzuweisen, dass eine Berücksichtigung verspätet vorgebrachter Tatsachen und Beweismittel durch das EUIPO, wenn es im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens zu entscheiden hat, insbesondere dann gerechtfertigt sein kann, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass die verspätet vorgebrachten Gesichtspunkte auf den ersten Blick von wirklicher Relevanz für das Ergebnis des bei ihm eingereichten Antrags auf Nichtigerklärung sein können und dass das Verfahrensstadium, in dem das verspätete Vorbringen erfolgt, und die Umstände, die es begleiten, einer solchen Berücksichtigung nicht entgegenstehen (vgl. entsprechend Urteile vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, EU:C:2007:162, Rn. 44, und vom 4. Mai 2017, Comercializadora Eloro/EUIPO, C‑71/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:345, Rn. 59).

64

Im vorliegenden Fall genügt allerdings die Feststellung, dass das Gericht in den Rn. 39 bis 44 des angefochtenen Urteils nicht nur geprüft hat, ob die verspäteten Beweismittel von wirklicher Relevanz waren, sondern auch, ob das Verfahrensstadium, in dem ihre verspätete Vorlage erfolgte, und die Umstände, die sie begleiteten, der Berücksichtigung dieser Beweismittel nicht entgegenstanden.

65

Soweit die Rechtsmittelführerin dem Gericht schließlich vorwirft, den Beweiswert bestimmter Beweismittel falsch eingeschätzt und ihren Inhalt verfälscht zu haben, ist darauf hinzuweisen, dass ein Rechtsmittel gemäß Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf Rechtsfragen beschränkt ist. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Die Würdigung dieser Tatsachen und Beweismittel ist somit vorbehaltlich ihrer Verfälschung keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren unterliegt (Urteil vom 17. März 2016, Naazneen Investments/HABM, C‑252/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:178, Rn. 59).

66

Außerdem muss ein Rechtsmittelführer angesichts des Ausnahmecharakters einer Rüge der Verfälschung von Tatsachen und Beweismitteln nach diesen Bestimmungen und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs insbesondere genau angeben, welche Gesichtspunkte das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben. Eine solche Verfälschung muss sich aus den Akten offensichtlich ergeben, ohne dass eine neue Tatsachen- und Beweiswürdigung vorgenommen werden muss (Urteil vom 22. September 2016, Pensa Pharma/EUIPO, C‑442/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:720, Rn. 21 und 60).

67

Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin unter dem Deckmantel des Vorwurfs, das Gericht habe Beweismittel verfälscht, in Wirklichkeit versucht, vom Gerichtshof eine neue Würdigung dieser Beweismittel zu der Frage zu erhalten, ob die erstmals vor der Beschwerdekammer vorgelegten Rechnungen – wie das Gericht in Rn. 42 des angefochtenen Urteils festgestellt hat – den Inhalt der der Nichtigkeitsabteilung vorgelegten Nachweise bestätigen und verdeutlichen sollten. Sie versucht hingegen in keiner Weise unter klarer Benennung der angeblich verfälschten Gesichtspunkte darzutun, dass das Gericht insoweit Feststellungen getroffen hätte, die offensichtlich dem Inhalt der Aktenstücke zuwiderliefen, oder dass es ihnen eine Bedeutung zugewiesen hätte, die ihnen offensichtlich nicht zukommt.

68

Daraus folgt, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin insoweit als unzulässig zurückzuweisen ist.

69

Nach alledem sind der erste und der zweite Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

70

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, dadurch gegen Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen zu haben, dass es die teils klanglichen, teils begrifflichen Unterschiede zwischen den in Rede stehenden Zeichen nicht berücksichtigt habe.

71

Zunächst habe es das Gericht in den Rn. 51 bis 61 des angefochtenen Urteils versäumt, eine klangliche Untersuchung der in Rede stehenden Marken vorzunehmen. In klanglicher Hinsicht werde die Unterscheidungskraft der fraglichen älteren nationalen Marke durch die Hinzufügung der Wortbestandteile „.bg“ stark verändert.

72

Sodann habe das Gericht mit der Annahme, dass die Unterscheidungskraft durch die Hinzufügung von Bild- und Wortbestandteilen nicht beeinträchtigt werde, einen Rechtsfehler begangen. Hierbei habe sich das Gericht in Rn. 56 des Urteils ausschließlich auf die verschiedenen Bestandteile der in Rede stehenden Marken gestützt, und nicht auf den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck. Allerdings bewirke zum einen aufgrund der Kennzeichnungsschwäche des Wortes „mobile“ das Fehlen des Bildbestandteils bei den Nutzungsformen „mobile.bg“ und „mobile bg“ im Rahmen des Gesamteindrucks einen solchen Unterschied, dass die Unterscheidungskraft beeinträchtigt werde. Zum anderen habe das Gericht bei seiner Beurteilung des Gesamteindrucks der fraglichen älteren nationalen Marke auch die Hinzufügung des Wortbestandteils „.bg“ nicht berücksichtigt, obwohl diese die Unterscheidungskraft des Gesamtzeichens beeinträchtige.

73

Schließlich habe das Gericht die begriffliche Bedeutung des Zeichens „mobilen.bg“ nicht geprüft. Im Gegensatz zu „mobile“ handle es sich bei „mobilen“ um ein bulgarisches Wort der Alltagssprache, das „beweglich, zur Bewegung fähig“ bedeute. Eine abweichende begriffliche Bedeutung führe jedoch notwendigerweise zu einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft.

74

Das EUIPO hält den Rechtsmittelgrund für unbegründet.

– Würdigung durch den Gerichtshof

75

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Vorwurf der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe die klangliche und begriffliche Ähnlichkeit zwischen der fraglichen älteren nationalen Marke in ihrer eingetragenen Form und den verschiedenen, für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung dieser Marke angeführten Wort- und Bildzeichen nicht geprüft, auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils beruht.

76

Aus den Rn. 56 bis 58 des angefochtenen Urteils, auf die teilweise in den Rn. 59 und 60 verwiesen wird, ergibt sich nämlich eindeutig, dass das Gericht bei der Prüfung, ob die Unterschiede zwischen der fraglichen älteren nationalen Marke und den betreffenden Zeichen ihre Unterscheidungskraft beeinträchtigen, sowohl ihre klangliche Ähnlichkeit gewürdigt hat – wobei es insbesondere unterstrichen hat, dass sie das Wort „mobile“ gemeinsam haben und dass die Hinzufügung bestimmter Bestandteile wie „.bg“, „bg“ oder „n“ in den Zeichen einen vernachlässigbaren Unterschied darstellt – wie auch ihre begriffliche Ähnlichkeit, wobei es die jeweils von ihnen vermittelte Nachricht und ihre Wahrnehmung durch das Publikum hervorgehoben hat.

77

Soweit die Rechtsmittelführerin rügt, das Gericht habe den von den unterschiedlichen Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck nicht berücksichtigt, beruht dies gleichermaßen auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils. Das Gericht hat eine solche Prüfung nämlich in den Rn. 58 und 59 des angefochtenen Urteils ausdrücklich durchgeführt. Insbesondere hat das Gericht in der zuletzt genannten Randnummer entgegen dem Vortrag der Rechtsmittelführerin festgestellt, dass die geltend gemachten Zeichen in Anbetracht des fehlenden Bildbestandteils und der Hinzufügung bestimmter Bestandteile mit der fraglichen älteren nationalen Marke insgesamt gleichwertig sind.

78

Des Weiteren ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vortrag im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelgrundes darauf abzielt, die Tatsachenwürdigung, die das Gericht in den Rn. 56 bis 60 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat, in Frage zu stellen, um hierzu eine neue Beurteilung des Gerichtshofs zu erhalten, was – gemäß der in Rn. 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung – nicht in dessen Zuständigkeit im Rahmen eines Rechtsmittels fällt.

79

Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

80

Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, dadurch gegen Art. 57 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 22 Abs. 3 und 4 der Durchführungsverordnung verstoßen zu haben, dass es in den Rn. 66 bis 69 des angefochtenen Urteils die Beurteilungen der Beschwerdekammer zu Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke als nicht fehlerhaft angesehen habe. Das Gericht habe insbesondere mit der Berücksichtigung undatierter und nicht auf den relevanten Zeitraum bezogener Beweismittel einen Fehler begangen.

81

Das EUIPO ist der Auffassung, dass dieser Rechtsmittelgrund unbegründet ist.

– Würdigung durch den Gerichtshof

82

Mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund versucht die Rechtsmittelführerin – ohne dem Gericht auch nur die geringste Verfälschung vorzuwerfen –, die Beurteilung des Gerichts zur Relevanz der von Rezon zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke vorgelegten Beweismittel in den Rn. 66 bis 69 des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen. Damit möchte sie eine neue Beurteilung dieser Beweismittel erreichen, was im Rahmen eines Rechtsmittels gemäß der in Rn. 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt.

83

Folglich ist der vierte Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

84

Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe gegen Art. 54 Abs. 2, Art. 56 Abs. 1 Buchst. a und Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen, indem es in den Rn. 75 bis 77 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die Beschwerdekammer nicht verpflichtet gewesen sei, sich zur Frage einer etwaigen Bösgläubigkeit der Inhaberin der fraglichen älteren nationalen Marke zu äußern.

85

Diese Frage betreffe nämlich die Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung und müsse daher immer geprüft werden, da beim Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen müsse. Das Rechtsschutzbedürfnis fehle aber dann, wenn dieser Antragsteller sein Recht an der älteren nationalen Marke rechtsmissbräuchlich erworben habe und es gleichermaßen rechtsmissbräuchlich einsetze. Das Gericht hätte mithin die Zuständigkeiten der Dienststelle ausüben müssen, die die streitigen Entscheidungen erlassen habe. Außerdem habe das Gericht auch nicht den Einwand der Verwirkung geprüft und somit gegen Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen.

86

Das EUIPO hält den Rechtsmittelgrund für unbegründet.

– Würdigung durch den Gerichtshof

87

Nach Art. 57 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 ist ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit zurückzuweisen, wenn der Inhaber einer älteren nationalen Marke, der ein Nichtigkeitsverfahren gegen eine Unionsmarke eingeleitet hat, auf Verlangen des Inhabers dieser Marke keinen Nachweis dafür erbringt, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor Stellung des Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit die ältere nationale Marke in dem Mitgliedstaat, in dem sie geschützt ist, für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung des Antrags beruft, ernsthaft benutzt hat.

88

Da das Fehlen einer ernsthaften Benutzung der älteren Marke somit, wenn es vom Inhaber einer im Rahmen eines Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit angegriffenen Unionsmarke geltend gemacht wird, schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung einen Grund darstellt, der für sich genommen eine Zurückweisung des Antrags rechtfertigt, hat das Gericht in Rn. 76 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Frage dieser Benutzung zu klären ist, bevor über den eigentlichen Antrag auf Nichtigerklärung entschieden wird, und mithin in diesem Sinne eine „Vorfrage“ darstellt.

89

Da die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall davon ausgegangen ist, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung von der Inhaberin der fraglichen älteren nationalen Marke für bestimmte Dienstleistungen, auf die die Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit gestützt wurden, erbracht wurde, und allein aus diesem Grund die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung aufgehoben hat, hat das Gericht daher zu Recht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Beschwerdekammer die Prüfung dieser Anträge gemäß Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 an die Nichtigkeitsabteilung zurückverweisen durfte, damit diese u. a. über das auf eine Unzulässigkeit der Anträge nach Art. 54 dieser Verordnung wegen der behaupteten Bösgläubigkeit der Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren gestützte Vorbringen der Rechtsmittelführerin entscheidet.

90

Es ergibt sich nämlich bereits aus dem Wortlaut von Art. 64 Abs. 1 der Verordnung, dass die Beschwerdekammer keineswegs gehalten ist, im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig zu werden, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, da sie insoweit über ein weites Ermessen verfügt.

91

Die Rechtsmittelführerin kann dem Gericht ferner nicht vorwerfen, ihren Vortrag zur Unzulässigkeit der Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit wegen Verwirkung nicht geprüft zu haben, da sich aus der Klageschrift im ersten Rechtszug ergibt, dass dieser Vortrag eng mit dem auf die Bösgläubigkeit der Antragstellerin gestützten Vorbringen verknüpft ist.

92

Folglich ist davon auszugehen, dass das Gericht mit der in den Rn. 76 und 77 des angefochtenen Urteils aufgeführten Begründung implizit, aber notwendigerweise den gesamten, letztlich auf die Bösgläubigkeit der Antragstellerin gestützten Vortrag der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen hat.

93

Folglich ist der fünfte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

94

Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, unter Verstoß gegen Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in den Rn. 79 bis 87 des angefochtenen Urteils den Umstand verkannt zu haben, dass die Beschwerdekammer die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung zu Unrecht insgesamt aufgehoben habe.

95

Da die Beschwerdekammer angenommen habe, dass die ernsthafte Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke nur für Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen nachgewiesen worden sei, hätte sie die Entscheidungen nur hinsichtlich dieser Dienstleistungen aufheben dürfen. Für die übrigen Dienstleistungen, deren Benutzung nicht nachgewiesen worden sei, hätte die Beschwerdekammer nach Art. 57 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie Regel 22 Abs. 2 und Regel 40 Abs. 6 der Durchführungsverordnung endgültig entscheiden und die teilweise Zurückweisung der Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit in einem der Rechtskraft fähigen Tenor zum Ausdruck bringen müssen.

96

Der Nichtbenutzungseinwand stelle nämlich entgegen der Entscheidung des Gerichts in Rn. 82 des angefochtenen Urteils keine Vorfrage dar, sondern müsse wie die Zulässigkeitsvoraussetzungen oder das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr geprüft werden. Die Beschwerdekammer hätte somit die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung aufheben und die Sache mit der Maßgabe an sie zurückverweisen müssen, dass die Prüfung der Verwechslungsgefahr nur noch für Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen vorzunehmen sei.

97

Mit der Entscheidung in Rn. 85 des Urteils, die Nichtigkeitsabteilung sei im Rahmen der erfolgten Zurückverweisung an die Beurteilung der Beschwerdekammer gebunden, habe das Gericht den Umstand verkannt, dass diese Abteilung gemäß Art. 64 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 durch die der Entscheidung zugrunde gelegte Beurteilung der Beschwerdekammer nur gebunden sei, „soweit der Tatbestand derselbe ist“. Wenn die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren nach der Zurückverweisung der Sache neue Nachweise für die ernsthafte Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke vorlegen und die Nichtigkeitsabteilung der Auffassung sein sollte, dass diese Nachweise nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 berücksichtigt werden dürften, wäre der in Rede stehende Sachverhalt nicht mehr identisch. Unter diesen Umständen könnten nachträglich vorgelegte Benutzungsnachweise für andere Dienstleistungen als Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen berücksichtigt werden.

98

Das EUIPO hält den Rechtsmittelgrund für unbegründet.

– Würdigung durch den Gerichtshof

99

Zunächst ist der sechste Rechtsmittelgrund aus denselben Gründen wie in den Rn. 87 und 88 des vorliegenden Urteils insoweit zurückzuweisen, als die Rechtsmittelführerin dem Gericht vorwirft, in Rn. 82 des angefochtenen Urteils befunden zu haben, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung einer älteren nationalen Marke im Sinne von Art. 57 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 eine Vorfrage darstelle, die vor der Entscheidung über die Anträge auf Nichtigerklärung zu klären sei.

100

Soweit die Rechtsmittelführerin im Übrigen rügt, das Gericht habe verkannt, dass die Beschwerdekammer die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung rechtsfehlerhaft insgesamt aufgehoben habe, ist darauf zu verweisen, dass der verfügende Teil einer Entscheidung – wie auch das Gericht in Rn. 83 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat – im Licht ihrer Begründung zu verstehen ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. Juli 2001, Irish Sugar/Kommission, C‑497/99 P, EU:C:2001:393, Rn. 15, und Urteil vom 22. Oktober 2013, Kommission/Deutschland, C‑95/12, EU:C:2013:676, Rn. 40)

101

So sieht Art. 64 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 für den Fall, dass die Beschwerdekammer die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Dienststelle zurückverweist, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, ausdrücklich vor, dass diese Dienststelle durch die der Entscheidung zugrunde gelegte rechtliche Beurteilung der Beschwerdekammer gebunden ist, soweit der Tatbestand derselbe ist.

102

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung, wie sich jeweils aus Rn. 61 der streitigen Entscheidungen ergibt, mit der Begründung aufgehoben, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke entgegen den darin getroffenen Feststellungen von der Inhaberin dieser Marke lediglich für Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen der Klasse 35 des Abkommens von Nizza erbracht worden sei.

103

Da die Nichtigkeitsabteilung – wie das Gericht in Rn. 86 des angefochtenen Urteils zu Recht unterstrichen hat – durch diese Begründung im Rahmen der von der Beschwerdekammer nach Art. 64 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verfügten Zurückverweisung gebunden ist, ist die Aufhebung der Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung durch die Beschwerdekammer gemäß Rn. 62 der streitigen Entscheidungen zwangsläufig dahin zu verstehen, dass sie diese Entscheidungen nur insoweit betrifft, als damit die Anträge auf Nichtigerklärung mit der Begründung zurückgewiesen wurden, dass der Nachweis einer ernsthaften Benutzung der älteren nationalen Marke für diese Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen nicht erbracht worden sei.

104

Da die Beschwerdekammer demgegenüber davon ausgegangen ist, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren nationalen Marke durch ihre Inhaberin für die übrigen Dienstleistungen, die Gegenstand der Anträge auf Nichtigerklärung waren, d. h. die Dienstleistungen der Klasse 35 des Abkommens von Nizza mit Ausnahme der Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen sowie die Dienstleistungen der Klasse 42 des Abkommens, nicht erbracht wurde, sind die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung – da sie insoweit vor dem Gericht nicht mit einer Klage angegriffen wurden – so zu verstehen, dass mit ihnen die Anträge auf Nichtigerklärung für diese Dienstleistungen endgültig zurückgewiesen wurden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. November 2017, British Airways/Kommission, C‑122/16 P, EU:C:2017:861, Rn. 82 bis 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105

Daraus ergibt sich, dass das Gericht in Rn. 86 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Nichtigkeitsabteilung im Rahmen der gemäß Art. 64 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgenommenen Zurückverweisung für die Prüfung der Begründetheit der Anträge auf Nichtigerklärung im Hinblick auf das in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung vorgesehene relative Eintragungshindernis ausschließlich die Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit Fahrzeugen der Klasse 35 des Abkommens von Nizza berücksichtigen darf.

106

Die Beschwerdekammer ist zwar, wie die Rechtsmittelführerin zutreffend anmerkt, gemäß Art. 64 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 durch die Begründung der Entscheidungen der Beschwerdekammer lediglich gebunden, „soweit der Tatbestand derselbe ist“.

107

Die Nichtigkeitsabteilung kann jedoch, wie die Generalanwältin in den Nrn. 44 und 46 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, keine neuen Beweise für die ernsthafte Benutzung der fraglichen älteren nationalen Marke nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 für Dienstleistungen prüfen, für die nach Ansicht der Beschwerdekammer – ohne dass die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren dies durch Erhebung einer Klage beim Gericht bestritten hat –, dieser Nachweis nicht erbracht wurde, ohne die Endgültigkeit ihrer eigenen Entscheidungen in Frage zu stellen und die Rechtssicherheit zu beeinträchtigen.

108

Folglich ist der sechste Rechtsmittelgrund als unbegründet zu verwerfen und das Rechtsmittel daher insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

109

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

110

Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO und von Rezon die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die mobile.de GmbH trägt die Kosten des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und der Rezon OOD.

 

Silva de Lapuerta

Fernlund

Arabadjiev

Rodin

Regan

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. Februar 2018.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Die Präsidentin der Ersten Kammer

R. Silva de Lapuerta


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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